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26 Robert Kurz<br />
sätze und G-7-Beschlüsse. Hier ist nichts mehr »funktional«, auch<br />
nicht im Sinne irgendeiner Kapitalverwertung. Die funktionalistische<br />
Struktur selber verwildert. Die flächendeckende Durchsetzung der<br />
westlichen Verkehrsformen ist nicht identisch mit einem Sieg der<br />
westlichen Machtsubjekte. Der subjektlose Sieg der kapitalistischen<br />
Systemkriterien ist vielmehr identisch mit dem Verfall aller kapitalistischen<br />
Ordnungspolitik. Der Anfang der Neuen Weltordnung als<br />
globale Systemstruktur des Chaos bedeutet also gleichzeitig das Ende<br />
der Neuen Weltordnung als Programmkonstrukt in den Köpfen der<br />
Präsidenten, Konzernvorstände, Finanzstrategen, Planungsstäbe und<br />
wissenschaftlichen Wasserträger. Sie werden vom Chaos der Neuen<br />
Weltordnung überrollt, bevor sie diese selber ordnungspolitisch erfinden<br />
können. So kommt es, daß die mit unheimlicher Selbständigkeit<br />
sich vollziehende »Ordnungsveränderung« von den kapitalistischen<br />
Machern selber zunehmend als Verhängnis empfunden wird.<br />
Aber wie ist diese negative Gesamtentwicklung zu interpretieren?<br />
Die Reste der geschlagenen sozialistischen Linken ziehen es meistens<br />
vor, die neue Situation in den alten Begriffen zu beschreiben. Danach<br />
sei es die pure Existenz der (wie immer zu kritisierenden, von Unterdrückung,<br />
Bürokratie usw. deformierten) östlichen Gegenmacht gewesen,<br />
die »den Kapitalismus« dazu veranlaßt habe, aus strategischen<br />
Gründen »soziale Kompromisse« einzugehen und sich selber rechtsstaatlich<br />
zu domestizieren. Mit dem Wegfallen dieser Macht kehre<br />
»das Kapital« jetzt zur hemmungslosen Ausbeutung und offenen Repression<br />
zurück. Nun stimmt es zwar, daß das »Gleichgewicht des<br />
Schreckens« in der bipolaren Nachkriegskonstellation tatsächlich bei<br />
inneren Konflikten die Machtträger in beiden Lagern zu einer gewissen<br />
Zurückhaltung gezwungen hat. Aber dennoch wird hier das Problem<br />
noch in altaufklärerischen subjekttheoretischen Terms definiert<br />
(private Verfügungsgewalt, Vorherrschaft, monopolistische Macht<br />
etc.), die den gesellschaftlichen Prozeß weitgehend in einem Subjekt<br />
dieses Prozesses (in dessen Willensäußerungen und Handlungen) aufgehen<br />
lassen.<br />
Eine solche Denkweise fällt immer schon hinter die Marxsche<br />
Theorie zurück; jedenfalls hinter jene Argumentationsebene dieser<br />
Theorie, die das Kapital als blinden, fetisch-konstituierten Systemprozeß<br />
bestimmt hat. Jetzt rächt es sich auch, daß die linke Kapitalismuskritik<br />
auf die postmodernen Theorien, in denen dem Subjekt konstruktivistisch/dekonstruktivistisch<br />
und affirmativ »der Prozeß ge-