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Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...

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<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong> > <strong>2011</strong><br />

Schwerpunkt:<br />

Armut von Frauen in Bremen<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen


<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong> > <strong>2011</strong><br />

Schwerpunkt:<br />

Armut von Frauen in Bremen<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen


<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong><br />

Herausgeber<br />

Verfasser/innen<br />

Redaktion<br />

Gestaltung<br />

Fotos<br />

Druck<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

Bürgerstraße 1<br />

28195 Bremen<br />

Telefon 0421· 36301-0<br />

Telefax 0421·36301- 89<br />

info@ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.de<br />

www.ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.de<br />

Petra Buhr, Elke Heyduck, Ralf Lorenzen,<br />

Barbara Rinken, Paul M. Schrö<strong>der</strong>,<br />

Thomas Schwarzer<br />

Elke Heyduck, Martina Kedenburg,<br />

Hanna Mollenhauer, Nathalie San<strong>der</strong>,<br />

Thomas Schwarzer<br />

Designbüro Möhlenkamp,<br />

Marlis Schuldt, Jörg Möhlenkamp<br />

Kay Michalak<br />

müllerDITZEN, Bremerhaven<br />

Abgeschlossen im Mai <strong>2011</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Elke Heyduck / Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

1 Einleitung<br />

Thomas Schwarzer / Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

2 Armut von Frauen durch Bildungsarmut<br />

und prekäre Positionen im Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

2.1 Vertieft sich die Spaltung in privilegierte und unterprivilegierte Frauen?<br />

2.2 Exkurs: Bildungsarmut von jungen Frauen – in Deutschland und Bremen<br />

2.3 Armutsrisiken von jungen Frauen in <strong>der</strong> Berufsfindungsphase<br />

2.4 Teilzeitar<strong>bei</strong>t und Minijobs –<br />

Erwerbstätigkeit schützt nicht vor Einkommensarmut<br />

2.5 Die Niedriglohnentwicklung und <strong>der</strong> Lohnabstand<br />

zwischen Männern und Frauen als Armutsursache<br />

2.6 Beziehen Frauen Sozialleistungen – im Sinne staatlicher<br />

›Armutsbekämpfung‹ –, verbleiben viele in Einkommensarmut<br />

2.7 Fazit<br />

Interview mit Dr. Petra Buhr / Universität Bremen<br />

3 Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

Dr. Barbara Rinken / Hochschule Bremen<br />

4 Armut und Alleinerziehen<br />

Ralf Lorenzen / Soziologe, freier Journalist<br />

5 Alltägliche Armut – junge Frauen, Alleinerziehende, Ältere<br />

Paul M. Schrö<strong>der</strong> / Bremer Institut für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung und Jugendberufshilfe<br />

6 Zahlen, Daten, Fakten <strong>zur</strong> Armut im Land Bremen<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (SGB II) nach Geschlecht, Altersgruppen, in Bedarfsgemeinschaften,<br />

im Verhältnis <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote und im Städtevergleich<br />

Kin<strong>der</strong> und an<strong>der</strong>e nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige und SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen nach Stadt- und Ortsteilen<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften: Bewilligte Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat<br />

Grundsicherung im Alter<br />

6<br />

10<br />

30<br />

38<br />

50<br />

72


4<br />

x Susanne Kling<strong>bei</strong>l hilft ihrer Tochter Anna-Lena <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach einem Praktikumsplatz


Wir bedanken uns herzlich<br />

<strong>bei</strong> Familie Kling<strong>bei</strong>l für den Einblick ins Familienleben.<br />

Susanne Kling<strong>bei</strong>l, 41, lebt mit ihren <strong>bei</strong>den Töchtern in Bremen-<br />

Nord. 2004 verlor sie völlig unerwartet ihren Mann, <strong>der</strong> nur<br />

54 Jahre alt wurde. Mutter und Töchter zogen daraufhin in eine<br />

Dreizimmerwohnung. Da Susanne Kling<strong>bei</strong>l keine Berufsausbildung<br />

hat, war die Familie zunächst auf die Finanzierung durch<br />

Sozialhilfe angewiesen. ›Das Sozialamt hat in unserem Fall<br />

anstandslos geholfen, da kann ich mich nicht beklagen‹, sagt<br />

die alleinerziehende Mutter.<br />

Trotzdem fiel sie in ein tiefes Loch, bis sie 2005 aus eigener<br />

Initiative <strong>bei</strong>m Haus <strong>der</strong> Zukunft Hilfe suchte. Dort fand sie ein<br />

offenes Ohr für ihre Situation und relativ schnell einen Ein-Euro<br />

Job. Heute ar<strong>bei</strong>tet sie für eine Aufwandsentschädigung als<br />

Küchenleiterin im (Verbundprojekt) Mehrgenerationenhaus. Das<br />

Haus <strong>der</strong> Zukunft stand ihr mit Rat und Tat <strong>zur</strong> Seite und die<br />

Menschen haben ihr wie<strong>der</strong> eine Aufgabe gegeben. ›Die Ar<strong>bei</strong>t<br />

ist Ablenkung vom Alltag, man wird gebraucht. Das ist ein gutes<br />

Gefühl‹, sagt sie. ›Sonst wäre ich wohl eine Stubenhockerin<br />

geworden.‹ Und Tochter Anna-Lena ergänzt: ›Als es dir besser<br />

ging, ging es auch uns besser.‹<br />

Die 15-jährige Anna-Lena macht den Realschulabschluss und<br />

möchte gerne Zahntechnikerin werden. Ihre Schwester Lysa-<br />

Marie ist 20, hat das Fachabitur für Gestaltung und macht eine<br />

Ausbildung <strong>zur</strong> gestaltungstechnischen Assistentin.<br />

Finanziell kommt die Familie mit Witwen- und Halbwaisenrente<br />

plus Hartz IV über die Runden, allerdings wird das Schülerbafög<br />

von Lysa-Marie mit <strong>der</strong> staatlichen Unterstützung verrechnet.<br />

Im nächsten Jahr möchte Susanne Kling<strong>bei</strong>l gerne eine Weiterbildung<br />

absolvieren, mit <strong>der</strong> sie den Bremer Dienstleistungspass<br />

erhält. Mit ihm hätte sie eine Grundlage für Bewerbungen auf<br />

dem ersten Ar<strong>bei</strong>tsmarkt.<br />

5


6<br />

Einleitung<br />

x Das Zimmer von Tochter Lysa-Marie ist Schlafraum, Fernsehraum und Malatelier


Elke Heyduck x Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

1 Einleitung<br />

Beginnen wir mit <strong>der</strong> guten Nachricht: Die<br />

Situation von Frauen in dieser Gesellschaft ist<br />

durchaus in Bewegung. Mittlerweile wissen<br />

alle, dass die Bildungsabschlüsse <strong>der</strong> Frauen<br />

überwiegend besser sind als die <strong>der</strong> Männer,<br />

mehr Frauen sind heute erwerbstätig und die<br />

Diskussion um eine Frauenquote in Aufsichtsräten<br />

o<strong>der</strong> Führungspositionen zeigt, dass<br />

auch hier die politische Einsicht in die strukturelle<br />

Benachteiligung von Frauen und in <strong>der</strong>en<br />

Beseitigung wächst. Soweit, so schön.<br />

Warum wir dennoch unseren <strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong><br />

<strong>Lage</strong> dem Thema ›Frauenarmut‹ widmen?<br />

Zum Beispiel, weil zwar mehr Frauen erwerbstätig<br />

sind als noch vor Jahren, ihr Ar<strong>bei</strong>tsvolumen<br />

insgesamt aber gleich geblieben ist.<br />

Was bedeutet, dass mehr Frauen sich die<br />

gleich gebliebene ›Menge‹ Ar<strong>bei</strong>t teilen. O<strong>der</strong><br />

auch weil Frauen noch immer deutlich weniger<br />

verdienen als Männer. Und auch, weil die<br />

politisch herausgefor<strong>der</strong>te Ausweitung <strong>der</strong><br />

Minijobs dafür gesorgt hat, dass sehr viele<br />

Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen<br />

ar<strong>bei</strong>ten und keine existenzsichernden<br />

Löhne erzielen.<br />

Der Artikel von Thomas Schwarzer,<br />

Referent für kommunale Sozialpolitik <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer, berichtet von diesen<br />

und weiteren ›Sollbruchstellen‹ in <strong>der</strong> weiblichen<br />

Erwerbsbiografie.<br />

Die Situation von Frauen in<br />

dieser Gesellschaft ist durchaus<br />

in Bewegung.<br />

Nach wie vor sind familienbedingte Erwerbsunterbrechungen<br />

<strong>bei</strong> Frauen deutlich<br />

häufiger als <strong>bei</strong> Männern. Auch wenn <strong>bei</strong>de<br />

Elternteile berufstätig sind, wird die Familienar<strong>bei</strong>t<br />

im Wesentlichen von Frauen geleistet.<br />

Zugleich sind gut dotierte Teilzeitstellen<br />

o<strong>der</strong> gar Führungspositionen in Teilzeit nach<br />

wie vor äußerst selten.<br />

Der ›gespaltene‹ Ar<strong>bei</strong>tsmarkt schlägt <strong>bei</strong><br />

Frauen beson<strong>der</strong>s zu Buche. Zwar steigt <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> Akademikerinnen an allen Berufstätigen<br />

– zugleich aber finden sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

Frauen in den atypischen Ar<strong>bei</strong>tsverhältnissen<br />

wie<strong>der</strong>: Nur knapp die Hälfte <strong>der</strong> berufstätigen<br />

Bremer Frauen hat ein klassisches Vollzeit-<br />

Ar<strong>bei</strong>tsverhältnis. Über 50 Prozent sind in Teilzeit,<br />

befristet o<strong>der</strong> in Minijobs beschäftigt.<br />

Von ›atypischen‹ Ar<strong>bei</strong>tsverhältnissen kann aus<br />

Sicht <strong>der</strong> Frauen also gar nicht mehr gesprochen<br />

werden.<br />

Nicht zuletzt, dies zeigen regionale und bundesweite<br />

Studien, ist <strong>der</strong> sogenannte Gen<strong>der</strong><br />

Pay Gap, also <strong>der</strong> Lohnabstand zwischen Frauenverdiensten<br />

und denen <strong>der</strong> Männer, mit über<br />

20 Prozent hoch – in Bremen mit über 25 Prozent<br />

im Großstadtvergleich sogar noch höher.<br />

Dies betrifft auch gut qualifizierte Frauen. Fakt<br />

ist also: Wiewohl Frauen <strong>bei</strong> den Bildungsabschlüssen<br />

aufgeholt und die Männer inzwischen<br />

überholt haben, können sie ihre<br />

Bildungsvorteile auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nicht<br />

angemessen umsetzen.<br />

Politisch wäre eine Vielzahl von Maßnahmen<br />

zu ergreifen, die dazu <strong>bei</strong>tragen würden, die<br />

Leitplanken weiblicher Berufsbiografien<br />

gefahrloser zu gestalten. Hierzu zählen zu<br />

allererst ein Mindestlohn und die Eindämmung<br />

<strong>der</strong> Minijobs. Hierzu zählen aber auch ausreichende<br />

Betreuungsmöglichkeiten für Kin<strong>der</strong>,<br />

Frauenquoten auf den Führungsetagen und die<br />

Möglichkeit für Frauen und Männer, in Teilzeit<br />

zu ar<strong>bei</strong>ten, aber auch <strong>bei</strong>zeiten wie<strong>der</strong> aufzustocken.<br />

Den Gewerkschaften kommt insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Beseitigung des Gen<strong>der</strong> Pay<br />

7


8<br />

Einleitung<br />

Gap eine herausragende Rolle zu. Nach wie<br />

vor ist Männerar<strong>bei</strong>t tariflich besser gesichert<br />

als Ar<strong>bei</strong>t in ›typischen Frauenberufen‹. Den<br />

Bildungsinstanzen – von <strong>der</strong> Steuerung bis<br />

zum einzelnen Kita-Betrieb – kommt die Aufgabe<br />

zu, junge Mädchen und Frauen aus <strong>der</strong><br />

Geschlechterfalle zu holen und sie früh für<br />

Wissenschaft und Technik zu begeistern, um<br />

das frauentypische Berufswahlverhalten zu<br />

verän<strong>der</strong>n.<br />

Im Interview mit Petra Buhr, Soziologin an<br />

<strong>der</strong> Universität Bremen und Mitar<strong>bei</strong>terin des<br />

Deutschen Beziehungs- und Familienpanels,<br />

werfen wir im Anschluss einen Blick auf die<br />

Armutsforschung. Hier zeigen sich zwei parallele<br />

Entwicklungen: Zum einen zeigt die dynamische<br />

Armutsforschung, dass es einen vergleichsweise<br />

hohen Anteil von Personen gibt,<br />

die innerhalb eines Jahres aus dem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezug<br />

wie<strong>der</strong> herauskommen.<br />

Ursächlich für diese Armutsphasen ist <strong>bei</strong><br />

Frauen oft eine Scheidung, die Geburt eines<br />

Kindes, aber natürlich auch <strong>der</strong> Verlust des<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplatzes. Allerdings ist es in den letzten<br />

Jahren eindeutig schwieriger geworden,<br />

Armutslagen wie<strong>der</strong> zu überwinden. Verfestigte<br />

Armut findet sich <strong>bei</strong> bestimmten Gruppen<br />

wie zum Beispiel Alleinerziehenden. Ihre<br />

Armutsquote ist rund dreimal so hoch wie im<br />

Durchschnitt, hingegen liegen die Quoten<br />

zwischen Frauen und Männern, die nicht in<br />

Familien leben, dicht <strong>bei</strong>einan<strong>der</strong>. Offenbar<br />

sind also zusätzliche Faktoren, wie die Versorgung<br />

von Kin<strong>der</strong>n und eingeschränkte Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung, ursächlich für<br />

einen Teil <strong>der</strong> Armut.<br />

Den Alleinerziehenden haben wir aus diesem<br />

Grund ein eigenes Kapitel dieses <strong>Bericht</strong>s<br />

gewidmet. Barbara Rinken, Familiensoziologin<br />

aus Bremen, beschreibt <strong>der</strong>en Situation.<br />

In den <strong>bei</strong>den Städten Bremen und Bremerhaven<br />

sind 34 Prozent aller Familienhaushalte<br />

Haushalte von Alleinerziehenden. Etwa 90 Prozent<br />

<strong>der</strong> Alleinerziehenden sind Frauen, zehn<br />

Prozent Männer. Erfor<strong>der</strong>t Familie bereits von<br />

Paaren ein höheres Maß an Energie und<br />

Geduld, so müssen Alleinerziehende diese<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen ausschließlich aus eigener<br />

Kraft bewältigen. Soziale Netzwerke und<br />

Erwerbstätigkeit sind hier materiell, aber auch<br />

soziokulturell von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />

Als alleinige Ernährerinnen leiden Alleinerziehende<br />

unter verstärkten Existenzängsten und<br />

sind häufiger überlastet und/o<strong>der</strong> krank. Sind<br />

sie ar<strong>bei</strong>tslos, stehen sie in beson<strong>der</strong>s hohem<br />

Maße unter dem Verdacht, nicht ar<strong>bei</strong>ten zu<br />

wollen. Um Qualifikationsdefizite auszugleichen,<br />

sind jedoch Ausbildungen o<strong>der</strong> Weiterqualifizierungen<br />

oft nicht möglich, weil die<br />

Angebote üblicherweise ganztägig absolviert<br />

werden müssen. Hüten muss man sich jedoch<br />

davor, die Gruppe <strong>der</strong> Alleinerziehenden insgesamt<br />

als ›problematisch‹ einzustufen. Dies<br />

würde lediglich ein gesellschaftliches Vorurteil<br />

reproduzieren. Trotz <strong>der</strong> erschwerten Bedingungen<br />

sind zwei Drittel aller alleinerziehenden<br />

Frauen mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren<br />

erwerbstätig. Das sind zwei Prozent mehr als<br />

Mütter aus Paarfamilien. Alleinerziehende<br />

Frauen ar<strong>bei</strong>ten mit 42 Prozent auch häufiger<br />

in Vollzeit als Mütter aus Paarfamilien (27 Prozent).<br />

In ihrer Selbstwahrnehmung bezeichnet sich<br />

kaum eine <strong>der</strong> Frauen als arm. ›Willkommen<br />

im normalen Leben‹ heißt – nicht nur deshalb<br />

– <strong>der</strong> Beitrag des Hamburger Journalisten<br />

und Sozialwissenschaftlers Ralf Lorenzen.<br />

Die hohe Zahl <strong>der</strong> Hartz-IV-Empfängerinnen<br />

und -Empfänger in manchen Bremer Stadtteilen<br />

sorgt darüber hinaus für eine gewisse<br />

›Normalität <strong>der</strong> Armut‹. Viele <strong>der</strong> von Armut<br />

Betroffenen geben sich selbst die ›Schuld‹ für<br />

ihre schwierige Lebenssituation. Und alle wünschen<br />

sich ein Leben, das doch noch ein bisschen<br />

›normaler‹ ist. Zu dem eine vernünftige<br />

Wohnung gehört, Geld, das man sparen kann,<br />

Urlaub und die Mittel, um kaputte Dinge zu<br />

ersetzen. Da<strong>bei</strong> finden junge Frauen mit Kin<strong>der</strong>n,<br />

die in Armut leben, durchaus Unterstützung<br />

<strong>bei</strong> Behörden und Initiativen. Die beson<strong>der</strong>en<br />

Einschränkungen, schon in jungen Jahren<br />

alleinerziehend und ohne eigenes Einkommen<br />

ein Kind großzuziehen, sind für diese<br />

Frauen zwar nur schwer zu bewältigen. Die


Verantwortung ist oft aber auch ein Ansporn,<br />

das eigene Leben in die ›Hand‹ zu nehmen –<br />

was gelingen kann –, wenn es passende<br />

Unterstützungsangebote gibt. Dazu gehören<br />

vor allem zeitlich abgestimmte (Nach-) Qualifizierungen<br />

und Fortbildungen, die mit <strong>der</strong><br />

Betreuung von Kin<strong>der</strong>n abgestimmt werden<br />

können.<br />

Erschwerend ist häufig die ›Zersplitterung‹ <strong>der</strong><br />

öffentlichen Hilfen. So erhält eine junge Frau<br />

aus Bremen zum Beispiel Unterstützungsleistungen<br />

aus fünf verschiedenen Quellen:<br />

Kin<strong>der</strong>geld für den Sohn, ein kleines Ausbildungsgehalt,<br />

eine Ausbildungs<strong>bei</strong>hilfe, einen<br />

Unterhaltsvorschuss vom Amt und eine ›Aufstockung‹<br />

von <strong>der</strong> BAgIS (heute Jobcenter).<br />

Regelmäßig bereichern Interviews die Schwerpunkte<br />

unserer Sozialberichterstattung. Denn<br />

Statistik ist nicht alles. Jede/r empfindet<br />

Benachteiligung und Armut an<strong>der</strong>s und stößt<br />

an an<strong>der</strong>e Grenzen <strong>bei</strong>m Versuch, an dieser<br />

Gesellschaft teilzuhaben. Dennoch verzichten<br />

wir nicht auf Statistik. Der ›neue deutsche<br />

Aufschwung‹, <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit (fast) überall gelobt<br />

und beschrieben wird, ist keiner, <strong>der</strong> allen<br />

zugutekommt. Dies belegen insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Bremer Daten <strong>zur</strong> armen Bevölkerung, die<br />

Paul Schrö<strong>der</strong> vom Institut für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung<br />

und Jugendberufshilfe für uns<br />

gesammelt und aufbereitet hat. Im Gegensatz<br />

<strong>zur</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenzahlen,<br />

die für Deutschland insgesamt und auch in<br />

Bremen rückläufig sind, gibt es <strong>bei</strong> den<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen und<br />

-Empfängern (SGB II) relativ wenig Bewegung.<br />

Seit <strong>der</strong> Finanz- und Wirtschaftskrise stieg ihre<br />

Zahl in Bremen von November 2008 bis April<br />

2010 um nahezu 4.000 auf über 54.000 an.<br />

Bis Dezember 2010 gab es dann aber einen<br />

leichten Rückgang um knapp 2.000 Menschen.<br />

In Bremerhaven schwankt die Zahl<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

zwischen 15.000 (2009) und 15.340 (2010).<br />

Ein Vergleich <strong>der</strong> Entwicklung mit an<strong>der</strong>en<br />

deutschen Großstädten (über 400.000 Einwohner)<br />

zeigt Bremen in einer insgesamt stabilen<br />

mittleren Position. Dagegen zeigt ein Vergleich<br />

<strong>der</strong> Entwicklung in Bremerhaven mit ähnlichen<br />

deutschen Großstädten, dass sich die Seestadt<br />

in <strong>der</strong> mit Abstand schwierigsten <strong>sozialen</strong><br />

<strong>Lage</strong> befindet. Der Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />

und -Empfänger pro<br />

1.000 Einwohner/innen liegt mit 202 Menschen<br />

weit höher als in Rostock, Wilhelmshaven<br />

o<strong>der</strong> Offenbach am Main.<br />

Übrigens: Von Armut (im Sinne <strong>der</strong> Hartz-<br />

Gesetze) betroffen waren in Bremen im<br />

Dezember 2010 kaum mehr Frauen (26.707)<br />

als Männer (26.091). In Bremerhaven waren<br />

es zum gleichen Zeitpunkt kaum mehr Männer<br />

(7.517) als Frauen (7.413).<br />

Womit wir wie<strong>der</strong> <strong>bei</strong> unserem Schwerpunkt<br />

angelangt wären. Dass Frauen zwar nicht im<br />

Hartz-IV-Bezug, wohl aber – wie <strong>der</strong> folgende<br />

einleitende Beitrag zeigt – insgesamt in größerem<br />

Umfang von Armut betroffen sind, dass<br />

ihre Armutsgefährdungsquote um einiges<br />

höher ist als die <strong>der</strong> Männer, hat in erster<br />

Linie mit Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten<br />

auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Verteilung<br />

von bezahlter und unbezahlter Ar<strong>bei</strong>t zu tun.<br />

Immer noch, kein Grund also, die Hände in<br />

den Schoß zu legen und darauf zu warten,<br />

dass sich diese Ungleichheiten quasi ›von<br />

allein‹ erledigen. Die For<strong>der</strong>ung nach gleicher<br />

Teilhabe für Frauen klingt ja in den 2010er<br />

Jahren <strong>bei</strong>nahe grotesk altertümlich, sie bleibt<br />

aber – lei<strong>der</strong>! – aktuell. Insofern möchten wir<br />

mit diesem <strong>Bericht</strong>, mit seinen Argumenten,<br />

seinem Blick auf den Alltag und auf Zahlen,<br />

alle unterstützen, die den fortbestehenden<br />

Ungleichheiten entgegenwirken.<br />

9


10<br />

Armut von Frauen<br />

x Susanne Kling<strong>bei</strong>l <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Essenausgabe im Haus <strong>der</strong> Zukunft


Thomas Schwarzer x Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

2 Armut von Frauen durch Bildungsarmut<br />

und prekäre Positionen im Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

In den Medien und auch in <strong>der</strong> Politik sind<br />

erfolgreiche Frauen in den letzten Jahren<br />

zunehmend ›sichtbarer‹. Angela Merkel als<br />

Bundeskanzlerin ist für diese Entwicklung ein<br />

beson<strong>der</strong>s deutliches Beispiel. Solche Vorbil<strong>der</strong><br />

können durch Kompetenz und selbstbewusstes<br />

Auftreten viele Frauen <strong>bei</strong> eigenen,<br />

ehrgeizigen Zielen bestärken – im Sinne von<br />

›Frauen können mehr erreichen‹. Tatsächlich<br />

nimmt die Existenz und auch die Sichtbarkeit<br />

von Frauen in Führungspositionen in den<br />

letzten Jahren teilweise deutlich zu. Diese<br />

Dynamik beschreibt die Sozialwissenschaftlerin<br />

Jutta Allmendinger als ›Frauen auf dem<br />

Sprung‹. 1<br />

Diese erfreulichen Fortschritte werden<br />

manchmal aber auch politisch missbraucht:<br />

Wenn weitergehende Gleichstellungsfor<strong>der</strong>ungen<br />

abgewehrt werden, mit dem Hinweis,<br />

›seht her, es geht doch, Frauen müssen es<br />

nur richtig anstellen‹. Ein solcher Blick allein<br />

auf den einzelnen Menschen und seinen Erfolg<br />

wird dann auch für weniger erfolgreiche Frauen<br />

zum Maßstab. Sie haben scheinbar irgendetwas<br />

›falsch gemacht‹ und kommen deshalb<br />

nicht voran o<strong>der</strong> geraten sogar in Armut.<br />

Thema sind dann nicht die weiterhin massiv<br />

ungleichen Verwirklichungschancen von Frauen<br />

und Männern, son<strong>der</strong>n ›richtiges‹ beziehungsweise<br />

›falsches‹ Verhalten.<br />

Tatsächlich aber entwickeln sich ungleiche<br />

Verwirklichungschancen aufgrund gesellschaftlicher<br />

Rahmenbedingungen und persönlicher<br />

Erfahrungen in den aufeinan<strong>der</strong> aufbauenden<br />

Lebensphasen. Bedingungen und Erfahrungen<br />

früher Lebensphasen entfalten quasi ›lebenslängliche‹<br />

Wirkungen. Prägend sind vor allem<br />

die frühen Erfahrungen in den Familien sowie<br />

in den Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.<br />

Insofern ist es ein beson<strong>der</strong>er historischer<br />

Fortschritt, dass die jungen Frauen in<br />

Deutschland am Ende <strong>der</strong> Schulphase im<br />

Durchschnitt bessere Abschlüsse erreichen als<br />

die jungen Männer. Dieser Bildungsvorsprung<br />

geht durch zentrale ›Weichenstellungen‹ in den<br />

nachfolgenden Lebensphasen <strong>bei</strong> vielen Frauen<br />

aber wie<strong>der</strong> verloren. Dazu zählt vor allem<br />

die Übergangsphase in Ausbildung und Beruf,<br />

die Phase einer möglichen Elternschaft sowie<br />

die Bedingungen, trotz Mutterschaft erwerbstätig<br />

sein zu können. An diesen ›Knotenpunkten‹<br />

im Lebenslauf kann und muss durch<br />

politische Eingriffe für eine gerechte Politik<br />

<strong>der</strong> Gleichstellung von Männern und Frauen<br />

gesorgt werden. Denn die Lebens- und<br />

Erwerbsverläufe werden in einem erheblichen<br />

Maße von den politisch gesetzten Rahmenbedingungen<br />

und den gesellschaftlichen Institutionen<br />

(Familie, Kita, Schule, Ausbildungssystem,<br />

Regelungen des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes,<br />

Recht) ›mitgesteuert‹. Sie bilden ›Leitplanken‹,<br />

die <strong>der</strong> Verwirklichung persönlicher Ziele<br />

för<strong>der</strong>lich sein können o<strong>der</strong> auch im Wege<br />

stehen. Damit Frauen ihre persönlichen Ziele<br />

in den aktuellen Auseinan<strong>der</strong>setzungen über<br />

eine gerechtere Verteilung von Macht, Geld<br />

und Ar<strong>bei</strong>t auch erreichen können, ist <strong>der</strong><br />

Blick auf die Situation <strong>der</strong> Männer erfor<strong>der</strong>lich,<br />

aber nicht hinreichend. Gerade <strong>der</strong> berufliche<br />

Erfolg von Frauen (und von Männern)<br />

ist unter den gegenwärtigen Bedingungen<br />

ebenfalls von <strong>der</strong> Umverteilung von Macht,<br />

Geld und Ar<strong>bei</strong>t zwischen Frauen abhängig.<br />

Eine notwendige Voraussetzung für den<br />

beruflichen Erfolg von Frauen (und von Männern)<br />

ist die alltägliche Entlastung von unbezahlten,<br />

schlecht bezahlten o<strong>der</strong> abgewerteten<br />

Tätigkeiten. Diese werden noch immer<br />

fast durchgängig von Frauen erledigt: Putzen,<br />

Kochen und Einkaufen sowie die Betreuung<br />

und Pflege <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Kranken und <strong>der</strong><br />

Älteren. Frauenforscherinnen verweisen auf<br />

die noch immer zumeist privat und unentgeltlich<br />

durch Frauen erbrachte Haus-, Familienund<br />

Sorgear<strong>bei</strong>t, von <strong>der</strong> auch viele (Ehe-)<br />

Männer profitieren. Durch ihre zeitlichen und<br />

emotionalen Bindungen verbleiben den Frauen<br />

erheblich weniger Zeit und Energie, sich <strong>der</strong><br />

Konkurrenz auf den Ar<strong>bei</strong>tsmärkten zu stellen.<br />

1 Vgl. Allmendinger 2008.<br />

11


12<br />

Armut von Frauen<br />

Die ungleiche Verteilung von unbezahlter und<br />

bezahlter Ar<strong>bei</strong>t zwischen Frauen und Männern<br />

wird zusätzlich durch die geringer bewertete<br />

und schlechter bezahlte Erwerbsar<strong>bei</strong>t in typischen<br />

Frauenberufen verstärkt. Ursächlich für<br />

eine Armutsgefährdung sind aber nicht alleine<br />

kürzere Erwerbsar<strong>bei</strong>tszeiten und frauentypische<br />

Qualifikationen, son<strong>der</strong>n auch diskriminierende<br />

Mechanismen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Rollenzuweisung,<br />

auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und <strong>bei</strong> <strong>der</strong> sozialstaatlichen<br />

Sicherung. Bei dieser Erklärung ist<br />

anzumerken, dass sie zwar für Mütter in <strong>der</strong><br />

Familienphase zutrifft, weniger jedoch für<br />

Frauen, die keine Kin<strong>der</strong> beziehungsweise<br />

keine Familienpflichten haben.<br />

Warum aber verrichten immer noch gerade<br />

Frauen diese unbezahlten o<strong>der</strong> schlecht<br />

bezahlten Jobs, selbst in einer relativ mo<strong>der</strong>nen<br />

westeuropäischen Gesellschaft wie <strong>der</strong><br />

deutschen o<strong>der</strong> in einer Großstadt wie Bremen?<br />

Was zwingt o<strong>der</strong> veranlasst sie dazu?<br />

Immerhin herrscht Schulpflicht und immer<br />

mehr Frauen sind erwerbstätig und erzielen<br />

ein eigenes Einkommen. Bei den Bildungsabschlüssen<br />

und auch <strong>bei</strong> den Berufsausbildungen<br />

haben die jungen Frauen ihre traditionelle<br />

Benachteiligung gegenüber den jungen Männern<br />

weitgehend überwunden. Bei den höheren<br />

Bildungsabschlüssen haben sie die Männer<br />

inzwischen überholt. Müssten diese Bildungsgewinne<br />

nicht zumindest die jüngeren Frauen<br />

besser vor <strong>der</strong> Gefährdung durch prekäre<br />

Jobs und Armut schützen?<br />

2.1 Vertieft sich die Spaltung in privilegierte<br />

und unterprivilegierte Frauen?<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung erklärt das Armutsrisiko<br />

von Frauen mit dem Verweis auf einen<br />

›zweigeteilten‹, gespaltenen o<strong>der</strong> in verschiedene<br />

›Segmente‹ aufgeteilten Ar<strong>bei</strong>tsmarkt. 2<br />

Neben den traditionell geringer entlohnten<br />

weiblichen Dienstleistungsberufen sind verstärkt<br />

sogenannte ›Randbelegschaften‹ in<br />

Unternehmen und Betrieben entstanden (Frauen,<br />

Migranten, Ältere und leistungsgemin<strong>der</strong>te<br />

Personen). Sie tragen ein höheres Armutsrisiko,<br />

weil sie keine vollzeitnahen, kontinuierlichen<br />

Ar<strong>bei</strong>tsverträge erhalten und häufig zu<br />

Niedriglöhnen ar<strong>bei</strong>ten (Leihar<strong>bei</strong>t, Teilzeit<br />

bzw. Minijobs). Zusätzlich zu dieser ohnehin<br />

prekären Erwerbsposition erwerben sie geringere<br />

o<strong>der</strong> überhaupt keine Ansprüche auf<br />

soziale Sicherungsleistungen. Seitdem es in<br />

Deutschland zu einer starken Ausweitung des<br />

Niedriglohnsektors durch die Unternehmen<br />

gekommen ist (forciert von <strong>der</strong> Politik),<br />

gewinnt diese Erklärung an Bedeutung. Die<br />

vergleichsweise niedrigen Löhne vieler Frauen<br />

sind jedoch nicht allein mit <strong>der</strong> Entstehung<br />

eines breiten Niedriglohnsektors zu erklären.<br />

Über alle Qualifikationsstufen hinweg beträgt<br />

<strong>der</strong> Lohnabstand zwischen Frauen und Männern<br />

im Durchschnitt 23 Prozent. Lediglich die<br />

Hälfte dieses Unterschiedes lässt sich durch<br />

verschiedene soziale und berufliche Merkmale<br />

erklären, die an<strong>der</strong>e Hälfte durch Lohndiskriminierung.<br />

Mit 23 Prozent Lohnabstand zwischen<br />

Frauen und Männern gehört Deutschland in<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union zu den ›Schlusslichtern‹.<br />

So führt die Frage nach den Ursachen<br />

eines erhöhten Armutsrisikos von Frauen zu<br />

einer ›Kette‹ beziehungsweise zu einem<br />

Geflecht von Einflüssen. Verursacht wird ihre<br />

Armut nicht durch einen zentralen o<strong>der</strong> mehrere<br />

genau berechenbare Faktoren. Ausschlaggebend<br />

ist das spezifische ›Zusammenspiel‹<br />

<strong>der</strong> oben genannten verschiedenen Einflüsse<br />

an spezifischen ›Knotenpunkten‹ im Lebensund<br />

Erwerbsverlauf. Ausgangspunkt kann ein<br />

fehlen<strong>der</strong> Schul- o<strong>der</strong> Ausbildungsabschluss<br />

sein, spätere Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit o<strong>der</strong> nicht<br />

(mehr) nachgefragte Qualifikationen, die Verantwortung<br />

für Kin<strong>der</strong>, fehlende Sprachkenntnisse,<br />

eine Krankheit o<strong>der</strong> eine Krisensituation.<br />

Kommen mehrere dieser Einflüsse zusammen,<br />

steigt das Armutsrisiko massiv. Solche<br />

verknüpften Informationen zu einzelnen Personen<br />

o<strong>der</strong> Haushalten liegen aufgrund umfassen<strong>der</strong><br />

repräsentativer Befragungen lediglich<br />

für die Armuts- und Reichtumsberichte <strong>der</strong><br />

Bundesregierung vor. Die amtliche Statistik in<br />

Bremen o<strong>der</strong> in vergleichbaren Großstädten<br />

bietet diese Informationen nicht. Für das Land<br />

Bremen sind deshalb we<strong>der</strong> die genaue Zahl<br />

<strong>der</strong> einkommensarmen Frauen bekannt noch<br />

2 Vgl. Dingeldey 2010: 18.


die Zahl <strong>der</strong>jenigen von ihnen, die dauerhaft<br />

den Anschluss an den durchschnittlichen<br />

Lebensstandard verlieren.<br />

In den folgenden Kapiteln dieses <strong>Bericht</strong>es<br />

erfolgt deshalb eine Annäherung an die spezifischen<br />

Lebenssituationen von Frauen in<br />

Bremen, die sich in Armut o<strong>der</strong> in prekären<br />

Lebenslagen befinden. Diese Annäherung<br />

ist orientiert an den zentralen Knotenpunkten<br />

von Frauen entlang ihres Lebenslaufs.<br />

2.2 Exkurs: Bildungsarmut von jungen<br />

Frauen – in Deutschland und Bremen<br />

Frauen, insbeson<strong>der</strong>e die jüngeren Altersgruppen,<br />

werden häufig als ›Gewinnerinnen‹ <strong>der</strong><br />

Entwicklungen im deutschen Bildungssystem<br />

<strong>der</strong> letzten 20 Jahre bezeichnet. Sie haben <strong>bei</strong><br />

den Bildungsabschlüssen und auch <strong>bei</strong> den<br />

Berufsausbildungen ihre traditionelle Benachteiligung<br />

gegenüber den jungen Männern<br />

weitgehend überwunden. Bei den höheren<br />

Bildungsabschlüssen haben sie die Männer<br />

inzwischen überholt. Diese positive Gesamtsicht<br />

überdeckt aber meistens die weiterhin<br />

bestehende Bildungsarmut – auch von jungen<br />

Frauen. Dass es trotz <strong>der</strong> durchschnittlich<br />

besseren Bildungsabschlüsse weiterhin Bildungsarmut<br />

in Deutschland gibt, wird seit<br />

Anfang des neuen Jahrtausends öffentlich diskutiert.<br />

3 Unter Bildungsarmut wird zweierlei<br />

verstanden: wenig Erfolg versprechende<br />

Abschlüsse und vergleichsweise geringe Kompetenzen<br />

im Leseverständnis, in Mathematik<br />

und in den Naturwissenschaften. Seit den<br />

regelmäßigen und international vergleichenden<br />

PISA-Studien werden die Unterschiede <strong>bei</strong> den<br />

verschiedenen Kompetenzen hitzig diskutiert.<br />

Im Ausbildungssystem und auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

wird in Deutschland aber weiterhin ein<br />

möglichst erfolgreicher Abschluss belohnt.<br />

Das Fehlen eines Hauptschulabschlusses o<strong>der</strong><br />

eines beruflichen Bildungsabschlusses gilt als<br />

ein hartes Merkmal für eine Unterversorgung<br />

mit schulischer Bildung. Ist das <strong>der</strong> Fall,<br />

wird von Bildungsarmut gesprochen. Dann ist<br />

<strong>der</strong> Zugang zum Ausbildungssystem infrage<br />

gestellt, das in Deutschland auf eine möglichst<br />

breite, allgemeine Durchschnittsqualifikation<br />

zielt. Erst in den letzten Jahren hat<br />

zudem eine öffentliche Diskussion darüber<br />

begonnen, dass in Deutschland, im Vergleich<br />

zu an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n, zu wenige<br />

Hochschulabsolventen ausgebildet werden.<br />

Ein Blick auf die Entwicklung <strong>der</strong> Schulabschlüsse<br />

zwischen 1993 und 2009 in<br />

Deutschland (siehe Abbildung 1, S. 14) verdeutlicht<br />

die Beharrlichkeit <strong>der</strong> Grundstrukturen,<br />

die durch das dreigliedrige Schulsystem<br />

geprägt sind. Erst in den letzten Jahren<br />

kommt etwas Bewegung in die Verteilung <strong>der</strong><br />

Schulabschlüsse.<br />

Am Beginn <strong>der</strong> hier betrachteten Entwicklung<br />

(1993) dominierte <strong>bei</strong> den jungen<br />

Männern noch diejenige Gruppe (41 Prozent),<br />

die keinen Schulabschluss (11 Prozent)<br />

o<strong>der</strong> einen Hauptschulabschluss<br />

erreichten (30 Prozent). Fast gleichauf mit<br />

ihnen erlangten 37 Prozent den in Deutschland<br />

mittlerweile dominierenden Realschulabschluss.<br />

Lediglich 22 Prozent <strong>der</strong><br />

jungen Männer erreichten 1993 die (Fach-)<br />

Hochschulreife.<br />

Bei den jungen Männern erhöhte sich bis<br />

2001 sogar die Anzahl und auch <strong>der</strong> Anteil<br />

<strong>der</strong>jenigen, die als ›bildungsarm‹ ohne<br />

Hauptschulabschluss die Schule verlassen<br />

haben, auf zwölf Prozent. Seitdem verringerte<br />

sich ihr Anteil auf acht Prozent im<br />

Jahr 2009. Ganz ähnlich zu diesem Verlauf<br />

hat sich auch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> jungen Männer<br />

mit einem Hauptschulabschluss von 30 Prozent<br />

(1993) auf 24 Prozent (2009) reduziert.<br />

Dennoch beendet auch im Jahr 2009<br />

etwa ein Drittel <strong>der</strong> jungen Männer ihre<br />

Schulzeit ohne einen Schulabschluss o<strong>der</strong><br />

mit einem Hauptschulabschluss (32 Prozent)<br />

und lediglich 28 Prozent mit <strong>der</strong><br />

(Fach-) Hochschulreife. Es dominiert <strong>der</strong><br />

Realschulabschluss, den 40 Prozent <strong>der</strong><br />

jungen Männer erreichen.<br />

3 Vgl. Allmendinger 1999; Allmendinger/Leibfried 2003.<br />

13


14<br />

500.000<br />

450.000<br />

400.000<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

Armut von Frauen<br />

Abbildung 1: Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse 1993–2009,<br />

