Schlesischer Gottesfreund
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LESERBRIEF 92<br />
Leserbrief von Monika Kahleyss, Pforzheim zum Beitrag:<br />
Spätfolgen von Flucht und Vertreibung von Traugott<br />
Schall SG/5/2012<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
auf Vermittlung von Frau Morlock-Gulitz bin ich vor<br />
Jahren in die Gemeinschaft evang. Schlesier eingetreten,<br />
auch aus Interesse an meiner Geburtsheimat Schlesien.<br />
Durch die Lektüre der verschiedenen Hefte bin ich schon<br />
sehr viel mehr eingedrungen in die schlesische Seele,<br />
Geschichte, Kirchengeschichte und Vergangenheit.<br />
Nun endlich, kommt das Thema auf, das auch mein<br />
Leben entscheidend geprägt hat, ich bin 1943 in Breslau<br />
geboren und über Steinseifersdorf im Eulengebirge ins Sudetenland<br />
getragen worden (der Heimat meines Vaters).<br />
Meine Mutter wurde dann von dort mit den Schwiegereltern<br />
vertrieben (nachdem sie alle Schikanen durch die<br />
Tschechen erduldet hatte), wir kamen wahrscheinlich auch<br />
über Görlitz nach Pommern und von dort endlich nach<br />
Franken in die Nähe von Ansbach, wo wir meinen Vater,<br />
aus englischer Gefangenschaft kommend, wieder trafen<br />
bzw. ich ihn mit 5 Jahren zum ersten Mal sah und kennenlernte.<br />
Die seelische Not der Erwachsenen wurde – wie Sie<br />
richtig schildern – „preußisch” bewältigt, d.h. es wurde<br />
überhaupt nicht darüber gesprochen, warum wir das alles<br />
erdulden mußten. Später, nachdem ich in der Schule die<br />
Filme von Dachau u.ä. gesehen hatte und daheim nachfragte,<br />
wurden solche Fragen abgebügelt, wir wollen davon<br />
nichts wissen, wir haben selber zu viel mitgemacht Daß<br />
das Wort mitgemacht eine doppelte Bedeutung haben kann,<br />
ist mehr erst in meinem späteren Alter klar geworden.<br />
Abgesehen davon, daß mein Vater, ähnlich wie Ihr<br />
Schwiegervater, nie darüber sprach, hat er die Vertreibung<br />
Auf zwei Veranstaltungen der Kirchlichen Stiftung Evangelisches<br />
Schlesien im Monats Juni sei an dieser Stelle<br />
nochmals ausführlicher hingewiesen:<br />
1.<br />
Ganztagsfahrt<br />
„Auf den Spuren Benjamin Schmolcks”<br />
am 9.06.2012<br />
in Kooperation mit dem Kulturreferenten<br />
am Schlesischen Museum Görlitz<br />
In diesem Jahr wiederholt sich zum 275. Mal der Todestag<br />
von Benjamin Schmolck, dem bedeutenden Liederdichter<br />
und Erbauungsschriftsteller und wohl auch bekanntesten<br />
Pfarrer an der Friedenskirche in Schweidnitz.<br />
Leserbrief<br />
als persönlichste Kränkung seines Lebens empfunden und<br />
nie aufgearbeitet. Er war später auch wieder tüchtig, im<br />
Beruf, im Hausbau, Auto und alles was dazu gehört, nur er<br />
gehörte nicht zu der Gesellschaft in der er lebte. Er sprach<br />
immer von: „die da,” auch nach Jahrzehnten. Wie groß sein<br />
Heimweh war, habe ich erst begriffen, als sie das Haus in<br />
Nürnberg aufgaben und nach Oberstaufen zogen, weil es<br />
dort so aussah wie daheim, er hatte noch etliche Jahre<br />
lebenswertes Leben dort, aber mit der einheimischen Bevölkerung<br />
hatte er wenig Kontakt – man blieb mit den anderen<br />
Heimatvertriebenen unter sich....<br />
Ich bin im Ruhestand nach Breslau gefahren, habe die<br />
Stätten die mir namentlich bekannt waren, besucht und<br />
auch Abschied genommen vom Land meiner Väter.<br />
Ich lebe nun seit fast 40 Jahren in Baden-Württemberg<br />
(nach Jahren des Umherziehens) – für die hier geborenen<br />
bin ich immer noch eine „reingeschmeckte” – auch weil ich<br />
den Dialekt nicht spreche, ich aber fühle mich heute als<br />
Wahlpforzheimerin was einen anderen Stellenwert bekommt,<br />
wenn ich sage, ich habe mich bewußt für Pforzheim<br />
entschieden und bin hier nicht nur geboren. Ich habe<br />
mein Leben nach dem Wahlspruch von Christine Brückner<br />
gelebt: wer keine Heimat hat, kann überall hin, doch nun<br />
im Alter gilt das nicht mehr ganz. Ich habe nun hier<br />
Wurzeln geschlagen und möchte nicht noch einmal wo<br />
anders neu anfangen.<br />
Ich danke Ihnen für diese Art von Rückblick, der auch<br />
ein Ausblick in die Zukunft sein kann, wir müssen unseren<br />
Kindern noch weit mehr erzählen von unseren Erlebnissen<br />
– die Generation vor uns hat geschwiegen, wir aber sollten<br />
nicht schweigen, sondern das erzählen, was wir wissen und<br />
damit zur Völkerverständigung gen Osten beitragen. ...<br />
Vorstehende Zuschrift ist in gekürzter Fassung wiedergegeben.<br />
(Anm. d. Redaktion) �<br />
Veranstaltungen der Stiftung Evangelisches Schlesien<br />
Die Ganztagesfahrt bietet die Gelegenheit sich mit dem Ort<br />
seines Schaffens, der Friedenskirche, vertraut zu machen.<br />
In der Kirche soll die Kanzel besonderer Betrachtung<br />
gewürdigt werden. Doch auch im Umfeld der Kirche hat<br />
sich in den letzten Jahren vieles getan, das Beachtung finden<br />
sollte.<br />
Dr. Stephan Aderhold, Musikwissenschafter, wird in<br />
einem Vortrag das theologische, dichterische und pfarramtliche<br />
Wirken Schmolcks nahe bringen.<br />
Nach der Mittagspause begeben sich die Teilnehmer auf<br />
Spurensuche in Schweidnitz.<br />
Ein kleines Konzert in der Friedenskirche, das Werke<br />
von Schmolck zum Gegenstand hat, beschließt den Tag,<br />
wobei auch Gelegenheit sein wird, in das eine oder andere<br />
Lied mit einzustimmen.