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40 Robert Kurz<br />

die »neue Bescheidenheit« simuliert). Auch der Dienstleistungsboom<br />

bis hin zum Ferntourismus schöpft wesentlich aus dieser Quelle der<br />

Simulationsökonomie. Daß diese unhaltbar ist, mag geahnt werden,<br />

spielt aber im Verhalten wie in der öffentlichen Debatte höchstens<br />

eine Nebenrolle. Diese ökonomische Reproduktion aus zweiter Hand<br />

wird für die meisten kein Leben lang reichen, aber das »So tun als ob«<br />

ist zum heimlichen gesellschaftlichen Grundkonsensus geworden.<br />

Die Simulation hat sich folgerichtig zur allgemeinen Ausdrucksform<br />

und auch zum theoretischen Muster entwickelt. Die Leichtigkeit<br />

des Scheins durchdringt alles und jedes, je mehr sich die Katastrophenmeldungen<br />

häufen. Wie sich das Selbstbewußtsein der »Simulationsjugendlichen«<br />

ins Outfit verlagert hat, so bauen überhaupt alle<br />

Subjekte in allen gesellschaftlichen Sphären an ihrem jeweiligen Potemkinschen<br />

Dorf. Der Potemkinsche Kanzler Kohl entspricht einer<br />

Gesellschaft, die »Professionalität« ebenso simuliert wie den Tausch<br />

der Geschlechtsidentitäten. Auch »Zivilität« und kulturelle Solvenz<br />

werden zu bloßen Simulationsprodukten. So paßt es ins Bild, daß die<br />

Kapitalismuskritiker die Kapitalismuskritik ebenfalls nur noch simulieren,<br />

indem sie einem schwachen, nicht nur durch und durch warenfetischistischen,<br />

sondern mittlerweile völlig marktwirtschaftskonformen<br />

Räsonnement weiterhin diesen Namen geben, statt den radikalen<br />

Paradigmenwechsel der Kritik selber zu vollziehen.<br />

Im Zuge der allgemeinen Theoriesimulation hat Ulrich Beck mit<br />

seinem Begriff der »reflexiven Modernisierung« den zentralen politischen<br />

und theoretischen Terminus des simulativen Bewußtseins hervorgebracht,<br />

19 der auch von der Restlinken zunehmend aufgegriffen<br />

wird. Dieser Begriff simuliert Erkenntnis ebenso wie Bewältigungsmöglichkeiten.<br />

»Modernisierung« ist aber nichts anderes als Entfesselung<br />

des warenproduzierenden Systems, was Reflexivität »über« die<br />

Fetischform selber gerade ausschließt. Die Becksche Formel wiederholt<br />

nur die Aufklärungsillusion, während sie gleichzeitig das ewige<br />

Weiterlaufen des fetisch-konstituierten Systemprozesses suggeriert.<br />

Genau das wollen die Damen und Herren Theorie- und Konzeptproduzenten<br />

hören: die »Risiken« sind gestiegen, gewiß, aber grundsätzliche<br />

Entwarnung ist angesagt; es geht weiter so, nur ein bißchen anders<br />

vielleicht.<br />

Die völlig nichtssagende Becksche Leerformel ist zum Allerweltsund<br />

Modebegriff geworden, weil die zentrale Frage nach einer Entkoppelung<br />

der Ressourcen von der fetischistischen und rein destruktiv

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