Frauen und Männer in Deutschland<br />

91.235<br />

22 %<br />

151.129<br />

37 %<br />

123.563<br />

30 %<br />

46.681<br />

11 %<br />

Männer<br />

104.414<br />

27 %<br />

161.124<br />

42 %<br />

95.412<br />

25 %<br />

25.762<br />

7 %<br />

Frauen<br />

101.947<br />

22 %<br />

174.251<br />

37 %<br />

141.499<br />

30 %<br />

52.411<br />

11 %<br />

Männer<br />

124.257<br />

28 %<br />

189.327<br />

42 %<br />

104.386<br />

23 %<br />

28.075<br />

6 %<br />

Frauen<br />

99.271<br />

21 %<br />

182.129<br />

38 %<br />

135.315<br />

29 %<br />

56.779<br />

12 %<br />

Die jungen Frauen hatten bereits 1993 eine<br />

Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse erreicht,<br />

welche die jungen Männer erst 2009 erlangen<br />

konnten. Ein Drittel von ihnen (32 Prozent)<br />

erreichte damals keinen Schulabschluss<br />

(7 Prozent) o<strong>der</strong> einen Hauptschulabschluss<br />

(25 Prozent). 42 Prozent verließen<br />

schon 1993 die Schule mit einem<br />

Realschulabschluss und 27 Prozent <strong>der</strong><br />

jungen Frauen erlangten die (Fach-) Hochschulreife.<br />

Über die dargestellten Jahre hinweg verbesserten<br />

sich die jungen Frauen auf fast allen<br />

Stufen ihrer Abschlüsse, ausgehend von<br />

einer nahezu konstanten ›Mitte‹ von 41 bis<br />

43 Prozent mit Realschulabschlüssen. Der<br />

Anteil mit einem (Fach-) Hochschulabschluss<br />

stieg von 27 Prozent (1993) auf<br />

35 Prozent im Jahr 2009. Gleichzeitig reduzierte<br />

sich <strong>der</strong> Anteil ›bildungsarmer‹ junger<br />

Frauen ohne einen Hauptschulabschluss<br />

von sieben auf fünf Prozent. Bei den jungen<br />

Frauen mit einem Hauptschulabschluss<br />

sank ihr Anteil von 25 Prozent 1993 auf<br />

18 Prozent 2009.<br />

Männer<br />

126.028<br />

28 %<br />

194.416<br />

43 %<br />

100.812<br />

22 %<br />

32.102<br />

7 %<br />

Frauen<br />

105.949<br />

22 %<br />

195.881<br />

40 %<br />

136.792<br />

28 %<br />

49.756<br />

10 %<br />

Männer<br />

137.923<br />

29 %<br />

202.868<br />

43 %<br />

100.920<br />

21 %<br />

28.396<br />

6 %<br />

Frauen<br />

125.291<br />

28 %<br />

179.888<br />

40 %<br />

110.085<br />

24 %<br />

35.505<br />

8 %<br />

1993 1997 2001 2005 2009<br />

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, Schulstatistik Regional 2010.<br />

Männer<br />

156.579<br />

35 %<br />

181.492<br />

41 %<br />

81.871<br />

18 %<br />

22.849<br />

5 %<br />

Frauen<br />

ohne Hauptschulabschluss<br />

mit Hauptschulabschluss<br />

mit Realschulabschluss<br />

mit allgemeiner (Fach-) Hochschulreife<br />

Zusätzlich zu den beschriebenen Entwicklungen<br />

zeigt sich noch ein weiterer Trend für<br />

Deutschland insgesamt. Die Zahl <strong>der</strong> Schulabgänger/innen<br />

stieg seit 1993, mit einem<br />

Höhepunkt im Jahr 2005. Seitdem sind die<br />

Zahlen <strong>der</strong> Absolventen und Absolventinnen<br />

rückläufig, mit einer erheblichen Entlastung<br />

<strong>bei</strong> den Ausbildungsplätzen und auf dem<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarkt.<br />

Ein vergleichen<strong>der</strong> Blick auf die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Schulabschlüsse im Bundesland Bremen<br />

zeigt gleich einen gravierenden Unterschied.<br />

Von 1993 an steigt in Bremen die Gesamtzahl<br />

<strong>der</strong> Schulabgänger/innen nicht unerheblich<br />

von 6.380 auf 7.969 im Jahr 2009. Die für<br />

Deutschland geltende Entlastung <strong>bei</strong> den Ausbildungsplätzen<br />

und auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt gilt<br />

für die regionalen Ar<strong>bei</strong>tsmärkte in Bremen<br />

und Bremerhaven nicht, im Gegenteil.<br />

Gelten aber ansonsten die zentralen Trends<br />

in Deutschland auch für das Bundesland Bremen?<br />

O<strong>der</strong> ist die Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse<br />

in den <strong>bei</strong>den Großstädten Bremen<br />

und Bremerhaven durch spezifische regionale<br />

Entwicklungen geprägt? Gerade die Bundeslän<strong>der</strong><br />

verfügen auf dem Gebiet <strong>der</strong> Bildungspolitik<br />

ja über weitreichende eigene Gestaltungsmöglichkeiten.


4500<br />

4000<br />

3500<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

Abbildung 2: Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse 1993–2009,<br />

Frauen und Männer im Land Bremen<br />

Männer<br />

1.068<br />

33 %<br />

969<br />

30 %<br />

876<br />

27 %<br />

369<br />

11 %<br />

Frauen<br />

1.091<br />

35 %<br />

1.086<br />

35 %<br />

684<br />

22 %<br />

237<br />

8 %<br />

Männer<br />

996<br />

30 %<br />

1.080<br />

33 %<br />

875<br />

26 %<br />

353<br />

11 %<br />

Frauen<br />

1.115<br />

35 %<br />

1.122<br />

35 %<br />

702<br />

22 %<br />

225<br />

7 %<br />

Männer<br />

961<br />

27 %<br />

1.325<br />

38 %<br />

813<br />

23 %<br />

423<br />

12 %<br />

1993 1997 2001 2005 2009<br />

Frauen<br />

1.209<br />

34 %<br />

1.437<br />

40 %<br />

672<br />

19 %<br />

255<br />

7 %<br />

Männer<br />

Im Land Bremen ist die Ausgangssituation<br />

im Jahr 1993 an<strong>der</strong>s als im Bund. Vor<br />

allem, weil die Gruppe <strong>der</strong> Schülerinnen<br />

und <strong>der</strong> Schüler mit einer (Fach-) Hochschulreife<br />

deutlich größer war. Bei den jungen<br />

Männern erreichten 30 Prozent eine<br />

(Fach-) Hochschulreife, <strong>bei</strong> den jungen Frauen<br />

35 Prozent. Auffällig ist, dass diese<br />

Anteile über den gesamten Zeitraum bis<br />

2009 kaum gesteigert werden konnten und<br />

zwischenzeitlich sogar rückläufig waren.<br />

Dennoch erlangt eine größere Gruppe von<br />

jungen Frauen und jungen Männern in<br />

Bremen die (Fach-) Hochschulreife, weil<br />

insgesamt die Zahl <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />

<strong>der</strong> Schüler gestiegen ist, nicht jedoch<br />

ihr Anteil.<br />

1993 dominierte auch in Bremen <strong>bei</strong> den<br />

jungen Männern noch diejenige Gruppe (38<br />

Prozent), die keinen Schulabschluss (11<br />

Prozent) o<strong>der</strong> einen Hauptschulabschluss<br />

erreichten (27 Prozent). 33 Prozent <strong>der</strong><br />

jungen Männer beendeten die Schule<br />

mit einem Realschulabschluss und<br />

30 Prozent mit <strong>der</strong> (Fach-) Hochschulreife.<br />

Bei den jungen Männern entwickelte sich<br />

<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> ›bildungsarmen‹ Schüler bis<br />

2005 nahezu konstant (11 Prozent), ihre<br />

Zahl stieg bis zu diesem Jahr sogar an.<br />

Seit 2005 hat sich jedoch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

1.069<br />

27 %<br />

1.546<br />

39 %<br />

902<br />

23 %<br />

432<br />

11 %<br />

Frauen<br />

1.316<br />

33 %<br />

1.628<br />

41 %<br />

740<br />

19 %<br />

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, Schulstatistik Regional 2010.<br />

258<br />

7 %<br />

Männer<br />

1.203<br />

30 %<br />

1.714<br />

42 %<br />

856<br />

21 %<br />

271<br />

7 %<br />

81.871<br />

18 697 %<br />

18 %<br />

Frauen<br />

1.429<br />

36 %<br />

1.607<br />

41 %<br />

192<br />

5 %<br />

ohne Hauptschulabschluss<br />

mit Hauptschulabschluss<br />

mit Realschulabschluss<br />

mit allgemeiner (Fach-) Hochschulreife<br />

Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss<br />

auf sieben Prozent verringert. Bis 2005<br />

stieg auch die Zahl <strong>der</strong> jungen Männer mit<br />

einem Hauptschulabschluss, obwohl ihr<br />

Anteil an allen Schülern von 27 Prozent auf<br />

21 Prozent im Jahr 2009 <strong>zur</strong>ückging.<br />

Trotz <strong>der</strong> rückläufigen Bedeutung <strong>der</strong><br />

Hauptschulabschlüsse, haben im Jahr 2009<br />

fast genauso viele junge Männer die Schule<br />

mit diesem Abschluss verlassen (856)<br />

wie 1993 (876).<br />

15


16<br />

Armut von Frauen<br />

Bei den jungen Frauen in Bremen sind zwischen<br />

1993 und 2009 die Anteile mit einem<br />

Hauptschulabschluss von 22 Prozent auf<br />

18 Prozent <strong>zur</strong>ückgegangen. Ebenfalls<br />

rückläufig entwickelte sich <strong>bei</strong> ihnen <strong>der</strong><br />

Anteil ohne Hauptschulabschluss von acht<br />

Prozent (1993) auf fünf Prozent (2009).<br />

Dennoch stieg die Zahl <strong>der</strong> Hauptschülerinnen<br />

in diesem Zeitraum von 684 auf 697,<br />

während die Zahl <strong>der</strong> Schülerinnen ohne<br />

Hauptschulabschluss von 237 auf 192<br />

<strong>zur</strong>ückging. Deutlich angestiegen ist <strong>bei</strong><br />

den jungen Frauen bis 2009 hingegen <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> Absolventinnen mit einem Realschulabschluss<br />

(von 35 auf 41 Prozent).<br />

Zusammenfassend zeigt sich, dass im Land<br />

Bremen jedes Jahr 270 junge Männer (7 Prozent)<br />

und fast 200 junge Frauen (5 Prozent)<br />

die Schule ohne einen Abschluss verlassen<br />

und damit als ›bildungsarm‹ gelten. Mittlerweile<br />

müssen aber auch viele Hauptschüler/innen<br />

als sogenannte ›Risikoschüler/innen‹ betrachtet<br />

werden. Das sind im Land Bremen weitere<br />

21 Prozent <strong>der</strong> jungen Männer (856) und<br />

18 Prozent <strong>der</strong> jungen Frauen (697).<br />

Insgesamt umfasste 2009 die Gruppe <strong>der</strong><br />

›bildungsarmen‹ Schüler/innen und <strong>der</strong> Risikoschüler/innen<br />

28 Prozent <strong>der</strong> jungen Männer<br />

(1.127) und 23 Prozent <strong>der</strong> jungen Frauen<br />

(889). Trotz dieser etwas geringeren Zahl <strong>bei</strong><br />

den jungen Frauen steht fast ein Viertel vor<br />

massiven Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz<br />

zu finden und sich in den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

zu integrieren.<br />

2.3 Armutsrisiken von jungen Frauen<br />

in <strong>der</strong> Berufsfindungsphase<br />

Der Armutsbericht <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

2008 hat detailliert den weiteren Weg <strong>der</strong><br />

sogenannten ›Risikoschüler/innen‹ für<br />

Deutschland dargestellt. Danach durchliefen<br />

2006 über 80 Prozent <strong>der</strong>jenigen ohne einen<br />

Schulabschluss, 50 Prozent mit einem Hauptschulabschluss<br />

und sogar über 25 Prozent<br />

mit einem Realschulabschluss das sogenannte<br />

›Übergangssystem‹ (904 Frauen, 1.073 Männer)<br />

4 . Für fast zwei Drittel dieser Absolventinnen<br />

und Absolventen eröffnen die dortigen<br />

Maßnahmen kaum gesicherte berufliche Per-<br />

spektiven. Sie starten mit hohen Armutsrisiken<br />

in die Konkurrenz auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt. 5<br />

In dieser wichtigen Phase des Berufseinstiegs<br />

verkehrt sich <strong>der</strong> beschriebene ›Bildungsvorsprung‹<br />

aus <strong>der</strong> Schulzeit, zumindest<br />

für viele junge Risikoschülerinnen, bereits in<br />

sein Gegenteil. Im Dezember 2010 gab es in<br />

<strong>der</strong> Stadt Bremen 9.243 erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige (Hartz IV) im Alter von 15 bis<br />

unter 25 Jahren: 4.906 junge Frauen (53 Prozent)<br />

und 4.337 junge Männer (47 Prozent). 6<br />

Von denjenigen jungen Erwachsenen, die<br />

einen Ausbildungsplatz finden, entscheiden<br />

sich vor allem viele junge Frauen – auch<br />

in Bremen – für ›typisch‹ weibliche Dienstleistungsberufe.<br />

Dazu gehören vor allem die<br />

kaufmännischen Berufe (Büro-/Einzelhandels-/<br />

Großhandelskauffrau usw.) sowie personenbezogene<br />

Dienstleistungen (Arzt-/Zahnarzthelferin,<br />

Friseurin, Krankenschwester, Altenpflegerin).<br />

Gerade viele personenbezogene Dienstleistungen<br />

(Sozial-, Erziehungs-, Gesundheitsberufe)<br />

führen einen Großteil <strong>der</strong> jungen Frauen<br />

nicht in das duale System, son<strong>der</strong>n in eine<br />

Berufsfachschule. Sie liegen als schulische<br />

Ausbildungen in <strong>der</strong> Hoheit <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />

und sind entsprechend uneinheitlich geregelt. 7<br />

Die Kosten <strong>der</strong> Ausbildung müssen zum Teil<br />

von den (überwiegend weiblichen) Auszubildenden<br />

getragen werden, die dort im Status von<br />

Schülerinnen verbleiben. Nach dem Abschluss<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsphase sind die weiteren<br />

Berufswege nicht durch geregelte Aufstiegsund<br />

Karrierewege gekennzeichnet.<br />

4 Nach eigener Modellrechnung.<br />

5 Vgl. Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen 2008: 10.<br />

6 Siehe Kapitel 6 dieses <strong>Bericht</strong>s, Tabelle 3.1.<br />

7 Vgl. Gottschall 2008: 14.


Abbildung 3: Anteile an <strong>der</strong> Erziehung und Familienar<strong>bei</strong>t Angaben in %<br />

Frage: ›Wenn Sie einmal an die Erziehung und Betreuung Ihrer Kin<strong>der</strong> denken:<br />

Wie haben Sie sich das mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin aufgeteilt:<br />

Wie viel machen Sie selbst <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Familienar<strong>bei</strong>t?<br />

Würden Sie sagen ...‹<br />

das meiste<br />

alles<br />

keine Angabe<br />

2<br />

2<br />

etwa die Hälfte<br />

Väter von Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren<br />

1<br />

21<br />

kaum etwas, nichts<br />

13<br />

61<br />

den kleineren Teil<br />

den kleineren Teil<br />

keine Angabe<br />

kaum etwas,<br />

nichts<br />

Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach (2010): Monitor Familienleben 2010. Einstellungen und Lebensverhältnisse von Familien.<br />

Ergebnisse einer Repräsentativbefragung, Allensbach.<br />

alles<br />

Die meisten <strong>der</strong> jungen Männer entscheiden<br />

sich hingegen für ›typisch‹ männliche Technikberufe<br />

o<strong>der</strong> ebenfalls für kaufmännische Berufe,<br />

auch in Bremen: (Kfz-) Mechatroniker, Industriemechaniker,<br />

Elektroniker usw.). Diese<br />

Berufe führen viele Männer in das duale<br />

System. Im dualen System werden sie auf<br />

bundeseinheitlich geregelte Fachar<strong>bei</strong>terberufe<br />

vorbereitet, es bietet eine tarifliche Entlohnung,<br />

betriebliche Mitbestimmung und meistens<br />

geregelte Übergänge von <strong>der</strong> Ausbildung<br />

in Beschäftigung. Dementsprechend ist nicht<br />

allein die Berufswahl von jungen Frauen mit<br />

dafür verantwortlich, dass viele von ihnen in<br />

weniger gut bezahlten Berufen erwerbstätig<br />

werden. Mitverantwortlich ist auch die Ausgestaltung<br />

des Ausbildungssystems, dass <strong>der</strong>zeit<br />

in kleinen Schritten umgebaut wird.<br />

Ein weiterer ganz zentraler Aspekt für die<br />

unterschiedlichen Berufswege von Männern<br />

und Frauen ist die Aufteilung <strong>der</strong> bezahlten<br />

Erwerbsar<strong>bei</strong>t und <strong>der</strong> unbezahlten Versor-<br />

1<br />

1<br />

2<br />

Mütter von Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren Vollzeit berufstätige Mütter<br />

11<br />

etwa die Hälfte<br />

18<br />

67<br />

das meiste<br />

das meiste<br />

gungsar<strong>bei</strong>t (Haus- und Sorgear<strong>bei</strong>t). Das wird<br />

deutlich, wenn die bezahlte Erwerbsar<strong>bei</strong>t und<br />

die unbezahlte Versorgungsar<strong>bei</strong>t zusammen<br />

betrachtet werden. Dann erreichen Frauen im<br />

Durchschnitt mit 43 Stunden pro Woche eine<br />

etwas höhere Gesamtar<strong>bei</strong>tszeit als Männer<br />

mit 42 Stunden. 8 Lediglich in <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 30- bis 44-Jährigen, in <strong>der</strong> klassischen<br />

›Familienphase‹, ar<strong>bei</strong>ten die Männer mit rund<br />

8,2 Stunden pro Tag etwas länger als die<br />

Frauen mit circa 7,5 Stunden bezahlter und<br />

unbezahlter Ar<strong>bei</strong>t. Vor allem, wenn Kin<strong>der</strong> im<br />

Haushalt leben, nimmt die unbezahlte Ar<strong>bei</strong>tszeit<br />

<strong>der</strong> Frauen überdurchschnittlich zu. Und<br />

unabhängig davon, ob erwerbstätige Mütter<br />

viel verdienen o<strong>der</strong> wenig, ob sie einen hohen<br />

o<strong>der</strong> einen weniger hohen Bildungsabschluss<br />

8 Vgl. BMFSFJ/Statistisches Bundesamt 2003: 9.<br />

53<br />

alles<br />

4<br />

17


18<br />

Armut von Frauen<br />

haben – immer erledigen sie den weit überwiegenden<br />

Teil <strong>der</strong> Familienar<strong>bei</strong>t. Das gilt selbst<br />

dann, wenn sie 40 Stunden pro Woche und<br />

länger erwerbstätig sind. Die berufstätigen<br />

Mütter versuchen in erster Linie, sich durch<br />

an<strong>der</strong>e Frauen aus <strong>der</strong> Verwandtschaft und<br />

<strong>der</strong> Nachbarschaft o<strong>der</strong> durch Haushaltshilfen<br />

und Kin<strong>der</strong>mädchen zu entlasten. Nur wenige<br />

Mütter verlassen sich auf verlässliche Alltagsregelungen<br />

mit ihren Partnern. 9 Selbst diejenigen<br />

Frauen, die sich in <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> ›Familienernährerin‹<br />

befinden (fast 10 Prozent aller<br />

Paarhaushalte in Westdeutschland, 15 Prozent<br />

in Ostdeutschland), bleiben im Regelfall<br />

Hauptzuständige für den Haushalt und die<br />

Kin<strong>der</strong>erziehung. 10<br />

2.4 Teilzeitar<strong>bei</strong>t und Minijobs –<br />

Erwerbstätigkeit schützt nicht<br />

vor Einkommensarmut<br />

Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen<br />

und Männern im Erwerbsleben entspricht in<br />

immer stärkerem Maße den Wünschen und<br />

Lebensplanungen vieler Frauen, vor allem aber<br />

ökonomischen Notwendigkeiten. Obwohl Frauen<br />

<strong>bei</strong> den Bildungsabschlüssen aufgeholt und<br />

die Männer inzwischen überholt haben (vgl.<br />

Punkt 2.2), können sie ihre Bildungsvorteile<br />

auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nicht dementsprechend<br />

umsetzen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e von Müttern, ist zwar in den<br />

letzten Jahren in Deutschland und in Bremen<br />

gestiegen. Dieser Anstieg beruht jedoch vor<br />

allem auf Teilzeitbeschäftigungen, häufig mit<br />

geringem Stundenumfang sowie niedrigen<br />

Löhnen. Diese Kombination ist für viele Frauen<br />

nicht existenzsichernd.<br />

Die Quote erwerbstätiger Frauen liegt in<br />

Deutschland <strong>bei</strong> mittlerweile 66 Prozent, 11 sieben<br />

Prozentpunkte über dem Durchschnitt in<br />

den 27 EU-Län<strong>der</strong>n. Im Land Bremen 12 ist sie<br />

von 54,4 Prozent (2005) auf 60 Prozent im<br />

9 Vgl. Sachverständigenkommission <strong>2011</strong>: 153.<br />

10 Vgl. Klenner/Klammer 2009.<br />

11 Vgl. Sachverständigenkommission <strong>2011</strong>: 90.<br />

12 Bei den Männern stieg sie ebenfalls von 64 Prozent (2005) auf<br />

68,7 Prozent im Jahr 2008 (vgl. Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen,<br />

Gesundheit, Jugend und Soziales 2010: 7).<br />

Jahr 2008 gestiegen. Das ist ein vergleichsweise<br />

niedriger Wert, da mit Bremen und Bremerhaven<br />

zwei Großstädte betrachtet werden.<br />

Der 66-Prozent-Wert für Deutschland beruht<br />

hingegen auf dem Durchschnitt von ländlichen,<br />

kleinstädtischen und großstädtischen Ar<strong>bei</strong>tsmärkten.<br />

In Bremen ist in Bezug auf die Frauenerwerbstätigkeit<br />

noch ›Luft nach oben‹.<br />

Bemerkenswert ist weniger <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong><br />

Erwerbsquote von Frauen, da sie auch in<br />

an<strong>der</strong>en EU-Län<strong>der</strong>n steigt. Bemerkenswert<br />

sind zwei ›Son<strong>der</strong>entwicklungen‹.<br />

Trotz <strong>der</strong> höheren Erwerbsquote hat sich<br />

das von Frauen geleistete Volumen <strong>der</strong><br />

Erwerbsar<strong>bei</strong>t nicht vergrößert, es stagniert.<br />

Werden alle Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisse und Ar<strong>bei</strong>tsstunden<br />

von Frauen zu Vollzeitbeschäftigungen<br />

zusammengerechnet, leisten sie aktuell nicht<br />

mehr bezahlte Erwerbsar<strong>bei</strong>t als schon vor<br />

Jahren. Die Erwerbsar<strong>bei</strong>tsstunden aller Frauen<br />

verteilen sich heute lediglich auf ›mehr<br />

Schultern‹.<br />

Diese Entwicklung geht mit <strong>der</strong> starken<br />

Ausweitung von Teilzeitar<strong>bei</strong>t einher sowie<br />

dem zweiten deutschen Son<strong>der</strong>weg, den ›Minijobs‹.<br />

Die starke Zunahme <strong>der</strong> Minijobs beruht<br />

auf Strategien vieler Unternehmen, die seit<br />

den ›Gesetzen für mo<strong>der</strong>ne Dienstleistungen<br />

am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt‹ (ab 2003) vermehrt mit Minijobbern<br />

und vor allem mit Minijobberinnen<br />

ar<strong>bei</strong>ten. Niedriglöhne und Ar<strong>bei</strong>tsrechtsverletzungen<br />

sind da<strong>bei</strong> lei<strong>der</strong> weit verbreitet.


Abbildung 4:<br />

Teilzeitbeschäftigte mit dem Wunsch nach einer Vollzeittätigkeit in Prozent<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

Nachgewiesen ist ein Rückgang <strong>der</strong> Vollzeitar<strong>bei</strong>tsplätze<br />

in Deutschland zwischen 2000 und<br />

2009 von über 1,7 Millionen – davon 670.000<br />

Frauenar<strong>bei</strong>tsplätze. Im gleichen Zeitraum<br />

stieg die Zahl ausschließlich geringfügig Beschäftigter<br />

(Teilzeit, Minijobs) um fast 1,3 Millionen<br />

Menschen, darunter 715.000 Frauen.<br />

Das Resultat dieser Entwicklung zeigt sich in<br />

einer Teilzeitbeschäftigung von 46 Prozent <strong>bei</strong><br />

den Frauen (2008) und lediglich neun Prozent<br />

<strong>bei</strong> den Männern. Selbst <strong>bei</strong> Frauen ohne Kin<strong>der</strong><br />

ist die Teilzeitquote mit 28 Prozent relativ<br />

hoch. 13 Tatsächlich entspricht eine Erwerbstätigkeit<br />

in Teilzeit den Wünschen von einem<br />

Teil <strong>der</strong> Frauen, insbeson<strong>der</strong>e wenn sie (kleine)<br />

Kin<strong>der</strong> betreuen. Gleichzeitig ist in den<br />

letzten Jahren aber auch <strong>der</strong> Anteil ›unfreiwilliger<br />

Teilzeitar<strong>bei</strong>t‹ erheblich angestiegen.<br />

Das heißt, dass viele Frauen länger ar<strong>bei</strong>ten<br />

wollen o<strong>der</strong> müssen, was ihnen aber nicht<br />

möglich ist.<br />

2000<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Qualität <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t, 2010.<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

Auch im Land Bremen zeigt sich eine vergleichbare<br />

Entwicklung zwischen Männern und<br />

Frauen. Die Erwerbstätigkeit erhöhte sich wie<br />

im Bund zwischen 2000 und 2009 (+2,9 Prozent),<br />

aber lediglich um 0,9 Prozentpunkte.<br />

Gleichzeitig erfolgte ein Rückgang <strong>der</strong> sozialversicherungspflichtigen<br />

Beschäftigung (Vollzeit)<br />

um immerhin fünf Prozent. Neue Beschäftigungsverhältnisse<br />

entstanden vor allem als<br />

sozialversicherungspflichtige Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />

(+24,5 Prozent) und als ausschließlich geringfügig<br />

entlohnte Beschäftigung (+21,7 Prozent).<br />

Diese <strong>bei</strong>den Erwerbsbereiche sind<br />

nicht nur im Land Bremen stark weiblich<br />

geprägt. Sozialversicherungspflichtige Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />

ist lediglich <strong>bei</strong> 7,5 Prozent <strong>der</strong> Männer<br />

verbreitet. Im Gegensatz dazu dominieren die<br />

Frauen insgesamt zwar auch <strong>bei</strong> <strong>der</strong> geringfügigen<br />

Beschäftigung (60 Prozent), aber fast<br />

40 Prozent dieser prekären Jobs führen<br />

Männer aus.<br />

13 Vgl. BMAS 2008: 96.<br />

19


20<br />

Armut von Frauen<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 2010*: 290.689 insg./Land Bremen<br />

Frauen / Vollzeit 79.886 62,6% Männer / Vollzeit 150.929 92,5%<br />

Frauen / Teilzeit 47.652 37,4% Männer / Teilzeit 12.091 7,5%<br />

Frauen insgesamt 127.597 100,0% Männer insgesamt 163.092 100,0%<br />

Geringfügig Beschäftigte 2010*: 70.801 insgesamt<br />

Frauen insgesamt 42.595 60,2% Männer insgesamt 28.206 39,8%<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Beschäftigungsstatistik.<br />

*Stichtag: 30. September 2010.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass im Land Bremen<br />

das klassische ›Normalar<strong>bei</strong>tsverhältnis‹<br />

weiterhin stark dominiert, zumindest aus <strong>der</strong><br />

Sicht <strong>der</strong> 150.929 Männer, die Vollzeit ar<strong>bei</strong>ten.<br />

Ihnen stehen 12.091 Männer (7,5 Prozent)<br />

in einer atypischen, aber sozialversicherungspflichtig<br />

gesicherten Teilzeitbeschäftigung<br />

gegenüber sowie 28.206 geringfügig<br />

beschäftigte Männer. Atypisch beschäftigt ist<br />

demnach eine stattliche Min<strong>der</strong>heit von rund<br />

40.000 Männern (21 Prozent).<br />

Von den Frauen im Land Bremen ar<strong>bei</strong>ten<br />

etwa halb so viele (79.886) – im Vergleich <strong>zur</strong><br />

Anzahl <strong>der</strong> Männer – in einem klassischen<br />

Normalar<strong>bei</strong>tsverhältnis (Vollzeit). Ihnen stehen<br />

14 Vgl. Kümmerling et al. 2008: 7.<br />

47.652 Frauen (37,4 Prozent) in einer atypischen,<br />

aber sozialversicherungspflichtig<br />

gesicherten Teilzeitbeschäftigung gegenüber<br />

sowie 42.595 geringfügig beschäftigte Frauen.<br />

Das sind insgesamt 90.247 Frauen. Aus<br />

ihrer Sicht kann eigentlich nicht von einem<br />

›atypischen‹ Beschäftigungsverhältnis gesprochen<br />

werden, da es sich um etwas mehr als<br />

die Hälfte aller Frauen handelt (53 Prozent).<br />

Für die Frage, wer Teilzeit- o<strong>der</strong> geringfügig<br />

beschäftigt ist, ist neben den Unterschieden<br />

zwischen Männern und Frauen auch <strong>der</strong>en<br />

Qualifikation relevant. Bundesweite Untersuchungen<br />

zeigen, dass <strong>bei</strong> gering qualifizierten<br />

Frauen <strong>der</strong> Teilzeitanteil am höchsten ist und<br />

<strong>bei</strong> hoch qualifizierten Frauen am niedrigsten.<br />

Dieser Zusammenhang hat sich in den letzten<br />

Jahren in Deutschland nicht abgemil<strong>der</strong>t,<br />

son<strong>der</strong>n weiter verstärkt. Mit dem Resultat,<br />

dass in keinem europäischen Land gering<br />

qualifizierte und teilzeitbeschäftigte Frauen so<br />

kurze Ar<strong>bei</strong>tszeiten haben wie in (West-)<br />

Deutschland. 14


früheres Bundesgebiet<br />

neue Län<strong>der</strong><br />

Abbildung 5: Tarifbindung 2009 in Prozent/Deutschland<br />

56 9<br />

36<br />

38 13<br />

49<br />

Branchentarifvertrag Firmentarifvertrag kein Tarifvertrag<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Qualität <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t, 2010.<br />

Diese wachsende ›Kluft‹ vertieft sich zusätzlich<br />

durch Entwicklungen im Bereich <strong>der</strong> sozialversicherungspflichtig<br />

gesicherten Beschäftigung.<br />

Anschaulich wird das durch die Verän<strong>der</strong>ungen<br />

innerhalb dieses Beschäftigungsbereiches<br />

im Land Bremen. 15 Dort verringerte<br />

sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Beschäftigten zwischen<br />

2000 und 2009 ohne Berufsausbildung um<br />

21,5 Prozent, <strong>der</strong>jenigen mit einer Berufsausbildung<br />

um 9,6 Prozent. Der Anteil <strong>der</strong><br />

Beschäftigten mit einem Fach- o<strong>der</strong> Hochschulabschuss<br />

erhöhte sich hingegen um 24,2<br />

Prozent. Exemplarisch zeigt sich diese Auseinan<strong>der</strong>entwicklung<br />

am Beispiel von Bremerhaven.<br />

Dort hat sich die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsplätze<br />

für Frauen mit einem Hochschulabschluss<br />

seit 1998 um fast 80 Prozent erhöht. 16 Bei<br />

den gleich qualifizierten Männern liegt <strong>der</strong><br />

Zuwachs lediglich <strong>bei</strong> rund 40 Prozent.<br />

Weniger gut qualifizierte Ar<strong>bei</strong>tskräfte sind<br />

demnach in beson<strong>der</strong>em Maße auf prekäre<br />

Beschäftigungsverhältnisse mit einem geringen<br />

Stundenumfang verwiesen.<br />

Noch ein weiterer Schritt in Richtung eines<br />

steigenden Armutsrisikos erfolgt für diese<br />

weniger gut qualifizierten Frauen in einem<br />

prekären Beschäftigungsverhältnis mit geringem<br />

Stundenumfang, wenn die (Niedrig-)<br />

Lohnentwicklung einbezogen wird.<br />

2.5 Die Niedriglohnentwicklung und<br />

<strong>der</strong> Lohnabstand zwischen Männern<br />

und Frauen als Armutsursache<br />

In <strong>der</strong> aktuellen Debatte um einen allgemein<br />

verbindlichen gesetzlichen Mindestlohn verweisen<br />

Kritiker immer wie<strong>der</strong> auf die dafür<br />

zuständigen Tarifvertragsparteien. In Deutschland<br />

lege nicht die Politik Lohnuntergrenzen<br />

fest, son<strong>der</strong>n Ar<strong>bei</strong>tgeber und Gewerkschaften.<br />

Sie regeln in Tarifverträgen Bezahlung,<br />

Ar<strong>bei</strong>tszeiten und weitere Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen.<br />

Werden Tarifverträge für Firmen o<strong>der</strong> Branchen<br />

ausgehandelt, gelten für die Beschäftigten<br />

Mindeststandards.<br />

Die Reichweite von Tarifverträgen ist seit<br />

1998 jedoch von 68 Prozent auf 56 Prozent<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten im Jahr 2009 gesunken<br />

(Westdeutschland). 36 Prozent <strong>der</strong> Beschäftigten<br />

in Westdeutschland und 49 Prozent <strong>der</strong><br />

Beschäftigten in Ostdeutschland ar<strong>bei</strong>ten in<br />

Firmen und Betrieben ohne Tarifvertrag (vgl.<br />

Abbildung 5). Für sie sind keine Mindeststandards<br />

festgelegt. Solche fehlenden Untergrenzen<br />

wirken sich insbeson<strong>der</strong>e zulasten von<br />

Frauen aus. Erhielten im Jahr 1995 25 Prozent<br />

<strong>der</strong> beschäftigten Frauen Niedriglöhne, waren<br />

es 2007 bereits 29 Prozent, im Vergleich<br />

zu 14 Prozent <strong>der</strong> Männer. Zwei Drittel aller<br />

Niedriglöhner/innen in Deutschland sind<br />

Frauen. 17<br />

15 Vgl. Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer 2010: 55.<br />

16 Vgl. Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen <strong>2011</strong>: 22. Einen erheblichen<br />

Effekt für diese Entwicklung hat das dortige Alfred-Wegener-<br />

Institut mit allein rund 800 Beschäftigten.<br />

17 Vgl. Bosch et al. 2009.<br />

21


22<br />

Armut von Frauen<br />

Denn auch die vielen teilzeitbeschäftigten<br />

Frauen erhalten in Deutschland durchschnittlich<br />

vier Euro weniger Stundenlohn als Vollzeitbeschäftigte,<br />

quasi eine ›Lohnstrafe‹ für<br />

(weibliche) Teilzeitar<strong>bei</strong>t.<br />

Aber nicht allein im Niedriglohnbereich ist<br />

<strong>der</strong> Verdienstabstand zwischen Frauen und<br />

Männern ein Ausdruck mangeln<strong>der</strong> Gleichbehandlung.<br />

Insgesamt ist <strong>der</strong> (Brutto-) Verdienst<br />

pro Stunde von Frauen in Deutschland um 23<br />

Prozent niedriger als <strong>der</strong> von Männern. Konkret<br />

verdienten im Jahr 2009 Frauen im Durchschnitt<br />

14,90 Euro und damit 4,50 Euro weniger<br />

als Männer (19,40 Euro). In Westdeutschland<br />

ist dieser Lohnabstand mit 25 Prozent<br />

sogar noch höher, in Ostdeutschland ist er mit<br />

sechs Prozent erheblich niedriger. Innerhalb<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union gehört Deutschland<br />

bezogen auf den Lohnabstand zu den Schlusslichtern.<br />

Denn auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt halten<br />

sich in Deutschland beson<strong>der</strong>s hartnäckige<br />

Ungleichheiten zum Nachteil von Frauen.<br />

Obwohl mehrere Bundesregierungen den<br />

Verdienstabstand zwischen Frauen und<br />

Männern bis zum Jahr 2010 auf 15 Prozent<br />

senken wollten, ist er über die Jahre nahezu<br />

gleich geblieben.<br />

In den <strong>bei</strong>den Großstädten Bremen und<br />

Bremerhaven ist <strong>der</strong> Lohnabstand zwischen<br />

Frauen und Männern mit 26 Prozent noch<br />

größer als im Durchschnitt in Deutschland insgesamt.<br />

Dafür gibt es einerseits eine einleuchtende<br />

Erklärung. Sind Frauen vor allem in<br />

schlechter bezahlten Frauenberufen tätig und<br />

Männer in besser bezahlten Männerberufen,<br />

und ist auch noch die regionale Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

hoch, dann drückt diese schwierige<br />

Verhandlungsposition <strong>der</strong> Frauen ihre Löhne<br />

noch stärker. Zum an<strong>der</strong>en ist <strong>der</strong> Lohnabstand<br />

in den deutschen Großstädten mit<br />

durchschnittlich zwölf Prozent deutlich geringer<br />

als in den <strong>bei</strong>den Großstädten Bremen<br />

und Bremerhaven. Dieser geringere Wert für<br />

die Großstädte entsteht durch den erheblich<br />

höheren Anteil von erwerbstätigen Frauen<br />

mit hohen Qualifikationen. Dass in Bremen<br />

und Bremerhaven <strong>der</strong> Lohnabstand trotz <strong>der</strong><br />

hoch qualifizierten erwerbstätigen Frauen 26<br />

Prozent beträgt, legt folgende Erklärung nahe:<br />

Sowohl die hoch qualifizierten Frauen wie<br />

auch die prekär beschäftigten Frauen, bezie-<br />

hen vergleichsweise noch geringere Löhne<br />

als Frauen in an<strong>der</strong>en deutschen Großstädten<br />

– im Vergleich zu den in Bremen vergleichsweise<br />

höher bezahlten Männern.<br />

Bestätigt wird diese Erklärung auch durch<br />

den oben bereits ausgeführten, vergleichsweise<br />

hohen Anteil von erwerbstätigen Frauen in<br />

Teilzeit- und in geringfügig entlohnter Beschäftigung.<br />

Bei den geringfügig Beschäftigten,<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>bei</strong> den Minijobs, hat Bremen<br />

im Vergleich aller Bundeslän<strong>der</strong> sogar die<br />

höchsten Anteile insgesamt.<br />

Die prekäre <strong>Lage</strong> gerade <strong>der</strong> überdurchschnittlich<br />

vielen Frauen in Teilzeit- und in<br />

geringfügig entlohnter Beschäftigung in Bremen<br />

wird noch deutlicher, wenn auch die<br />

Lohnregelungen für jene Branchen betrachtet<br />

werden, die über einen Tarifvertrag verfügen.<br />

Denn selbst gültige Tarifverträge schützen<br />

we<strong>der</strong> im Bundesland Bremen noch in an<strong>der</strong>en<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n vor Niedriglöhnen. Im Land<br />

Bremen werden mindestens 26 Tarifverträge<br />

(vgl. Abbildung 6, S. 23) angewendet, die für<br />

untere Lohngruppen Lohnsätze von weniger<br />

als dem gefor<strong>der</strong>ten Mindestlohn von 8,50<br />

Euro pro Stunde zugrunde legen:<br />

6,00 bis 7,50 Euro je Stunde = 1.009 bis<br />

1.251 Euro je Monat in 14 Branchen;<br />

7,51 bis 8,48 Euro je Stunde = 1.242 bis<br />

1.433 Euro je Monat in 12 Branchen).<br />

Und selbst in Branchen, in denen es einen allgemein<br />

verbindlichen Mindestlohn gibt, liegen<br />

die Löhne teilweise unter dem existenzsichernden<br />

Stundensatz von 8,50 Euro. Zum Beispiel<br />

<strong>bei</strong> den Wäschereidienstleistungen (7,65<br />

Euro), in <strong>der</strong> Abfallwirtschaft (8,24 Euro) und<br />

in <strong>der</strong> Pflege (8,50 Euro). Selbst <strong>der</strong> Pflegemindestlohn<br />

liegt noch in <strong>der</strong> Armutsrisikozone.<br />

Es ist außerdem gleichstellungspolitisch<br />

bedenklich, wenn etwa Fachkräfte in <strong>der</strong><br />

ambulanten und stationären Altenpflege 8,50<br />

Euro verdienen, im Baugewerbe aber selbst<br />

Ungelernte mindestens 9,25 Euro erhalten.


