Schlesischer Gottesfreund
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BEITRÄGE 88<br />
alter tragen möchte. Mitten im Zweiten Weltkrieg läßt er<br />
den Christophorus sagen: „Es muß mir genügen, wenn ich<br />
das Heilandsknäblein über den reißenden Strom der gegenwärtigen<br />
Zeit in die Zukunft hinein rette.” Denn „aus dem<br />
freundlichen Feuer des menschlichen Herdes hat sich ein<br />
Weltbrand entwickelt, der nach Menschengedenken nicht<br />
mehr zu löschen ist. Und doch muß dieser Brand gelöscht<br />
werden, wenn der Mensch nicht verschwinden oder zum<br />
Raubtier werden will.”<br />
Zukunftspessimismus? Zukunftsoptimismus? „Allerdings<br />
werden immer wieder Sprossen zur Himmelsleiter<br />
gezimmert. Die ungeheuren Erfindungen zweier Jahrhunderte<br />
haben Erleichterungen, Förderungen, Beglückungen<br />
aller Art für das menschliche Dasein zur Folge gehabt.<br />
Aber immer zerbricht die Leiter wieder, und dann sinkt die<br />
betrogene Menschheit immer wieder in höllische Ab-gründe.<br />
Aber die fixe Idee, und besonders die meine, ändert sich<br />
nicht, auch wenn sich wieder und wieder die Himmels(!)leiter<br />
in die Abgründe des Verderbens tiefer und tiefer<br />
fortsetzt, wo Kampf, Totschlag, Wut, Mordgier, kurzum<br />
der Krieg und wieder der Krieg die alleinige Auswertung<br />
aller Geschenke des menschlichen Ingeniums ist und allen<br />
deutlich begriffenen Segen dieser Geschenke ebenso deutlich<br />
in Fluch und Verderben verwandelt.”<br />
Hauptmann ist entsetzt über die Bombenangriffe auf<br />
wehrlose Städte, ja er ahnt schon die Gefahr der Atomwissenschaft.<br />
Dazu lesen wir: „Zwar erst neuerdings sind uns<br />
Naturerkenntnisse ungeheuerster, allergefährlichster Art<br />
aufgegangen, die doch wiederum unbegreifliche Wunder<br />
bedeuten. Blind, scheint es, gibt die Natur sich preis. Aber<br />
wenn sie uns überschüttet mit Wohltaten, verbindet sich mit<br />
diesem Tun etwas wie satanische Gleichgültigkeit.”<br />
Wir tun es ja ständig, – wenn auch im übertragenen<br />
Sinne – unsere Blicke über irgendwelche Zäune<br />
schweifen zu lassen. Schuld daran ist zum guten<br />
Teil jenes seinem Ursprung nach so schwer zu bestimmende<br />
und jedem Menschen innewohnende Streben nach<br />
Wissen und Gewißheiten, was in unserem Sprachgebrauch<br />
schlichtweg die Neugier ist. Daß diese sich wiederum in<br />
zwei wesentliche Seinsformen aufteilt, die Sensationslust<br />
und die Wißbegierde, sei nur am Rande erwähnt, zumal der<br />
langen Vorrede Sinn auf ein vollkommen anderes Ziel<br />
zustrebt, als sich bislang vermuten läßt. Denn, wenn auch<br />
die Neugier in unterschiedlicher Weise und Kräftigkeit<br />
unser Dasein prägt, so kann man dennoch nur auf das neugierig<br />
sein, was, in welcher Form auch immer, unsere<br />
Wahrnehmung gestreift hat. Anders gesagt, es bedarf<br />
immer des Anstoßes von außen um die in uns schlummernde<br />
Neugier zu wecken. Das wiederum, ist ein nicht unwesentlicher<br />
Auftrag, dem sich Zeitungen, Zeitschriften, ja<br />
Informationsmedien schlechthin, vepflichtet fühlen – so<br />
auch der <strong>Gottesfreund</strong>.<br />
„Ein Blick über den Zaun”<br />
