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36 Robert Kurz<br />

gleichbares zu finden, muß man schon viel weiter zurückgehen: nämlich<br />

zum Merkantilismus des 17. und 18. Jahrhunderts. In der Frühphase<br />

und in der Endphase des warenproduzierenden Systems zeigen<br />

sich ähnliche Strukturen, freilich auf jeweils ganz anderem Entwicklungsniveau.<br />

Obwohl in hochrationalisierten Produktionsstrukturen<br />

der Lohnkostenanteil beständig sinkt, hat als Reaktion auf die asiatische<br />

Offensive weltweit eine allgemeine Billiglohnkampagne und<br />

»Entsozialisierung« eingesetzt: in einem ungeheuren Verarmungsschub<br />

scheint sozial der Frühkapitalismus zurückzukehren. Die Nationalstaaten<br />

tendieren dazu, einen wachsenden Teil der eigenen Bevölkerung<br />

auf Hungerrationen zu setzen, den eigenen Binnenmarkt teilweise<br />

aufzugeben und das Heil in Exportoffensiven zu suchen. Aber<br />

wenn das alle machen, dann kommt es auf der Ebene des Weltsystems<br />

umso schneller zum Crash. Die Auseinandersetzungen um das GATT<br />

und die zunehmenden Handelskriege waren dabei nur das Vorspiel.<br />

Im Unterschied zum historischen Merkantilismus hat der Neomerkantilismus<br />

in der globalen Krise der Wertvergesellschaftung jedoch<br />

keinen historischen Spielraum mehr. Es ist nur der Schein des Frühkapitalismus,<br />

der gespenstisch sich wiederholt. Denn die Massenverarmung<br />

findet nicht mehr im Zuge einer ursprünglichen Akkumulation<br />

statt, in der die kapitalproduktive Vernutzung menschlicher Arbeitskraft<br />

im großen Maßstab beginnt, sondern im Gegenteil vor dem<br />

Hintergrund eines Zusammenbruchs der »Arbeit«, die von der »Produktivkraft<br />

Wissenschaft« überholt wird. Der fundamentale Trend ist<br />

die Rationalisierung, nicht der Billiglohn. Und die neue Qualität der<br />

Rationalisierung, die auf Basis der mikroelektronischen Revolution<br />

mehr Arbeit eliminiert als durch Markterweiterung reabsorbiert werden<br />

kann, ist durch den neomerkantilistischen Crash-Kurs nicht zu<br />

überspielen.<br />

Deshalb ist das neue Gesicht des Weltsystems zu Beginn der 90er<br />

Jahre auch nur eine Momentaufnahme. Die neomerkantilistische Orientierung<br />

der Nationalstaaten ist ja nur deren Krisenreaktion auf einen<br />

Prozeß, in dem sich die Nationalökonomien als solche in das unmittelbare<br />

Weltsystem auflösen. Damit wird letztlich der bisherigen warenproduzierenden<br />

Staatenwelt und ihrer Zivilisation die Grundlage und<br />

die Legitimation entzogen. Einerseits sind die zunehmenden Bürgerkriege,<br />

Sezessionismen und Verzweiflungsaktionen als Reaktion auf<br />

diesen weitergehenden nationalökonomischen Zusammenbruch manifest<br />

geworden. Andererseits wird durch den Neomerkantilismus

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