Abbildung 6:<br />

Branchen mit Tarifvergütungen unter 8,50 Euro/Stunde im Land Bremen 2010<br />

Branche<br />

Garten-, Landschafts- und<br />

Sportplatzbau<br />

Fleischerhandwerk<br />

Fleischerhandwerk<br />

Friseurhandwerk<br />

(Stadt Bremen)<br />

Sanitär- , Heizung-, Klimahandwerk<br />

(in Bremerhaven)<br />

Bewachungsgewerbe<br />

Separatwachdienst<br />

Maler- und Lackiererhandwerk<br />

Bewachungsgewerbe<br />

Revierwachdienst<br />

Hotel- und Gaststättengewerbe<br />

Bekleidungsindustrie<br />

Systemgastronomie<br />

Einzelhandel<br />

Erwerbsgartenbau<br />

Erwerbsgartenbau<br />

Zeitar<strong>bei</strong>t (West),<br />

Tarif BZA<br />

Zeitar<strong>bei</strong>t (West),<br />

Tarif iGZ<br />

Dachdeckerhandwerk West<br />

feinkeramische Industrie<br />

Kfz-Handwerk<br />

Floristik<br />

Gebäu<strong>der</strong>einigung<br />

Versicherungsgewerbe<br />

Briefdienstleistungen (West)<br />

sonstige Tätigkeiten<br />

öffentlicher Dienst Bund<br />

öffentlicher Dienst West<br />

Gemeinden<br />

öffentlicher Dienst Län<strong>der</strong><br />

(West)<br />

Quelle: WSI-Tarifarchiv<br />

Beschäftigungsform<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>ter<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Ar<strong>bei</strong>ter<br />

Ar<strong>bei</strong>ter<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>ter<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>ter<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Angestellter<br />

Angestellter<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Angestellter<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />

Tarifvergütung<br />

(EUR) je Stunde<br />

6,25–8,06<br />

6,31<br />

6,33<br />

6,34–6,57<br />

6,35<br />

6,00–6,47<br />

6,59<br />

6,10–6,61<br />

6,69–6,91<br />

6,89<br />

7,05–7,50<br />

7,16–7,50<br />

7,22<br />

7,32<br />

7,38–8,19<br />

7,51–8,19<br />

7,41<br />

7,65<br />

7,65<br />

7,73–8,07<br />

8,15<br />

8,34<br />

8,40<br />

8,48<br />

8,48<br />

–<br />

Tarifvergütung<br />

(EUR) je Monat gültig ab<br />

1.056–1.362<br />

1.009<br />

1.012<br />

1.046–1.084<br />

1.022<br />

1.039–1.121<br />

1.113<br />

1.057–1.145<br />

1.131–1.168<br />

1.103<br />

1.191–1.268<br />

1.167–1.223<br />

1.220<br />

1.237<br />

1.119–1.242<br />

1.139–1.242<br />

1.251<br />

1.263<br />

1.198<br />

1.307–1.363<br />

1.377<br />

1.372<br />

1.406<br />

1.433<br />

1.433<br />

1.406–1.423<br />

09/<strong>2011</strong><br />

07/1995<br />

07/1995<br />

04/2007<br />

04/2008<br />

05/1992<br />

03/2007<br />

03/2008<br />

06/2003<br />

03/2007<br />

03/2008<br />

07/2008, 07/2009<br />

01/2010<br />

12/2007, 12/2008,<br />

12/2009, 12/2010<br />

09/2009, 09/2010,<br />

01/<strong>2011</strong><br />

12/2008<br />

12/2008<br />

01/2007, 07/2010,<br />

05/<strong>2011</strong>, 11/<strong>2011</strong>,<br />

11/2012<br />

11/2008, 07/2010,<br />

05/<strong>2011</strong>, 11/<strong>2011</strong>,<br />

11/2012<br />

10/2010<br />

02/2010<br />

01/2008<br />

09/2009, 09/2010,<br />

09/<strong>2011</strong><br />

05/2003<br />

01/2009<br />

01/2008<br />

01/2010<br />

01/2010<br />

03/2009,<br />

03/2010<br />

23


24<br />

Armut von Frauen<br />

2.6 Beziehen Frauen Sozialleistungen<br />

– im Sinne staatlicher ›Armutsbekämpfung‹<br />

–, verbleiben viele in<br />

Einkommensarmut<br />

Seit den Ar<strong>bei</strong>tsmarktreformen (Hartz-Gesetze)<br />

ist vielfach dargestellt worden, dass sie eher<br />

<strong>zur</strong> Stärkung <strong>der</strong> traditionellen Rollen von<br />

Frauen und Männern <strong>bei</strong>getragen haben. 18<br />

Zwar wurde das Ziel <strong>der</strong> Gleichstellung <strong>der</strong><br />

Geschlechter in <strong>der</strong> aktivierenden Ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitik<br />

festgeschrieben. Und auch im<br />

Bereich des SGB II (Hartz IV) wird <strong>der</strong><br />

Anspruch erhoben, nicht mehr die männliche<br />

Ernährerfamilie als Leitbild zu betrachten.<br />

Dennoch werden Frauen in <strong>der</strong> Praxis, durch<br />

die Zubilligung ihrer eingeschränkten Verfügbarkeit<br />

aufgrund <strong>der</strong> Betreuung kleiner Kin<strong>der</strong><br />

(§ 10 SGB II) beziehungsweise fehlen<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuungsangebote,<br />

weiterhin auf ihre<br />

traditionelle Rolle verwiesen. Den Fachkräften<br />

in den ›Jobcentern‹ fehlen außerdem entsprechende<br />

Instrumente, mit denen sie die Aufgabenteilung<br />

zwischen Mann und Frau in einer<br />

Bedarfsgemeinschaft beeinflussen könnten.<br />

Faktisch kam es deshalb eher zu einer<br />

Stärkung <strong>der</strong> traditionellen Rollenverteilung.<br />

Frauen wurden und werden verstärkt in den<br />

Bereich prekärer Beschäftigung verwiesen und<br />

verbleiben angesichts <strong>der</strong> dort verbreiteten<br />

Niedrig- und Armutslöhne in Abhängigkeit von<br />

Partnern und/o<strong>der</strong> staatlichen Sozialleistungen.<br />

19<br />

Gleichzeitig hat sich in <strong>der</strong> letzten Finanzund<br />

Wirtschaftskrise (2008/2009) gezeigt,<br />

dass Frauen weniger stark unter Ar<strong>bei</strong>tsplatzverlusten<br />

zu leiden hatten als ein Teil <strong>der</strong> Männer.<br />

Dies hängt vor allem damit zusammen,<br />

dass die Frauenbeschäftigung wegen des<br />

hohen Dienstleistungsanteils weniger stark<br />

konjunkturell schwankt. In Bremen und Bremerhaven<br />

betraf <strong>der</strong> Beschäftigungsrückgang<br />

infolge <strong>der</strong> Wirtschafts- und Finanzkrise vor<br />

allem männerdominierte Bereiche wie die Leihar<strong>bei</strong>t,<br />

die Hafenwirtschaft und das verar<strong>bei</strong>tende<br />

Gewerbe. Ausdruck dieser Entwicklung<br />

ist auch die offizielle Ar<strong>bei</strong>tslosenquote.<br />

Sie lag im Dezember 2010 <strong>bei</strong> den Männern in<br />

<strong>der</strong> Stadt Bremen <strong>bei</strong> 11 Prozent und <strong>bei</strong> den<br />

Frauen <strong>bei</strong> 9,8 Prozent. Auch in Bremerhaven<br />

sind die Männer mit 17,1 Prozent stärker<br />

betroffen als die Frauen mit 16,2 Prozent.<br />

Aktuell ist jedoch die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosen<br />

und die Quote <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit kein wirklich<br />

guter Maßstab mehr, um die Entwicklungen<br />

<strong>bei</strong> den prekär Beschäftigten und den<br />

Armen zu beurteilen. Obwohl dem so ist, stellen<br />

die meisten Politiker das erfreuliche aktuelle<br />

Wirtschaftswachstum und die rückläufigen<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosenzahlen weiterhin als die wichtigsten<br />

Kennzahlen dar. Tatsächlich jedoch wurden<br />

durch die Ar<strong>bei</strong>tsmarktreformen im Zuge <strong>der</strong><br />

Agenda 2010 zwei Gruppen von ar<strong>bei</strong>tslosen<br />

Männern und Frauen geschaffen, die <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Präsentation <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmarkzahlen nicht<br />

deutlich zu unterscheiden sind. Offiziell heißen<br />

sie auch nicht mehr Ar<strong>bei</strong>tslose, son<strong>der</strong>n<br />

Ar<strong>bei</strong>tsuchende.<br />

Eine Min<strong>der</strong>heit von 18 Prozent (6.559)<br />

gehört in <strong>der</strong> Stadt Bremen zu den Ar<strong>bei</strong>tsuchenden,<br />

die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld I beziehen.<br />

Sie haben auch weiterhin Anspruch auf statussichernde<br />

Leistungen durch die Ar<strong>bei</strong>tslosenversicherung.<br />

Sie müssen als Ar<strong>bei</strong>tsuchende<br />

in den ersten sechs Monaten einer Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

eine ›angemessene‹ Beschäftigung<br />

akzeptieren. Selbst danach müssen sie nur<br />

solche Beschäftigungen annehmen, die mindestens<br />

ein Einkommen in Höhe des Ar<strong>bei</strong>tslosengeldes<br />

garantieren. 20 Lediglich diese<br />

Min<strong>der</strong>heit hat noch Zugang zum Sozialversicherungssystem<br />

und den dort gewährten<br />

privilegierten <strong>sozialen</strong> Rechten.<br />

Die große Mehrheit hingegen, 82 Prozent<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsuchenden (30.635) in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen, muss von dem neu eingeführten<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (Hartz IV) leben. Ihre<br />

Leistungen sind ausschließlich steuerfinanziert<br />

und nicht existenzsichernd, um die<br />

Bezieher/innen <strong>zur</strong> Aufnahme von Erwerbsar<strong>bei</strong>t<br />

zu bewegen. Dieses Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

beträgt seit dem 1.1.<strong>2011</strong> 364 Euro pro<br />

18 Vgl. Jaehrling/Rudolph 2010.<br />

19 Vgl. Lenhart 2009.<br />

20 Vgl. Dingeldey 2010: 21.


Monat plus Wohn- und Heizkosten. Bei <strong>der</strong><br />

Beantragung dieser Hartz-IV-Leistungen erfolgt<br />

eine genaue Prüfung <strong>der</strong> Bedürftigkeit<br />

und wenn weitere Personen dem Haushalt<br />

angehören, werden anteilige Zuschläge<br />

gewährt. Wird eine Bedürftigkeit zuerkannt,<br />

werden neben <strong>der</strong> als ar<strong>bei</strong>tslos registrierten<br />

Person weitere Personen im Haushalt zu einer<br />

›Bedarfsgemeinschaft‹ zusammengefasst.<br />

Dazu zählen auch nicht am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt verfügbare<br />

Gruppen wie etwa Mütter mit Kin<strong>der</strong>n<br />

unter drei Jahren, Erwerbstätige mit einem<br />

Haushaltseinkommen unterhalb <strong>der</strong> Armutsgrenze<br />

(›Erwerbsaufstocker‹) o<strong>der</strong> Teilnehmer/innen<br />

von Beschäftigungsmaßnahmen.<br />

Weil die Gesamtzahl <strong>der</strong> Leistungsempfänger<br />

nicht allein die Ar<strong>bei</strong>tslosen, son<strong>der</strong>n auch<br />

die gerade genannten Gruppen umfasst, ist<br />

es wirklich kompliziert, die Ar<strong>bei</strong>tslosen zu<br />

identifizieren.<br />

Das wäre nicht weiter tragisch, wenn nicht<br />

in <strong>der</strong> Öffentlichkeit und im politischen Alltagsgeschäft<br />

in einer kaum noch zu verantwortenden<br />

Art und Weise Vorurteile geschürt würden:<br />

Vorurteile über eine angeblich bedrohlich<br />

große Gruppe von Hartz-IV-Empfängern, die<br />

auf Kosten <strong>der</strong> Steuerzahler/innen ›nichts<br />

tun‹.<br />

Abbildung 7: Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen – Stadt Bremen – Dezember 2010<br />

Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen (15–65 Jahre): 1 52.798<br />

Frauen: 26.707 (50,6%) – Männer: 26.091 (49,4%)<br />

Ar<strong>bei</strong>tsuchende (Ar<strong>bei</strong>tslose, Maßnahmeteilnehmer)<br />

und erwerbstätige ›Aufstocker‹: 40.130 (76,0%)<br />

Maßnahmeteilnehmer<br />

und ›Aufstocker‹:<br />

17.458 (43,5%)<br />

Frauen: 8.340 (47,8%)<br />

Männer: 9.118 (52,2%)<br />

Maßnahmeteilnehmer: 3<br />

7.872 (45,1%)<br />

Frauen: 3.496 (44,4%)<br />

Männer: 4.376 (55,6%)<br />

ar<strong>bei</strong>tslose<br />

Ar<strong>bei</strong>tsuchende: 2<br />

22.672 (56,5%)<br />

Frauen: 9.969 (44,0%)<br />

Männer: 12.703 (56,0%)<br />

Erwerbsaufstocker:<br />

9.586 (54,9%)<br />

Frauen: 4.844 (50,5%)<br />

Männer: 4.742 (49,5%)<br />

nicht Erwerbsfähige (Sozialgeld): 4 20.749<br />

Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren: 19.823 (95.5%)<br />

im Alter von 15 bis 65 Jahren: 926 (4,5%)<br />

nicht Ar<strong>bei</strong>tsuchende:<br />

12.668 (24,0%)<br />

SGB XII GSiAE: 5 5.429<br />

Frauen: 3.434 (63,3%)<br />

Männer: 1.995 (36,7%)<br />

Quellen:<br />

1 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach dem SGB II. Report für Kreise<br />

und kreisfreie Städte. Bremen, Stadt, <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />

2 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremen, Stadt, Dezember 2010.<br />

3 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremen, Stadt, Dezember 2010.<br />

4 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010):<br />

Report für Kreise und kreisfreie Städte. Bremen, Stadt, <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />

5 Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Stadt Bremen: PROSOZ Bremen; Bremerhaven:<br />

Open PROSOZ Bremerhaven); Statistisches Landesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />

25


26<br />

Armut von Frauen<br />

Abbildung 8: Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen – Stadt Bremerhaven – Dezember 2010<br />

Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen (15–65 Jahre): 1 14.930<br />

Frauen: 7.413 (49,6%) – Männer: 7.517 (50,4%)<br />

Ar<strong>bei</strong>tsuchende (Ar<strong>bei</strong>tslose, Maßnahmeteilnehmer)<br />

und erwerbstätige ›Aufstocker‹: 12.391 (83,0%)<br />

Maßnahmeteilnehmer<br />

und ›Aufstocker‹:<br />

4.428 (35,7%)<br />

Frauen: 2.062 (46,6%)<br />

Männer: 2.366 (53,4%)<br />

Maßnahmeteilnehmer: 3<br />

2.030 (45,8%)<br />

Frauen: 839 (41,3%)<br />

Männer: 1.191 (58,7%)<br />

nicht Erwerbsfähige (Sozialgeld): 4 5.760<br />

Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren: 5.571 (96,7%)<br />

im Alter von 15 bis 65 Jahren: 189 (3,3%)<br />

Die Aufteilung <strong>der</strong> einzelnen Gruppen und<br />

ihre Darstellung in Abbildung 7 (s. S. 25) soll<br />

einen realistischen Blick auf die Leistungsempfänger/innen<br />

im erwerbsfähigen Alter ermöglichen.<br />

Sie soll hingegen ausdrücklich nicht<br />

dazu dienen, die weitverbreitete Problematik<br />

des Hartz-IV-Bezuges – gerade für die Betroffenen<br />

– ›klein<strong>zur</strong>echnen‹.<br />

Die in den Medien und in <strong>der</strong> Politik gern<br />

zitierte Zahl von über 70.000 Hartz-IV-Empfängern<br />

und -Empfängerinnen in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />

relativiert sich, wenn die nicht erwerbsfähigen<br />

Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren (19.823;<br />

Dezember 2010) geson<strong>der</strong>t ausgewiesen<br />

werden. Ihre Lebenssituationen, in materieller<br />

Armut aufwachsen zu müssen, müssen mit<br />

Nachdruck verän<strong>der</strong>t werden. Ihnen kann<br />

jedenfalls nicht ernsthaft vorgeworfen werden,<br />

ar<strong>bei</strong>tslose<br />

Ar<strong>bei</strong>tsuchende: 2<br />

7.963 (64,3%)<br />

Frauen: 3.545 (44,5%)<br />

Männer: 4.418 (55,5%)<br />

Erwerbsaufstocker:<br />

2.398 (54,2%)<br />

Frauen: 1.223 (51,0%)<br />

Männer: 1.175 (49,0%)<br />

nicht Ar<strong>bei</strong>tsuchende:<br />

2.539 (17,0%)<br />

SGB XII GSiAE: 5 1.364<br />

Frauen: 898 (65,8%)<br />

Männer: 466 (34,2%)<br />

Quellen:<br />

1 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach dem SGB II. Report für Kreise und<br />

kreisfreie Städte. Bremerhaven, Stadt. <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />

2 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremerhaven, Stadt. Dezember 2010.<br />

3 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremerhaven, Stadt. Dezember 2010.<br />

4 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach dem SGB II. Report für Kreise und<br />

kreisfreie Städte. Bremerhaven, Stadt. <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />

5 Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Stadt Bremen: PROSOZ Bremen; Bremerhaven:<br />

Open PROSOZ Bremerhaven); Statistisches Landesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />

auf Kosten <strong>der</strong> Allgemeinheit zu leben. Dann<br />

verbleiben 52.798 erwerbsfähige Leistungsbezieher,<br />

fast genau <strong>zur</strong> Hälfte Frauen und<br />

Männer. Ihre Gesamtzahl reduziert sich weiter,<br />

wenn Frauen, die kleine Kin<strong>der</strong> betreuen o<strong>der</strong><br />

Personen, die Ältere pflegen, abgezogen werden<br />

(die nicht Ar<strong>bei</strong>tsuchenden: 12.668). Aber<br />

auch die verbleibenden rund 40.000 Personen<br />

bilden nicht die Gruppe <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen<br />

Leistungsempfänger. Fast 9.600 von ihnen<br />

sind in keiner Weise ›ar<strong>bei</strong>tslos‹ o<strong>der</strong> ›ar<strong>bei</strong>tsuchend‹,<br />

son<strong>der</strong>n erwerbstätig (›Aufstocker‹).<br />

Manche von ihnen ar<strong>bei</strong>ten sogar in Vollzeit,<br />

viele in Teilzeit o<strong>der</strong> in Minijobs, manche mit<br />

mehreren Minijobs und insgesamt auch rund<br />

1.400 als Selbstständige. Alle müssen aufgrund<br />

von Niedriglöhnen o<strong>der</strong> Armutslöhnen<br />

zusätzlich staatliche Leistungen beantragen,


um ihre Existenz zu sichern. Weitere circa<br />

7.900 Teilnehmer/innen in ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitischen<br />

Maßnahmen sind zwar ar<strong>bei</strong>tslos, aber<br />

sehr aktiv. Sie suchen aktiv und oft mit hohem<br />

Aufwand nach passenden Ar<strong>bei</strong>tsstellen, schulen<br />

um, qualifizieren sich o<strong>der</strong> sind in ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitischen<br />

Maßnahmen tätig. Im Bereich<br />

dieser Maßnahmen werden insgesamt mehr<br />

Männer (ca. 4.400) als Frauen geför<strong>der</strong>t (ca.<br />

3.500). Am Ende reduziert sich die Anzahl <strong>der</strong><br />

tatsächlich ar<strong>bei</strong>tslosen Ar<strong>bei</strong>tsuchenden auf<br />

rund 22.700 Personen. Auch in dieser Gruppe<br />

finden sich mehr Männer (12.703) als Frauen<br />

(9.969). Von ihnen ist wie<strong>der</strong>um rund die Hälfte<br />

langzeitar<strong>bei</strong>tslos (länger als ein Jahr). Das sind<br />

von den ursprünglich 52.798 erwerbsfähigen<br />

Leistungsbeziehern lediglich 20 Prozent.<br />

Von <strong>der</strong> Grundstruktur ganz ähnlich stellt<br />

sich die Situation in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

dar. Hier fällt lediglich auf, dass die Gruppe<br />

<strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen Ar<strong>bei</strong>tsuchenden vergleichsweise<br />

größer ist als in <strong>der</strong> Stadt Bremen.<br />

2.7 Fazit<br />

Zusammenfassend wird deutlich, dass die<br />

Frauen, die von staatlicher Grundsicherung<br />

und Sozialleistungen leben müssen, kaum in<br />

größerer Zahl von Armut betroffen sind als<br />

Männer. Die insgesamt höhere Zahl von Frauen,<br />

die in Armut leben, ergibt sich in erster<br />

Linie aus ihrer prekären Position auf dem<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarkt (niedrig entlohnte Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />

und Minijobs). Ein Großteil <strong>der</strong> Frauen ist trotz<br />

eigener Erwerbstätigkeit von einer eigenständigen<br />

Existenzsicherung noch weit entfernt.<br />

Tragen sie dann auch noch Verantwortung für<br />

die Versorgung und Betreuung von Kin<strong>der</strong>n,<br />

steigt ihr Armutsrisiko enorm. Dazu tragen in<br />

den letzten Jahren auch viele <strong>der</strong> neu entstehenden<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätze, gerade im wachsenden<br />

Segment <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> und personenbezogenen<br />

Dienstleistungen <strong>bei</strong>. Viele dieser zusätzlichen<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätze werden als Helferinnen-,<br />

Assistentinnen- und Zuverdienerinnen-Stellen<br />

angeboten – mit zum Teil schlechten Verdienstmöglichkeiten.<br />

Aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Geschlechtergleichstellung<br />

von Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen und<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmern ist die <strong>der</strong>zeitige Minijobstrategie,<br />

über den Lebenslauf betrachtet,<br />

beson<strong>der</strong>s nachteilig. Durch die politischen<br />

und institutionellen Rahmenbedingungen<br />

sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse<br />

vor allem für verheiratete Frauen kurzfristig<br />

attraktiv. Mangels ihrer Durchlässigkeit<br />

zum Segment sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung erweisen sie sich langfristig<br />

jedoch häufig als ›Sackgasse‹.<br />

Individuelle Entwicklungsmöglichkeiten von<br />

Frauen werden dadurch beschnitten, durch<br />

die staatliche Subventionierung Kosten<br />

sozialisiert und in die Zukunft verlagert<br />

(Finanzierung niedriger Alterseinkommen).<br />

Sozialversicherungspflichtige Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />

muss weiterentwickelt werden. Frauen und<br />

Männer müssen leichter und ohne Nachteile<br />

ihre Ar<strong>bei</strong>tszeiten verringern, aber auch<br />

wie<strong>der</strong> zu einer Vollzeitbeschäftigung<br />

<strong>zur</strong>ückkehren können. Aufstiegswege müssen<br />

ihnen dennoch offenstehen. Neben<br />

entsprechenden betrieblichen Teilzeit- und<br />

För<strong>der</strong>modellen, bedarf es außerdem <strong>der</strong><br />

gesellschaftlichen Wertschätzung und<br />

Anerkennung (auch finanziell) von Phasen<br />

<strong>der</strong> Sorgear<strong>bei</strong>t.<br />

Zum Ausgleich des Lohnabstands zwischen<br />

Männern und Frauen müssen die Tarifparteien<br />

(Ar<strong>bei</strong>tgeber und Gewerkschaften) für<br />

gerechtere Lohnstrukturen sorgen. Die<br />

Ar<strong>bei</strong>tgeber sind in <strong>der</strong> Pflicht, diskriminierende<br />

Ar<strong>bei</strong>tsentgelte zu vermeiden, die<br />

Gewerkschaften müssen diese offensiv einfor<strong>der</strong>n<br />

beziehungsweise gemeinsam mit<br />

den Beschäftigten durchsetzen. Hierzu<br />

besteht <strong>der</strong>zeit eine gute wirtschaftliche<br />

Ertragslage, die Raum für höhere und<br />

gerechte Löhne zwischen Frauen und Männern<br />

bietet. Die spezifische deutsche Niedriglohnstrategie<br />

<strong>der</strong> letzten Jahre, überwiegend<br />

getragen von vielen Frauen, muss<br />

jetzt beendet werden, um Armut abzubauen,<br />

die Binnennachfrage zu stärken und die<br />

öffentlichen Haushalte zu konsolidieren.<br />

27


28<br />

Literatur<br />

Armut von Frauen<br />

Dazu ist aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen<br />

und Ar<strong>bei</strong>tnehmer sowie <strong>der</strong><br />

›öffentlichen Hand‹ die Einführung eines<br />

gesetzlichen Mindestlohns überfällig. Erst<br />

dann könnten auch private ›Haushalte‹ ohne<br />

einen klassischen Familienlohn ihre Existenz<br />

sichern – ohne aufstockende Grundsicherungsleistungen<br />

aus den öffentlichen Haushalten.<br />

Durch Mindestlöhne werden allerdings<br />

lediglich Lohnuntergrenzen gesetzt.<br />

Damit kann nicht gewährleistet werden,<br />

dass qualifizierte Frauen entsprechend ihrer<br />

Qualifikationen und Erfahrungen auch angemessen<br />

entlohnt werden. Ein erster Schritt<br />

in diese Richtung wäre es, Lohn- und<br />

Gehaltstarife für allgemein verbindlich zu<br />

erklären. In den <strong>sozialen</strong>/personenbezogenen<br />

Dienstleistungsberufen sind darüber<br />

hinaus grundlegen<strong>der</strong>e Reformen erfor<strong>der</strong>lich.<br />

ALLMENDINGER, Jutta (1999): Bildungsarmut. Zur Verschränkung<br />

von Bildungs- und Sozialpolitik; in: Soziale<br />

Welt 50/1999, S. 35–50.<br />

ALLMENDINGER, Jutta/LEIBFRIED, Stephan (2003):<br />

Bildungsarmut; in: Aus Politik und Zeitgeschichte,<br />

21–22/2003.<br />

ALLMENDINGER, Jutta (2008): Frauen auf dem Sprung.<br />

Studie <strong>der</strong> Zeitschrift ›Brigitte‹, Hamburg 2008.<br />

ARBEITNEHMERKAMMER BREMEN (2008) (Hrsg.): Armutsbericht<br />

2008, Schwerpunkt: Jugendliche zwischen<br />

Schule und Beruf, Bremen 2008.<br />

ARBEITNEHMERKAMMER BREMEN (2010) (Hrsg.):<br />

Statistisches Jahrbuch 2010, Wirtschafts-, Ar<strong>bei</strong>ts- und<br />

Sozialstatistik, Bremen 2010.<br />

ARBEITNEHMERKAMMER BREMEN (<strong>2011</strong>) (Hrsg.): <strong>Bericht</strong><br />

<strong>zur</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen und Ar<strong>bei</strong>tnehmer im<br />

Lande Bremen, Bremen <strong>2011</strong>.<br />

BMAS Bundesministerium für Ar<strong>bei</strong>t und Soziales (2008)<br />

(Hrsg.): Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht <strong>der</strong><br />

Bundesregierung, 2008.<br />

BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend/Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2003):<br />

Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

in Deutschland 2001/02.<br />

BOSCH, Gerhard/Weinkopf, Claudia/Kalina, Thorsten<br />

(2009): Mindestlöhne in Deutschland: Expertise im Auftrag<br />

<strong>der</strong> Friedrich-Ebert-Stiftung; in: WISO-Diskurs,<br />

Expertisen und Dokumentationen <strong>zur</strong> Wirtschafts- und<br />

Sozialpolitik, Dezember 2009.<br />

DINGELDEY, Irene (2010): Agenda 2010: Dualisierung <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitik; in: Aus Politik und Zeitgeschichte,<br />

48/2010, S. 18–25.<br />

GOTTSCHALL, Karin (2008): Trotz Abschluss arm? Professionalisierung<br />

als Strategie gegen Frauenarmut; in: Programmierte<br />

Frauenarmut? Bremische Zentralstelle für die<br />

Verwirklichung <strong>der</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frauen (ZFG),<br />

2008, S. 7–17.<br />

JAEHRLING, Karen/Rudolph, Clarissa (2010): Grundsicherung<br />

und Geschlecht. Gleichstellungspolitische Befunde<br />

zu den Wirkungen von ›Hartz IV‹, 2010.<br />

Sie müssen die Ausbildung sowie die Finanzierung<br />

und Ausgestaltung von Ar<strong>bei</strong>tsverhältnissen<br />

umfassen. Erfor<strong>der</strong>lich ist eine<br />

Qualitäts- und Aufwertungsoffensive, insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den für die Zukunft zentralen<br />

Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsberufen.<br />

KLENNER, Christina/Klammer, Ute (2009): Weibliche<br />

Familienernährerinnen in West- und Ostdeutschland –<br />

Wunschmodell o<strong>der</strong> neue Prekarität?; in: Rollenleitbil<strong>der</strong><br />

und -realitäten in Europa: Rechtliche, ökonomische und<br />

kulturelle Dimensionen, Forschungsreihe Band 8 des<br />

Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.), S. 58–80.<br />

KÜMMERLING, Angelika/Jansen, Andreas/Lehndorff, Steffen<br />

(2008): Immer mehr Frauen sind erwerbstätig – aber mit<br />

kürzeren Wochenar<strong>bei</strong>tszeiten. IAQ-Report 04, 2008.<br />

LENHART, Karin (2009): Soziale Bürgerrechte unter Druck.<br />

Die Auswirkungen von Hartz IV auf Frauen, 2009.<br />

SACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION (<strong>2011</strong>): Neue Wege –<br />

Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern<br />

im Lebensverlauf. Gutachten <strong>der</strong> Sachverständigenkommission<br />

<strong>zur</strong> Erstellung des Ersten Gleichstellungsberichtes<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung, <strong>2011</strong>.<br />

SENATORIN FÜR ARBEIT, FRAUEN, GESUNDHEIT, JUGEND<br />

UND SOZIALES (2010): Lebenslagen im Land Bremen.<br />

Datenreport des Senats <strong>der</strong> Freien Hansestadt Bremen,<br />

2010.


