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50 Christoph Türcke<br />

ren. Kein Zufall, daß Adorno seine 1948 erschienene Philosophie der<br />

neuen Musik als »ausgeführte[n] Exkurs zur ›Dialektik der Aufklärung‹«<br />

8 erachtete. Alle seine kulturkritischen Materialarbeiten der<br />

fünfziger und sechziger Jahre könnten übrigens diesen Untertitel haben.<br />

Selbst die Negative Dialektik arbeitet noch an der Fundierung der<br />

Dialektik der Aufklärung, und deren erstes Kapitel als abgeschlossenen<br />

Text lesen ist wie wenn man ein Exposé ohne die dazugehörigen<br />

Ausführungen beurteilt.<br />

Was wird aus einer Theorie, die das Grauen vorausgesehen hat,<br />

wenn es noch ungeheuerlicher als erwartet eintrifft und man gleichwohl<br />

das Glück hatte, es in gewisser Entfernung und angenehmer<br />

Umgebung zu überleben? Sie wandelt sich erstaunlich wenig – wenigstens<br />

bei Adorno. »Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit<br />

einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken<br />

und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole,<br />

nichts Ähnliches geschehe.« 9 Aber dieser kategorische Imperativ,<br />

der die Menschheit in eine vor und eine nach Auschwitz einzuteilen<br />

scheint, ändert an Adornos theoretischem Grundgerüst – nichts.<br />

Noch die 1966 beendete Negative Dialektik geht in hohem Maße auf<br />

Vorkriegsmotive zurück: »so stammen die ersten Entwürfe des Kapitels<br />

über Freiheit aus dem Jahr 1937, Motive von ›Weltgeist und Naturgeschichte‹<br />

aus einem Vortrag des Autors in der Frankfurter Ortsgruppe<br />

der Kant-Gesellschaft (1932). Die Idee einer Logik des Zerfalls<br />

ist die älteste seiner philosophischen Konzeptionen: noch aus<br />

seinen Studentenjahren.« 10 Und in einem Brief an Ernst Bloch von<br />

1962 heißt es: »Sehr vieles von dem, was ich in meiner Jugend geschrieben<br />

habe, hat den Charakter einer traumhaften Antezipation,<br />

und erst von einem gewissen Schockmoment an, der mit dem Ausbruch<br />

des Hitlerschen Reiches zusammenfallen dürfte, glaube ich eigentlich<br />

recht getan zu haben, was ich tat. Ich bin eben, wie meist sogenannte<br />

Wunderkinder, ein sehr spät reifender Mensch, und habe<br />

heute noch das Gefühl, daß das, wofür ich eigentlich da bin, alles erst<br />

noch vor mir liegt.« 11 Fest steht jedenfalls, daß ihn die Ungeheuerlichkeiten<br />

des 2. Weltkriegs in keiner Weise theoretisch aus dem Gleis<br />

geworfen, sondern zu enormer Produktivität stimuliert haben, während<br />

Horkheimer danach aphoristischer, zurückgezogener, stummer<br />

wurde und geneigt, die westliche Demokratie nun eher als Bollwerk<br />

gegen den Faschismus hochzuhalten, statt in ihr eher die Oberfläche

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