ANDREAS NEUMANN-NOCHTEN<br />
Für Hauptmann muß, sagen uns die ´Christophorus`-<br />
Fragmente, die neue Welt kommen, ein neues Weltalter.<br />
Kommunismus und Kapitalismus, schreibt er, kämen dafür<br />
nicht mehr in Betracht, „weil wir ja selbstverständlich einer<br />
für alle und alle für einen stehen müßten. Ebensowenig die<br />
komplizierten Fragen der religiösen Bekenntnisse ... Es<br />
bereiten sich Dinge vor, die einer allgemeinen Umwälzung<br />
des Menschengeschlechts gleichkommen.” „So über alle<br />
Maßen sind die Anfangsgeschenke dieses Weltalters:<br />
Maschinen, Fernhören, Fernsehen und so fort, daß der einfache<br />
Mensch sie gar nicht mehr sieht und nur umfassende<br />
Geister sie einigermaßen begreifen. Was angeblich durch<br />
Luther in der Hauptsache reformiert wurde, war das Christentum,<br />
die Hauptidee des vorigen Weltalters. Diese<br />
Hauptidee... liegt in der Agonie. Dagegen fehlt dem neuen<br />
europäischen Weltalter noch die Hauptidee.” – Solche „Ideen”<br />
des Nobelpreisträgers lesend möchte man vieles fragen ...<br />
Auch wenn er nachdenkt über die Weltangst, über den<br />
Sinn des Lebens, über den wahren Menschen. Dazu,<br />
schreibt Hauptmann, habe der Dichter nur das Wort: „Die<br />
Sprache ist der Menschheit allerhöchster Besitz. Sie allein<br />
trägt den Geist. Und was man auch Übles und Herabwürdigendes<br />
über Menschen sagen mag, die Sprache ist ihr<br />
unantastbarer Adelsbrief zur Gottheit ... die Lösung aller<br />
Fragen des Lebens ruht in ihr, seelischer, denkerischer und<br />
metaphysischer Art, und schließlich des Menschen Erkenntnis<br />
seiner selbst.”<br />
Ganz folgerichtig schreibt deshalb Gerhart Hauptmann<br />
in einer seiner letzten überlieferten Äußerungen über sich<br />
selber: „Es steckt viel Ungehobenes in meinem Werk, das<br />
der Gegenwart und künftiger Zeit viel, viel helfen kann”; -<br />
der 85-Jährige ist noch gar nicht bescheiden geworden. �<br />
Vor einigen Jahren fiel mir die ehrenvolle Aufgabe zu, im<br />
Auftrag eines kleinen Verlages die Satz und Layoutarbeiten<br />
für „Schlesien in Kirche und Welt” erledigen zu können. Zu<br />
meiner Schande mußte ich gestehen, die Publikation zwar<br />
äußerlich hin und wieder in Augenschein genommen zu<br />
haben, aber nie neugierig genug war, auch einen Blick hinein<br />
zu tun. Bei einem Telefonat mit dem Herausgeber Herrn<br />
Visitator Dr. Joachim Giela fragte dieser mich seinerzeit,<br />
ob es für mich nicht problematisch sei, sozusagen für die<br />
Konkurrenz tätig zu werden. Nachdem ich ihn bei den Jubiläumsveranstaltungen<br />
der Gemeinschaft in Wiesbaden kennenlernen<br />
durfte, kann ich mir lebhaft sein verschmitztes<br />
Lächeln bei dieser Frage vorstellen.<br />
Ein knappes Jahr habe ich damals die Herausgabe der<br />
Zeitschrift als Beobachter begleitet, habe den Blick über<br />
den Zaun werfen können ... und bin neugierig geblieben.<br />
„Schlesien in Kirche und Welt” richtet sich an die Katholiken,<br />
die ihre Wurzeln im alten Erzbistum Breslau<br />
haben. Das heutige Bistum Görlitz entspricht jenem Teilgebiet<br />
des Erzbistums Breslau, das bei Ende des Zweiten