29<br />

x ›Ohne die Ar<strong>bei</strong>t wäre ich wohl eine Stubenhockerin geworden‹


30<br />

Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

x Susanne Kling<strong>bei</strong>l ist in dem Stadtteil geblieben, in dem sie geboren wurde:<br />

›Gute Nachbarschaft ist mir sehr wichtig‹


Interview mit Dr. Petra Buhr x Universität Bremen, Institut für empirische und angewandte Soziologie (EMPAS)<br />

3 Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

Dr. Petra Buhr forscht am Institut für empirische<br />

und angewandte Soziologie <strong>der</strong> Universität<br />

Bremen. Ihre Ar<strong>bei</strong>tsschwerpunkte sind<br />

dort Armut und soziale Grundsicherung sowie<br />

aktuell die Familienforschung. Seit Mitte <strong>der</strong><br />

1990er Jahre war sie an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

dynamischen Armutsforschung beteiligt, die<br />

Phasen von Armut im Lebenslauf untersucht.<br />

Neben dem typischen Muster eines ›Teufelskreises‹<br />

<strong>der</strong> Armut zeigt die dynamische<br />

Armutsforschung, dass ein erheblicher Teil <strong>der</strong><br />

Betroffenen lediglich kurzzeitig o<strong>der</strong> in<br />

bestimmten Lebensphasen von Armut betroffen<br />

ist. Armut wird häufig durch Ereignisse wie<br />

<strong>der</strong> Verlust des Ar<strong>bei</strong>tsplatzes, eine Scheidung<br />

o<strong>der</strong> die Geburt eines Kindes ausgelöst. Sie<br />

kann zu einem späteren Zeitpunkt aber auch<br />

wie<strong>der</strong> überwunden werden. Durch diese Sicht<br />

auf Armut zeigte sich außerdem, dass ein<br />

erheblich größerer Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

zumindest vorübergehend in Armut und<br />

mit Abstiegsängsten lebt als die begrenzte<br />

Gruppe <strong>der</strong> ›dauerhaft Armen‹.<br />

THOMAS SCHWARZER: Welcher Armutsbegriff<br />

ist beson<strong>der</strong>s geeignet, wenn speziell die<br />

Ungleichheit von Armutssituationen zwischen<br />

Frauen und Männern untersucht werden soll?<br />

PETRA BUHR: Zentrale Begriffe in <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

sind Einkommensarmut, Lebenslage<br />

und Lebenschancen. Sie unterscheiden sich<br />

hauptsächlich dadurch, welche Aspekte von<br />

Armut betrachtet werden. Bei <strong>der</strong> Einkommensarmut<br />

wird lediglich ein Aspekt betrachtet,<br />

das ›Einkommen‹. Wer ein hinreichendes<br />

Einkommen besitzt, kann sich einen angemessenen<br />

Lebensstandard leisten und sich auch<br />

bestimmte Lebenschancen eröffnen. Der<br />

Ansatz <strong>der</strong> Lebenslagen untersucht stärker<br />

die tatsächliche Lebenssituation, zu <strong>der</strong><br />

immer mehrere Aspekte gehören: neben dem<br />

Einkommen zum Beispiel auch die Gesundheit,<br />

die Wohnung, die Bildung o<strong>der</strong> die Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen.<br />

Grundsätzlich ist so ein umfassendes<br />

Armutskonzept aussagekräftiger als das<br />

eindimensionale Konzept <strong>der</strong> Einkommensarmut.<br />

Das gilt für jede Art von Armutsuntersuchungen,<br />

ob es nun um Unterschiede<br />

zwischen Männern und Frauen geht, um<br />

Kin<strong>der</strong>armut o<strong>der</strong> um Armut im Alter. Da die<br />

Einkommensarmut aber am einfachsten zu<br />

ermitteln ist, steht sie in <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

und in <strong>der</strong> Öffentlichkeit oft im Mittelpunkt.<br />

Die Umsetzung des Ansatzes <strong>der</strong> Lebenslagen<br />

ist dagegen kompliziert und es gibt <strong>der</strong>zeit<br />

auch noch kein wirklich allgemein akzeptiertes<br />

Konzept <strong>der</strong> Umsetzung.<br />

THOMAS SCHWARZER: Werden aber Untersuchungen,<br />

die mehrere Aspekte von Armut<br />

betrachten, nicht auch diffuser? Wenn zum<br />

Beispiel ein Aspekt wie ein stabiles soziales<br />

Beziehungsnetz geringe finanzielle Mittel<br />

relativiert.<br />

PETRA BUHR: Werden mehrere Aspekte<br />

betrachtet, stellt sich tatsächlich die Frage,<br />

ob sie sich in irgendeiner Weise ausgleichen.<br />

Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten: Entwe<strong>der</strong><br />

die Armut verschärft sich, weil ein<br />

Mensch in mehreren Lebensbereichen benachteiligt<br />

ist, o<strong>der</strong> Aspekte aus einem <strong>der</strong><br />

Lebensbereiche können an<strong>der</strong>e Einschränkungen<br />

abmil<strong>der</strong>n. Dann stellt sich aber die<br />

Frage, wie die einzelnen Aspekte ›gewichtet‹<br />

werden sollen. Ist die Gesundheit wichtiger als<br />

eine gute Vernetzung o<strong>der</strong> ist Bildung weniger<br />

wichtig als eine gute soziale Einbindung?<br />

Es ist ohne Frage ein Vorteil, wenn ein<br />

Mensch nicht in mehreren Bereichen benachteiligt<br />

ist. Er o<strong>der</strong> sie ist dann zwar arm hinsichtlich<br />

des Einkommens, aber trotzdem zum<br />

Beispiel sozial eingebunden und gesund. Dann<br />

gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die<br />

Einkommensarmut nicht in absehbarer Zeit zu<br />

völliger Ausgrenzung führt.<br />

Wer ein hinreichendes Einkommen<br />

besitzt, kann sich einen<br />

angemessenen Lebensstandard<br />

leisten und sich auch bestimmte<br />

Lebenschancen eröffnen.<br />

31


32<br />

Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

Daran zeigt sich auch, wie wichtig es ist,<br />

mehrere Aspekte zu betrachten, weil sonst<br />

alle ›über einen Kamm geschoren‹ werden. Die<br />

verschiedenen Aspekte in ihrem Zusammenhang<br />

zu betrachten, ist vor allem dann von<br />

zentraler Bedeutung, wenn positive Aspekte<br />

und Potenziale eines Menschen sichtbar<br />

werden, die für ein Überwinden von Einkommensarmut<br />

notwendig sind.<br />

THOMAS SCHWARZER: Zurück <strong>zur</strong> Armut, speziell<br />

von Frauen: Müssen <strong>bei</strong> einer Untersuchung<br />

beson<strong>der</strong>e weibliche Aspekte einbezogen<br />

werden?<br />

PETRA BUHR: Es gibt frauenspezifische Ursachen<br />

von Armut. Allerdings muss ich an dieser<br />

Stelle auch vor einem weitverbreiteten Missverständnis<br />

warnen: Mit dem Begriff ›Frauenarmut‹<br />

ist häufig die Vorstellung verbunden, dass<br />

Armut vor allem ein Problem von Frauen ist,<br />

dass die Armut weiblich ist. Wir müssen aber<br />

zwei Dinge auseinan<strong>der</strong>halten: die strukturelle<br />

Benachteiligung von Frauen in vielen gesellschaftlichen<br />

Bereichen und die tatsächliche<br />

Armutsbetroffenheit. Wird von Frauenarmut<br />

gesprochen, sind häufig die strukturellen<br />

Benachteiligungen von Frauen gemeint und<br />

weniger die tatsächliche Armutssituation. Bei<br />

alleinerziehenden Müttern sind die Armutsquoten<br />

etwa dreimal so hoch wie im Durchschnitt.<br />

Betrachtet man hingegen die Armutsquoten<br />

von Frauen und Männern, die nicht als Familien<br />

leben, liegt die Betroffenheit durch Armut nicht<br />

weit auseinan<strong>der</strong>. Obwohl Frauen überwiegend<br />

niedrigere Löhne haben als Männer, führt das<br />

nicht direkt zu einem Leben dieser Frauen in<br />

Armut. Es kommen immer zusätzliche Faktoren<br />

hinzu, wie zum Beispiel häufig die Versorgung<br />

eines Kindes. Solange Frauen für sich<br />

alleine wirtschaften o<strong>der</strong> gemeinsam mit<br />

einem Partner, führen die bestehenden strukturellen<br />

Benachteiligungen nicht unbedingt in<br />

Armut.<br />

THOMAS SCHWARZER: Sollen wir also präziser<br />

von Mütterarmut reden?<br />

PETRA BUHR: Von Frauenarmut zu sprechen ist<br />

genauso richtig, wie auch von Männerarmut zu<br />

sprechen. Mit dem Begriff Frauenarmut wird<br />

aber häufig verbunden, dass Frauen beson<strong>der</strong>s<br />

oft von Armut betroffen sind, aber so ein-<br />

fach ist das nicht. Ein Blick auf die verschiedenen<br />

<strong>sozialen</strong> Gruppen von Frauen zeigt,<br />

dass vor allem die Alleinerziehenden überdurchschnittlich<br />

häufig arm sind. Frauen sind<br />

ohne Frage in vielen gesellschaftlichen Bereichen<br />

benachteiligt, es gibt auch bestimmte<br />

weibliche Armutsrisiken, aber ich würde nicht<br />

sagen, dass Armut in erster Linie ein Frauenphänomen<br />

ist.<br />

THOMAS SCHWARZER: Spielen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Armut<br />

von Frauen also eher soziale Aspekte eine<br />

wichtige Rolle, wie zum Beispiel die Berufsqualifikation<br />

o<strong>der</strong> die Herkunft aus einem<br />

spezifischen <strong>sozialen</strong> Milieu?<br />

PETRA BUHR: Das ist auch ein Aspekt. Gerade<br />

<strong>bei</strong> den Alleinerziehenden muss stärker nach<br />

ihrer <strong>sozialen</strong> Position unterschieden werden.<br />

Eine Alleinerziehende, die zum Beispiel eine<br />

gut bezahlte Stelle im öffentlichen Dienst hat,<br />

ist sicherlich seltener von Armut betroffen,<br />

als jemand in einem typisch weiblichen Dienstleistungsjob<br />

mit einem Niedriglohn. Hinzu<br />

kommt die Frage, wie gut die institutionelle<br />

Kin<strong>der</strong>betreuung ausgebaut ist o<strong>der</strong> ob es<br />

Familienangehörige o<strong>der</strong> Freundinnen gibt, die<br />

unterstützend tätig werden. Außerdem gibt es<br />

auch noch den Unterschied zwischen städtischen<br />

und ländlichen Regionen. Auf dem Land<br />

muss man weitere Wege <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>t in Kauf<br />

nehmen und auch die Kin<strong>der</strong>betreuungsmöglichkeiten<br />

sind häufig weniger gut ausgebaut.<br />

Das gilt auch für die beträchtlichen Unterschiede<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung in Ost- und<br />

Westdeutschland. In Ostdeutschland ist die<br />

Infrastruktur <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung nach wie<br />

vor erheblich umfangreicher und die meisten<br />

Frauen sind eher bereit, auch jüngere Kin<strong>der</strong><br />

in institutionelle Betreuung zu geben. In Westdeutschland<br />

ist noch immer eine gewisse<br />

Zurückhaltung verbreitet, was die Betreuung<br />

von Kleinkin<strong>der</strong>n durch öffentliche Einrichtun-<br />

Eine Alleinerziehende, die zum Beispiel<br />

eine gut bezahlte Stelle im öffentlichen<br />

Dienst hat, ist sicherlich seltener von<br />

Armut betroffen, als jemand in einem<br />

typisch weiblichen Dienstleistungsjob<br />

mit einem Niedriglohn.


gen angeht. Es ist zwar auch, aber nicht nur<br />

die fehlende Infrastruktur, die dazu führt,<br />

dass ein Teil <strong>der</strong> Frauen nach <strong>der</strong> Geburt<br />

eines Kindes keiner Erwerbstätigkeit mehr<br />

nachgeht. Verbreitet ist vielmehr noch die verinnerlichte<br />

Haltung, dass ein Teil <strong>der</strong> Frauen,<br />

zumindest in den ersten Jahren, ihr Kind<br />

selbst betreuen möchte.<br />

THOMAS SCHWARZER: Wir sprachen jetzt über<br />

die verschiedenen Kombinationen von Aspekten,<br />

die <strong>zur</strong> Armut von Frauen führen können.<br />

Lassen sich unter den genannten Aspekten<br />

so etwas wie die hauptsächlichen Ursachen<br />

bestimmen, also auch im Hinblick auf die<br />

von Ihnen erwähnten strukturellen Benachteiligungen<br />

von Frauen?<br />

PETRA BUHR: Ein strukturelles Problem ist die<br />

Schwierigkeit, die Lebensbereiche Ar<strong>bei</strong>t und<br />

Familie ›unter einen Hut‹ zu bekommen. In<br />

den letzten Jahren hat sich zwar ein gewisser<br />

Wandel vollzogen. Grundsätzlich ist es aber<br />

in Deutschland nach wie vor schwieriger als in<br />

an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n, eine den<br />

beruflichen Erfor<strong>der</strong>nissen und Wünschen entsprechende<br />

Kin<strong>der</strong>betreuung zu finden. Das<br />

erschwert außerdem vielen Müttern, die eine<br />

›Kin<strong>der</strong>pause‹ machen o<strong>der</strong> machen müssen,<br />

wie<strong>der</strong> in den Beruf einzusteigen.<br />

Ein weiterer Aspekt ist das bundesdeutsche<br />

Steuersystem, das nach wie vor in weiten<br />

Teilen auf das traditionelle Modell des Alleinernährers<br />

ausgerichtet ist o<strong>der</strong> auf die Frau<br />

als ›Zuverdienerin‹. Das Ehegattensplitting<br />

untergräbt weiterhin eine Erwerbsorientierung<br />

von Frauen. Das strukturelle und klimatische<br />

Umfeld in Deutschland ist nach wie vor so,<br />

dass Frauen nicht unbedingt erwerbstätig sein<br />

müssen und wenn sie es wollen, wird es ihnen<br />

eher erschwert als dass sie unterstützt<br />

werden.<br />

Dieses Modell des Alleinernährers o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Zuverdienerin funktioniert so lange, wie ein<br />

akzeptables Familienleben möglich ist. Kommt<br />

es jedoch <strong>zur</strong> Trennung o<strong>der</strong> zu einer Scheidung,<br />

fehlen entsprechende sozialstaatliche<br />

Sicherungen. Viele dieser Frauen müssen<br />

dann plötzlich finanziell nicht nur auf ›eigenen<br />

Beinen‹ stehen, son<strong>der</strong>n häufig auch mit für<br />

die Kin<strong>der</strong> aufkommen. Aus diesen Gründen<br />

sehe ich als eines <strong>der</strong> zentralen strukturellen<br />

Probleme, die Schwierigkeiten Familie und<br />

Kommt es jedoch <strong>zur</strong> Trennung<br />

o<strong>der</strong> zu einer Scheidung,<br />

fehlen entsprechende<br />

sozialstaatliche Sicherungen.<br />

Beruf zu vereinbaren. In einer solchen schwierigen<br />

Lebenssituation dann wie<strong>der</strong> in den<br />

Beruf einzusteigen o<strong>der</strong> die Ar<strong>bei</strong>tszeit auszuweiten,<br />

ist kurzfristig oft kaum möglich. Viele<br />

Frauen müssen dann erhebliche Abstriche<br />

machen, nicht allein <strong>bei</strong>m Einkommen.<br />

In Zukunft könnte sich <strong>bei</strong> diesem Thema aber<br />

einiges än<strong>der</strong>n. Durch den schon jetzt sich<br />

zeigenden Fachar<strong>bei</strong>tskräftemangel könnte<br />

<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>einstieg von Frauen zukünftig stärker<br />

geför<strong>der</strong>t werden. Firmen bieten ja bereits<br />

Frauen, die vorübergehend aus dem Beruf<br />

aussteigen, Fortbildungen an. Ich könnte mir<br />

vorstellen, dass zumindest durch die Betriebe<br />

und vonseiten <strong>der</strong> Wirtschaftsverbände in<br />

Zukunft bessere Wie<strong>der</strong>einstiegschancen eröffnet<br />

werden. Profitieren werden davon aber<br />

vor allem qualifizierte und hoch qualifizierte<br />

Frauen.<br />

Qualifikationsdefizite können außerdem<br />

durch lebenslanges Lernen beziehungsweise<br />

durch bessere Fort- und Weiterbildungsprogramme<br />

speziell für Frauen in <strong>der</strong> ›Kin<strong>der</strong>phase‹<br />

verbessert werden. Mittel- und langfristig<br />

muss aber viel stärker präventiv gear<strong>bei</strong>tet<br />

werden, für bessere Ausbildungsmöglichkeiten<br />

und hinreichende Schulabschlüsse.<br />

Aspekte <strong>der</strong> Persönlichkeit (Leistungsbereitschaft,<br />

Umgangsformen usw.), die in den<br />

letzten Jahren beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Öffentlichkeit,<br />

in den Unternehmen und in <strong>der</strong> Politik stark<br />

betont werden, sind ohne Frage auch ein<br />

Aspekt unter an<strong>der</strong>en. Da sie sich aber<br />

kurz- und auch mittelfristig kaum beeinflussen<br />

lassen, sollten sie weniger im Vor<strong>der</strong>grund<br />

stehen.<br />

33


34<br />

Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

THOMAS SCHWARZER: In <strong>der</strong> Diskussion über<br />

Armutsverläufe wird vor allem auf die Übergangsphasen<br />

geschaut – was passiert<br />

zwischen Schule, Ausbildung und Berufseinstieg<br />

o<strong>der</strong> wenn das erste Kind geboren wird.<br />

Soll präventiv gegen Armut angegangen<br />

werden, muss an diesen Übergangsphasen<br />

mit Maßnahmen angesetzt werden o<strong>der</strong> ist es<br />

dann eigentlich schon zu spät und alle<br />

Konzentration sollte auf die Kin<strong>der</strong>garten-<br />

und Schulzeit gerichtet werden?<br />

PETRA BUHR: Grundsätzlich ist es immer besser,<br />

langfristig anzusetzen, also schon<br />

während <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>garten- und Schulzeit. Aber<br />

den Frauen, die jetzt betroffen sind, kann man<br />

nur durch aktuelle Maßnahmen helfen. Zum<br />

Beispiel, indem fehlende Ausbildungen nachgeholt<br />

o<strong>der</strong> zusätzliche Qualifikationen erworben<br />

werden. Langfristig ist es sinnvoll, dafür zu<br />

sorgen, dass Frauen von vornherein großen<br />

Wert auf eine gute Ausbildung legen. Doch vor<br />

diesem Problem steht eine Armutspolitik<br />

immer. Sie versucht Armut möglichst präventiv<br />

und langfristig zu verhin<strong>der</strong>n, gerade auch<br />

durch bessere Bildung. Aber sie muss sich<br />

auch um die Menschen kümmern, die aktuell<br />

von Armut betroffen sind und auch dort mit<br />

gezielten Maßnahmen ansetzen.<br />

Als Beispiel dazu fällt mir ein Thema gerade<br />

hier in Bremen ein – die Diskussion über<br />

ein gesundes Mittagessen in Kin<strong>der</strong>gärten und<br />

Schulen. Häufig wird gesagt, das bringe<br />

irgendwie nichts, man müsse die Armut an <strong>der</strong><br />

Wurzel packen. Aber für die Kin<strong>der</strong>, die gerade<br />

jetzt von Armut betroffen sind, bringt das<br />

selbstverständlich was. Und das gilt für an<strong>der</strong>e<br />

Bereiche <strong>der</strong> Armutsdiskussion ganz genauso.<br />

Langfristig muss versucht werden, Armut<br />

zu verhin<strong>der</strong>n, indem Armut möglichst gar<br />

nicht erst entsteht. Wenn die Armut aber da<br />

ist, muss gerade auch im Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

dafür gesorgt werden, dass die Folgen von<br />

Armut möglichst stark vermin<strong>der</strong>t werden.<br />

Vorbeugend und ausgleichend muss eine sinnvolle<br />

Armutspolitik sein.<br />

Ein weiteres Problem ist durch die begleitenden<br />

Untersuchungen <strong>der</strong> Hartz-IV-Reformen<br />

deutlich geworden. Es gibt Indizien dafür,<br />

dass <strong>bei</strong> den Beratungen in den Ar<strong>bei</strong>tsagenturen,<br />

<strong>bei</strong> Erfolg versprechen<strong>der</strong>en För<strong>der</strong>maßnahmen<br />

eher Männer bevorzugt werden.<br />

Weil ein Teil <strong>der</strong> Berater/innen scheinbar vor<br />

allem das traditionelle Ernährermodell im Hinterkopf<br />

hat, werden Frauen aussichtsreichere<br />

Maßnahmen o<strong>der</strong> Tätigkeiten zum Teil gar<br />

nicht erst angeboten. Das gilt beson<strong>der</strong>s für<br />

Frauen mit (kleinen) Kin<strong>der</strong>n, <strong>bei</strong> denen die<br />

Vorstellung besteht, dass sie ja eine wichtige<br />

Aufgabe haben und deshalb <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Vergabe<br />

<strong>der</strong> knappen Angebote keine Priorität haben.<br />

Mögliche Ausstiege aus <strong>der</strong> Armut werden so<br />

verhin<strong>der</strong>t und die Betroffenen werden quasi<br />

in <strong>der</strong> Armut ›festgehalten‹. Hier muss von<br />

sozialstaatlich produzierter Armut gesprochen<br />

werden.<br />

THOMAS SCHWARZER: Viele Frauen streben aus<br />

ganz unterschiedlichen Gründen in typische<br />

›Frauenberufe‹, die meistens gesellschaftlich<br />

geringer bewertet und auch bezahlt werden.<br />

PETRA BUHR: Ja, das ist auf jeden Fall richtig,<br />

aber das führt nicht unbedingt in Armut.<br />

Es müssen immer noch an<strong>der</strong>e Aspekte<br />

hinzukommen – die Geburt eines Kindes o<strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit, damit durch eine gering<br />

bezahlte Tätigkeit Armut entsteht. Dienstleistungstätigkeiten,<br />

wie zum Beispiel die Kin<strong>der</strong>-,<br />

Kranken- und Altenpflege, die vor allem<br />

Frauen ausüben, sind zu gering bezahlt,<br />

was eine Abwertung dieser gesellschaftlich<br />

wichtigen Leistungen darstellt. Aber die zum<br />

Teil geringen Löhne führen nicht gradlinig zu<br />

einem Armutsrisiko. Es ist eher ein ›Mosaikstein‹<br />

unter an<strong>der</strong>en strukturellen Benachteiligungen<br />

von Frauen.


THOMAS SCHWARZER: Frauen ohne Schulabschluss<br />

o<strong>der</strong> ohne Berufsausbildung sind selten<br />

Thema in <strong>der</strong> Armutsdiskussion, weil die<br />

jungen Frauen eher als Bildungsgewinnerinnen<br />

<strong>der</strong> letzten Jahre betrachtet werden. Ist das<br />

Armutsrisiko von schlecht qualifizierten Frauen<br />

ein blin<strong>der</strong> Fleck?<br />

PETRA BUHR: Es ist richtig, dass sich die<br />

Debatte sehr stark auf die Alleinerziehenden<br />

konzentriert und junge Frauen, solange sie<br />

noch keine Kin<strong>der</strong> haben, in <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

nicht so im Fokus stehen. Sie sind<br />

eher in <strong>der</strong> Bildungs- o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung<br />

ein Thema. Dort wird auch problematisiert,<br />

dass Frauen Berufsentscheidungen<br />

treffen, die nicht sehr zukunftsträchtig und<br />

Erfolg versprechend sind. Solange die jungen<br />

Frauen noch im Haushalt <strong>der</strong> Eltern leben,<br />

fallen sie als Einzelperson nicht auf und gelten<br />

dadurch auch nicht als arm. Erst wenn sie<br />

ausziehen und alleine leben o<strong>der</strong> in jungen<br />

Jahren bereits ein Kind bekommen, dann<br />

erscheinen sie in <strong>der</strong> Statistik.<br />

Wenn junge Frauen, speziell auch Frauen<br />

aus Migrantenfamilien, noch in <strong>der</strong> Familie<br />

leben, gibt es ebenfalls Formen von Benachteiligung,<br />

die ihre Autonomie einschränken.<br />

Die eigene Berufswahl wird zum Teil stark von<br />

den Schul- o<strong>der</strong> Berufsvorstellungen <strong>der</strong> Eltern<br />

beeinflusst, was in <strong>der</strong> Bildungsforschung<br />

auch thematisiert wird. Was die Berufsorientierung<br />

von jungen Frauen angeht, hat sich in<br />

den letzten Jahren relativ wenig an den traditionellen<br />

Mustern geän<strong>der</strong>t.<br />

THOMAS SCHWARZER: Strittig ist in den letzten<br />

Jahren auch diskutiert worden, ob sich Armut<br />

<strong>bei</strong> bestimmten Gruppen eher verfestigt o<strong>der</strong><br />

ob es für die meisten nur eine vorübergehende<br />

Lebensphase ist, wenn zum Beispiel die<br />

Kin<strong>der</strong> ganz klein und betreuungsintensiv sind.<br />

PETRA BUHR: Verschiedene Untersuchungen<br />

zeigen eindeutig (z.B. das Sozioökonomische<br />

Panel), dass es schwieriger geworden ist, aus<br />

Armutslagen auszusteigen o<strong>der</strong> aus unteren in<br />

mittlere Einkommensbereiche aufzusteigen.<br />

Bereits seit Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre lässt sich<br />

beobachten, dass die Mobilität im unteren<br />

Bereich <strong>der</strong> Einkommensverteilung geringer<br />

geworden ist. Auch die Armutsquoten sind seit<br />

Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre stark gestiegen, was<br />

hauptsächlich daran liegt, dass es schwieriger<br />

geworden ist, aus <strong>der</strong> Armut herauszukommen<br />

und nicht daran, dass deutlich mehr Leute in<br />

die Armut hineingekommen sind. Dennoch gibt<br />

es nach wie vor einen vergleichsweise hohen<br />

Anteil von Personen, die innerhalb von einem<br />

Jahr wie<strong>der</strong> aus dem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezug<br />

herauskommen. Aber es gibt auch Anzeichen<br />

für eine Verfestigung <strong>bei</strong> bestimmten Gruppen<br />

und speziell Alleinerziehende sind die Gruppe,<br />

die nach wie vor sehr große Schwierigkeiten<br />

hat, aus dem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezug wie<strong>der</strong><br />

auszusteigen.<br />

THOMAS SCHWARZER: Die Alleinerziehenden<br />

sind also die zentrale Gruppe?<br />

PETRA BUHR: Für die ist es beson<strong>der</strong>s schwierig.<br />

Sie müssen sowohl die Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

organisieren als auch einen angemessenen<br />

Job finden und von daher ist es schon eine<br />

richtige Beobachtung, dass Langzeitarmut in<br />

Deutschland zunimmt und dass es absolut<br />

schwieriger geworden ist, Armutsphasen zu<br />

überwinden.<br />

Wenn junge Frauen, speziell auch<br />

Frauen aus Migrantenfamilien,<br />

noch in <strong>der</strong> Familie leben, gibt<br />

es ebenfalls Formen von Benachteiligung,<br />

die ihre Autonomie<br />

einschränken.<br />

35


36<br />

Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

Bei den Renten wissen wir,<br />

dass wir ein Armutsproblem vor<br />

uns herschieben. Das wird<br />

nicht nur die Frauen betreffen.<br />

THOMAS SCHWARZER: Gibt es Analysen und<br />

Zahlen, so dass man ungefähr sagen kann:<br />

Zwei Drittel <strong>der</strong> Armut sind verfestigt und ein<br />

Drittel ist eher vorübergehend in Armut o<strong>der</strong><br />

ist das umstritten?<br />

PETRA BUHR: Dazu gibt es Untersuchungen.<br />

2006 waren nach Daten des Sozioökonomischen<br />

Panels (SOEP) 35 Prozent <strong>der</strong> Einkommensarmen<br />

seit vier Jahren arm, 50 Prozent<br />

zwischen ein und drei Jahren und 15 Prozent<br />

erstmals arm, also in dem Jahr arm geworden.<br />

Bei einem Blick auf das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II (Hartz IV) sieht man, dass 55 Prozent <strong>der</strong><br />

Neuzugänge im Februar/März 2007 nach<br />

einem Jahr wie<strong>der</strong> aus dem Bezug raus<br />

waren. Bei den Alleinerziehenden waren es<br />

nach zwölf Monaten noch 63 Prozent, die<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II bezogen haben. Wenn man<br />

Zahlen von 1985 bis 1988 im unteren Fünftel<br />

<strong>der</strong> Einkommensverteilung mit Zahlen von<br />

2003 bis 2006 vergleicht, dann blieben zwischen<br />

1985 und 1988 58 Prozent im unteren<br />

Fünftel und zwischen 2003 und 2006 schon<br />

64 Prozent. Die Mobilität ist also geringer<br />

geworden, aber es gibt nach wie vor auch<br />

mobile Gruppen, denen es gelingt, aus <strong>der</strong><br />

Armut herauszukommen.<br />

THOMAS SCHWARZER: Gibt es Untersuchungen<br />

darüber, in welchen Lebensphasen sich<br />

verschiedene Aspekte gegenseitig verstärken<br />

– um dann Maßnahmen gezielt in diesen<br />

Situationen einzusetzen?<br />

PETRA BUHR: Untersuchungen zeigen, dass<br />

sich Unterbrechungen im Erwerbsleben negativ<br />

auf die Ar<strong>bei</strong>tslosengeldansprüche und<br />

natürlich auch auf die späteren Rentenansprüche<br />

auswirken. Das ist ja das klassische<br />

Beispiel, wie sich im Lebenslauf an verschiedenen<br />

Stellen Benachteiligungen häufen, sich<br />

gegenseitig verstärken und nachhaltig wirken.<br />

Eine Entkoppelung dieser Effekte wäre lediglich<br />

dann möglich, wenn ein Teil <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />

Sicherungsleistungen von <strong>der</strong> Erwerbsbiografie<br />

abgelöst würde. Dies ist ja <strong>bei</strong> den<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeldansprüchen im Rechtskreis<br />

des Ar<strong>bei</strong>tslosengelds II bereits passiert,<br />

allerdings auf niedrigem Niveau. Es wurde<br />

festgesetzt, dass jetzt alle nach einem Jahr<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit lediglich noch das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II bekommen, egal wie lange sie<br />

vorher erwerbstätig waren.<br />

Bei den Renten wissen wir, dass wir ein<br />

Armutsproblem vor uns herschieben. Das wird<br />

nicht nur die Frauen betreffen. Frauen werden<br />

aber aufgrund ihrer strukturellen Nachteile auf<br />

dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in größerer Zahl betroffen<br />

sein. Das Problem <strong>der</strong> zunehmenden Altersarmut<br />

könnte lediglich durch eine höhere Grundrente<br />

verhin<strong>der</strong>t werden. Die Grundsicherung<br />

im Alter (SGB XII) ist zwar ein Reformversuch<br />

in diese Richtung. Da aber an<strong>der</strong>e Leistungen,<br />

wie zum Beispiel die Riester-Rente darauf<br />

angerechnet werden, bin ich wirklich pessimistisch,<br />

wie man dieses Problem lösen<br />

könnte ohne einen völligen Systembruch.<br />

THOMAS SCHWARZER: Müsste wirklich ein<br />

an<strong>der</strong>es System eingeführt werden?<br />

PETRA BUHR: Eine armutsvermeidende Grundrente<br />

müsste deutlich über dem Sozialhilfeniveau<br />

beziehungsweise über dem Hartz-IV-<br />

Regelsatz liegen. Außerdem dürfte sich Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />

nicht mehr so negativ auf die Rentenansprüche<br />

auswirken. Dann würden sich<br />

vielleicht auch mehr Männer für Teilzeit entscheiden.<br />

In den Nie<strong>der</strong>landen o<strong>der</strong> in Schweden<br />

ist es in dieser Art geregelt. Aber durch<br />

die zunehmende Altersarmut wird noch einiges<br />

auf uns zukommen, da bin ich sehr sicher,<br />

das wird im Moment noch weitgehend verdrängt.


THOMAS SCHWARZER: Das Ar<strong>bei</strong>tsleben vieler<br />

Menschen ist heute durch Erwerbsunterbrechungen,<br />

längere Phasen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

o<strong>der</strong> durch prekäre Beschäftigung charakterisiert.<br />

All dies führt zu vermin<strong>der</strong>ten Rentenansprüchen<br />

und speziell prekär Beschäftigte<br />

haben zudem nur wenig Spielraum, privat<br />

vorzusorgen. Wie kommt man aus diesem<br />

Dilemma raus?<br />

PETRA BUHR: Ich fürchte erst mal gar nicht.<br />

Die Rentenreform, wodurch stärker auf die<br />

private Komponente gesetzt und zugleich das<br />

Rentenniveau weiter abgesenkt wurde, ist<br />

von falschen Voraussetzungen ausgegangen.<br />

Sie ist davon ausgegangen, dass die Menschen<br />

tatsächlich die Möglichkeit haben vorzusorgen.<br />

Aber es ist eben so, dass viele Menschen<br />

im unteren Einkommensbereich schlicht<br />

und ergreifend kein Geld über haben für die<br />

private Altersvorsorge. Hinzu kommen weitere<br />

Aspekte: Da die Riester-Rente auch auf<br />

die Grundsicherung im Alter angerechnet wird,<br />

kann ich mir vorstellen, dass das auch die<br />

Motivation, privat vorzusorgen, gerade <strong>bei</strong><br />

Menschen im unteren Einkommensbereich,<br />

senkt. Für manche Gruppen ist es schwierig<br />

sich zu entscheiden, was für sie das angemessene<br />

Produkt für die private Alterssicherung<br />

ist und an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong> denken: Ach,<br />

irgendwie wird es später dann schon gehen.<br />

Aber es wird mit Sicherheit nicht funktionieren,<br />

es werden viele Menschen im Alter eine<br />

Rente auf Grundsicherungsniveau haben, wenn<br />

nicht sogar darunter. Denn das alte Konzept,<br />

das besagt, <strong>der</strong> Lebensstandard wird auch<br />

nach dem Ende des Erwerbslebens ungefähr<br />

gesichert, wurde verabschiedet.<br />

Fragen: Thomas Schwarzer<br />

x Referent für kommunale Sozialpolitik<br />

Für manche Gruppen ist es<br />

schwierig sich zu entscheiden,<br />

was für sie das angemessene<br />

Produkt für die private Alterssicherung<br />

ist und an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong><br />

denken: Ach, irgendwie wird<br />

es später dann schon gehen.<br />

37


38<br />

Armut und Alleinerziehen<br />

x Großeinkauf zusammen mit den Töchtern


Dr. Barbara Rinken x Erziehungswissenschaftlerin, Frauenbeauftragte für den Wissenschaftsbereich <strong>der</strong> Hochschule Bremen<br />

4 Armut und Alleinerziehen<br />

Das Thema Alleinerziehen wird in den Medien<br />

häufig im Zusammenhang mit Defiziten thematisiert.<br />

Die beson<strong>der</strong>en Leistungen von Alleinerziehenden<br />

sind dagegen selten im Blick.<br />

Neben den sozialstrukturellen Problemen, die<br />

<strong>zur</strong> Armut Alleinerziehen<strong>der</strong> führen, sollen in<br />

diesem Artikel auch die Lebensleistungen von<br />

Alleinerziehenden beschrieben werden. Denn<br />

Kin<strong>der</strong> großzuziehen erfor<strong>der</strong>t ja bereits von<br />

Paaren ein hohes Maß an Energie und Geduld<br />

sowie die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse<br />

<strong>zur</strong>ückzustellen. Alleinerziehende müssen<br />

diese Anfor<strong>der</strong>ungen ausschließlich aus eigener<br />

Kraft bewältigen und gleichzeitig ein verbindliches<br />

Beziehungsnetzwerk aufbauen.<br />

Soziale Kontakte und Erwerbstätigkeit sind für<br />

sie die wichtigsten Faktoren für Zufriedenheit<br />

mit dieser spezifischen Lebenssituation. 1<br />

Da Alleinerziehende in <strong>der</strong> Regel auf ihren<br />

Wohnort und auf eingeschränkte Ar<strong>bei</strong>tszeiten<br />

festgelegt sind, betreffen sie die Verän<strong>der</strong>ungen<br />

des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes in beson<strong>der</strong>er Weise:<br />

<strong>der</strong> Rückgang unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse,<br />

die Ausweitung des Niedriglohnbereichs<br />

und die zunehmenden Flexibilitätsanfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Erhebliche Einschränkungen<br />

ergeben sich außerdem durch die Beharrlichkeit<br />

des Modells <strong>der</strong> Halbtagsschulen und<br />

Halbtagskin<strong>der</strong>gärten und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />

Teilzeitar<strong>bei</strong>t vieler erwerbstätiger Frauen.<br />

Vor allem wegen dieser strukturellen Hemmnisse<br />

sind aktuell von den 1.558.000 Millionen<br />

Alleinerziehenden in Deutschland insgesamt<br />

(2009) 647.000 Alleinerziehende (40 Prozent)<br />

bundesweit auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (Hartz IV)<br />

angewiesen, 2 davon im Land Bremen 9.456 3 .<br />

Den schwierigen Bedingungen zum Trotz ist<br />

<strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Alleinerziehenden erwerbstätig:<br />

›Zwei Drittel <strong>der</strong> alleinerziehenden Frauen<br />

mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren sind erwerbstätig,<br />

das sind zwei Prozent mehr als unter<br />

den Müttern aus Paarfamilien. Alleinerziehende<br />

Frauen ar<strong>bei</strong>ten auch deutlich häufiger Vollzeit<br />

als an<strong>der</strong>e Mütter: 42 Prozent im Gegensatz<br />

zu 27 Prozent <strong>bei</strong> Müttern aus Paarfamilien.‹ 4<br />

Die mit den unterschiedlichen sozialstrukturellen<br />

Situationen einhergehenden Lebensgefühle<br />

Alleinerziehen<strong>der</strong> werden in diesem<br />

Artikel anhand von Auszügen aus Interviews<br />

verdeutlicht. 5<br />

1 Vgl. Rinken (2010). Aussagen in diesem Text, die nicht mit einer<br />

an<strong>der</strong>s lautenden Literaturangabe versehen sind , beziehen sich<br />

auf diese Publikation.<br />

2 Vgl. Familienreport 2010: 72.<br />

3 Vgl. Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: SGB-II-Län<strong>der</strong>report<br />

Juni 2010.<br />

4 Familienreport 2010: 71.<br />

5 Hier kommen Alleinerziehende als Expertinnen und Experten ihrer<br />

Lebenssituationen zu Wort. Die im folgenden Text eingefügten<br />

Interviewpassagen sind einer qualitativen Forschungsar<strong>bei</strong>t entnommen<br />

(Rinken 2010). Die Befragung wurde mit <strong>der</strong> Methode<br />

des ›problemzentrierten Interviews‹ (Witzel 2000) durchgeführt.<br />

39


40<br />

Armut und Alleinerziehen<br />

Zur Gruppe <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />

›DIE‹ Alleinerziehenden gibt es nicht. Diese<br />

Gruppe ist sehr heterogen, unter an<strong>der</strong>em in<br />

Bezug auf das Alter <strong>der</strong> Alleinerziehenden, die<br />

Anzahl und das Alter <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die Schulbildung,<br />

die Ausbildung und die Berufstätigkeit.<br />

›Von den 8,4 Millionen Familien mit Kin<strong>der</strong>n<br />

unter 18 Jahren in Deutschland sind 1,6 Millionen<br />

alleinerziehend. Das entspricht je<strong>der</strong> fünften<br />

Familie.‹ 6 Im Land Bremen machen Alleinerziehendenhaushalte<br />

mit 34 Prozent (27.500)<br />

mehr als ein Drittel aller 80.300 Familien mit<br />

Kin<strong>der</strong>n aus. 7 Ungefähr 90 Prozent <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />

sind Frauen, circa zehn Prozent<br />

Männer. Diese Zahlen sprechen für sich, was<br />

das Beharrungsvermögen traditioneller<br />

Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft<br />

angeht. Es macht einen Unterschied, ob eine<br />

Mutter o<strong>der</strong> ein Vater alleine erzieht: Alleinerziehende<br />

Väter leben im Durchschnitt mit<br />

älteren Kin<strong>der</strong>n zusammen und sind weniger<br />

häufig auf den Bezug von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

angewiesen. Die Dauer des Alleinerziehens<br />

und die Entstehungsgeschichte machen große<br />

Unterschiede für das individuelle Erleben.<br />

Alleinerziehende in Ostdeutschland haben tendenziell<br />

positivere Einstellungen <strong>zur</strong> Ganztagsbetreuung<br />

von Kin<strong>der</strong>n und damit eng zusammenhängend,<br />

positivere Einstellungen <strong>zur</strong><br />

Müttererwerbstätigkeit. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e<br />

für die Phase, wenn die Kin<strong>der</strong> zwischen<br />

einem Jahr und drei Jahre alt sind.<br />

Die Gemeinsamkeit aller Alleinerziehenden<br />

besteht darin, allein verantwortlich für die<br />

Betreuung und Versorgung von Kin<strong>der</strong>n und<br />

die materielle Absicherung <strong>der</strong> Familie zu<br />

sein: durch Erwerbstätigkeit, durch die Beantragung<br />

von staatlicher Unterstützung o<strong>der</strong>,<br />

wie <strong>bei</strong> den sogenannten ›Aufstockerinnen‹,<br />

durch <strong>bei</strong>des, weil das Gehalt trotz Kin<strong>der</strong>geld<br />

und Unterhalt unter den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Regelsätzen liegt.<br />

Was ist Armut?<br />

Für eine menschenwürdige Existenz müssen<br />

Nahrung, Kleidung und Unterkunft sowie die<br />

Teilhabe am <strong>sozialen</strong> und kulturellen Leben<br />

gesichert sein. Ist dies nicht <strong>der</strong> Fall, so ist<br />

Armut gegeben. Vielen Alleinerziehenden fehlt<br />

es am Nötigsten.<br />

Ein erwerbsloser alleinerziehen<strong>der</strong><br />

Vater berichtet:<br />

›Ich komme überhaupt nicht hin. Ich laviere<br />

mich wirklich durch bis zum Gehtnichtmehr,<br />

verschiebe oft Schulden von einer<br />

Ecke in die an<strong>der</strong>e. (...) Und ich nutze<br />

unter an<strong>der</strong>em (...) auch die Bremer Tafel.<br />

Sonst würde ich gar nicht klarkommen.‹<br />

Dazu gezwungen zu sein, eine ›Tafel‹ in<br />

Anspruch zu nehmen bedeutet, auf Almosen<br />

angewiesen zu sein. Das löst Schamgefühle<br />

aus und beschädigt das Selbstbewusstsein.<br />

Der hier zitierte Vater ist einer von etwa einer<br />

Million in diesem Land, die sich mithilfe <strong>der</strong><br />

Tafeln ernähren, darunter ungefähr ein Viertel<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendliche. Durch die <strong>der</strong>zeit 833<br />

