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20 Detlev Claussen<br />

»Grenzen der Aufklärung« zeigen. Es scheint dann evident, daß<br />

Auschwitz mehr und etwas anderes ist als »die Dekomposition bürgerlicher<br />

Kultur« in Deutschland. Auschwitz ist ein Name, der jedem<br />

Nachgeborenen aufgibt, alle Gewißheiten, nicht nur die projizierten<br />

Gewißheiten bei anderen, über Bord zu werfen. Auschwitz berührt in<br />

der Tat alles, was nach ihm kommt – und es läßt auch alles, was vor<br />

ihm war, nicht unberührt. Eine kritische Gesellschaftstheorie, die<br />

nicht von formalisierten positiven Erkenntnisweisen ausgeht, sondern<br />

von den verzerrenden Einheitsstiftungen des Bewußtseins, die sich als<br />

Produkte mißglückter Säkularisierung begreifen lassen, scheint erst<br />

am Anfang zu stehen. Sie knüpft an der falschen Identität von Massenmedienprodukten<br />

und den einzelnen Bewußtseinen an, die sich mit<br />

den Mitteln analytischer Sozialpsychologie aufknacken läßt. Die von<br />

der alten Kritischen Theorie geleistete Kritik der Identitätsphilosophie<br />

läßt sich fruchtbar machen, um die konformistischen »Wir«-Diskurse<br />

zu kritisieren, in denen Vergangenheit und Gegenwart zu geschichtsloser<br />

Unbestimmtheit verschwimmen. Die historische Differenz und<br />

der Abstand zu den Erkenntnissen von Benjamin, Horkheimer, Marcuse<br />

und Adorno liegt nicht im Vertrauen auf den wissenschaftlichen<br />

Fortschritt, sondern im Bewußtsein der gesellschaftsgeschichtlichen<br />

Differenz im erkennenden Subjekt selber. Den Begründern der Kritischen<br />

Theorie schien die Einheit von Tradition und Moderne, wenn<br />

auch als negative Totalität, noch gegeben. Den nachgeborenen Erben<br />

dieser Welt erscheint Tradition und Moderne als gleichermaßen fragmentiert:<br />

Der Zusammenhang ist nicht gegeben, sondern muß neu<br />

konstituiert werden.<br />

Das Programm einer neu zu begründenden Gesellschaftstheorie<br />

beginnt mit einer Kritik des Alltagsbewußtseins, die den Anspruch auf<br />

Sinn, den jedes Individuum in einer nachbürgerlichen Welt erhebt,<br />

ernst nimmt. Gerade das Vage und Unbestimmte macht die Versprechen<br />

der Kulturindustrie attraktiv, weil durch die Unbestimmtheit der<br />

Platz für die Hoffnung auf ein Anderes, das man Glück nennen<br />

könnte, freigehalten wird. Eine Kritik der Unbestimmtheit denunziert<br />

nicht den Anspruch auf Glück, sondern die Tatsache, daß es bei den<br />

Angeboten sich um schlechte und bisweilen verdorbene Waren handelt.<br />

Beurteilen läßt sich dieser Sachverhalt kompetent nur, wenn man<br />

eine Ahnung vom Ganzen hat.

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