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38 Robert Kurz<br />
einmal mehr in der Armutsstatistik und fallen aus der warenförmigen<br />
Definition des Menschseins lautlos heraus.<br />
Analog dazu verfallen umgekehrt in der bisherigen Ersten Welt<br />
ganze Industrien und ganze Regionen. Nicht mehr »reiche Länder«<br />
und »arme Länder« stehen sich gegenüber wie in der vergangenen<br />
Epoche, sondern Schritt für Schritt breiten sich Armut, Verelendung<br />
und Verwahrlosung gleichmäßig über den gesamten negativ gleichzeitig<br />
gemachten Erdball aus. Nachdem der blinde Systemprozeß der<br />
Warenproduktion die Grenzen zwischen den »drei Welten« niedergerissen<br />
hat, haben wir es vorläufig mit einer Inkubationszeit zu tun, die<br />
den rapiden Abstieg des ehemaligen Ostblocks und den zeitweiligen<br />
Aufstieg der Schwellenländer auf Kosten der westlichen Industrien<br />
und der lohnabhängigen Massen des Westens erlebt. Die ideologische<br />
und rassistische, bis tief in den demokratischen Diskurs hineinreichende<br />
Option, eine Art neuen Limes gegen die »Barbaren« zu ziehen,<br />
18 wird erfolglos sein, weil es nicht allein um die Armutswanderung<br />
geht, sondern um die objektivierte Verallgemeinerung der warenförmigen<br />
Krisenstruktur. Am Ende wird es in allen Ländern<br />
gleichzeitig Erste Welt (Produktivitäts- und Beschäftigungsinseln),<br />
Zweite Welt (staatsterroristische Notstandsverwaltung) und Dritte<br />
Welt (Verslumung der Mehrheit) geben.<br />
Obszöner Reichtum und obszöne Armut stehen sich dann in einer<br />
global vereinheitlichten zivilisatorischen Verfallsstruktur unmittelbar<br />
gegenüber. Die Chaostheorie erlebt hier in einer bösen Ironie ihre negative<br />
Bestätigung; nicht als positive Resultante der Prosperität aus<br />
den fraktalen Strukturen des Marktchaos, sondern als totale Entmenschung<br />
der Marktökonomie. Nach dem chaostheoretischen Prinzip<br />
der Selbstähnlichkeit ist es nämlich »gesetzmäßig«, daß eine Systemstruktur<br />
sich in allen Größenordnungen dieser Struktur formähnlich<br />
reproduziert; die bisher im nationalökonomisch vermittelten<br />
Weltsystem »unähnlich« verteilten Elemente müssen daher bei einer<br />
Globalisierung der Ökonomie zum unmittelbaren Weltsystem »selbstähnlich«<br />
auf allen Größenordnungsstufen wiedererscheinen: vom einzelnen<br />
Dorf oder Stadtteil bis zum globalen Gesamtsystem. Dieses<br />
Ende kann freilich seinerseits keinen negativ stabilen Zustand generieren,<br />
in dem ein globaler Minderheitskapitalismus munter weiterakkumuliert.<br />
Abgesehen von den gewaltsamen Reaktionen der Verlierermehrheit<br />
setzt sich die Selbstähnlichkeit der Systemstruktur auch in<br />
dem Sinne fort, daß Konkurrenz und Rationalisierung, Entwertung