Tafeln in Deutschland wird einerseits bedürftigen<br />

Menschen geholfen, an<strong>der</strong>erseits wird<br />

Armut in <strong>der</strong> Wahrnehmung ›normalisiert‹.<br />

›Die Pointe liegt darin, dass überflüssige<br />

Lebensmittel an Menschen weitergereicht<br />

werden, die scheinbar auch überflüssig<br />

sind, weil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmarkt keine Verwendung<br />

für sie hat: Die Überflüssigen essen<br />

das Überflüssige.‹ 8<br />

6 Familienreport 2010: 70.<br />

7 Vgl. Statistisches Landesamt Bremen, Jahrbuch 2009: 28.<br />

Bei diesen Daten zählen zu den Alleinerziehenden auch Väter<br />

und Mütter mit volljährigen Kin<strong>der</strong>n.<br />

8 Selke; in: Laudenbach 2009: 2.


Für erwerbslose Alleinerziehende können die<br />

Tafeln eine Überlebenshilfe sein. Zu den einklagbaren<br />

Rechten von Erwerbslosen und<br />

Geringverdienern sollte jedoch das Recht auf<br />

gesunde Ernährung unabhängig vom Besuch<br />

karitativer Einrichtungen gehören. Gleiches gilt<br />

für die Versorgung mit Kleidung. Neben<br />

Ernährung und Kleidung ist auch Wohnen ein<br />

Aspekt, an dem sich Armut zeigt und Folgewirkungen<br />

entstehen. Durch die im Vergleich zu<br />

realen Mieten niedrigen Mietsätze im SGB II<br />

(Sozialgesetzbuch Zweites Buch) besteht die<br />

Gefahr, dass erwerbslose o<strong>der</strong> von Niedriglöhnen<br />

lebende Alleinerziehende in Quartiere<br />

abgedrängt werden, in denen bereits viele<br />

Menschen unter problematischen materiellen<br />

Bedingungen wohnen, was <strong>zur</strong> Kumulation<br />

sozialer Probleme führt.<br />

Ausbildung<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Problemgruppe stellen<br />

die Alleinerziehenden ohne Schulabschluss<br />

beziehungsweise ohne Berufsausbildung<br />

dar. Die Einschätzung einer Alleinerziehenden,<br />

die mit jungen Müttern ar<strong>bei</strong>tet, lautet:<br />

›Und ich denke, es ist viel wichtiger,<br />

Alleinerziehende zum Beispiel auszubilden,<br />

also das ist ein ganz großes Manko<br />

in diesem Staate, wenn eine Alleinerziehende<br />

versucht, eine Ausbildung zu<br />

machen, das ist so schwierig, wenn die<br />

mit 40 Stunden und mit einem kleinen<br />

Kind diese Ausbildung durchziehen soll.<br />

Also ich ar<strong>bei</strong>te mit jugendlichen Müttern<br />

und teilweise fängt die Schule morgens<br />

um acht o<strong>der</strong> um halb acht an. Weil es<br />

lediglich eine berufliche Schule für die<br />

ganze Stadt gibt, müssen sie teilweise um<br />

sechs losfahren, um pünktlich zu sein.<br />

Wer nimmt ein einjähriges Kind ab sechs<br />

Uhr und dann kommen die Mütter spät<br />

nach Hause, wie lange soll man das<br />

durchhalten? Wo sind die Kräfte für so<br />

etwas? Ich finde, es müsste eine Teilzeitausbildung<br />

geben, für solche Personengruppen<br />

müsste es Teilzeitausbildungen<br />

geben, 30 Stunden maximal.‹<br />

Diese For<strong>der</strong>ung nach Teilzeitausbildungen<br />

ist eindeutig zu unterstützen. Auch in Bremen<br />

gibt es bereits erste Angebote <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsagentur.<br />

Gleichzeitig benötigen Alleinerziehende<br />

flexible Angebote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

auch in sogenannten ›Randzeiten‹ am frühen<br />

Morgen und bis zum Abend. Dass dies möglich<br />

ist, zeigt sich in den ostdeutschen Städten,<br />

wo Ganztagsbetreuung und flexible Öffnungszeiten<br />

erheblich besser ausgebaut sind<br />

als in Westdeutschland. Die Erwerbstätigkeit<br />

von Alleinerziehenden wird dadurch erheblich<br />

erleichtert. Das bislang un<strong>zur</strong>eichende Angebot<br />

in Westdeutschland und in ländlichen<br />

Regionen in Ostdeutschland ist eine entscheidende<br />

Ursache für die hohe Erwerbslosigkeit<br />

von Alleinerziehenden.<br />

Erwerbslosigkeit –<br />

öffentliche Debatten<br />

Erwerbslosigkeit löst <strong>bei</strong> vielen Alleinerziehenden<br />

starke Existenzängste aus. Berufe, die<br />

flexible Ar<strong>bei</strong>tszeiten beziehungsweise<br />

Schichtdienst erfor<strong>der</strong>n, können aufgrund <strong>der</strong><br />

familiären Alleinverantwortlichkeit nicht ausgeübt<br />

werden:<br />

›Da hatte ich dann ein Vierteljahr gar<br />

keine Ar<strong>bei</strong>t und wusste nicht, wie es weitergeht.<br />

Das war eigentlich das schwerste<br />

Vierteljahr überhaupt. Na ja, das war<br />

damals schon schwer als Köchin mit<br />

einem vier Jahre alten Kleinkind Ar<strong>bei</strong>t zu<br />

finden, das Einzige war eben in Gaststätten,<br />

das konnte man nicht machen wegen<br />

<strong>der</strong> Schichtzeit.‹<br />

41


42<br />

Armut und Alleinerziehen<br />

Den gelernten Beruf aufgrund <strong>der</strong> mit Familienar<strong>bei</strong>t<br />

nicht zu vereinbarenden Ar<strong>bei</strong>tszeiten<br />

nicht ausführen zu können, ist ein weiterer<br />

häufiger Grund für Erwerbslosigkeit <strong>bei</strong> Alleinerziehenden.<br />

Für das Lebensgefühl erwerbsloser Frauen<br />

spielen aber auch <strong>der</strong> Inhalt und <strong>der</strong> Ton<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Debatten eine große Rolle:<br />

›Anerkennungsverlust und Missachtung dieser<br />

Personengruppe gehören (...) nicht nur <strong>zur</strong><br />

Erfahrung <strong>der</strong> Betroffenen, son<strong>der</strong>n auch und<br />

gerade zu den Routinen des Diskurses. In<br />

Politik, Medien und im Alltag stehen Ar<strong>bei</strong>tslose<br />

im Verdacht, nicht ar<strong>bei</strong>ten zu wollen<br />

o<strong>der</strong> zu können.‹ 9<br />

In vielen öffentlichen Armutsdebatten werden<br />

diejenigen, die (noch) Ar<strong>bei</strong>t haben, gegen<br />

jene ausgespielt, die erwerbslos sind. Kürzlich<br />

konnte dies beson<strong>der</strong>s deutlich an den Diskussionen<br />

<strong>zur</strong> Neuregelung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />

II-Regelsätze (Hartz IV) beobachtet werden.<br />

Eltern wurden und werden in dieser Debatte<br />

häufig dem Generalverdacht ausgesetzt, das<br />

Geld, das sie für ihre Kin<strong>der</strong> erhalten, für Alkohol<br />

und Zigaretten auszugeben. Dazu werden<br />

in den Medien Extremfälle als typische Beispiele<br />

dargestellt. Derartige Stigmatisierungen<br />

verhin<strong>der</strong>n gesellschaftliche Solidarität. Gleichzeitig<br />

wird die Selbstachtung <strong>der</strong> Betroffenen<br />

untergraben. In einem solchen gesellschaftlichen<br />

Klima ist es kaum möglich, erwerbslos<br />

und selbstbewusst zu sein. Die Stigmatisierung<br />

<strong>der</strong> Erwerbslosen basiert darauf, dass<br />

ihnen ›Misserfolge als Versagen zugerechnet<br />

werden und selbst <strong>der</strong> kompetente Umgang<br />

mit <strong>der</strong> Situation unter Missbrauchsverdacht<br />

gerät‹ 10 .<br />

9 Uske 2000: 169.<br />

10 Uske 2000: 188.<br />

11 In Deutschland gibt es insgesamt 1.311.753 Menschen, die<br />

neben ihrer Erwerbstätigkeit aufstockende Leistungen nach dem<br />

SGB II beziehen. Davon machen Frauen mit 56,2 Prozent mehr<br />

als die Hälfte aus. In Bremen beziehen 17.380 Menschen<br />

zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit Hartz IV, davon sind 55,2<br />

Prozent Frauen (Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

in Zahlen: Erwerbstätige Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezieher:<br />

Mai 2010).<br />

Working Poor<br />

Jene Alleinerziehende, die im vorhergehenden<br />

Abschnitt die Belastung durch Erwerbslosigkeit<br />

formuliert, findet schließlich Ar<strong>bei</strong>t unterhalb<br />

ihrer Qualifikation in einer Wäscherei.<br />

Heute ist sie Geringverdienerin und somit eine<br />

<strong>der</strong> sogenannten ›working poor‹. Sie hat zwei<br />

Töchter und ihre größte Sorge ist, ihre Kin<strong>der</strong><br />

nicht ausreichend <strong>bei</strong> <strong>der</strong>en Ausbildungen<br />

unterstützen zu können. Ihre größere Tochter<br />

strebt eine Ausbildung an, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Schulgeld<br />

gezahlt werden muss.<br />

›Auch wenn wir BAföG kriegen würden, es<br />

reicht nicht. Da habe ich wirklich Angst.<br />

Da ist wirklich meine Angstgrenze, die<br />

sich dann extrem bis <strong>zur</strong> Panik steigert.<br />

Obwohl ich eigentlich weiß, ich kann mit<br />

wenig Geld auskommen, aber das kann<br />

ich nicht selber machen. Ich kann selber<br />

nähen, ich kann selber Handwerksar<strong>bei</strong>ten<br />

machen und ich kann auch wenig essen<br />

und es einteilen auf irgendeine Art und<br />

Weise. Aber wo es einfach fehlt, fehlt es,<br />

da kann man nicht mehr jonglieren.‹<br />

Deutlich zeigt diese Schil<strong>der</strong>ung das große<br />

Engagement dieser Mutter, die Zurücknahme<br />

eigener Bedürfnisse bis hin <strong>zur</strong> eingeschränkten<br />

Nahrungsaufnahme und die Bedrohung,<br />

die in <strong>der</strong> Befürchtung liegt, ihren Kin<strong>der</strong>n<br />

nicht die gewünschte Ausbildung finanzieren<br />

zu können. Erwerbslose Alleinerziehende, wie<br />

auch alleinerziehende ›Aufstockerinnen‹ 11<br />

fühlen sich häufig doppelt stigmatisiert, als<br />

Alleinerziehende und als ›Hartz-IV-Empfängerinnen‹.<br />

Diese Stigmatisierungen können zu<br />

Rechtfertigungsdruck gegenüber <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />

Umgebung und zu einem schlechten Gewissen<br />

gegenüber den Kin<strong>der</strong>n führen.


Erwerbstätigkeit mit einem<br />

auskömmlichen Einkommen<br />

Von vielen Alleinerziehenden ist eine Teilzeit<br />

von 30 Stunden die Ar<strong>bei</strong>tszeit-Wunschoption.<br />

Ein alleinerziehen<strong>der</strong> Vater schil<strong>der</strong>t die<br />

Zufriedenheit mit seinem hoch qualifizierten<br />

Beruf und <strong>der</strong> dort möglichen Teilzeitar<strong>bei</strong>t:<br />

›Ich gehe einer Tätigkeit nach, die mir Spaß<br />

macht, die mir liegt.‹<br />

Er vertritt seinem Chef gegenüber selbstbewusst,<br />

dass er nur in Grenzen Überstunden<br />

macht.<br />

›Ich gehe nachmittags um 15 Uhr pünktlich<br />

aus dem Büro und zwar hocherhobenen<br />

Hauptes. (...) Diese Teilzeitgeschichte,<br />

reich wird man nicht, es reicht aber, wir<br />

kommen gut über die Runden. Es ist irrsinnig<br />

wichtig für, na ja, ich sage mal stabile<br />

Verhältnisse, für Zufriedenheit zu<br />

Hause, also mit <strong>der</strong> beruflichen Situation,<br />

von Kleinigkeiten mal abgesehen, aber<br />

Zeit und Geld, das passt wun<strong>der</strong>bar in<br />

unser familiäres Gefüge. Da stehe ich auf<br />

<strong>der</strong> Sonnenseite, ganz klar. Ja, damit bin<br />

ich zufrieden. (...) Die persönliche Erfüllung<br />

zu sehen, es gibt eine Expertise, die<br />

meine ist und die geschätzt wird von<br />

an<strong>der</strong>en, so dieses Feedback, also diese<br />

persönliche Wertschätzung darüber hinaus,<br />

dass ich ein toller Papi bin, das ist<br />

schon eine ganze Menge wert.‹<br />

Die große Bedeutung von Anerkennung als<br />

Vater und im Beruf wird hier deutlich. Gleichzeitig<br />

beschreibt dieser alleinerziehende Vater,<br />

dass ihn die durch die Teilzeittätigkeit gegebene<br />

ungenügende Absicherung seiner Rente<br />

manchmal nervös macht:<br />

›Wenn ich so an mein Alter denke und<br />

sehe, was ich bislang so in die Rentenkasse<br />

eingezahlt habe, dann werde ich<br />

schon bisweilen unruhig.‹<br />

Bei <strong>der</strong> Berechnung von Renten werden in<br />

Deutschland <strong>der</strong>zeit drei Lebensjahre eines<br />

Kindes als Kin<strong>der</strong>erziehungszeiten angerechnet.<br />

12 Um die Perspektiven aller Eltern und<br />

insbeson<strong>der</strong>e Alleinerziehen<strong>der</strong> zu verbessern,<br />

müsste die Anrechnung von Kin<strong>der</strong>erziehungszeiten<br />

deutlich erhöht werden. Betreuung<br />

und Erziehung enden schließlich nicht nach<br />

dem dritten Lebensjahr eines Kindes. Die <strong>der</strong>zeitigen<br />

Rentenregelungen führen für Alleinerziehende<br />

häufig zu einer vorprogrammierten<br />

Altersarmut.<br />

Teilhabe am <strong>sozialen</strong> und<br />

kulturellen Leben<br />

Am <strong>sozialen</strong> Leben teilnehmen und kulturelle<br />

Angebote wie Kino- o<strong>der</strong> Theaterbesuche<br />

wahrnehmen zu können, ist für viele Alleinerziehende,<br />

insbeson<strong>der</strong>e jene mit kleinen<br />

Kin<strong>der</strong>n, kaum möglich.<br />

Eine erwerbslose Mutter eines fünfjährigen<br />

Kindes erzählt:<br />

›Und ich habe ja auch kein normales<br />

Leben. Unter einem normalen Leben stelle<br />

ich mir eigentlich vor, dass ich auch<br />

Freiräume habe. Wenn man einen Partner<br />

hat, kann man sich die Freiräume gegenseitig<br />

schaffen und die habe ich als alleinerziehende<br />

Mutter nicht. Ich kann sie mir<br />

auch nicht schaffen, weil das Geld fehlt.‹<br />

12 Vgl. Familienhandbuch 2010.<br />

43


44<br />

Armut und Alleinerziehen<br />

Die Finanzierung privater Kin<strong>der</strong>betreuung in<br />

den Abendstunden ist für erwerbslose Alleinerziehende<br />

und Geringverdienerinnen kaum realisierbar.<br />

Erklärt sich niemand aus dem <strong>sozialen</strong><br />

Umfeld bereit, ab und zu auf das Kind<br />

beziehungsweise die Kin<strong>der</strong> aufzupassen, sind<br />

die Bewegungsmöglichkeiten Alleinerziehen<strong>der</strong><br />

mit kleinen Kin<strong>der</strong>n extrem eingeschränkt.<br />

Die problematische finanzielle Situation för<strong>der</strong>t<br />

soziale Isolation und kann in Resignation<br />

enden:<br />

›Manchmal ist es so, dass ich denke, man,<br />

ist das ein Elend, das hast du dir nicht so<br />

vorgestellt. (...) Und ich habe so viel ausprobiert,<br />

auch mit mir selber und nachgedacht,<br />

was soll ich denn hier abends<br />

immer machen? Man hat ja kein Programm,<br />

also man sitzt rum und denkt<br />

immer an seinen eigenen Schaltkreis (...).<br />

Inzwischen denke ich, ich kann das nicht<br />

än<strong>der</strong>n, ich kann mich nicht zerfleischen,<br />

ich muss die Dinge so nehmen, wie sie<br />

sind und das Beste draus machen. (...)<br />

Ja, mehr ist nicht, ist einfach so.‹<br />

Trotz <strong>der</strong> beschriebenen Situation gelingt dieser<br />

Alleinerziehenden eine Erziehungsleistung,<br />

auf die sie stolz ist:<br />

›Es ist einfach so, es ist mein Kind und<br />

das ist in Ordnung, ich för<strong>der</strong>e sie und ich<br />

bin sehr stolz auf sie, weil ich sie für ein<br />

sehr intelligentes Kind halte. Sie hat mit<br />

acht Monaten angefangen zu sprechen.<br />

Und in <strong>der</strong> Kita haben immer alle gesagt,<br />

als sie zwei Jahre war, oh, die spricht ja<br />

schon so gut, und ich hätte sie ja auch<br />

schon einschulen können. Ich sagte, nee,<br />

noch ein Jahr ist schon gut. Sie ist jetzt<br />

nicht ein kleiner Mozart o<strong>der</strong> so, aber ich<br />

bin einfach stolz, dass ich das schaffe,<br />

obwohl ich keinen Job habe und trotzdem<br />

ich ziemlich wenig Geld habe, artikuliert<br />

sich mein Kind im Verhältnis zu an<strong>der</strong>en<br />

außergewöhnlich gut und ist auch sehr<br />

selbstbewusst.‹<br />

13 Vgl. zusammenfassend: Niepel 1994: 138 ff.<br />

Von großer Bedeutung ist auch hier die Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Erziehungskompetenzen <strong>der</strong> Mutter<br />

durch das institutionelle Umfeld, in diesem<br />

Fall durch die Erzieherinnen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tagesstätte.<br />

Von erwerbslosen Eltern wird häufig<br />

thematisiert, dass sie nicht über die Mittel verfügen,<br />

ihre Kin<strong>der</strong> kulturell zu för<strong>der</strong>n. Für Kin<strong>der</strong><br />

bedeutet Armut, wie sie durch die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Regelsätze<br />

gegeben ist, die Verhin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Teilnahme an Musik-, Sport- und<br />

Kulturangeboten. Hier wird <strong>der</strong> Staat seiner<br />

Verantwortung nicht gerecht. Das <strong>der</strong>zeit in<br />

Umsetzung befindliche ›Bildungs- und Teilhabepaket‹,<br />

innerhalb dessen Zuschüsse zum Mittagessen<br />

und Bildungsangebote für Kin<strong>der</strong><br />

beantragt werden können, stellt keine angemessene<br />

Lösung dar. Wenngleich es positive<br />

Ansätze gibt, wie die Übernahme <strong>der</strong> Kosten<br />

von schulischen Tagesausflügen, so ist doch<br />

zu kritisieren, dass eine Institutionalisierung<br />

zusätzlicher sozialer Kontrolle von Eltern und<br />

Kin<strong>der</strong>n erfolgt und dass die Höhe <strong>der</strong><br />

Zuschüsse den Bedarfen nicht entspricht. Auf<br />

<strong>der</strong> Homepage des Bundesministeriums für<br />

Ar<strong>bei</strong>t und Soziales steht, dass Eltern sich<br />

<strong>bei</strong>m Jobcenter über geeignete Angebote <strong>der</strong><br />

schulischen För<strong>der</strong>ung informieren sollen,<br />

wenn es keine ausreichenden regulären schulischen<br />

Angebote gibt. Die Mitar<strong>bei</strong>terinnen und<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter in Jobcentern sind jedoch nicht für<br />

eine solche Beratung qualifiziert. Einkommen<br />

und Erwerbsstatus dürfen keinen Einfluss auf<br />

die Entscheidungsfreiheit von Eltern über die<br />

Frage haben, welche Angebote für ihre Kin<strong>der</strong><br />

die richtigen sind. Vollkommen unverständlich<br />

ist, wieso die Kosten für das Schulmittagessen,<br />

so vorhanden, nicht vollständig übernommen<br />

werden. Der ›verbleibende Eigenanteil<br />

des Kindes‹ von einem Euro frisst fast die<br />

Hälfte des für Ernährung vorgesehenen Betrages<br />

<strong>der</strong> Regelsätze für Kin<strong>der</strong> auf. Gehen die<br />

Verantwortlichen davon aus, dass es ausreicht,<br />

einmal täglich satt zu werden? Für die<br />

Monatskarte werden nur dann die Kosten vollständig<br />

übernommen, wenn diese für die Fahrt<br />

<strong>zur</strong> ›nächstgelegenen Schule‹ unabdingbar ist<br />

und nicht für private Zwecke genutzt wird.<br />

Hier fragt man sich: Soll das Kind umgeschult<br />

werden, wenn es, aus welchen Gründen auch<br />

immer, nicht <strong>zur</strong> ›nächstgelegenen Schule‹<br />

geht? Und wieso wird die private Nutzung <strong>der</strong>


Monatskarte untersagt? Was hat das mit För<strong>der</strong>ung<br />

von Teilhabe zu tun? Eine solche Maßnahme<br />

wie das ›Bildungs- und Teilhabepaket‹<br />

als tragfähige Verbesserung <strong>der</strong> Situation von<br />

Kin<strong>der</strong>n Erwerbsloser darzustellen, stellt eine<br />

erneute Missachtung <strong>der</strong> Betroffenen dar.<br />

Insofern ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass es<br />

von diesen kaum angenommen wird.<br />

Soziale Netzwerke – Gesundheit<br />

In <strong>der</strong> Forschung zu Alleinerziehenden wird<br />

soziale Isolation teilweise im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> ›Zugehörigkeit zu einer unteren Sozialschicht‹<br />

gebracht, an<strong>der</strong>e Untersuchungen<br />

zeigen ein Ansteigen sozialer Isolation in Verbindung<br />

mit einer längeren Dauer des Alleinerziehens.<br />

Die abweichenden Ergebnisse <strong>der</strong><br />

unterschiedlichen Untersuchungen sind unter<br />

an<strong>der</strong>em darauf <strong>zur</strong>ückzuführen, dass differierende<br />

Verständnisse vom Begriff ›Netzwerkmitglie<strong>der</strong>‹<br />

bestehen. 13 Fest steht jedoch, dass<br />

soziale Unterstützung und Vernetzung zentrale<br />

Aspekte des persönlichen Wohlbefindens von<br />

Alleinerziehenden sind.<br />

Eine erwerbstätige alleinerziehende Mutter<br />

erklärt zu diesem Thema:<br />

›Und so ist es gut. Ich glaube dieses<br />

Lebensgefühl, das vermittelt sich dem<br />

Kind. Und das ist wichtig, um nicht selber<br />

zu denken, ja, ich verpasse was o<strong>der</strong> ich<br />

bin nicht so wie die an<strong>der</strong>en, weil ich halt<br />

so aufgewachsen bin. (...) Also, wenn ich<br />

so ein Lebensgefühl ausstrahle, glaube<br />

ich, dann ist das auch etwas, was ich ihm<br />

positiv vermittle. Wenn man nicht so<br />

<strong>zur</strong>ückgezogen, vereinsamt irgendwo lebt,<br />

dann kann das Kind genauso viele Kontakte<br />

haben wie in einer Zweielternfamilie<br />

o<strong>der</strong> sogar noch mehr, weil ich viel mit<br />

Freunden unterwegs bin.‹<br />

Eine Untersuchung <strong>zur</strong> gesundheitlichen Situation<br />

von Alleinerziehenden zeigt, dass alleinerziehende<br />

Mütter im Vergleich zu verheirateten<br />

Müttern signifikant häufiger krank sind. 14<br />

›Zu differenzieren ist, welche Untergruppen<br />

<strong>bei</strong> den Alleinerziehenden beson<strong>der</strong>s stark<br />

belastet sind und welche über ausreichend<br />

Ressourcen verfügen und kaum von <strong>sozialen</strong><br />

und gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />

betroffen sind.‹ 15 Die größten gesundheitlichen<br />

Probleme treten auf, wenn Erwerbslosigkeit,<br />

finanzielle Probleme und soziale Belastungen<br />

zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken.<br />

Ein zufriedenstellendes Einkommen<br />

för<strong>der</strong>t hingegen positive Einschätzungen <strong>der</strong><br />

eigenen gesundheitlichen Situation. 16 Für<br />

Alleinerziehende mit gesundheitlichen Problemen<br />

sind Eltern-Kind-Kuren ein beson<strong>der</strong>s wirksames<br />

Mittel, wie<strong>der</strong> zu Kräften zu kommen<br />

und die Familiensituation zu reflektieren. 17<br />

Einige Krankenkassen lehnen Anträge auf<br />

Kuren zunächst jedoch standardmäßig ab, so<br />

dass auch <strong>bei</strong> starker Bedürftigkeit die Energie<br />

für ein Wi<strong>der</strong>spruchsverfahren aufgebracht<br />

werden muss.<br />

Diskriminierungen /<br />

Geschlechter- und Familienbil<strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>, die in Einelternfamilien aufwachsen,<br />

haben nicht per se schlechtere Startbedingungen<br />

als Kin<strong>der</strong> aus Zweielternfamilien. Hier wie<br />

dort unterscheiden sich die materiellen und<br />

<strong>sozialen</strong> Bedingungen. Allerdings werden in<br />

unserer Gesellschaft nach wie vor Zweielternfamilien<br />

idealisiert und Einelternfamilien skeptisch<br />

beäugt. Dies führt unter an<strong>der</strong>em zu<br />

Diskriminierungen von Alleinerziehenden auf<br />

dem Ar<strong>bei</strong>ts- und Wohnungsmarkt.<br />

Eine an<strong>der</strong>e alleinerziehende Mutter berichtet:<br />

›Das ist in diesem System ja so, wenn<br />

man außerhalb <strong>der</strong> bürgerlichen Ehe ein<br />

Kind bekommt, dann gibt es zwar Grundsicherung,<br />

aber ansonsten keine Existenzgrundlage,<br />

keine richtigen Möglichkeiten.<br />

(...) Ich hatte sehr viele Schwierigkeiten<br />

diese Wohnung zu kriegen, ich habe<br />

an<strong>der</strong>thalb Jahre auf diese Wohnung<br />

gewartet. Und als ich dann gesagt habe,<br />

ich habe einen Lebenspartner, da habe<br />

ich die Wohnung dann gekriegt.‹<br />

14 Vgl. Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 11.<br />

15 Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 5.<br />

16 Vgl. Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 18/19.<br />

17 Vgl. Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 20.<br />

45


46<br />

Armut und Alleinerziehen<br />

Diese Erzählung ist nur ein Beispiel von<br />

Benachteiligungen Alleinerziehen<strong>der</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Wohnungssuche. Es zeigt sich, dass sich<br />

gesellschaftliche Vorurteile, die in Teilen <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit produziert und bestätigt werden,<br />

sich in Handlungen nie<strong>der</strong>schlagen, die mit<br />

<strong>der</strong> Verteilung von Ressourcen verbunden<br />

sind. Ein weiteres Vorurteil lautet, Alleinerziehende<br />

hätten ihre Kin<strong>der</strong> weniger gut im<br />

Griff als an<strong>der</strong>e Eltern. Diese Einstellung wird<br />

insbeson<strong>der</strong>e gegenüber alleinerziehenden<br />

Müttern mit Söhnen geäußert und selbst von<br />

Teilen des pädagogischen Diskurses gestützt.<br />

Solche Abwertungen einer Familienform,<br />

insbeson<strong>der</strong>e wenn sie durch pädagogisches<br />

Personal in Kin<strong>der</strong>betreuungsinstitutionen<br />

beziehungsweise in Schulen transportiert<br />

werden, können zu einer ständigen Verteidigungshaltung<br />

<strong>bei</strong> Alleinerziehenden führen und<br />

das Gefühl auslösen, mit dem Rücken <strong>zur</strong><br />

Wand zu stehen.<br />

Eine alleinerziehende Mutter berichtet über<br />

Reaktionen eines Familienmitglieds:<br />

›Na ja, er ist ja nun sehr katholisch und ist<br />

<strong>der</strong> Meinung, dass eine Alleinerziehende<br />

keinen Wert hat. Also eine Frau muss<br />

einen Mann haben, sonst darf man keine<br />

Kin<strong>der</strong> kriegen. Und erst recht nicht noch<br />

ein zweites Kind. (...) Er hat mich am<br />

Anfang beschimpft, das kann man schon<br />

sagen. Also beschimpft und nicht für<br />

vollwertig gehalten.‹<br />

Erfreulicherweise konnte sich diese Alleinerziehende<br />

trotz <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Anfeindungen<br />

ihren positiven Blick auf ihre Kin<strong>der</strong> und auf<br />

ihre Erziehungskompetenzen bewahren:<br />

›Wo ich auch wie<strong>der</strong> sage, da bin ich<br />

stolz drauf, dass ich meine Kin<strong>der</strong> allein<br />

erziehe und eigentlich doch besser<br />

klarkomme. Finanziell und auch erziehungsmäßig.<br />

Meine Kin<strong>der</strong>, die hören und<br />

die helfen auch im Haushalt mit.‹<br />

In <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen deutschen Gesellschaft<br />

liegt die Hauptverantwortung für Kin<strong>der</strong>erziehung<br />

und Familienleben nach wie vor <strong>bei</strong> den<br />

Frauen. Spiegelbildlich dazu ist die Vorstellung<br />

von männlicher Vollerwerbstätigkeit noch<br />

immer weit verbreitet und normativ aufgeladen.<br />

Das zeigt sich auch daran, dass lediglich<br />

rund sechs Prozent aller sozialversicherungspflichtig<br />

beschäftigten Männer in Deutschland<br />

in Teilzeit erwerbstätig sind gegenüber<br />

34 Prozent <strong>der</strong> Frauen. 18 In Bremen ar<strong>bei</strong>ten<br />

37 Prozent aller sozialversicherungspflichtig<br />

beschäftigten Frauen in Teilzeit gegenüber<br />

sieben Prozent <strong>der</strong> Männer. 19<br />

Müttern gegenüber, vor allem wenn die<br />

Kin<strong>der</strong> noch klein sind, besteht weiterhin die<br />

Erwartung, dass sie ihre Erwerbstätigkeit<br />

reduzieren o<strong>der</strong> zumindest zeitweise unterbrechen,<br />

um die Kin<strong>der</strong> besser versorgen zu<br />

können. Ganz entgegengesetzt dazu ist die<br />

Erwartung an die Väter. Drei von fünf <strong>der</strong><br />

interviewten erwerbslosen alleinerziehenden<br />

Väter berichten über Ratschläge, ihre Kin<strong>der</strong><br />

zu Pflegeeltern o<strong>der</strong> ins Heim zu geben,<br />

um dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt voll <strong>zur</strong> Verfügung zu<br />

stehen.<br />

›Dass ich besser mehr Zeit zum Ar<strong>bei</strong>ten<br />

aufwenden kann und dass ich eben<br />

auch schichtmäßig flexibler bin und die<br />

Kleine geht dann zu Pflegeeltern, dann ist<br />

mir diese Belastung doch genommen.‹<br />

Einer dieser Männer fühlt sich als alleinerziehen<strong>der</strong><br />

Vater diskriminiert:<br />

›Nein, das kann ich mir nicht vorstellen,<br />

dass eine Mutter so was gefragt wird.<br />

Genau das ist das. Wenn man sagt, die<br />

Mutter ar<strong>bei</strong>tet voll und das Kind ist <strong>bei</strong><br />

mir, die Blicke, die ich dann teilweise<br />

ernte, sprechen für sich.‹<br />

18 Vgl. Statistisches Bundesamt: www.destatis.de/jetspeed/<br />

portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarkt/Sozialversicherungspflichtige/Tabellen/<br />

Content100/Strukturdaten,templateId=ren<strong>der</strong>Print.<br />

19 Vgl. Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: Beschäftigung am<br />

Ar<strong>bei</strong>tsort: Mai 2010.


Väter, die für sich die Familie an die erste<br />

Stelle setzen und die aus unterschiedlichen<br />

Gründen erwerbslos sind, zum Beispiel, weil<br />

die Ar<strong>bei</strong>tszeiten als Handwerksmeister nicht<br />

mit <strong>der</strong> Familienverantwortung zu vereinbaren<br />

sind, werden häufig von ihrem privaten und<br />

institutionellen Umfeld unter Druck gesetzt,<br />

sich für die Erwerbstätigkeit und gegen die<br />

Familienar<strong>bei</strong>t zu entscheiden. In solchen<br />

Fällen wird vom <strong>sozialen</strong> Umfeld das Kindeswohl<br />

<strong>der</strong> männlichen Vollerwerbstätigkeit nachgeordnet.<br />

Ein Blick <strong>zur</strong>ück auf die gesellschaftlichen<br />

Normen zu Väter- und Müttererwerbstätigkeit<br />

in <strong>der</strong> deutschen Geschichte seit dem Zweiten<br />

Weltkrieg zeigt folgendes Grundmuster: Die<br />

Vorstellungen <strong>zur</strong> Erwerbstätigkeit <strong>der</strong> Mütter<br />

in <strong>der</strong> Bundesrepublik und in <strong>der</strong> DDR, aber<br />

auch nach <strong>der</strong> Vereinigung, verän<strong>der</strong>n sich<br />

mit <strong>der</strong> jeweiligen Ar<strong>bei</strong>tsmarktlage. Die<br />

Vollerwerbstätigkeit <strong>der</strong> Väter hingegen ist<br />

das durchgehend dominierende Leitbild.<br />

Anerkennung / Umverteilung /<br />

Zufriedenheit<br />

Für das Wohlbefinden Alleinerziehen<strong>der</strong> und<br />

die Entwicklung ihrer Kin<strong>der</strong> ist es von zentraler<br />

Bedeutung, dass die Eltern eine Zufriedenheit<br />

mit <strong>der</strong> Familienform <strong>der</strong> Einelternfamilie<br />

entwickeln. Hierfür ist neben materieller<br />

Umverteilung die Anerkennung <strong>der</strong> Leistungen<br />

ein wichtiger Aspekt. ›Anerkennung basiert auf<br />

<strong>der</strong> Unterlassung demütigen<strong>der</strong>, diskriminieren<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> ausschließen<strong>der</strong> Praktiken. Darüber<br />

hinaus wird dieser Begriff auf Handlungen<br />

<strong>zur</strong> Herstellung beziehungsweise Beibehaltung<br />

von gesellschaftlichen Verhältnissen bezogen,<br />

welche allen Individuen und Gruppen Selbstachtung<br />

ermöglichen.‹ 20<br />

Eine alleinerziehende Mutter, die sich neben<br />

ihrer Erwerbstätigkeit für Alleinerziehende<br />

engagiert, nimmt Stellung:<br />

›Also ich finds halt einfach nur ganz wichtig,<br />

an<strong>der</strong>en Leuten zu vermitteln, es ist<br />

nicht schrecklich, alleinerziehend zu sein.<br />

Es kommt einfach darauf an, wie man<br />

damit umgeht und ich glaube, dass es<br />

auch wichtig ist, eine Zufriedenheit und<br />

Gelassenheit mit <strong>der</strong> Situation zu ent-<br />

wickeln. Das ist umso schwieriger, je<br />

negativer das gesellschaftliche Bild ist.<br />

Deswegen finde ich es wichtig, dass das<br />

gesellschaftliche Bild positiver ist, einfach,<br />

um es den Menschen nicht noch<br />

zusätzlich schwerer zu machen. Wenn das<br />

irgendwie normaler ist o<strong>der</strong> einfach auch<br />

ja positiver gesehen und anerkannt wird,<br />

die Ar<strong>bei</strong>t, die man leistet in einer Familie,<br />

speziell in einer Einelternfamilie, dass<br />

es dann nicht mehr dieses ganz Schreckliche<br />

ist, alleinerziehend zu sein. O<strong>der</strong><br />

generell nicht zu sagen, um Gottes willen,<br />

das ist eine Alleinerziehende (...), was<br />

kann aus <strong>der</strong> werden, was kann aus den<br />

Kin<strong>der</strong>n werden?‹<br />

Auf die Frage nach gesellschaftlicher Anerkennung<br />

Alleinerziehen<strong>der</strong> antwortet sie:<br />

›Zu wenig. Wenn, dann im privaten<br />

Umfeld, aber gesellschaftlich nicht. Ich<br />

denke, generell wird in dieser Gesellschaft<br />

nicht die Ar<strong>bei</strong>t in <strong>der</strong> Familie wertgeschätzt,<br />

die eine Familie an sich leistet.<br />

Das wird nicht wertgeschätzt und noch<br />

weniger, wenn es nur eine Person macht.‹<br />

Sorgear<strong>bei</strong>t als nach wie vor überwiegend<br />

weibliches Tätigkeitsfeld erfährt (zu) geringe<br />

gesellschaftliche Anerkennung. Dies zeigt sich<br />

unter an<strong>der</strong>em auch an den Gehältern <strong>der</strong><br />

Berufe, in denen sorgende Tätigkeiten zentral<br />

sind, wie zum Beispiel Erzieherinnen sowie<br />

Kranken- und Altenpflegerinnen. Hier stellen<br />

sich grundsätzliche Fragen des Wertes <strong>der</strong><br />

Menschen in dieser Gesellschaft.<br />

20 Rinken 2005: 74/75.<br />

47


48<br />

Armut und Alleinerziehen<br />

Resümee<br />

Neben finanziellen und strukturellen Problemen<br />

tragen auch Aspekte wie mangelnde Wertschätzung<br />

und Diskriminierungen zu Armut<br />

und damit einhergehenden Einschränkungen<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> und kulturellen Teilhabe <strong>bei</strong>.<br />

Ein höherer beruflicher Status ermöglicht<br />

dagegen scheinbar einen besseren Schutz vor<br />

offen geäußerten Abwertungen.<br />

Wer aufgrund einer von <strong>der</strong> Norm abweichenden<br />

Familienform finanziell in Not ist und<br />

durch Erwerbslosigkeit o<strong>der</strong> prekäre Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisse<br />

unter existenziellen Ängsten leidet,<br />

hat es schwer, eine positive Einstellung<br />

zu eben dieser Familienform zu entwickeln.<br />

Die gesellschaftliche Anerkennung <strong>der</strong> Lebensleistungen<br />

Alleinerziehen<strong>der</strong> ist ein wesentlicher<br />

Baustein für <strong>der</strong>en Wohlbefinden. Diese<br />

Anerkennung muss sich neben Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> öffentlichen Debatte in Verbesserungen<br />

<strong>der</strong> materiellen Bedingungen und <strong>der</strong> Zugangsmöglichkeiten<br />

zum Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nie<strong>der</strong>schlagen.<br />

Konkrete Möglichkeiten für die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> sozialstrukturellen Situation bieten<br />

sich mannigfaltig, hier seien lediglich einige<br />

mögliche Beispiele genannt:<br />

eine Kin<strong>der</strong>grundsicherung in <strong>der</strong> Höhe<br />

von 500 Euro, wie sie zum Beispiel vom<br />

Verband alleinerziehen<strong>der</strong> Mütter und<br />

Väter e.V. (VAMV) gefor<strong>der</strong>t wird;<br />

eine deutliche Anhebung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Regel-<br />

und Mietsätze;<br />

gerechtere Rentenregelungen mit stärkerer<br />

Berücksichtigung von Phasen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung;<br />

