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28 Robert Kurz<br />

Kriterium, sondern hauptsächlich der »politische Wille« (Primat der<br />

Politik) gegenüber den vermeintlich verwaltungstechnisch reduzierten,<br />

aber unaufgehobenen Warenkategorien, und später die abgrenzende<br />

politische Selbstbehauptung des »sozialistischen Lagers« gegenüber<br />

den westlichen Ansprüchen (Eiserner Vorhang). Damit wurde<br />

der historische Charakter dieses Sozialismus verkannt: nämlich sein<br />

Wesen als ein System nachholender Modernisierung, das gerade<br />

durch eine (nachholende) Implementierung warenförmiger Gesellschaftlichkeit<br />

statt durch deren Aufhebung gekennzeichnet war. Das<br />

ist auch nur logisch: was noch gar nicht entwickelt ist, kann auch<br />

nicht aufgehoben werden. Es geht dabei keineswegs um eine absolute,<br />

prädestinierte Zwangsläufigkeit von Entwicklung überhaupt. Aber<br />

man muß schon sehr weit zurückgehen (etwa ins Zeitalter der Pest, als<br />

die alte feudale Ordnung erschüttert wurde, aber die Weichen für die<br />

weitere Entwicklung noch nicht eindeutig gestellt waren), um die<br />

längst vergangene Möglichkeit eines grundsätzlich anderen und wahrscheinlich<br />

sehr viel langsameren Entwicklungsprozesses ausmachen<br />

zu können. Unter der Bedingung eines schon fortgeschrittenen kapitalistischen<br />

Weges im Westen aber war (nicht nur in Rußland) für die<br />

historischen Nachzügler zunächst gar nichts anderes möglich als<br />

»nachholende Modernisierung«.<br />

Diese Kennzeichnung als »objektivistisch« zu denunzieren, enthüllt<br />

unfreiwillig sämtliche Defizite des linken Aufklärungsdenkens.<br />

Dabei kann sogar Adornos Begriffskritik in einer Art Double-bind-<br />

Struktur instrumentalisiert werden: wird ein Begriff mit Bestimmtheit<br />

behauptet, z. B. eben die Wesensbestimmung des Sozialismus als<br />

nachholende Modernisierung, dann mokiert sich dieses Denken, daß<br />

eine Wirklichkeit mit allen ihren Möglichkeiten, Hoffnungen und<br />

Subjektivitäten unter eine objektive Bestimmung subsumiert werde; 6<br />

wird aber die Begriffskritik ihrerseits ernst genommen und mit ihrer<br />

Weiterentwicklung das Aufklärungsdenken und sein Subjektbegriff<br />

selber attackiert, dann schreien die Enkel der Kritischen Theorie erst<br />

recht auf. Das grundlegende Problem, in dem Adornos (bis heute unübertroffenes)<br />

Denken sich zuletzt bewegte, wird so affirmativ eingesargt<br />

statt kritisch weitergedacht.<br />

Das aufklärerische Subjektdenken in seiner linken Spätvariante<br />

ignoriert also weitgehend die immanente Entwicklungsproblematik<br />

und damit die Binnengeschichte der Moderne; die Aufhebung des Kapitalismus<br />

wird praktisch jederzeit für möglich (oder unmöglich) ge-

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