Schlesischer Gottesfreund
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Weltkrieges westlich der Oder-Neiße-Grenze lag und nicht<br />
unter polnische Verwaltung kam, mit einer Fläche von<br />
9.700 Quadratkilometern, um ein Vielfaches größer also als<br />
das evangelische „Görlitzer Kirchengebiet”.<br />
Die politische Situation brachte es mit sich, daß die nun<br />
in der sowjetischen Besatzungszone beheimateten Katholiken<br />
allmählich die Verbindung zum alten Erzbistum verloren,<br />
da sie ähnlich wie bei den evangelischen Schlesiern<br />
nur sehr selten mit den identitätserhaltenden Zeitungen in<br />
Berührung kamen.<br />
So fand und findet meiner Kenntnis nach, ähnlich dem<br />
„<strong>Gottesfreund</strong>”, „Schlesien in Kirche und Welt” (1952:<br />
„Der schlesische Katholik”; 1974: „Heimatbrief der<br />
Katholiken aus dem Erzbistum Breslau”; seit 2000:<br />
„Schlesien in ...”) in den alten Bundesländern größere<br />
Verbreitung als auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.<br />
Entsprechend gestaltete es sich auch mit dem Inhalt, der<br />
zwar nie außer Acht ließ, daß in einem guten Teil des alten<br />
Erzbistums immer noch deutsch gesprochen wurde, aber<br />
aktuelle Berichterstattung war von dort bis zum Fall der<br />
Mauer ohnehin nur äußerst eingeschränkt möglich. Hinzu<br />
„Malen Sie auch Selige?” – Ökumene einmal ganz anders<br />
Wenn wir den Blick über den Zaun richten, kann es<br />
geschehen, daß der Nachbar uns anspricht, daß<br />
sich ein Dialog entwickelt, daß wir einander näherkommen,<br />
daß wir uns fremde Lebens- und Sichtweisen<br />
wahrnehmen und akzeptieren lernen. So ist es auch mir<br />
ergangen, als mich im Februar diesen Jahres ein ungewöhnlicher<br />
Auftrag ereilte.<br />
Dem vorausgegangen war die hierzulande vielbeachtete<br />
Seligsprechung der gebürtigen Görlitzerin Hildegard<br />
Burjan am 29.Januar 2012 im Wiener Stephansdom.<br />
Hildegard Burjan entstammte einer jüdisch-liberalen<br />
Familie und studierte nach ihrem Weggang aus Görlitz in<br />
Zürich Literatur und Philosophie, promovierte 1908 mit<br />
magna cum laude zum Dr. phil. um hernach in Berlin<br />
Sozialwissenschaft zu studieren. 1908 erkrankte sie schwer<br />
und wurde von den Barmherzigen Schwestern vom Hl. Karl<br />
Borromäus gepflegt. Diese beeindruckten sie mit ihrer aufopfernden<br />
Hingabe an andere Menschen aus dem Glauben<br />
heraus sehr. Das mag auch ein wesentlicher Grund dafür<br />
gewesen sein, daß sie 1909 zum katholischen Glauben konvertierte.<br />
Sie setzte sich besonders intensiv für Frauen ein.<br />
1912 gründete sie den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“,1918<br />
den Verein „Soziale Hilfe“ und am 4.<br />
Oktober 1919 die religiöse Schwesterngemeinschaft Caritas<br />
Socialis (CS), die sich bis heute karitativen Aufgaben<br />
widmet, u.a. Pflegeheime und ein Hospiz führt und sich für<br />
die Ausbildung von Sozialberufen engagiert.<br />
Ich habe es sofort als Ausdruck eines guten ökumenischen<br />
Miteinanders verstanden, als mir die Frage gestellt<br />
wurde, ob ich mich dazu in der Lage sähe, ein großformatiges<br />
Porträt der Seliggesprochenen anzufertigen, das für<br />
ANDREAS NEUMANN-NOCHTEN<br />
BEITRÄGE<br />
kommt, daß das Bistum Görlitz (zunächst Erzbischöfliches<br />
Amt Görlitz; seit 1972 Apostolische Administratur; ab<br />
1994 Bistum) von den in der Diaspora lebenden Gläubigen<br />
relativ schnell als eigenständige Einheit wahrgenommen<br />
und akzeptiert wurde.<br />
Als 2005 der Sprengel Görlitz in die Mitherausgeberschaft<br />
des „<strong>Gottesfreund</strong>es” eintrat und von nun an verstärkt<br />
auch aus der „restschlesischen Kirche” berichtet wurde,<br />
war die Verwunderung unter der alteingesessenen Leserschaft<br />
zunächst groß; auch Protest wurde laut. Ähnliche<br />
Tendenzen gab es auch bei „Schlesien in Kirche und Welt”.<br />
Inzwischen sind Jahre ins Land gegangen und es ist auf<br />
beiden Seiten zur guten Normalität geworden, daß schlesische<br />
Identität eben nicht nur im Erinnern und Bewahren<br />
von Erinnerung zu finden ist, sondern daß sie immer noch<br />
ihren ganz diesseitigen festen Platz auf deutschem Boden<br />
hat. Und, was noch viel wichtiger ist, daß schlesische<br />
Identität zu neuen Formen gefunden hat, die im gläubigen<br />
wie menschlichen Miteinander der vormaligen und neuen<br />
Bewohner Schlesiens sichtbaren Ausdruck findet. �<br />
eine Abordnung aus Wien bestimmt sei und sagte zu. „Was<br />
geht einem evangelischen Theologen durch den Kopf,<br />
wenn er für Katholiken das Abbild einer Seligen malen<br />
soll?” Als mir ein Bekannter diese Frage stellte, war ich um<br />
eine gute Antwort verlegen und konnte ihn nur darum bitten,<br />
das Ergebnis meiner Arbeit abzuwarten: Eine junge<br />
Frau verläßt den Ort ihrer Kindheit; in der linken unteren<br />
Bildhälfte, nur andeutungsweise, das Wohnhaus; dahinter,<br />
ebenfalls nur schemenhaft, die Kuppel der Synagoge (die<br />
zu diesem Zeitpunkt noch garnicht stand) und der Turm der<br />
katholischen Heilig-Kreuz-Kirche; sie schreitet ins Helle,<br />
aber eben auch Unbestimmte, dessen Deutung erst aus dem<br />
Hier und Heute möglich ist.<br />
Bildübergabe in der Görlitzer Kathedrale St. Jakobus an die Wiener<br />
Delegation Foto: Raphael Schmidt