Steuerregelungen, die nicht die Ehe subventionieren,<br />

wie es in Deutschland <strong>der</strong><br />

Fall ist, son<strong>der</strong>n in denen Kin<strong>der</strong> stärker im<br />

Steuerrecht berücksichtigt werden, wie<br />

zum Beispiel in Frankreich; 21<br />

<strong>der</strong> weitere Ausbau eines qualitativ hochwertigenGanztagskin<strong>der</strong>betreuungsangebots.<br />

Armut von Alleinerziehenden ist eine Frage<br />

des elterlichen Wohlbefindens wie des Kindeswohls.<br />

Eltern wie Kin<strong>der</strong> haben ein Recht auf<br />

ein menschenwürdiges Leben. Die Verantwortung<br />

des Staates liegt darin, die Bedingungen<br />

für dessen Verwirklichung bereitzustellen. Das<br />

hat nichts mit Almosen zu tun. Vielmehr ist es<br />

eine zentrale politische Aufgabe, den Boden<br />

für eine Gesellschaft zu bereiten, die allen<br />

Familienformen ein gutes Leben ermöglicht.<br />

Dies ist auch eine Frage <strong>der</strong> Geschlechtergerechtigkeit.<br />

In den letzten Jahren wurde von den Bundesministerien<br />

für Familie sowie für Ar<strong>bei</strong>t<br />

und Soziales die Gruppe <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />

zunehmend in den Fokus des Interesses<br />

gerückt. Das ESF-Bundesprogramm ›Gute<br />

Ar<strong>bei</strong>t für Alleinerziehende‹ wird <strong>zur</strong>zeit auch<br />

in Bremen umgesetzt. Hier werden unter an<strong>der</strong>em<br />

ganzheitliche Beratung, Unterstützung<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach passen<strong>der</strong> Qualifizierung<br />

beziehungsweise Erwerbsar<strong>bei</strong>t und Hilfe <strong>bei</strong><br />

<strong>der</strong> Beschaffung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

bereitgestellt. Es wird darauf zu achten<br />

sein, diese für Alleinerziehende existenziellen<br />

Angebote flächendeckend und nachhaltig<br />

zu sichern. Auch das Angebot von Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

für unter Dreijährige ist in Bremen<br />

momentan im Aufbau. Hier greifen mehrere<br />

Bausteine zusammen, die die Situation Alleinerziehen<strong>der</strong><br />

verbessern und Wege für den<br />

Ausstieg aus Armut unterstützen können.<br />

Allerdings sollten auch die Unternehmen in die<br />

Verantwortung genommen werden. Wo<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätze fehlen, können Unterstützungsprogramme<br />

nur sehr begrenzt wirksam werden.<br />

Die Familienfreundlichkeit des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes<br />

bedarf <strong>der</strong> Verbesserung. Hier sind<br />

die zentralen Stichworte flexible Ar<strong>bei</strong>tszeiten,<br />

Reduktion von Präsenzzeiten und betriebliche<br />

Kin<strong>der</strong>betreuung mit flexiblen Öffnungszeiten.<br />

Die oben ansatzweise dargestellten unterschiedlichen<br />

Lebensgefühle Alleinerziehen<strong>der</strong><br />

zeigen, je nach strukturellen Bedingungen,<br />

persönlicher Geschichte und <strong>sozialen</strong> Netzwerken,<br />

dass das breite Spektrum von Resignation<br />

über Hoffnung bis hin <strong>zur</strong> Zufriedenheit<br />

reicht. Erstaunlich ist, wie viele Alleinerziehende<br />

ihren Kin<strong>der</strong>n trotz problematischer Rahmenbedingungen<br />

unter großem Energieeinsatz<br />

ein Aufwachsen in einer Atmosphäre <strong>der</strong> Wertschätzung<br />

ermöglichen. Respekt und gesellschaftliche<br />

Anerkennung wären die angemessenen<br />

Reaktionen.<br />

21 Vgl. Beckmann 2008: 125.


Literatur<br />

BECKMANN, Sabine (2008): Geteilte Ar<strong>bei</strong>t? Männer und Care-<br />

Regime in Schweden, Frankreich und Deutschland. Münster:<br />

Westfälisches Dampfboot.<br />

Familienhandbuch 2010: Anrechnung/Berücksichtigung von Zeiten<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung. Das Familienhandbuch des Staatsinstituts<br />

für Frühpädagogik (IFP). Abrufbar unter:<br />

www.familienhandbuch.de/cmain/f_programme/a_leistungen_fuer<br />

_familien/s_562.html<br />

Letzter Zugriff: 10.10.2010.<br />

Familienreport 2010. Leistungen. Wirkungen. Trends.<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.<br />

HELFFERICH, Cornelia/HENDEL-KRAMER, Anneliese/KLINDWORTH,<br />

Heike (2003): Gesundheit alleinerziehen<strong>der</strong> Mütter und Väter. In:<br />

Robert Koch-Institut (Hrsg.): Gesundheitsberichterstattung des<br />

Bundes, Heft 14.<br />

LAUDENBACH, Peter (2009): Am Essen wird zuerst gespart. In:<br />

brand eins 05/2009, Schwerpunkt: Essen. Abrufbar unter:<br />

www.brandeins.de/archiv/magazin/gegessen-wirdimmer/artikel/am-essen-wird-zuerst-gestpart.html<br />

Letzter Zugriff: 10.10.2010.<br />

NIEPEL, Gabriele (1994): Alleinerziehende. Abschied von einem<br />

Klischee. Opladen, Leske und Budrich.<br />

RINKEN, Barbara (2005): Alleinerziehende wollen <strong>bei</strong>des:<br />

Anerkennung und Umverteilung. In: Femina Politica, 14. Jg.,<br />

2/2005, 74–84.<br />

RINKEN, Barbara (2010): Spielräume in <strong>der</strong> Konstruktion von<br />

Geschlecht und Familie? Alleinerziehende Mütter und Väter mit<br />

ost- und westdeutscher Herkunft. Wiesbaden, VS Verlag.<br />

USKE, Hans (2000): Sozialschmarotzer und Versager. Missachtung<br />

und Anerkennung in Diskursen über Massenar<strong>bei</strong>tslosigkeit. In:<br />

Holtgrewe, Ursula u.a. (Hrsg.): Anerkennung und Ar<strong>bei</strong>t.<br />

Konstanz, 169–192.<br />

Verband alleinerziehen<strong>der</strong> Mütter und Väter Bundesverband e.V.<br />

(VAMV), Hasenheide 70, 10967 Berlin, Tel.: (030) 6959786,<br />

kontakt@vamv.de, www.vamv.de<br />

2008: Familienpolitisches Grundsatzprogramm.<br />

2009: Dokumentation <strong>der</strong> Fachtagung: Klimawandel für Alleinerziehende<br />

– Einelternfamilien als Seismographen für soziale<br />

Gerechtigkeit.<br />

2010: Das ABC <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>armut.<br />

WITZEL, Andreas (2000): Das problemzentrierte Interview. Forum<br />

Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Research (Online<br />

Journal), 1 (1) Abrufbar unter: www.qualitativeresearch.net/fqs/fqs.htm:1-11.<br />

Letzter Zugriff: 15.01.2008.<br />

49


50<br />

x Das Küchenteam<br />

Willkommen im normalen Leben!


Ralf Lorenzen x Soziologe, freier Journalist<br />

5 Willkommen im normalen Leben!<br />

Auf den Spuren <strong>der</strong> Armut<br />

von Frauen in Bremen<br />

›Ich vermisse das ganz normale Leben‹,<br />

sagt eine <strong>der</strong> Frauen in den knapp 20<br />

Interviews, die für diesen <strong>Bericht</strong> über<br />

Frauenarmut in Bremen geführt wurden.<br />

Bei einer Begegnung auf <strong>der</strong> Straße<br />

würde niemand dieser Frau ansehen, dass<br />

sie ›arm‹ ist. Und in <strong>der</strong> Tat, wenn man<br />

Armut über das Existenzminimum definiert<br />

und nicht erst dort verortet, wo Menschen<br />

betteln o<strong>der</strong> in Mülltonnen nach<br />

verwertbaren Dingen suchen, dann ist<br />

Armut in vielen Bremer Ortsteilen mit<br />

einem hohen Anteil von Hartz-IV-Empfängern<br />

bereits das ganz normale Leben.<br />

Aber das ist eine Sache <strong>der</strong> Statistiker, in<br />

diesem Kapitel geht es um den persönlichen<br />

Umgang mit Bedürftigkeit. Um die ›innere<br />

Mauer‹, die arme Menschen vom normalen<br />

Leben trennt, die aber jede Frau an einer<br />

an<strong>der</strong>en Stelle wahrnimmt. Fast niemand in<br />

diesen Interviews hat sich selbst als arm<br />

bezeichnet. Es ist eine Binsenweisheit, sie<br />

muss aber <strong>bei</strong>m Thema Armut wie<strong>der</strong>holt werden:<br />

Armut hat unendlich viele Schattierungen,<br />

auch in objektiv gleichen Lebenslagen. Ein<br />

paar davon werden in diesem Kapitel gezeigt.<br />

Die Auswahl <strong>der</strong> Gesprächspartnerinnen<br />

verfolgte das Ziel, beson<strong>der</strong>s drei Lebenslagen<br />

in den Blick zu bekommen: junge Frauen<br />

vor dem Start ins Berufsleben, alleinerziehende<br />

Mütter und ältere Frauen, die aus dem<br />

Ar<strong>bei</strong>tsprozess herausgefallen sind. Der<br />

Zugang erfolgte meist über Mitar<strong>bei</strong>terinnen in<br />

Beratungs-, Betreuungs- und Qualifizierungsprojekten<br />

für diese Frauen. Das hat den Vorteil,<br />

dass sie gezielt Frauen ansprechen konnten,<br />

von denen sie annahmen, dass sie zu<br />

einem ausführlichen Interview bereit wären.<br />

Denn es gibt kaum ein Thema, über das Menschen<br />

weniger gern sprechen, als über ihre<br />

eigene Armut.<br />

Bei dieser Vorauswahl besteht die Gefahr,<br />

dass ein geschöntes Bild <strong>der</strong> Wirklichkeit entsteht.<br />

Denn wer sich Hilfe holt und aktiv da<strong>bei</strong><br />

ist, über seine Lebenssituation zu berichten,<br />

dem geht es meist schon besser als <strong>der</strong><br />

Mehrzahl <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, die in ihrer <strong>Lage</strong> verharren.<br />

Es ist aber nicht das Ziel dieses<br />

<strong>Bericht</strong>es, beson<strong>der</strong>s skandalöse Zustände<br />

aufzuzeigen, son<strong>der</strong>n den betroffenen Frauen<br />

auf den folgenden Seiten eine Stimme zu<br />

geben. Dazu gehören auch die Beraterinnen in<br />

den besuchten Projekten, die aufgrund ihrer<br />

Erfahrungen die persönlichen Blickwinkel <strong>der</strong><br />

Frauen noch erweitern.<br />

Entstanden ist eine kleine Bremen-Reise<br />

aus dem äußersten Westen bis zum äußersten<br />

Osten von Bremen, mit kleinen Pausen in<br />

einem Café im Stadtzentrum. Der Ausgangspunkt<br />

liegt allerdings dort, wo sich bedürftige<br />

Menschen in großer Zahl versammeln: <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Bremer Tafel.<br />

Der tägliche Treck<br />

ans Ende <strong>der</strong> Stadt<br />

Zu Besuch <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Bremer Tafel<br />

Lang zieht sich <strong>der</strong> Schwarze Weg Richtung<br />

Norden. Wenige Autos fahren hier<br />

am frühen Nachmittag, Busse schon gar<br />

nicht. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

von hier in die Innenstadt will, muss<br />

zum Straßenbahndepot in <strong>der</strong> Gröpelinger<br />

Heerstraße.<br />

Es sind an<strong>der</strong>e Verkehrsmittel, die den<br />

Schwarzen Weg ab 14 Uhr bevölkern: Fahrrä<strong>der</strong><br />

mit Anhängern, kleine Bollerwagen und<br />

vor allem Einkaufsroller – liebevoll Hackenporsche<br />

genannt. Kurz bevor die Stadt endet,<br />

biegt die Karawane nach links ab auf eine<br />

Stichstraße. An einer unscheinbaren Kellertür<br />

kommt <strong>der</strong> Treck zum Stillstand, darauf ein<br />

Schild: Bremer Tafel.<br />

51


52 Willkommen im normalen Leben!<br />

Während sich draußen Männer und Frauen jeglichen<br />

Alters im Wartebereich sammeln, <strong>der</strong><br />

aus zwei gegenüberstehenden Gartenbänken<br />

besteht, herrscht in den engen Kellerräumen<br />

emsiges Treiben. Aus den Vorratskammern<br />

und <strong>Lage</strong>rräumen schleppen die Helfer die<br />

Lebensmittel in den Ladenraum. Alle Sorten<br />

von Lebensmitteln werden hier ansprechend<br />

für die Abgabe an die Bedürftigen ausgestellt:<br />

von Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln,<br />

Nudeln und Brot über Gemüse, Milch und<br />

Joghurt bis zu Fleisch, Fertiggerichten und ein<br />

paar Genussmitteln wie Kaffee und Schokolade.<br />

Auch ein paar Schnittblumen sind heute<br />

im Angebot.<br />

›Das Angebot unterscheidet sich täglich, je<br />

nachdem, was da ist‹, erzählt die Leiterin <strong>der</strong><br />

Gröpelinger Tafel, Hannelore Vogel, an ihrem<br />

Schreibtisch. ›Die Kunden können vorher durchgehen,<br />

sich das Angebot angucken.‹ Aussuchen<br />

dürfen sie allerdings nicht, die Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

an <strong>der</strong> Ausgabe entscheiden je nach Angebot,<br />

was im Bollerwagen landet. Ausnahmen gibt es<br />

nur <strong>bei</strong> Menschen, die aufgrund von Diäten<br />

o<strong>der</strong> religiösen Einschränkungen nicht alles<br />

essen dürfen, Schweinefleisch zum Beispiel.<br />

Eine Vollversorgung gibt es hier für niemanden,<br />

lediglich Hilfe zum Lebensunterhalt.<br />

›Wir haben Glück, dass es in Bremen so<br />

viel Nahrungsmittelindustrie gibt‹, sagt Hannelore<br />

Vogel und zählt einige Großspen<strong>der</strong> auf,<br />

die eine zuverlässige Versorgungslage garantieren.<br />

Dennoch gibt es saisonale Engpässe,<br />

denen mit einer perfektionierten Vorratswirtschaft<br />

begegnet wird.<br />

Seit ihren Anfängen vor 15 Jahren sind die<br />

<strong>bei</strong>den Bremer Tafeln zu einem mittelständischen<br />

Betrieb gewachsen. ›Hier in Gröpelingen<br />

haben wir 22 Ein-Euro-Jobber und 15 Ehrenamtliche.<br />

In Hemelingen gibt es insgesamt fast<br />

75 Mitar<strong>bei</strong>ter, meist Ehrenamtliche.‹ Fahrteams,<br />

zwei Kühltransporter, dreimal die<br />

Woche Großmarkt, Aufbau ab sieben, Ausgabe<br />

ab drei, Feierabend um sechs. Frau Vogel<br />

erzählt die betriebswirtschaftlichen Kernzahlen<br />

so, dass ihre Vergangenheit als Betriebswirtin<br />

für Außenhandel unüberhörbar ist. Vor zehn<br />

Jahren hat sie eine Freundin hierhin begleitet,<br />

die die Lebensmittel nicht mehr allein tragen<br />

konnte. ›Da suchten sie Leute zum Fahren.<br />

Heute ist das ein Fulltime-Job für mich.‹<br />

Wer muss sich hier eigentlich<br />

schämen?<br />

Draußen sammeln sich immer mehr Kunden.<br />

Hartz-IV-Empfänger, Asylbewerber, Menschen<br />

mit niedrigem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld, Studenten –<br />

das ist <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> Berechtigten. Genauso<br />

viele Männer wie Frauen, auch Ehepaare, <strong>bei</strong>leibe<br />

nicht nur ältere. Je<strong>der</strong> Berechtigte hat<br />

einen festen Wochentag auf seiner Karte vermerkt.<br />

Man kennt sich also. Den Klönschnack<br />

gibt es hier für den einen Euro, den je<strong>der</strong><br />

bezahlen muss, wenn er seine Ausgabe-Nummer<br />

erhält, inklusive. Die Reihenfolge wechselt<br />

jedes Mal, so dass keiner benachteiligt wird.<br />

Ganz zum Schluss sind die Neuen dran. Die<br />

müssen viermal hintereinan<strong>der</strong>kommen, bevor<br />

sie in die Liste aufgenommen werden und<br />

Lebensmittel für die ganze Familie mitnehmen<br />

können.<br />

›Ich habe heute Nummer 18‹, freut sich<br />

Mittwochskundin Anita K. in <strong>der</strong> Gröpelinger<br />

Nachmittagssonne. Ihr Mann, genauso ar<strong>bei</strong>tslos<br />

wie sie, passt zu Hause auf die vier Kin<strong>der</strong><br />

auf. Für die 35-Jährige ist <strong>der</strong> Tafelbesuch<br />

etwas wie eine willkommene Abwechslung<br />

geworden. ›Das ist hier fast schon wie eine<br />

verschworene Gemeinschaft.‹ Das war nicht<br />

immer so. In den ersten Jahren, nachdem ihr<br />

Mann ar<strong>bei</strong>tslos geworden war und sie mit<br />

dem Geld überhaupt nicht mehr hinkamen,<br />

scheute sie sich, <strong>zur</strong> Tafel zu gehen. ›Ich<br />

wusste, dass es das gab und wir hätten das<br />

dringend gebraucht, aber die Scham war<br />

größer.‹ Irgendwann wurde die heimische Versorgungslage<br />

dann so katastrophal, dass<br />

sie sich einen Ruck gab. ›Aber ohne meine<br />

Freundin, die mich begleitet hat, hätte ich das<br />

nie geschafft.‹ Inzwischen trifft sie im Alltag<br />

viele Menschen wie<strong>der</strong>, von denen sie nie<br />

gedacht hätte, dass sie auf die Tafel angewiesen<br />

sind. Und schämen tut sie sich nur noch<br />

für an<strong>der</strong>e: ›Fünf Euro mehr Hartz IV? Ich<br />

würde mich als Politiker ja schämen, so was<br />

überhaupt auszusprechen.‹<br />

Über die Jahre hat auch Hannelore Vogel<br />

einen Wandel im Kreis <strong>der</strong> Bedürftigen festgestellt.<br />

›Nach den Hartz-IV-Reformen ist <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> Jüngeren stark angestiegen.‹ Insgesamt<br />

beobachtet sie ein Absinken <strong>der</strong> Hemmschwelle,<br />

da immer mehr Leute sich hier in


<strong>der</strong> richtigen Gesellschaft sehen. Gesunken ist<br />

allerdings auch die Hemmschwelle <strong>der</strong> staatlichen<br />

Organe im Umgang mit <strong>der</strong> Tafel. War<br />

sie ursprünglich mal als Hilfe in <strong>der</strong> größten<br />

Not konzipiert, wird sie von manchem Politiker<br />

und Behördenvertreter heute fast als Regeleinrichtung<br />

missverstanden.<br />

›Es kommen immer wie<strong>der</strong> Politiker, die<br />

wollen das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II kürzen und<br />

sagen, die Empfänger können sich das<br />

Fehlende ja von <strong>der</strong> Tafel holen. In Bremen<br />

zum Glück nicht, aber auch hier hat<br />

die BAgIS die Leute schon mal <strong>zur</strong> Tafel<br />

geschickt, wenn ein Antrag noch nicht<br />

bear<strong>bei</strong>tet war. Dann stand hier schon um<br />

10 Uhr, wenn es noch gar nichts gibt, eine<br />

Schlange vor <strong>der</strong> Tür. Wenn die Leute<br />

Pech hatten, kamen sie aus Findorff und<br />

hatten nur für einmal Straßenbahn-Geld<br />

und konnten nachmittags nicht noch mal<br />

herkommen.‹<br />

Während Hannelore Vogel <strong>bei</strong> dieser Schil<strong>der</strong>ung<br />

noch ruhig bleibt, sträuben sich <strong>der</strong><br />

ehrenamtlichen Mitar<strong>bei</strong>terin Anne Bleyl <strong>bei</strong><br />

diesem Thema die Haare.<br />

›Es kommen hier Leute an, denen wurde<br />

von <strong>der</strong> BAgIS gesagt, sie würden kein<br />

Geld kriegen, hätten aber <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Tafel<br />

einen Anspruch auf Lebensmittel‹, erzählt<br />

sie und holt kurz Luft. ›Nein, hier hat<br />

niemand einen Anspruch, das ist eine<br />

private, ehrenamtliche Organisation. Wir<br />

tun, was wir können, aber wir sind nicht<br />

verpflichtet, etwas zu tun. Wir können ja<br />

auch nur das ausgeben, was wir bekommen<br />

haben. Die Lebensmittel wachsen<br />

nicht in meiner Hosentasche. Und dass<br />

Ämter Leute herschicken, weil sie <strong>bei</strong><br />

ihnen nichts bekommen, geht gar nicht.<br />

Ganz klar.‹<br />

Der Wagen von Anne Bleyl war <strong>der</strong> erste Privatwagen,<br />

<strong>der</strong> für die Gröpelinger Tafel fuhr.<br />

Die alleinerziehende Mutter von fünf Kin<strong>der</strong>n<br />

ar<strong>bei</strong>tet nicht nur im Schnitt acht Stunden in<br />

<strong>der</strong> Woche ehrenamtlich für die Tafel – sie<br />

versorgt auch Grundschulen mit kostenlosen<br />

Computern. ›Weil <strong>der</strong> Senat das nicht tut.‹<br />

Auch sie hat über die Jahre Verän<strong>der</strong>ungen <strong>bei</strong><br />

den Bedürftigen festgestellt. ›Es sind mehr<br />

geworden und obwohl wir immer mehr wachsen,<br />

wird die Warteliste immer länger.‹ Bei<br />

den Gründen dafür kommt sie nach Bildung<br />

und Hartz IV auf das Thema, das sie am meisten<br />

bewegt und erst so richtig zum Kochen<br />

bringt. ›Es fehlen die Betreuungsmöglichkeiten<br />

für die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> alleinerziehenden Frauen.<br />

Wenn ich nicht als selbstständige IT-Beraterin<br />

meine Server nachts hochfahren und meine<br />

Ar<strong>bei</strong>tszeit frei einteilen könnte, würde ich das<br />

auch nicht hinkriegen‹, erzählt sie und analysiert<br />

die Hintergründe des Dilemmas.<br />

›Kin<strong>der</strong> sind immer ein Handicap in <strong>der</strong><br />

Gesellschaft. Das Armutsrisiko Kind ist<br />

größer geworden. Frauen sind standardmäßig<br />

die Betreuer <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Wie will<br />

man ar<strong>bei</strong>ten, wenn die Kin<strong>der</strong> maximal<br />

von viertel nach acht bis dreizehn Uhr<br />

betreut sind? Wo will man da einen Job<br />

finden? Man muss das Kind ja auch noch<br />

hinbringen, <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>t kommen und dann<br />

wie<strong>der</strong> einfangen, da bleibt ein Zeitfenster<br />

von drei bis vier Stunden. Wo will man<br />

da einen Job finden, <strong>der</strong> einen ernährt?<br />

So hoch kann keine Qualifikation sein,<br />

dass man da in den finanziell abgesicherten<br />

Bereich kommt.‹<br />

Schon über hun<strong>der</strong>t Leute haben an diesem<br />

Nachmittag den Gang durch den engen Keller<br />

gemacht und ihre Hackenporsche mit Kartoffeln,<br />

Blumenkohl, Äpfeln, einem Stück Fleisch<br />

und einem Strauß Nelken beladen. Draußen<br />

warten immer noch 15 Menschen, die noch<br />

keine Berechtigungskarte haben. Der Rückweg<br />

über den Schwarzen Weg ist beladen noch<br />

mühseliger. ›Die Älteren schaffen manchmal<br />

den Weg nicht mehr, Bringedienst können wir<br />

uns nicht leisten‹, sagt Hannelore Vogel, kurz<br />

bevor sie für heute Feierabend macht. Immerhin<br />

einmal in <strong>der</strong> Woche kommen jetzt zwei<br />

Jugendliche aus einem Qualifizierungsprojekt<br />

53


54 Willkommen im normalen Leben!<br />

in <strong>der</strong> Nähe, die den beson<strong>der</strong>s Schwachen<br />

die Lebensmittel nach Hause bringen. ›NAHlos‹<br />

heißt das Projekt und seit einige <strong>der</strong><br />

Teilnehmer für die Tafel ar<strong>bei</strong>ten, ist die<br />

Hemmschwelle etwas kleiner geworden, hier<br />

auch mal als Kunde aufzukreuzen.<br />

Bei NAHlos machen<br />

junge Frauen erste<br />

Berufserfahrungen<br />

›Wenn zum Ende des Geldes noch ganz viel<br />

Monat über ist und wir dann vorschlagen:<br />

Geh doch <strong>zur</strong> Tafel, heißt es fast immer. Nee,<br />

das mache ich nicht‹, berichtet NAHlos-Mitar<strong>bei</strong>terin<br />

Anja Mayer. Und ihr Kollege Stefan<br />

Wörpel ergänzt: ›Das ist ja das Eingeständnis:<br />

Ich bin arm. Alle wollen sich ja als Teil <strong>der</strong><br />

Wohlstandsgesellschaft fühlen, auch wenn sie<br />

es nicht sind.‹<br />

Bei NAHlos, in dessen Namen sich Heimat,<br />

Fremde und Aufbruch so geschickt verbinden,<br />

holen sich junge Erwachsene, die in ihrer beruflichen<br />

Entwicklung gestrandet sind, unter <strong>der</strong><br />

Anleitung von drei Sozialpädagogen neue Orientierung<br />

und frisches Rüstzeug für einen neuen<br />

Anlauf. So wie Crissy, die im EDV-Bereich ar<strong>bei</strong>tet.<br />

Auch <strong>bei</strong> ihr ist nach dem Ende des Geldes<br />

meist noch über die Hälfte des Monats übrig.<br />

Bei einer Tasse Kakao im Einkaufstempel<br />

›Waterfront‹, <strong>der</strong> vom NAHlos-Projekt nur eine<br />

Fußgänger-Ampel entfernt liegt, erzählt Crissy,<br />

wie es dazu gekommen ist.<br />

›Das Geld war schon früher immer knapp,<br />

meine Mutter hat von Hartz IV gelebt, wir<br />

waren sechs Geschwister, einen Vater gab es<br />

nie.‹ Den Hauptschulabschluss macht sie an<br />

<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule. Mit 15 werden die familiären<br />

Probleme so massiv, dass sie in eine<br />

Jugend-Wohngemeinschaft kommt. Die weiterqualifizierenden<br />

Einrichtungen, die sie anschließend<br />

besucht, nennt sie ›Absteigen‹,<br />

Aufbewahrungsorte mit Beschäftigungstherapien.<br />

Ihren eigentlichen Berufswunsch nimmt<br />

niemand ernst. ›Mein Traumberuf ist Tierpflegerin,<br />

aber <strong>der</strong> Zuständige <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Bundes-<br />

agentur für Ar<strong>bei</strong>t hat gesagt, im praktischen<br />

Bereich würde ich alles schaffen, aber im<br />

schulischen nicht. Das hat mir immer zugesetzt.‹<br />

Erst <strong>bei</strong> NAHlos unterstützen die Pädagogen<br />

sie da<strong>bei</strong>, ihre Ziele zu erreichen.<br />

›Hier haben sie aber gesagt, ich soll weiterkämpfen.<br />

Deshalb habe ich jetzt auch eine<br />

Bewerbung für eine Ausbildung im Tierheim<br />

abgegeben. In <strong>der</strong> Bewerbung habe ich auch<br />

ein Praktikum angeboten, damit sie sich ein<br />

Bild machen können. Wenn das mit <strong>der</strong> Ausbildung<br />

nicht klappt, möchte ich den Realschulabschluss<br />

nachmachen.‹<br />

LORENZEN: Wie viel Geld haben Sie im Moment<br />

zum Leben?<br />

CRISSY: Von <strong>der</strong> BAgIS bekomme ich 205<br />

Euro, dazu kommen 184 Euro Kin<strong>der</strong>geld und<br />

80 Euro Aufwandsentschädigung von NAHlos.<br />

Die Miete wird von <strong>der</strong> BAgIS bezahlt, Strom<br />

muss ich selbst bezahlen.<br />

LORENZEN: Kommen Sie damit aus?<br />

CRISSY: Das Problem ist, dass ich noch nicht<br />

so mit Geld umgehen kann und meinen Freund<br />

im Augenblick unterstütze, da er drei Monate<br />

Sperre hatte. Das würde er auch für mich tun.<br />

Das Geld ist meist am Zehnten weg. Meistens<br />

pumpe ich mir dann etwas von einer Freundin,<br />

aber wenn ich ihr das <strong>zur</strong>ückbezahle, fehlt<br />

das ja auch wie<strong>der</strong>. Das ist ein Kreislauf.<br />

LORENZEN: Wie groß ist Ihre Wohnung?<br />

CRISSY: Das ist eine Einzimmerwohnung am<br />

Bahnhof, 21 Quadratmeter groß. Mein Freund<br />

ist auch meistens da, dazu die Haustiere.<br />

LORENZEN: Welche?<br />

CRISSY: Sechs Hausratten. Die sind total sauber<br />

und pflegeleicht, wirken nur wegen <strong>der</strong><br />

langen Schwänze für manche so eklig.<br />

LORENZEN: Wofür geben Sie Ihr Geld aus?<br />

CRISSY: Für Deko-Sachen wie Kerzenstän<strong>der</strong>,<br />

Bücher, Lebensmittel, DVDs. Ich habe jetzt<br />

auch einen Computer, aber kein Internet.<br />

Außerdem zahle ich noch über 1.000 Euro<br />

Schulden für einen Handy-Vertrag ab. Da<strong>bei</strong><br />

hilft mir meine Betreuerin vom Jugendamt.<br />

LORENZEN: Und wofür reicht es nicht?<br />

CRISSY: Ich vermisse das vernünftige Essen,<br />

da sieht es mau aus. Wir essen viele Süßigkeiten<br />

und Fast Food. Wir kochen wenig, ich<br />

habe ja nicht mal einen Backofen, um mal was


aufzuwärmen, auch keine Mikrowelle. Nur eine<br />

Doppelplatte. Aber ich habe ja noch Anspruch<br />

auf Erstausstattung.<br />

LORENZEN: Vermissen Sie sonst noch etwas?<br />

CRISSY: Ich verzichte auch auf vernünftige<br />

Klamotten und den Friseur. Wir gehen zweimal<br />

im Monat auf die Discomeile, mehr ist nicht<br />

drin. Ich würde gern mal in eine Ausstellung<br />

gehen o<strong>der</strong> in den Bremerhavener Zoo. Verreist<br />

bin ich erst einmal in meinem Leben, als<br />

Kind nach Nor<strong>der</strong>ney.<br />

LORENZEN: Wo möchten Sie denn gern mal<br />

hin?<br />

CRISSY: Nach China. Mein Freund war schon<br />

mal da. Der kann auch Chinesisch, ist mit<br />

einem Chinesen aufgewachsen. Ich mag auch<br />

gern Kung-Fu-Filme.<br />

LORENZEN: Wie würden Sie Ihr augenblickliches<br />

Lebensgefühl beschreiben?<br />

CRISSY: Ich bin optimistisch. Was meine Vergangenheit<br />

angeht, habe ich das hingekriegt<br />

mit einem Therapeuten, das nagt nicht mehr<br />

an mir, da habe ich mich weiterentwickelt.<br />

Trotzdem leide ich ein bisschen unter meiner<br />

finanziellen Situation, dass ich mir nicht mehr<br />

leisten kann.<br />

LORENZEN: Worin sehen Sie die Ursachen für<br />

Ihre Situation?<br />

CRISSY: Klar würde ich am liebsten meine<br />

Schuld abgeben, aber das bringt mir ja auch<br />

nichts. Ich habe mich ja selbst in diese Situation<br />

gebracht. Ich mache einfach das Beste<br />

daraus.<br />

LORENZEN: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft<br />

vor?<br />

CRISSY: Ich möchte eine größere Wohnung, in<br />

einer WG o<strong>der</strong> mit meinem Freund. Mit Haustieren.<br />

An erster Stelle kommt die Berufsausbildung,<br />

da habe ich lange geschlurt, aber<br />

jetzt gebe ich Vollgas.<br />

Zurück im NAHlos-Projekt, wo es jetzt nach<br />

dem Mittagessen duftet, das die Hauswirtschaftsgruppe<br />

wie jeden Tag für alle zubereitet.<br />

Im Gespräch mit den Sozialpädagogen<br />

zeigt sich, dass die Schil<strong>der</strong>ungen von Crissy<br />

vieles von dem enthalten, was auch für an<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> jungen Leute hier gilt. Nur wenige sind<br />

von zu Hause den Umgang mit Geld gewöhnt,<br />

kennen keine Prioritätenlisten o<strong>der</strong> einen realistischen<br />

Haushaltsplan. Zudem kommen viele<br />

hier schon mit einem Berg Schulden an, auch<br />

hier ist Crissys Handy-Vertrag ein typisches<br />

Beispiel. Vorschüsse sind deshalb ein ständiges<br />

Diskussionsthema – die gibt es aber nur<br />

in Ausnahmefällen, für Bewerbungsfotos zum<br />

Beispiel.<br />

Erschwert wird die stabilisierende Ar<strong>bei</strong>t<br />

von NAHlos zunehmend durch zwei gegenläufige<br />

Entwicklungen. Die Lebenslagen <strong>der</strong> Klienten<br />

werden immer problematischer – auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite wächst <strong>der</strong> Erfolgsdruck durch<br />

die BAgIS. ›Es hat eine Verschärfung gegeben‹,<br />

erzählt Stefan Wörpel. ›Es wird nach<br />

Fehlzeiten geguckt und wenn ein Limit überschritten<br />

wird, fliegen die Leute halt raus. Die<br />

konkrete Situation wird nicht berücksichtigt,<br />

dass jemand vielleicht gerade von <strong>der</strong> Straße<br />

kommt und obdachlos war. Da kann ich nicht<br />

erwarten, dass <strong>der</strong> gleich funktioniert. Wir<br />

lassen uns auf diesen Prozess ein, das bedeutet<br />

dann eben auch mal aufsuchende Ar<strong>bei</strong>t<br />

und zu den Leuten nach Hause zu gehen. Da<br />

braucht man oft mehrere Anläufe. Das muss<br />

man <strong>der</strong> BAgIS immer sehr explizit erörtern.‹<br />

Crissys Ehrgeiz, trotz schwieriger Ausgangsbedingungen<br />

für einen Ausbildungsplatz<br />

zu kämpfen, ist keine Selbstverständlichkeit.<br />

Nur ein kleiner Teil <strong>der</strong> Klienten wird von NAHlos<br />

in Ausbildung vermittelt, dafür bringen<br />

die meisten gar nicht die Voraussetzung mit,<br />

meist ist die Vermittlung in eine ungelernte<br />

Tätigkeit schon ein Erfolg. Und damit zumindest<br />

das öfter gelingt, ist es nach Ansicht <strong>der</strong><br />

NAHlos-Mitar<strong>bei</strong>ter dringend nötig, Mindestlöhne<br />

zu bezahlen.<br />

›Wenn von deinem <strong>sozialen</strong> Umfeld nicht die<br />

Werte vermittelt worden sind, dass es normal<br />

ist, wenn Papa und Mama ar<strong>bei</strong>ten, dann<br />

fragst du dich: Warum soll ich mich für 20<br />

Euro mehr anstrengen, wenn meine Bekannten<br />

sich noch mal im Bett umdrehen. Da kann<br />

man nur argumentieren, dass sie damit etwas<br />

für sich machen, mit jedem Tag die Chancen<br />

erhöhen, eine bessere Ar<strong>bei</strong>t zu bekommen‹,<br />

sagt Anja Mayer und ihr Kollege ergänzt:<br />

›Aber das bleibt abstrakt, für uns wäre es<br />

besser, wenn die Niedriglöhne angehoben<br />

werden, damit klar ist: Wenn ich mich <strong>bei</strong><br />

Rossmann an die Kasse stelle, habe ich 200<br />

Euro mehr.‹<br />

55


56 Willkommen im normalen Leben!<br />

Die neugeborenen<br />

Mütter<br />

Eine Alternative zwischen Abhängen und Billigjob<br />

sehen junge Frauen hin und wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Familiengründung. ›Das ist was Konkretes,<br />

damit ist man ja auch wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

drin‹, vollzieht Stefan Wörpel entsprechende<br />

Gedankengänge nach. Nicht <strong>bei</strong><br />

Crissy. ›Erst wenn ich meine Ziele erreicht<br />

habe, möchte ich auch ein Kind‹, sagt sie am<br />

Schluss des Gesprächs. Ein sehr vernünftiger<br />

Satz, <strong>der</strong> den Willen ausdrückt, sich das Heft<br />

des Handelns nicht mehr aus <strong>der</strong> Hand nehmen<br />

zu lassen. ›Ich möchte nicht von einem<br />

Kind aufgehalten werden.‹<br />

Es ist kein Wi<strong>der</strong>spruch zu Crissys Erkenntnissen,<br />

dass es Frauen gibt, die noch jünger<br />

als sie sind, bereits ein Kind haben und trotzdem<br />

so hoffnungsvoll in ihre berufliche<br />

Zukunft gucken wie nie zuvor in ihrem Leben.<br />

Und es ist auch kein Wi<strong>der</strong>spruch zu den Aussagen<br />

von Anne Bleyl über die Risiken alleinerziehen<strong>der</strong><br />

Mütter, dass diese jungen Frauen<br />

ihre Kin<strong>der</strong> im Moment ohne Partner aufziehen.<br />

Im Gegenteil, es ist ein Beweis dafür, wie<br />

Kin<strong>der</strong> und Ausbildung miteinan<strong>der</strong> vereinbart<br />

werden können, wenn ein paar einfache Bedingungen<br />

stimmen.<br />

Diese jungen Mütter haben sich ein Café in<br />

<strong>der</strong> Innenstadt als Treffpunkt für das Interview<br />

gewünscht. Sie haben ihre Lehrerin aus dem<br />

Projekt BeLeM (Berufliche Lebensplanung für<br />

junge Mütter) mitgebracht. Bei BeLeM können<br />

junge Mütter ihren erweiterten Hauptschulabschluss<br />

machen, während ihre Kin<strong>der</strong> nebenan<br />

in die Kita gehen.<br />

Für Klara ist heute ein beson<strong>der</strong>er Tag. Sie<br />

wird 18. Einer <strong>der</strong> ersten Geburtstage, den<br />

sie wirklich genießen kann. Sich vielleicht<br />

sogar ein paar Leckereien leisten. Das war<br />

früher nicht drin.<br />

LORENZEN: Und wie ging es Ihrer Familie finanziell?<br />

Hatten Sie alles, was Sie brauchten?<br />

KLARA: Nein. Meine Mutter hat in <strong>der</strong> Gastronomie<br />

gear<strong>bei</strong>tet, dann hat sie ihre eigene Kneipe<br />

aufgemacht und ist in Schulden und Insolvenz<br />

geraten. Da ging es uns nicht so berau-<br />

schend mit dem Geld. Ich habe nicht mehr so<br />

viel essen können und Klamotten habe ich<br />

kaum gekriegt.<br />

LORENZEN: Was heißt das, mussten Sie richtig<br />

hungern?<br />

KLARA: Mein Magen hat sich eben daran<br />

gewöhnt, nicht mehr so viel zu essen. Klar,<br />

Brot war da, aber irgendwann hatte ich auch<br />

keine Lust mehr, jeden Tag Brot zu essen.<br />

Dann ist mir <strong>der</strong> Hunger einfach vergangen.<br />

Das war so tageweise, manchmal gab es<br />

auch was Warmes. Wenn wir Einkaufen waren,<br />

hat mein Stiefvater die leckeren Sachen vor<br />

mir versteckt, dass ich die nicht essen kann.<br />

Dann ist mir alles vergangen, dann war ich<br />

einfach nur sauer und enttäuscht, dass meine<br />

Mutter sich nicht für mich eingesetzt hat.<br />

Und dann habe ich das auch gelassen.<br />

LORENZEN: Gab es denn so was wie regelmäßige<br />

Mahlzeiten?<br />

KLARA: In den letzten Jahren nicht. In meiner<br />

Kindheit hat meine Mutter darauf noch geachtet,<br />

aber seit mein Stiefvater da war, ist sie<br />

den Bach runtergegangen.<br />

LORENZEN: Konnten Sie sich denn sonst<br />

irgendetwas leisten, irgendwelche Freizeitvergnügen,<br />

mal ausgehen?<br />

KLARA: Nur Treffen mit Freunden.<br />

LORENZEN: Ging es denen ähnlich o<strong>der</strong> gab<br />

es auch Freunde, die mehr hatten als Sie?<br />

KLARA: Ja klar hatten einige mehr als ich,<br />

sogar oft. Aber das habe ich gar nicht so<br />

wahrgenommen.<br />

LORENZEN: Also haben Sie nicht beson<strong>der</strong>s<br />

darunter gelitten?<br />

KLARA: Ich fand es schon traurig, aber ich<br />

habe den Stand damals akzeptiert, ich habe<br />

das so angenommen und mich dran gewöhnt.<br />

Eine Zeit lang hatte ich aber auch eine leichte<br />

Depression, glaube ich.<br />

Die Geschichten vom Stiefvater, <strong>der</strong> den Kin<strong>der</strong>n<br />

nichts gönnt o<strong>der</strong> sogar gewalttätig wird,<br />

durchziehen diese Interviews genauso wie die<br />

von den Vätern, die sich absetzen und keinerlei<br />

Verantwortung übernehmen. Und wie die<br />

von den überfor<strong>der</strong>ten Müttern, die meist<br />

ebenfalls jung Kin<strong>der</strong> bekommen, früh heiraten,<br />

sich vom ersten Mann relativ schnell<br />

scheiden lassen, am zweiten zu lange kleben<br />

bleiben und in dem Bemühen, jedenfalls diese


Beziehung zu retten, das Wohl des Kindes völlig<br />

aus dem Blick verlieren. Diese Geschichte<br />

erzählt die 60-jährige Frau wie das 17-jährige<br />

Mädchen – die Risiken für Kin<strong>der</strong> in prekären,<br />

benachteiligten Verhältnissen scheinen sich in<br />

den letzten 50 Jahren nicht wesentlich verän<strong>der</strong>t<br />

zu haben. In den allermeisten Fällen wie<strong>der</strong>holt<br />

sich diese Geschichte immer noch in<br />

Abstufungen in <strong>der</strong> nächsten Generation. Relativ<br />

neu dürfte sein, dass ausgerechnet eine<br />

Schwangerschaft mit fünfzehn die Chance für<br />

einen Ausstieg aus diesem Teufelskreis bietet.<br />

Als Klara von ihrem Jugendfreund ungewollt<br />

schwanger wird, versucht sie in <strong>der</strong> ersten<br />

Zeit, den kleinen Sohn mithilfe <strong>der</strong> Mutter aufzuziehen.<br />

Das achte Schuljahr beendet sie<br />

noch mit dem Hauptschulabschluss, verlässt<br />

dann aber die Schule.<br />

LORENZEN: Wie habt Ihr das denn zu Hause<br />

hingekriegt?<br />

KLARA: Die erste Zeit war ich ziemlich kaputt<br />

wegen des Aufstehens und Flasche geben. Die<br />

Freizeit hat mir gefehlt. Mit diesen Einschränkungen<br />

und Herausfor<strong>der</strong>ungen bin ich erst<br />

gar nicht so klargekommen, da hat mir meine<br />

Mutter auch geholfen. Irgendwann meinte sie<br />

dann, es geht nicht, dass sie immer aufstehen<br />

muss und sich um den Kleinen kümmern soll.<br />

Aber ich war einfach fertig und hatte Augenrän<strong>der</strong><br />

bis zu meinem Mund runter. Mit meinem<br />

Stiefvater lief das immer schlechter. Er<br />

hat mich immer angeschrien und unter Druck<br />

gesetzt. Irgendwann habe ich gesagt, ich<br />

muss einen Schlussstrich ziehen und erwachsen<br />

werden.<br />

LORENZEN: Wie haben Sie denn einen Schlussstrich<br />

gezogen? Wo sind Sie hingegangen?<br />

KLARA: Als ich von zu Hause ausgezogen bin,<br />

habe ich meinen Sohn ja schon ein halbes<br />

Jahr gehabt. Ich habe zum Jugendamt gesagt,<br />

ich brauche eine Übergangspflegestelle, ich<br />

kann das so nicht weitermachen. Dann bin ich<br />

alleine in eine Wohngemeinschaft ins Steintor<br />

gegangen. Meinen Sohn habe ich natürlich<br />

wöchentlich in <strong>der</strong> Pflegefamilie besucht.<br />

Aber erst mal habe ich meine Freiheit wie<strong>der</strong><br />

genossen. Nach einem halben Jahr bin ich<br />

dann in ein Mutter-Kind-Heim eingezogen und<br />

habe meinen Sohn wie<strong>der</strong> genommen. Ohne<br />

Probleme, ich hatte ihn ja freiwillig abgege-<br />

ben. In dem Heim habe ich mich nach ein,<br />

zwei Monaten gefestigt gefühlt und mir ist<br />

ziemlich schnell klar geworden, wie es weitergehen<br />

soll. Ich muss für mich etwas tun, ich<br />

muss für meinen Sohn später ein Vorbild sein<br />

und für mich mehr erreichen, als nur Mutter<br />

zu sein und zu Hause zu hängen. Das ist nicht<br />

meine Lebensaufgabe, und dann habe ich für<br />

mich einfach beschlossen, dass ich die Schule<br />

weitermachen will. Ich hatte oft mal etwas von<br />

BeLeM gehört. Tolles Projekt dachte ich, da<br />

möchte ich mich auch gerne mal bewerben.<br />

Und dann habe ich das gemacht und wurde<br />

aufgenommen.<br />

Mit dem Vater des Kindes ist Klara schon länger<br />

nicht mehr zusammen. Finanziell sieht ihre<br />

<strong>Lage</strong> im Augenblick so aus: 520 Euro von <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe plus Kin<strong>der</strong>geld für sie und den<br />

Sohn. Macht insgesamt rund 800 Euro. Davon<br />

gehen Strom, Kin<strong>der</strong>gruppen<strong>bei</strong>trag und Windelgeld<br />

ab. Für Essen, Kosmetik, Duschgel,<br />

Waschmittel und an<strong>der</strong>en Kleinkram gibt sie<br />

insgesamt 400 Euro aus. Meistens schafft sie<br />

es, das ganze Kin<strong>der</strong>geld <strong>zur</strong>ückzulegen: für<br />

Reparaturen o<strong>der</strong> auch mal einen Besuch <strong>bei</strong><br />

<strong>der</strong> Schwester.<br />

LORENZEN: Gibt es auch etwas, das Sie vermissen?<br />

KLARA: Ich würde mir natürlich gern jeden<br />

Monat Klamotten kaufen, wie an<strong>der</strong>e meiner<br />

Freundinnen. Ich habe auch viele Löcher in<br />

meinen Klamotten, ich kaufe mir meistens gar<br />

keine Klamotten. Für mich kaufe ich mir nur<br />

meine Cremes und Wimperntusche, vielleicht<br />

mal ein gutes Shampoo.<br />

LORENZEN: Sie selbst hatten als Kind ja nicht<br />

viel zu essen. Achten Sie <strong>bei</strong> Ihrem Sohn<br />

darauf?<br />

KLARA: Auf jeden Fall, ich fühle mich gar nicht<br />

wohl, wenn nichts zu essen da ist. Ich möchte<br />

auch meinen Gästen was anbieten können,<br />

es muss immer etwas da sein.<br />

LORENZEN: Wie würden Sie Ihr augenblickliches<br />

Lebensgefühl beschreiben?<br />

KLARA: Ich habe ein Gefühl von ›Vermissen‹ in<br />

mir drin. Mein früheres Leben war nicht so<br />

strukturiert, ich hatte mehr Freiheiten, konnte<br />

mehr unternehmen. Ich bin viel mehr auf mich<br />

alleine gestellt, manchmal sehne ich mich<br />

57


58<br />

Willkommen im normalen Leben!<br />

nach meiner Vergangenheit und denke mir,<br />

was an<strong>der</strong>s hätte laufen können. Insgesamt<br />

bin ich aber zufrieden, dass ich mein Leben<br />

auf die Reihe gekriegt habe. Ich habe jetzt<br />

auch die Möglichkeiten, mich selber und<br />

meinen Sohn zu verpflegen, wie ich das gerne<br />

möchte. Und eigentlich bin ich schon zufrieden.<br />

LORENZEN: Fühlen Sie sich ausreichend unterstützt?<br />

KLARA: Ja, im Moment bin ich in einem guten<br />

System. Wenn ich Fragen habe o<strong>der</strong> Unterstützung<br />

brauche, habe ich immer jemanden,<br />

den ich ansprechen kann.<br />

LORENZEN: Haben Sie denn schon den Raum,<br />

neue Ziele, Pläne und Wünsche zu entwickeln?<br />

KLARA: Ja!!! Auf jeden Fall. Ich bin auf Wohnungssuche.<br />

Ich würde gerne eine Dreizimmerwohnung<br />

haben, damit ich mehr Platz<br />

habe, auch für meinen Sohn. Dann möchte ich<br />

im Sommer meinen Realschulabschluss anfangen,<br />

damit ich den auch schon mal in <strong>der</strong><br />

Tasche habe. Dann vielleicht eine Ausbildung,<br />

je nachdem, ob ich gut genug bin, mache<br />

ich auch vielleicht die Schule noch weiter.<br />

LORENZEN: Da fühlen Sie sich stark genug,<br />

das parallel mit Ihrem Kind hinzukriegen?<br />

KLARA: Auf jeden Fall. Ich stehe für mich jetzt<br />

mehr im Vor<strong>der</strong>grund. Es ist ja ein gutes<br />

Ziel, das ich mir vorgenommen habe. Das<br />

möchte ich auf jeden Fall durchsetzen, egal,<br />

was kommt. Mike und ich gehen unseren Weg.<br />

LORENZEN: Und möchten Sie noch mehr<br />

Kin<strong>der</strong>?<br />

KLARA: Jetzt erst mal nicht. Aber mit 26 o<strong>der</strong><br />

27 überlege ich mir das noch mal.<br />

LORENZEN: Falls sich demnächst eine neue<br />

Partnerschaft entwickelt, möchten Sie dann<br />

mit Ihrem Partner zusammenziehen?<br />

KLARA: Da bin ich nicht so ein Fan von. Ich<br />

möchte weiter alleine wohnen. Mit meinem<br />

Ex-Freund habe ich da schlechte Erfahrungen<br />

gemacht. Ich brauche mit meinem Sohn<br />

meinen Freiraum. Das möchte ich erst mal<br />

<strong>bei</strong>behalten.<br />

LORENZEN: Was wäre für Sie materieller<br />

Reichtum? Was möchten Sie sich mal leisten<br />

können?<br />

KLARA: Ein Auto, genug Geld zum Sparen,<br />

damit ich für meine Familie Urlaub buchen<br />

kann. Und dass ich immer was Neues kaufen<br />

kann, wenn was kaputtgeht. Und meinem Kind<br />

etwas bieten.<br />

LORENZEN: Haben Sie Angst davor, das nicht<br />

zu erreichen?<br />

KLARA: Natürlich würde ich das nicht schön<br />

finden, wenn ich nicht mehr mit meinem Geld<br />

klarkommen würde. Aber ich werde schon<br />

dafür sorgen, dass ich nicht in eine solche<br />

<strong>Lage</strong> komme.<br />

Helen hat ihrer Klassenkameradin bis jetzt<br />

aufmerksam zugehört. So ausführlich hat sie<br />

<strong>der</strong>en Geschichte noch nie gehört, sie haben<br />

sich ja auch erst seit Kurzem angefreundet.<br />

Jetzt ist sie erstaunt, wie viele Gemeinsamkeiten<br />

ihre bisherigen Lebenswege aufweisen.<br />

Der aggressive Stiefvater, die überfor<strong>der</strong>te<br />

Mutter, Vernachlässigung <strong>der</strong> Schule, Kind mit<br />

15 vom ersten Freund. Nur dass diesmal die<br />

Mutter den Auszug in die Wege leitete. ›Die<br />

wollten mich raushaben.‹ Danach ähneln sich<br />

die Geschichten wie<strong>der</strong>: Mutter-Kind-Heim<br />

und das BeLeM-Projekt erleichtern den Weg in<br />

die Selbstständigkeit, trotz manchem Verzicht<br />

kommt sie finanziell einigermaßen klar.<br />

An<strong>der</strong>s als Klara, möchte Helen nicht weiter<br />

<strong>zur</strong> Schule gehen.<br />

›Ich möchte nach dem Abschluss gleich<br />

die Ausbildung anfangen. Ich möchte auch<br />

nicht irgendwo <strong>bei</strong>m Bäcker stehen, das<br />

muss schon finanziell gut geregelt sein.<br />

Demnächst mache ich ein Praktikum als<br />

zahnmedizinische Fachangestellte. Wenn<br />

mir das gefällt, könnte ich mir das als<br />

Beruf vorstellen. O<strong>der</strong> <strong>bei</strong>m Kin<strong>der</strong>arzt.<br />

Das wäre ein Traum, dann würde ich Luftsprünge<br />

machen. Wenn ich eine Ausbildungsstelle<br />

habe, würde ich mit 18 gern<br />

ausziehen. Ich möchte meinem Sohn ein<br />

schönes Umfeld bieten, vielleicht in einem<br />

Haus, Geld verdienen und einen Mann an<br />

meiner Seite haben.‹


Für Klara und Helen scheint die frühe Mutterschaft<br />

fast <strong>der</strong> Befreiungsschlag aus einem<br />

sehr ungesunden familiären Umfeld gewesen<br />

zu sein. In dem sie sowieso nicht richtig Kind<br />

sein konnten. Dann lieber in Turbogeschwindigkeit<br />

gleich richtig erwachsen werden. Vor<br />

dem Hintergrund von <strong>Bericht</strong>en über junge<br />

Frauen in verzweifelten <strong>Lage</strong>n, die ihre Kin<strong>der</strong><br />

weggeben o<strong>der</strong> verwahrlosen lassen, muten<br />

diese Geschichten fast paradiesisch an. Was<br />

hat das mit Armut zu tun? Zeigen sie nicht<br />

einen funktionierenden Sozialstaat, <strong>der</strong> auch in<br />

Ausnahmesituationen die richtigen Instrumente<br />

<strong>zur</strong> Verfügung hat? Sie zeigen vor allem glückliche<br />

Ausnahmen, die deutlich machen, wie<br />

gezielte Hilfen und ein funktionierendes professionelles<br />

Netzwerk einen Ausstieg aus dem<br />

Teufelskreis <strong>der</strong> Armut ermöglichen können.<br />

Erst wenn solche Angebote früh und flächendeckend<br />

<strong>zur</strong> Verfügung stehen, könnte man<br />

von einem funktionierenden Sozialstaat sprechen.<br />

Solange sollten gelungene Beispiele<br />

immer als das genommen werden, was sie<br />

sind: Spitzen eines Eisberges, unter dem sich<br />

Unmengen verzweifelter Lebenslagen türmen.<br />

Auch für Klara und Helen folgt die Nagelprobe<br />

noch, wenn sie tatsächlich auf sich<br />

allein gestellt sind. Welche Ausbildungsplätze,<br />

welche Ar<strong>bei</strong>tsplätze, welche Betreuungsmöglichkeiten<br />

für ihre Kin<strong>der</strong> hält dann diese Stadt<br />

für die tapferen jungen Frauen bereit, die sich<br />

aus Abgründen ins Leben <strong>zur</strong>ückgekämpft<br />

haben?<br />

Steine im Weg<br />

Wenn Behörden<br />

ihren Job nicht<br />

richtig machen<br />

Nadia ist schon einen Schritt weiter. Auch sie<br />

hat zum Gespräch im Café Verstärkung mitgebracht.<br />

Ihre ehemalige Betreuerin aus dem<br />

Projekt Spagat, das junge Mütter nach dem<br />

Schulabschluss über Praktika da<strong>bei</strong> unterstützt,<br />

eine Ausbildungsstelle zu finden.<br />

Nadia hatte bis zum erweiterten Hauptschulabschluss<br />

eine relativ problemfreie Kindheit<br />

und Jugend. Doch dann musste sie feststellen,<br />

dass es für Mädchen, die nicht Floristin<br />

o<strong>der</strong> Friseurin werden wollen, son<strong>der</strong>n die<br />

es mit aller Macht ins Handwerk zieht, wenig<br />

Verständnis und noch weniger Ausbildungsplätze<br />

gibt.<br />

›Ich habe viele Bewerbungen geschrieben,<br />

zum Beispiel als Tischler, auf die wurde<br />

entwe<strong>der</strong> gar nicht reagiert o<strong>der</strong> die<br />

wurden sofort abgelehnt. Wenn man dann<br />

Absagen bekommt wie: ’Das ist ihrer<br />

Statur nicht zuzumuten’, die aber nur das<br />

Gesicht vom Bewerbungsfoto kennen und<br />

einen nicht mal zum Vorstellungsgespräch<br />

einladen, dann ist das schon frustrierend.<br />

Zeitweise hatte ich dann auch aufgegeben.‹<br />

Den Dreh, wie sie es nennt, kriegt auch sie<br />

durch ihr Kind, ein Wunschkind vom ersten<br />

Freund. Mit 20. Erst geht alles schief, in <strong>der</strong><br />

gemeinsamen Wohnung leben die jungen<br />

Eltern von Hartz IV und giften sich nur noch<br />

an. Das will Nadia ihrem Sohn irgendwann<br />

nicht mehr zumuten, trennt sich von ihrem<br />

Freund und nimmt das Leben in die eigenen<br />

Hände.<br />

›Der Sinneswandel kam, weil ich dem Kind<br />

ein Vorbild sein wollte, dass man im<br />

Leben etwas erreichen muss. Das war<br />

<strong>der</strong> Knackpunkt, an dem ich auf den Dreh<br />

kam, etwas zu machen. Ich hatte vom<br />

Jugendamt eine Betreuerin, die hat mir<br />

eine Tagesmutter organisiert und danach<br />

den Kin<strong>der</strong>gartenplatz. Dann nahm<br />

alles einen guten Lauf. Erst Realschulabschluss,<br />

danach das Spagat-Projekt,<br />

Praktika und jetzt <strong>der</strong> Ausbildungsplatz.<br />

Jetzt sind alle stolz auf mich, was ich als<br />

Alleinerziehende erreicht habe.‹<br />

59


60<br />

Willkommen im normalen Leben!<br />

Stolz ist Nadia auch selbst ein bisschen auf<br />

sich, vor allem weil sie jetzt in ihrem Traumberuf<br />

als Karosseriebauerin ausgebildet wird.<br />

›Man hat jeden Tag etwas Neues, das ist<br />

nicht eintönig. Nach vier Wochen Praktikum<br />

habe ich mit dem Chef über einen<br />

Ausbildungsplatz geredet. Erst war das<br />

Kind <strong>der</strong> Knackpunkt, wegen <strong>der</strong> Fehlzeiten<br />

<strong>bei</strong> Krankheiten und so weiter. Bei den<br />

meisten Ar<strong>bei</strong>tgebern fällt <strong>bei</strong>m Thema<br />

Kind die Klappe ganz zu. Aber hier hatte<br />

ich den Rückhalt <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter. Die sind<br />

<strong>der</strong> Reihe nach zum Chef gegangen und<br />

haben gesagt: Das Mädel muss hierbleiben,<br />

die lassen wir nicht mehr gehen.<br />

Da war er überstimmt. Ich hätte die ganze<br />

Halle zusammenschreien können vor<br />

Freude.‹<br />

Finanziert wird Nadia im Augenblick aus fünf<br />

verschiedenen Quellen: Ausbildungsgehalt,<br />

Ausbildungs<strong>bei</strong>hilfe, Kin<strong>der</strong>geld für den Sohn,<br />

Unterhaltsvorschuss und ein bisschen von <strong>der</strong><br />

BAgIS. Das macht insgesamt ungefähr 1.100<br />

Euro, <strong>der</strong> letzte Bescheid steht noch aus.<br />

Nach Abzug <strong>der</strong> festen Kosten bleiben für<br />

Lebensmittel und Kleidung 300 Euro übrig.<br />

›Wer weiß, was ein Kind kostet, weiß auch,<br />

dass das nicht viel ist. Ich gucke ständig<br />

nach Angeboten und kaufe auch <strong>bei</strong><br />

Klamotten nur das Günstigste vom Günstigsten.<br />

Das ist anstrengend. Es wird<br />

<strong>zur</strong> Gewohnheit, auf die teuren Sachen<br />

gar nicht zu achten. O<strong>der</strong> das Kind fragt:<br />

Mama, bekomme ich das Auto? Und<br />

ich muss Nein sagen. Das tut mir dann im<br />

Herzen weh. Was ich mir wirklich gern<br />

mal leisten würde, ist ein schönes<br />

Wochenende mit meinem Sohn an <strong>der</strong><br />

Nordsee, aber das ist finanziell überhaupt<br />

nicht möglich. Das letzte Mal ist es vier<br />

Jahre her, dass wir uns irgendwo einen<br />

schönen Tag gemacht haben. Sparen für<br />

den Führerschein ist auch nicht drin,<br />

so gern ich ihn machen würde und so<br />

sinnvoll er für meinen Beruf wäre.‹<br />

Noch mehr als über diese Einschränkungen,<br />

ärgert Nadia sich über die zusätzlichen<br />

Steine, die ihr die Ämter in den Weg rollen.<br />

Seit Anfang des Monats hat sie jede Woche<br />

einen neuen Brief von <strong>der</strong> BAgIS bekommen<br />

mit neuen Berechnungen. Zum Zeitpunkt des<br />

Gespräches, nach zwei Monaten in <strong>der</strong> Ausbildung,<br />

weiß sie immer noch nicht genau, was<br />

sie für sich und ihren Sohn bekommt. Der<br />

Grund dieses Wirrwarrs liegt nach Ansicht<br />

ihrer ehemaligen Spagat-Betreuerin Vanessa<br />

Jones in <strong>der</strong> unklaren Zuständigkeit <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

BAgIS, wo sich fünf bis sechs unterschiedliche<br />

Sachbear<strong>bei</strong>ter mit Nadia beschäftigen.<br />

›Mein Wunsch ist, dass eine Stelle zuständig<br />

wäre. Dieser Übergang vom Spagat-<br />

Projekt in die Ausbildung hinein ist<br />

unglaublich kompliziert. Ich kann mich da<br />

an einige Krisen erinnern, wo völlig unklar<br />

war, was alles noch beantragt werden<br />

muss. Es kamen falsche Bescheide mit<br />

falschen Berechnungen. Diese Unsicherheit<br />

macht es vielen schwer, sich darauf<br />

einzulassen. Wenn Nadia nicht <strong>bei</strong> uns im<br />

Projekt gewesen wäre, hätte sie vielleicht<br />

schon damals alles hingeschmissen.<br />

Die Bescheide sind für Jugendliche nicht<br />

nachvollziehbar, die müssten einfacher<br />

sein.‹<br />

Und dann ist da noch die Sache mit den<br />

Unterhaltsvorschüssen. Die bekommen die<br />

Auszubildenden, wenn die Eltern den nach<br />

dem Berufsausbildungs<strong>bei</strong>hilfegesetz (BAB)<br />

errechneten Unterhalt nicht bezahlen können.<br />

Aber erst nach einer Anhörung <strong>der</strong> Eltern,<br />

die sich über Monate hinziehen kann. In<br />

dieser Zeit wird das Geld nicht ausgezahlt, in<br />

Nadias Fall waren das über 150 Euro.<br />

›Da wird davon ausgegangen, dass sich<br />

die Jugendlichen das Geld schon irgendwo<br />

leihen können, aber das können gerade<br />

Benachteiligte eben nicht. Die müssen im<br />

schlimmsten Fall ihre Ausbildung abbrechen,<br />

weil sich die Verantwortlichen die<br />

Bälle zuspielen.‹


61<br />

x Elvis the King


62<br />

Willkommen im normalen Leben!<br />

Einmal in Fahrt, bemängelt die engagierte<br />

Pädagogin dann noch, dass es auch <strong>bei</strong> jungen<br />

Müttern in Ausbildung nur bis zum 25.<br />

Lebensjahr Kin<strong>der</strong>geld gibt. Für Mütter müsste<br />

das verlängert werden.<br />

Eine weitere Hürde für eine alleinerziehende<br />

Mutter in Ausbildung, die das Glück hat, dass<br />

ihr Kind auch nachmittags in <strong>der</strong> Kita bleiben<br />

kann, besteht in den Urlaubszeiten. Nadia<br />

hat einen gesetzlichen Urlaubsanspruch von<br />

20 Tagen. Der ist schon mit den Schließungszeiten<br />

<strong>der</strong> Kita in den Sommerferien aufgebraucht.<br />

Dann kommen aber noch die Oster-,<br />

Herbst- und Weihnachtsferien sowie außerordentliche<br />

Schließungstage dazu.<br />

Doch dadurch verliert Nadia ihre Ziele nicht<br />

aus den Augen.<br />

›Ich hoffe, dass ich vom Betrieb übernommen<br />

werde und dass es nahtlos weitergeht.<br />

Das Berufliche steht <strong>bei</strong> mir auf<br />

jeden Fall im Vor<strong>der</strong>grund. Ich bin beeindruckt,<br />

was man schaffen kann, wenn<br />

man will.‹<br />

Den letzten Satz sagt Nadia nicht so, wie ihn<br />

manche sagen, die ausdrücken wollen: Wer<br />

ar<strong>bei</strong>ten will, <strong>der</strong> kriegt auch welche. Bei<br />

Nadia schwingt das freudige Erstaunen über<br />

sich selbst mit, die sich als 12-Jährige noch<br />

als ›kleine Floristin‹ sah und heute nicht nur<br />

mit PS-starken Brummis hantiert, son<strong>der</strong>n sich<br />

auch noch liebe- und verantwortungsvoll um<br />

einen fünfjährigen Sohn kümmert.<br />

Risiko Kind –<br />

Absturz aus <strong>der</strong> Mittelschicht<br />

Alleinerziehende<br />

Mütter werden<br />

in Hartz IV gezwungen<br />

Starkes Wollen reicht nicht immer aus, um<br />

seine Ziele zu erreichen. Die Erfahrung haben<br />

die meisten <strong>der</strong> Frauen gemacht, die sich<br />

einmal in <strong>der</strong> Woche zum gemeinsamen Frühstück<br />

in den Räumen des Verbandes alleinerziehen<strong>der</strong><br />

Mütter und Väter (VAMV) in Walle<br />

treffen. Im Bremer Landesverband sind 50<br />

Frauen und drei Männer engagiert, was ungefähr<br />

dem Anteil von 90 Prozent Frauen unter<br />

allen Alleinerziehenden entspricht. Überwiegend<br />

sind es Hartz-IV-Empfängerinnen, die<br />

sich hier treffen, austauschen und ihre Interessen<br />

vertreten.<br />

›Mehr als jede zweite alleinerziehende<br />

Frau in Bremen ist abhängig von Transferleistungen<br />

nach dem SGB II. Dies ist die<br />

zweithöchste Hilfequote unter allen Bundeslän<strong>der</strong>n,<br />

signifikant höher als in den<br />

<strong>bei</strong>den Stadtstaaten Hamburg und Berlin.‹<br />

(Armuts- und Reichtumsbericht<br />

des Senats <strong>der</strong> Freien Hansestadt Bremen 2009.)<br />

So bitter diese Zahl ist, dass sie überhaupt in<br />

einem eigenständigen Kapitel des Armuts- und<br />

Reichtumsberichts auftaucht, ist ein Erfolg<br />

des Verbandes. ›Die wollten uns mit an<strong>der</strong>en<br />

Randgruppen zusammenfassen. Erst als wir<br />

protestiert haben, haben wir Alleinerziehenden<br />

ein eigenes Kapitel bekommen‹, sagt Vorstandsmitglied<br />

Petra Gabriels.<br />

Die Stimmung unter den zehn Frauen und<br />

einem Mann, die sich hier heute treffen, ist<br />

aufgewühlt. Die Vorschläge <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

<strong>zur</strong> Hartz-IV-Reform erregen die Gemüter.<br />

Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Wegfall des Elterngeldes sorgt<br />

für regen Diskussionsstoff.


JENNIFER TRONNIER: ›Es ist schändlich, auf<br />

dem Rücken <strong>der</strong> Ärmsten zu sparen.‹<br />

KARIN GLADE: ›Wenn man dann bedenkt, dass<br />

im Regelsatz für Windeln 6,13 Euro im Monat<br />

veranschlagt sind, das ist unglaublich. Damit<br />

kommt keine Mutter aus.‹<br />

PETRA GABRIELS: ›Dann kannst du wie früher<br />

den Kochtopf auf den Herd stellen und die<br />

Windeln auskochen.‹<br />

KARIN GLADE: ›Was kostet das für Energie.<br />

Also muss man das wie<strong>der</strong> <strong>bei</strong> an<strong>der</strong>en Dingen,<br />

wie Nahrung, sparen. Meine Tochter<br />

brauchte spezielle Nahrung damals, die auch<br />

extrem teuer war. Ich weiß gar nicht, wie das<br />

laufen soll, wenn so etwas passiert. Ein<br />

an<strong>der</strong>es Beispiel: Für Kin<strong>der</strong> ist <strong>bei</strong>m Mittagessen<br />

1,77 Euro eingeplant. Da kann ich mein<br />

Kind nicht gesund und vollwertig ernähren.‹<br />

ANJA LEIBING: ›In <strong>der</strong> Schule kostet das Essen<br />

für mein Kind schon zum reduzierten Tarif<br />

1,80 Euro <strong>bei</strong> Vorbestellung. Wenn meine<br />

Kin<strong>der</strong> spontan essen wollen, weil es etwas<br />

Leckeres gibt, dann zahlen sie 2,50 Euro.<br />

Und dann ist das Budget überschritten.‹<br />

PETRA GABRIELS: ›Das Elterngeld ist auch familienpolitisch<br />

ein starkes Instrument, Frauen an<br />

Männer zu binden. Die werden es sich zweimal<br />

überlegen, ob sie ihren Göttergatten verlassen,<br />

wenn sie wissen, dass sie nicht einmal<br />

Elterngeld bekommen. Ein weiterer Schritt hin<br />

zum gesellschaftlichen Stand von 1950: Die<br />

Frau gehört an den Herd.‹<br />

Die im VAMV zusammengeschlossenen Frauen<br />

haben zum großen Teil einen ökonomischen<br />

Abstieg hinter sich, sind oft aus einer gesicherten<br />

mittelschichts-orientierten Existenz als<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose in die Abhängigkeit von Transferleistungen<br />

abgestürzt. ›Durch den Status <strong>der</strong><br />

Alleinerziehenden war die Chance von vornherein<br />

gleich null. Das hat sich nicht geän<strong>der</strong>t:<br />

Je<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeber, <strong>der</strong> hört, sie haben Kin<strong>der</strong><br />

und sind allein, zieht jemand an<strong>der</strong>en vor‹,<br />

berichtet Beate Rasch.<br />

Dazu kommt <strong>der</strong> Mangel an Hortplätzen,<br />

beson<strong>der</strong>s in Zeiten, in denen auch gear<strong>bei</strong>tet<br />

wird. Für alleinerziehende Frauen, die zum Beispiel<br />

einen Job im Einzelhandel suchen, nutzen<br />

Betreuungszeiten bis 16 Uhr wenig. ›Da können<br />

sie tausendmal sagen, sie haben Großeltern und<br />

Freunde. Es stehen so viele Kin<strong>der</strong>lose Schlan-<br />

ge, die eher eingestellt werden.‹ Bis <strong>zur</strong> Einführung<br />

<strong>der</strong> Agenda 2010 bedeutete die Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

aber noch nicht automatisch den<br />

Absturz in die Armut. Dafür ist die Geschichte<br />

von Gudrun B. ein typisches Beispiel.<br />

›Vorher war ich halbtags in <strong>der</strong> Marktforschung<br />

beschäftigt und konnte 280 Mark<br />

<strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe dazuverdienen, ohne<br />

Probleme. Dazu kam das Kin<strong>der</strong>geld, ich<br />

bin klargekommen und konnte mir sogar<br />

einen Wagen anschaffen. Und jetzt wird<br />

mir je<strong>der</strong> Cent aus dem Maul gezogen.<br />

Mit <strong>der</strong> Anrechnung von allem Möglichen<br />

werden die Leute doch in die Insolvenz<br />

getrieben. Wie schizophren ist das denn?<br />

Es ist besser, sich richtig zu verschulden<br />

und fünf Jahre den Finger hochzuhalten,<br />

als zu versuchen, den Hintern im Machbaren<br />

zu behalten.‹<br />

Gudrun B. ist Akademikerin, Mutter einer 15jährigen<br />

Tochter und seit elf Jahren alleinerziehend.<br />

Heute kann sie sich nur noch als Plasmaspen<strong>der</strong>in<br />

ein paar Euro hinzuverdienen,<br />

was nach den Reformplänen <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

auch nicht mehr möglich sein soll.<br />

›Der erste Knackpunkt kam mit dem Euro.<br />

Danach die Einführung von Hartz IV, die<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer und die<br />

hohen Energiekosten, die mir langsam<br />

das Genick brechen. Ich bin richtig krank<br />

geworden davon. Ich habe Rückenschmerzen,<br />

ich stand vor <strong>der</strong> OP. Mich hat<br />

das alles so belastet, das hat mich auch<br />

psychisch krank gemacht, ich habe<br />

Depressionen gekriegt. Ich strampele mich<br />

ab, um nicht in diese Asozialität ab<strong>zur</strong>utschen,<br />

wo ich meiner Tochter zu Weihnachten<br />

nicht mehr eine Kleinigkeit kaufen<br />

kann o<strong>der</strong> eine Nordmann-Tanne für 15<br />

Euro. Das Gefühl, darauf angewiesen zu<br />

sein, in so einer finanziellen Not zu sein,<br />

dass man sich selber nicht mehr helfen<br />

kann, das macht einen so passiv und so<br />

krank. Immerhin habe ich mich seit 27<br />

Jahren Schritt für Schritt weiterqualifiziert.<br />

63


64<br />

Willkommen im normalen Leben!<br />

Es geht ja nicht nur darum, dass es so<br />

wenig ist. Man kommt ja auch aus <strong>der</strong><br />

Kiste nicht mehr raus. Man wirtschaftet<br />

sich so runter. Angenommen, ich habe ein<br />

Vorstellungsgespräch: Ich kann nicht<br />

zum Friseur gehen, weil ich die Kohle<br />

nicht habe, ich kann mir keine adäquaten<br />

Klamotten kaufen, ich komme da abgewrackt<br />

mit uralten Schuhen an, mal<br />

drastisch ausgedrückt. Wer stellt mich<br />

dann noch ein?<br />

Dass ich jetzt 50 bin, dass die Ar<strong>bei</strong>tsmarktsituation<br />

so ist, das ist nicht mein<br />

Verschulden. Und dass sich die Agentur<br />

für Ar<strong>bei</strong>t einfach hinstellt und sagt:<br />

Ihr seid alle selbst verantwortlich, das<br />

macht mich so krank und ich bin so hilflos<br />

und ausgeliefert, das macht mich richtig<br />

zum Opfer.‹<br />

Wie die an<strong>der</strong>en Frauen hier kämpft Gudrun B.<br />

nicht nur um das ökonomische Überleben,<br />

son<strong>der</strong>n auch um ihr Selbstbewusstsein und<br />

ihre Würde, die durch die erzwungene Abhängigkeit<br />

von ignoranten Institutionen infrage<br />

gestellt werden. Eine Möglichkeit, erworbene<br />

Kompetenzen einzusetzen und sozialer Isolation<br />

zu entgehen ist für Gudrun B. die ehrenamtliche<br />

Ar<strong>bei</strong>t, zum Beispiel in <strong>der</strong> Nachbarschaftshilfe.<br />

Als sie hört, dass Aufwandsentschädigungen<br />

für solche Tätigkeiten in Zukunft<br />

auch auf den Hartz-IV-Bezug angerechnet werden<br />

sollen, mag sie das kaum glauben. ›Dann<br />

muss ich meine Ämter nie<strong>der</strong>legen, das wird<br />

mir zu teuer. Als Hartz-IV-Empfängerin kann<br />

ich also demnächst noch nicht mal mehr ein<br />

Ehrenamt leisten.‹<br />

Ein weiteres Reizthema ist die geplante Einführung<br />

<strong>der</strong> sogenannten Bildungs-Chipkarte.<br />

Zum einen reichen die vorgesehenen 20 Euro<br />

nicht annähernd aus, da <strong>bei</strong>spielsweise schon<br />

<strong>der</strong> ermäßigte Beitrag für die Musikschule<br />

20 Euro betrage. Zum an<strong>der</strong>en wird die<br />

Bildungs-Chipkarte als weiterer Schritt in die<br />

Diskriminierung gesehen. Eine Frau berichtet:<br />

›Es ist für die Kin<strong>der</strong> peinlich, mit so<br />

einem Kärtchen hinzugehen. Ich kenne<br />

das noch von früher, dass ich <strong>bei</strong>m Arzt<br />

immer den Zettel vom Sozialamt vorlegen<br />

musste und alle an<strong>der</strong>en haben ihre<br />

Krankenkassenkarte hingelegt, ich weiß,<br />

wie sich das anfühlt.‹<br />

Die Inanspruchnahme von beson<strong>der</strong>en Unterstützungen<br />

für Kin<strong>der</strong> ist schon heute vielfach<br />

mit Diskriminierungen verbunden, wie Gudrun<br />

B. berichtet:<br />

›Ich habe einen Zuschuss für die Klassenfahrt<br />

meiner Tochter beantragt, weil ich<br />

mir das nicht leisten kann. Dann wurde im<br />

Sekretariat gesagt, <strong>der</strong> Lehrer muss das<br />

ausfüllen und dann komme ich in die<br />

Klasse und überreiche das Ihrer Tochter.<br />

Ich habe gesagt: Nein, das möchte ich<br />

nicht. Sie können meine Tochter gern ins<br />

Sekretariat zitieren und es ihr da überreichen,<br />

aber nicht vor <strong>der</strong> ganzen<br />

Klasse, das möchte ich meiner Tochter<br />

nicht antun. Das ist so unsensibel.‹<br />

Mit Erfahrungen wie diesen werden alleinerziehende<br />

Mütter, die von Hartz IV abhängig sind,<br />

<strong>bei</strong>nahe täglich konfrontiert. Und sie führen zu<br />

einem Gefühl, das Karin Glade so ausdrückt:<br />

›Das macht einen fertig, wenn man seinem<br />

Kind nicht ermöglichen kann, was<br />

an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> machen können. Man hat<br />

ein permanent schlechtes Gewissen und<br />

fühlt sich permanent als Versagerin. Das<br />

bekommt man auch von außen gespiegelt.<br />

Als alleinerziehende Mutter wird man<br />

sowieso genau beobachtet, ob man alles<br />

richtig macht. Aber es hilft keiner.‹<br />

Egal, welche Teile des Reformpakets <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

noch vom Bundesrat o<strong>der</strong> vom<br />

Bundesverfassungsgericht gestoppt werden,<br />

die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Frauen und Männer vom<br />

VAMV Bremen werden sich darin nicht wie<strong>der</strong>finden:<br />

realistische Berechnung und Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Hartz-IV-Bedarfssätze; 500 Euro Grundsicherung<br />

für jedes Kind (<strong>bei</strong> Zusammenführung<br />

<strong>der</strong> bestehenden Leistungen und in Verbindung<br />

mit einem einheitlichen Steuersystem<br />

ohne Ehegattensplitting) sowie die Abschaf-


fung des vollen Mehrwertsteuersatzes von<br />

19 Prozent auf Kin<strong>der</strong>artikel wie Windeln,<br />

Kin<strong>der</strong>nahrung und an<strong>der</strong>em.<br />

Über dem allen steht die For<strong>der</strong>ung nach<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätzen, von denen man auch leben<br />

kann. Damit folgende Erfahrung von Beate<br />

Rasch nicht übermächtig wird.<br />

›Die gesellschaftliche Einbindung, die für<br />

ein vernünftiges Leben nötig ist, bricht<br />

weg. Ich sitze zu Hause, gucke in eine<br />

wun<strong>der</strong>schöne grüne Umgebung und<br />

denke: Und was nun? Was jetzt noch? Wie<br />

geht es weiter?‹<br />

Wenn <strong>der</strong> Boden<br />

bröckelt<br />

Die Angst noch weiter ab<strong>zur</strong>utschen, bestimmt<br />

auch das augenblickliche Leben <strong>der</strong> 40-jährigen<br />

Petra K. Die regelmäßigen Leser dieses<br />

Sozialberichtes kennen sie bereits aus dem<br />

vorigen <strong>Bericht</strong>, in dem es um die Politikverdrossenheit<br />

in benachteiligten Stadtteilen ging.<br />

Petra K. lebt seit 20 Jahren in Osterholz-Tenever.<br />

Sie ist in einem Kin<strong>der</strong>heim auf dem Land<br />

groß geworden, hat allein zwei Kin<strong>der</strong> aufgezogen<br />

und als Verkäuferin und Altenpflegerin<br />

gear<strong>bei</strong>tet. Ihren letzten regulären Job hatte<br />

sie bis <strong>zur</strong> Geburt ihrer Tochter 2001. Danach<br />

folgte eine Lebenskrise, aus <strong>der</strong> sie sich langsam<br />

wie<strong>der</strong> herausgekämpft hat. Zum Zeitpunkt<br />

des letzten Gesprächs war unklar, ob ihr<br />

Ein-Euro-Job in einem Treffpunkt für Bedürftige<br />

in Tenever verlängert wird.<br />

Umso größer ist die Freude des Interviewers,<br />

die freundliche Frau ein Jahr später in<br />

dem kleinen Café wie<strong>der</strong> anzutreffen. Das<br />

Gespräch mit ihr wird komplett wie<strong>der</strong>gegeben,<br />

weil es für sich selbst spricht und jede<br />

Zwischenbemerkung überflüssig macht.<br />

LORENZEN: Als wir uns vor einem Jahr unterhalten<br />

haben, war ja noch vollkommen unklar,<br />

ob Sie Ihren Ein-Euro-Job behalten können.<br />

Wie ist es danach weitergegangen?<br />

PETRA K.: Er wurde verlängert, dafür stehe ich<br />

im nächsten Monat auf <strong>der</strong> Straße. Der Ein-<br />

Euro-Vertrag kann nicht mehr verlängert werden,<br />

weil zwei Jahre rum sind und ich einen<br />

BEZ-Vertrag vom Träger nicht bekommen<br />

habe. Und somit bin ich nächsten Monat raus<br />

hier und muss so eine komische Schule<br />

machen. Frag mich nicht, was das ist. So ein<br />

Aufbewahrungsplatz vom Ar<strong>bei</strong>tsamt.<br />

LORENZEN: Warum haben Sie keinen Vertrag<br />

bekommen?<br />

PETRA K.: Für diese BEZ-Verträge gibt es <strong>bei</strong><br />

dieser Stelle ein Mindestalter von 55. Ich<br />

bin zu jung. Fürs Leben zu alt, für die Ar<strong>bei</strong>t<br />

zu jung. Es hätte die Möglichkeit gegeben,<br />

aber es hat sich keiner darum gekümmert.<br />

Jedenfalls nicht die, die die Macht dazu<br />

gehabt hätten.<br />

LORENZEN: Wie sieht denn ab nächsten Monat<br />

Ihre soziale Situation aus?<br />

PETRA K.: Total bescheuert. Ich bin schon<br />

am Flechten eines Strickes, meine ich natürlich<br />

nicht so, aber so ungefähr geht es mir.<br />

Das Geld fehlt mir dann, es ist sowieso schon<br />

alles Mögliche gekürzt worden. Wenn ich die<br />

Schule nicht mache, wird noch mehr gekürzt,<br />

also bin ich gezwungen, die zu machen. Ich<br />

habe eigentlich dafür gekämpft, das hier<br />

weitermachen zu können. Und dann stehe ich<br />

wie<strong>der</strong> da und suche den Halt.<br />

LORENZEN: Was überwiegt, Wut, Trauer o<strong>der</strong><br />

Enttäuschung?<br />

PETRA K.: Alles drei. Man fühlt sich in den<br />

Arsch getreten. Das können Sie vielleicht nicht<br />

nachvollziehen: Hier bin ich jetzt zwei Jahre,<br />

es ist wie eine Familie. Und jetzt: pomm, aus<br />

und weg. Das ist nicht leicht zu verkraften.<br />

65


66<br />

Willkommen im normalen Leben!<br />

LORENZEN: Was wiegt denn mehr, die finanzielle<br />

Einbuße o<strong>der</strong> <strong>der</strong> menschliche Verlust?<br />

PETRA K.: Es ist <strong>bei</strong>des. Ich würde hier auch<br />

ohne Geld weiterhin ar<strong>bei</strong>ten, wegen <strong>der</strong><br />

Menschen. Aber das Geld brauche ich für<br />

meine Kin<strong>der</strong>.<br />

LORENZEN: Zwei Kin<strong>der</strong> haben Sie, wenn ich<br />

mich richtig erinnere. Ihr Sohn war gerade<br />

ausgezogen.<br />

PETRA K.: Richtig. Er hat jetzt seine Ausbildung<br />

fertig gemacht und hat einen Vertrag <strong>bei</strong> einer<br />

an<strong>der</strong>en Firma bekommen. Aber die sind jetzt<br />

mit seinen Leistungen nicht zufrieden, weil er<br />

sich an <strong>der</strong> Säge verletzt hat. Und jetzt überlegen<br />

sie, ob sie ihn nicht rausschmeißen.<br />

Meine Tochter ist in die dritte Klasse gekommen,<br />

sie kommt in <strong>der</strong> Schule gut <strong>zur</strong>echt.<br />

Bloß, es ist alles zu teuer geworden. Früher<br />

musste ich für den Hort sechs Euro bezahlen,<br />

jetzt 32 Euro. Das kann ich auch nicht mehr<br />

tragen. Und wenn ab nächsten Monat noch<br />

weniger da ist, weiß ich nicht, wie ich das<br />

noch machen soll. Dann kann ich den Hort<br />

nicht mehr finanzieren. Ich habe mir schon<br />

Hilfen geholt, aber es ist kaum noch tragbar.<br />

LORENZEN: Wie viel fällt denn weg, wenn <strong>der</strong><br />

Ein-Euro-Job weg ist?<br />

PETRA K.: Über 100 Euro.<br />

LORENZEN: Woran müssen Sie denn sparen?<br />

PETRA K.: Essen tue ich selten. Ich weiß nicht,<br />

worauf ich noch verzichten soll. Ich kann mir<br />

nicht mal Schuhe leisten, ich laufe <strong>bei</strong> diesem<br />

Wetter mit Badelatschen rum. Ich weiß wirklich<br />

nicht, wie es weitergehen soll. Ich frage<br />

mich einfach, wie soll ich diesen Winter<br />

durchkommen. Meine Tochter braucht wie<strong>der</strong><br />

Klamotten, ich kaufe mir schon gar keine<br />

mehr. Dieser Job hat mir noch ein bisschen<br />

Extra gegeben. Da hatte ich das Gefühl, ich<br />

kann mir ein bisschen erlauben und wenn es<br />

nur ein paar Socken sind.<br />

LORENZEN: Haben Sie ein Umfeld, das Sie<br />

noch etwas stützt?<br />

PETRA K.: Eigentlich nicht. Ich kämpfe ewig<br />

alleine, das habe ich Ihnen doch schon <strong>bei</strong>m<br />

letzten Interview gesagt. Ich habe nur mich,<br />

meine kleine Familie, <strong>der</strong> Rest ist nur angedockt.<br />

Solange ich hier bin, habe ich noch das<br />

Gefühl, dass man sich hilft. Aber wenn man<br />

hier raus ist, ist man raus. Wer kommt denn<br />

freiwillig noch mal her? Dann ist man nicht<br />

mehr drinnen, dann ist man draußen. Dann<br />

gehört man nicht mehr in den Kreis, son<strong>der</strong>n<br />

steht davor. Das ist kein schönes Gefühl.<br />

LORENZEN: Jetzt gucken Sie erst mal, ob es<br />

an<strong>der</strong>e Projekte gibt?<br />

PETRA K.: Klar, gucken, gucken, gucken. Und<br />

den Boden nicht verlieren. Nicht wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Gosse landen. Das will ich nicht, dafür kämpfe<br />

ich. Du weißt, du wirst fallen, aber du willst<br />

nicht. Aber <strong>der</strong> Boden bröckelt jeden Tag<br />

mehr. Die Angst kommt näher. Und mit <strong>der</strong><br />

Angst die alten Fehler.<br />

LORENZEN: Welche Fehler?<br />

PETRA K.: Dass man sich doch mal wie<strong>der</strong> was<br />

gönnt, mal ein Bierchen, nur für eine Minute<br />

mal für sich sein. Und davor habe ich Angst.<br />

Deswegen versuche ich zu kämpfen und zu<br />

kratzen. Ich will nicht in Bremen-Ost landen.<br />

Ich kämpfe um meine Existenz, um mein<br />

ganzes Leben. Und nicht nur um meine Kin<strong>der</strong>.<br />

Die kommen natürlich auch noch dazu.<br />

In <strong>der</strong> Nähe des Cafés, in dem Petra K. zum<br />

Zeitpunkt des Interviews jeden Morgen den<br />

Kaffee an Leute ausschenkt, die noch ärmer<br />

sind als sie selbst, liegt <strong>der</strong> Frauengesundheitstreff<br />

Tenever. Hier können sich bedürftige<br />

Frauen mit gesundheitlichen Problemen niedrigschwellig<br />

beraten lassen. Außerdem bietet<br />

die Einrichtung, die vor kurzem 20 Jahre alt<br />

wurde, kostengünstige Freizeitangebote an.<br />

Dazu kommen Alphabetisierungs- und weiterführende<br />

Deutschkurse.<br />

Die Leiterin Jutta Flerlage hat am Telefon<br />

erzählt, dass die meisten Besucherinnen<br />

Migrantinnen sind. Sie wüsste nicht, ob sie<br />

darunter Frauen finden würde, die bereit<br />

seien, über ihre Lebenssituation zu sprechen.<br />

Und dann noch mit einem Mann. Mit <strong>der</strong> Zusage,<br />

selbst <strong>bei</strong> den Gesprächen da<strong>bei</strong> zu sein,<br />

kann sie schließlich drei Frauen überreden.<br />

Zuerst kommt die 40-jährige Canan F., die<br />

in <strong>der</strong> Türkei aufgewachsen ist und seit 25<br />

Jahren in Deutschland lebt. Zehn Kin<strong>der</strong> hat<br />

sie auf die Welt gebracht, die jetzt zwischen 6<br />

und 21 Jahre alt sind und alle noch zu Hause<br />

leben. In einer Vierzimmerwohnung. Canan F.<br />

hatte we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Türkei noch in Deutschland<br />

Schulunterricht. Jetzt geht sie zweimal in<br />

<strong>der</strong> Woche zum Deutschkurs und kann sich<br />

fremden Interviewern verständlich machen.


Ihr ganzer Körper sei kaputt, erzählt sie.<br />

Nieren, Rücken und Kopf tun weh. Für das<br />

Rückentraining soll sie 25 Euro bezahlen. Das<br />

bezahlt ihr die AOK genauso wenig wie die<br />

Kur, die sie beantragt hat. Für die Kur reichen<br />

ihre Deutschkenntnisse angeblich noch nicht<br />

aus.<br />

Ihr Mann ist ar<strong>bei</strong>tslos und <strong>der</strong> Älteste hat<br />

auch noch keine Ar<strong>bei</strong>t. Das Geld reicht hinten<br />

und vorne nicht. Die Kleidung ist nur vom billigsten,<br />

Computer und Fahrrad für die Kin<strong>der</strong> –<br />

Fehlanzeige. Die Frage danach, was sie sich<br />

denn selbst gern mal leisten würde, versteht<br />

sie nicht. Das liegt nicht am Sprach-, son<strong>der</strong>n<br />

am Rollenverständnis. Ar<strong>bei</strong>t für ihren Mann<br />

und die Söhne, das ist das, was sie sich<br />

wünscht. Die Töchter kämen klar.<br />

Jutta Flerlage kennt etliche ähnlich gelagerte<br />

Lebenssituationen.<br />

›Oft kommen Fragen, warum haben diese<br />

Frauen so viele Kin<strong>der</strong>? Das ist <strong>der</strong> einzige<br />

Reichtum, den sie erlangen können,<br />

und es hat da, wo sie herkommen, kulturell<br />

einen hohen Stellenwert. An<strong>der</strong>erseits<br />

bekommen sie aber auch keine Verhütungsmittel<br />

finanziert. Wenn sie mit<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II auskommen müssen,<br />

wird oft an <strong>der</strong> Pille gespart. Die Männer<br />

sind noch wesentlich stärker in ihren alten<br />

Rollen und kulturellen Vorstellungen verhaftet.<br />

Und die Frauen übernehmen nicht<br />

nur Haushalt, Kin<strong>der</strong>, Gesundheitsvorsorge,<br />

son<strong>der</strong>n sie müssen sich dann auch<br />

noch verantwortlich fühlen, dass Geld<br />

reinkommt und dass sie sich beruflich<br />

orientieren. Sie lernen meist als Letzte<br />

Deutsch, weil sie sich vorher um alles<br />

an<strong>der</strong>e kümmern müssen. Einige fangen<br />

nach zehn o<strong>der</strong> fünfzehn Jahren damit an.<br />

Aber es muss auch etwas getan werden,<br />

dass die Männer Jobs finden können und<br />

so bezahlt werden, dass sie und ihre<br />

Familien davon leben können. Das ist das<br />

A und O.‹<br />

Die nächste Besucherin steckt ebenfalls in<br />

einer verzwickten Situation. Rania L. kam vor<br />

18 Jahren als Bürgerkriegsflüchtling aus dem<br />

Libanon mit ihrem Mann nach Deutschland.<br />

Sie hat drei Kin<strong>der</strong> hier geboren, ist aber<br />

immer noch lediglich geduldet. Das heißt:<br />

ständige Unsicherheit, 30 Prozent weniger als<br />

Hartz IV, Ar<strong>bei</strong>tsverbot. Ein Rechtsanwalt versucht<br />

gerade, für sie und ihren Mann einen<br />

Aufenthaltstitel zu erwirken.<br />

900 Euro bekommt die fünfköpfige Familie<br />

im Monat, davon gehen 150 Euro Strom und<br />

50 Euro Telefon ab. Bleiben 700 Euro zum<br />

Leben. Nicht mal einen Ein-Euro-Job darf die<br />

35-Jährige annehmen. Vor Kurzem hat sie<br />

ihren Schmuck verkauft, um den Führerschein<br />

zu machen. Nun hat das Amt ihr verboten, die<br />

Fahrschule weiter zu besuchen. Ohne Pass<br />

keinen Führerschein und selbst das Geld für<br />

die Anzahlung ist futsch. Das findet sie so<br />

absurd, dass sie fast darüber lachen muss.<br />

Im Moment besucht Rania L. den kostenfreien<br />

Deutsch-Kurs und hat in kurzer Zeit große<br />

Fortschritte gemacht.<br />

›Heute war ich schon im Internet-Café,<br />

habe eine E-Mail geschrieben. Bin so viele<br />

Jahre hier und frage mich: Warum habe<br />

ich es vorher nicht gelernt? Habe immer<br />

mit meinen Bekannten zusammengehockt<br />

und Kaffee getrunken. Ich war jung, das<br />

war falsch. Jetzt fragen mich meine<br />

Kin<strong>der</strong>: Was ist das und das? Und ich kann<br />

ihnen nicht helfen. Jede Woche zwei<br />

Wörter, das reicht für mich. Die Kin<strong>der</strong><br />

können aus dem Kin<strong>der</strong>garten Deutsch,<br />

langsam lerne ich von ihnen.‹<br />

Bald werden ihre Kin<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> die einzigen<br />

Lehrer von Rania L. sein, befürchtet Jutta<br />

Flerlage.<br />

›Den kostenlosen Kurs kann sie nur ein<br />

Jahr besuchen. Wenn sie im Duldungsstatus<br />

ist, kriegt sie keine BAM-För<strong>der</strong>ung<br />

für einen weiteren Sprachkurs. Integrationsför<strong>der</strong>ung<br />

gibt es nur mit einem<br />

Aufenthaltstitel.‹<br />

67


68<br />

Willkommen im normalen Leben!<br />

Die Beraterin kennt einige Fälle, in denen Frauen<br />

den Unterricht wie<strong>der</strong> abgebrochen haben,<br />

weil sie keine För<strong>der</strong>ung mehr erhielten und<br />

sich jedes Schulbuch und Heft vom Essen<br />

absparen mussten.<br />

Bevor die letzte Interviewpartnerin kommt,<br />

bleibt noch Zeit für einen kleinen Spaziergang<br />

durch Tenever. Auf den ersten Blick mögen<br />

die hohen Häuser und steinernen Passagen<br />

abweisend wirken. Wer aber Zugang bekommt<br />

zu den öffentlichen Einrichtungen dieses<br />

Stadtteils, ob sie nun Ar<strong>bei</strong>tslosenzentrum,<br />

Mütterzentrum, Frauengesundheit, Café<br />

Abseits o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s heißen, <strong>der</strong> staunt über<br />

die gute Vernetzung und die solidarische<br />

Haltung untereinan<strong>der</strong>.<br />

Vermisst:<br />

Das ganz normale Leben<br />

Eine<br />

Ar<strong>bei</strong>terinnenbiografie<br />

›Mal treffen mit Frauen, n’ Wort schnacken,<br />

was unternehmen‹ – deshalb kommt die 60jährige<br />

Gertrud T. regelmäßig zum Gesundheitstreff.<br />

Ganz aus Hemelingen, weil es dort<br />

so etwas nicht gibt. In <strong>der</strong> Glocke war sie<br />

schon von hier aus und in <strong>der</strong> Kammerphilharmonie.<br />

An Kultur war in <strong>der</strong> Kindheit nicht zu denken.<br />

Notunterkünfte, Baracken am Jakobsberg,<br />

viel Alkohol in <strong>der</strong> Luft und Gewalt. Die<br />

Geschichte vom Stiefvater. Ständige Angst ins<br />

Heim zu kommen, wie die eine Schwester. Mit<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schwester bis 16 in einem Bett<br />

geschlafen. Die ist heute <strong>bei</strong>m Interview auch<br />

mit da<strong>bei</strong>: ›Die Hochzeitsnacht haben wir zu<br />

dritt verbracht‹, erinnert sie sich.<br />

›Wir haben nichts vermisst, weil wir nichts<br />

hatten‹, sagt Gertrud T. über den materiellen<br />

Mangel. Was sie wirklich vermisst hat, sind<br />

Liebe und Zuwendung, noch heute hat sie<br />

Schwierigkeiten, Nähe und Vertrauen zuzulassen.<br />

Wohl gefühlt hat sie sich nur in <strong>der</strong> Schule.<br />

Hier strengt sie sich an, weil sie Angst hat,<br />

wie die Schwester in <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule zu landen.<br />

Zur Realschule darf sie nicht. Es heißt:<br />

›Wir sind eine Ar<strong>bei</strong>terfamilie, du brauchst<br />

kein Englisch.‹ Statt Schnei<strong>der</strong>in zu lernen,<br />

wie sie es sich gewünscht hat, landet sie in<br />

<strong>der</strong> Metall-Fabrik.<br />

Erstes Kind mit 18, <strong>der</strong> Vater kommt noch<br />

während <strong>der</strong> Schwangerschaft abhanden. Um<br />

das Kind nicht zwischen den ›Versoffenen‹<br />

aufwachsen zu lassen, wendet sich die junge<br />

Frau ans Jugendamt und bekommt tatsächlich<br />

eine eigene Wohnung, Sozialhilfe und Unterstützung<br />

von einer Fürsorgerin. ›Ich bin dem<br />

deutschen Staat immer noch dankbar, dass<br />

ich mein Kind selbst großziehen konnte.‹<br />

Irgendwann lernt sie einen neuen Mann kennen,<br />

bekommt mit ihm einen Sohn. Der neue<br />

Partner, mit dem sie nicht zusammenzieht,<br />

hat eine Gaststätte, bietet bescheidenen<br />

Wohlstand. Campingplat<strong>zur</strong>laube. ›Komm mal<br />

Mäuschen, brauchst jetzt nicht kochen, wir<br />

fahren mal für drei Tage nach Holland.‹ Da<br />

kommt man auf den Geschmack. Zwölf Jahre<br />

geht das gut. Als <strong>der</strong> Mann sie während einer<br />

erneuten Schwangerschaft betrügt, macht sie<br />

Schluss. ›Ohne mich landest du in <strong>der</strong> Gosse‹,<br />

ruft er noch hinterher, doch den Gefallen tut<br />

sie ihm nicht. Sie macht eine Umschulung <strong>zur</strong><br />

Industrieelektronikerin und findet nach langem<br />

Hin und Her sogar eine Stelle. Nach fünf<br />

Jahren wird die Firma stillgelegt. Seitdem<br />

bekommt sie Hartz IV und geht neben<strong>bei</strong> noch<br />

putzen. Die Kin<strong>der</strong> sind ausgezogen und vor<br />

zwei Jahren hat sie sich eine neue kleine Zweizimmerwohnung<br />

genommen. Zwischendurch<br />

lassen sie die massiven Probleme ihrer<br />

Ursprungsfamilie nie ganz los, was zu Nervenzusammenbrüchen<br />

und psychischer Erkrankung<br />

führte.<br />

›Wenn ich meine Schwester nicht hätte,<br />

würde ich nicht klarkommen‹, sagt sie. ›Ich<br />

leiste mir ab und zu ein Paar neue Schuhe. Ich<br />

ziehe alles gern gebraucht an, aber Schuhe<br />

nicht, das geht mit meinen Füßen auch nicht,<br />

da habe ich vor ein paar Monaten eine OP<br />

gehabt.‹ Regelmäßiges Kochen gibt es <strong>bei</strong> ihr<br />

auch nicht, hin und wie<strong>der</strong> ein Paket Nudeln<br />

mit Ketchup. Zur Hemelinger Tafel geht sie<br />

nicht mehr, seit sie wegen einer Unverträglichkeit<br />

mal ein paar Joghurts abgelehnt hat und<br />

gesagt bekam: ›Dann kriegen Sie auch nichts<br />

an<strong>der</strong>es.‹ Nun sei sie stur, sagt sie, dann<br />

lieber weiter Nudeln.


69<br />

x Küche aufklaren


70<br />

Willkommen im normalen Leben!<br />

LORENZEN: Und was vermissen Sie am<br />

meisten?<br />

GERTRUD T.: Das ganz normale Leben halt. Mal<br />

ins Schwimmbad gehen, Kurse machen, ich<br />

wollte gerne Spanisch lernen, damit man<br />

geistig nicht ganz so runterkommt, geht nicht.<br />

Kleinigkeiten vermisst man, mal ins Kino<br />

gehen, <strong>bei</strong> 7 Euro Eintritt muss man sich das<br />

überlegen. Auch wenn wir hier etwas machen,<br />

frage ich vorher immer schon: Was kostet<br />

das, das ist für mich vorher ganz wichtig,<br />

nicht dass ich dastehe und die wollen plötzlich<br />

20 Euro haben. Man muss ja auch lernen zu<br />

betteln. Für mich ist das schon wie<strong>der</strong> Betteln.<br />

Verrückt, vor allem wenn man älter wird.<br />

Wer möchte das schon gern? Keiner.<br />

LORENZEN: Was für Gefühle haben Sie, wenn<br />

Sie darüber nachdenken?<br />

GERTRUD T.: Darüber darf man nicht nachdenken.<br />

Das habe ich mir durch zwei Kuren<br />

abgewöhnt.<br />

LORENZEN: Wie empfinden Sie die augenblickliche<br />

Diskussion über Hartz-IV-Empfänger?<br />

GERTRUD T.: Furchtbar. Dass man Leuten, die<br />

30 Jahre gear<strong>bei</strong>tet und was geschafft haben,<br />

alles anrechnet, finde ich nicht in Ordnung.<br />

Die kann man nicht auf eine Stufe stellen mit<br />

Leuten, die grad aus <strong>der</strong> Schule kommen o<strong>der</strong><br />

grad ihre Lehre beendet haben. Die können<br />

vielleicht auch nichts dafür, dass sie keine<br />

Ar<strong>bei</strong>t haben. Aber das geht nicht, 50-Jährige<br />

mit 20-Jährigen zu vergleichen, mit dem gleichen<br />

Geld, da kriege ich einen dicken Hals.<br />

Und wenn die dann jemanden mit 55 in einen<br />

Ein-Euro-Job schicken o<strong>der</strong> in Ar<strong>bei</strong>t von <strong>der</strong><br />

Leihfirma für 800 Euro, finde ich das deprimierend.<br />

Damit kann man doch keine Familie<br />

ernähren. Wer ar<strong>bei</strong>tet, soll so viel verdienen,<br />

dass er seine Familie ernährt. Ich kann Leute<br />

verstehen, die sagen: ›Was soll ich für 700<br />

Euro ar<strong>bei</strong>ten? Ich zahle 500 Euro Miete und<br />

habe zwei Kin<strong>der</strong>. Und muss jeden Monat <strong>bei</strong>m<br />

Amt meine Abrechnung vorlegen.‹ Verstehen<br />

kann ich die auch. Ich habe die Hoffnung aufgegeben,<br />

dass ich noch mal Ar<strong>bei</strong>t kriege.<br />

Obwohl ich schwer behin<strong>der</strong>t bin, wollen sie<br />

immer noch, dass ich mich bewerbe. Gut,<br />

mache ich das eben.<br />

Willkommen im Leben<br />

Der Skandal<br />

als Regelfall<br />

Hier endet dieser kleine Streifzug durch Orte<br />

in Bremen, an denen sich Frauen treffen, die<br />

in <strong>der</strong> jetzigen Phase ihres Lebens mit vielen<br />

Sorgen zu kämpfen haben, die – nicht nur,<br />

aber zum allergrößten Teil – ihrer <strong>sozialen</strong><br />

<strong>Lage</strong> entspringen. Die einen kennen diese Verhältnisse<br />

von früh auf, haben das nie an<strong>der</strong>s<br />

erlebt, die an<strong>der</strong>en hätten sich bis vor Kurzem<br />

nicht träumen lassen, einmal mit dem Thema<br />

›Armut‹ in Verbindung gebracht zu werden. Die<br />

einen geben sich selbst die Schuld an ihrer<br />

jetzigen Situation, die an<strong>der</strong>en begreifen sie<br />

auch als Ergebnis politischer Entscheidungen.<br />

Die einen träumen von einem erfüllten Leben<br />

in gesicherter Existenz, die an<strong>der</strong>en von ein<br />

paar Tagen Erholung an <strong>der</strong> Nordsee. Aber<br />

alle kämpfen jeden Tag darum, das Stück<br />

an Autonomie und Selbstentscheidung, über<br />

das sie noch verfügen, zu erhalten und zu<br />

erweitern. ›Ich strampele mich ab, um meinen<br />

Hintern im Machbaren zu halten‹, lautet ein<br />

Kernsatz aus den aufgezeichneten Interviews.<br />

So unterschiedlich die skizzierten Biografien<br />

und Lebensperspektiven sind, ein paar<br />

verallgemeinernde Gedanken lassen sich ihnen<br />

dennoch entnehmen.<br />

Mit <strong>der</strong> Agenda 2010 sind zahlreiche<br />

Frauen in die Armut gedrängt worden, die bis<br />

dahin noch Anschluss an den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

gehalten hatten und über verschiedene Formen<br />

gesellschaftlichen Engagements sozial<br />

integriert waren. Dies betrifft vor allem jüngere<br />

Frauen und alleinerziehende Frauen mit<br />

einer guten Ausbildung.<br />

Mit den bestehenden Hartz-IV-Bedarfssätzen<br />

kann niemand auskommen, <strong>der</strong> etwas an<strong>der</strong>es<br />

vom Leben möchte, als nicht zu verhungern.<br />

Da<strong>bei</strong> ist es beson<strong>der</strong>s erschreckend, wie<br />

bereits Kin<strong>der</strong> stigmatisiert werden und von<br />

<strong>der</strong> gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen<br />

werden. Daran wird die sogenannte Chipkarte<br />

in ihrer <strong>der</strong>zeit geplanten Form nichts<br />

än<strong>der</strong>n.


Der größte Wunsch fast aller befragten Frauen<br />

ist es, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.<br />

Eine wirkliche Lösung <strong>der</strong> Probleme kann<br />

lediglich über eine Bereitstellung akzeptabler<br />

Ar<strong>bei</strong>ts- und Ausbildungsplätze sowie durch<br />

ausreichende Kin<strong>der</strong>betreuungsangebote und<br />

gezielte soziale Unterstützung erfolgen. Derartige<br />

Unterstützungsleistungen müssen jedoch<br />

an die jeweils unterschiedlichen Lebenslagen<br />

angepasst sein.<br />

Für junge Frauen und Mütter, die sich aus<br />

prekären Lebenssituationen freistrampeln,<br />

sind individuelle Betreuungs- und Hilfsangebote<br />

als Brücke in ein selbstständiges<br />

Leben ausgesprochen wichtig. Die positiven<br />

Impulse dieser Aufbruchsphase müssen<br />

gestützt und stabilisiert werden, damit die<br />

jungen Frauen die sich ihnen bietenden<br />

Möglichkeiten auf dem Ausbildungs- und<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nutzen und nicht in alte<br />

Muster und Abhängigkeiten <strong>zur</strong>ückgezogen<br />

werden.<br />

Alleinerziehende Frauen in <strong>der</strong> Mitte des<br />

Lebens, die aufgrund fehlen<strong>der</strong> Betreuungsmöglichkeiten<br />

für ihre Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> durch<br />

Diskriminierungen von Ar<strong>bei</strong>tgebern für längere<br />

Zeit aus dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt herausgefallen<br />

sind, befinden sich häufig an <strong>der</strong><br />

Schwelle zum <strong>sozialen</strong> Abstieg. Solange sie<br />

ihre ganze Kraft dafür benötigen, ›den<br />

Hintern im Machbaren zu halten‹, das heißt,<br />

für sich selbst und für ihre Kin<strong>der</strong> das<br />

Allernötigste zu organisieren, schwindet die<br />

Kraft für einen Neuanfang immer weiter.<br />

Hier müssten Türen wie<strong>der</strong> geöffnet werden.<br />

Zum Beispiel über Teilzeitbeschäftigungen<br />

o<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>maßnahmen, die<br />

nicht auf den Hartz-IV-Bezug angerechnet<br />

werden.<br />

Älteren Frauen, die ein langes, beschwerliches<br />

Ar<strong>bei</strong>tsleben hinter sich haben, entwe<strong>der</strong><br />

im Beruf, in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung, in<br />

<strong>der</strong> Pflege älterer Familienmitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />

in allen drei Bereichen, steht es schlicht<br />

und einfach zu, sich davon zu erholen und<br />

etwas für sich selbst zu tun. Das betrifft<br />

auch jene Frauen, die bereits eine Rente<br />

beziehen, die jedoch lediglich für das<br />

Notwendigste reicht und nicht für einen<br />

gesicherten Ruhestand.<br />

An einigen Stellen ist in den Interviews die<br />

›innere Mauer‹ deutlich geworden, welche die<br />

befragten Frauen vom ›normalen‹ Leben<br />

trennt. Zum Beispiel in <strong>der</strong> Aussage: ›Die<br />

gesellschaftliche Einbindung, die für ein vernünftiges<br />

Leben nötig ist, bricht weg. Ich sitze<br />

zu Hause, gucke in eine wun<strong>der</strong>schöne grüne<br />

Umgebung und denke: Und was nun? Was jetzt<br />

noch? Wie geht es weiter?‹ Diese Mauer nimmt<br />

jede <strong>der</strong> Frauen an einer an<strong>der</strong>en Stelle wahr,<br />

weil sie durch die vorherigen Lebenserfahrungen<br />

beeinflusst wird. Wer von früh auf nichts<br />

an<strong>der</strong>es kennt als Verzicht, fühlt diese Grenze<br />

woan<strong>der</strong>s als jemand, <strong>der</strong> aus einer relativ<br />

gesicherten Existenz in Armut abrutscht. Eine<br />

Frau, die sich nie über ihre berufliche Entwicklung<br />

definiert hat, son<strong>der</strong>n über das Erziehen<br />

von Kin<strong>der</strong>n, geht mit dem Verlust beruflicher<br />

Perspektiven an<strong>der</strong>s um, als eine Frau, die<br />

viel in die eigene Ausbildung investiert hat.<br />

›Dann ist man nicht mehr drinnen, dann ist<br />

man draußen‹, sagt Petra K. und kann diese<br />

Grenze für sich ganz genau markieren. Es<br />

ist die Theke in dem Treffpunkt, in dem sie<br />

als Ein-Euro-Jobberin zum Zeitpunkt des<br />

Gesprächs Kaffee und Aufmerksamkeit an<br />

Menschen ausschenkt, die bereits ganz rausgefallen<br />

sind. Noch fühlt sie sich ›drinnen‹,<br />

aber <strong>der</strong> Verlust des Jobs würde für sie neben<br />

den finanziellen Einbußen bedeuten, aus ihrem<br />

letzten <strong>sozialen</strong> Netz herauszufallen. Für<br />

Mütter wie<strong>der</strong>um ist es doppelt belastend,<br />

wenn sie sich selbst als ausgegrenzt erleben<br />

und sehen, dass bereits ihre Kin<strong>der</strong> ähnliche<br />

Erfahrungen machen.<br />

x Die in diesem Beitrag wie<strong>der</strong>gegebenen<br />

Interviewpassagen und Beobachtungen<br />

stammen alle aus dem Herbst 2010.<br />

Die Namen sind frei erfunden – außer<br />

denen <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>terinnen und Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

in den beschriebenen Einrichtungen.<br />

71


72<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

x Blick in eine bessere Zukunft?


Paul M. Schrö<strong>der</strong> x Bremer Institut für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung und Jugendberufshilfe<br />

6 Zahlen, Daten, Fakten <strong>zur</strong> Armut im Land Bremen<br />

65.000<br />

60.000<br />

55.000<br />

50.000<br />

45.000<br />

40.000<br />

35.000<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Abbildung 1.1:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremen revidierte Daten*<br />

52.979 53.074 53.153 53.212 53.114 53.223 53.624 54.139 54.587 54.619 54.553 54.587 54.351 54.139 53.621 53.304 52.844 52.798<br />

Juli 2009<br />

August 2009<br />

September 2009<br />

Oktober 2009<br />

November 2009<br />

* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA).<br />

pro tausend<br />

26.794 26.809 26.804 26.815 26.725 26.727 26.887 27.151 27.374 27.377 27.381 27.405 27.366 27.320 27.080 26.984 26.707 26.707<br />

26.185 26.265 26.349 26.397 26.389 26.496 26.737 26.988 27.213 27.242 27.172 27.182 26.985 26.819 26.541 26.320 26.137 26.091<br />

Dezember 2009<br />

Januar 2010<br />

Februar 2010<br />

März 2010<br />

Abbildung 1.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />

Stadt Bremen Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />

146 143 148<br />

15 bis unter<br />

65 Jahren<br />

146 138<br />

15 bis unter<br />

25 Jahren<br />

154<br />

182 178 187<br />

15 bis unter<br />

18 Jahren<br />

* Einwohner/innen Ende 2009<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Statistisches Landesamt Bremen, eigene Berechnungen.<br />

135<br />

April 2010<br />

125<br />

18 bis unter<br />

25 Jahren<br />

145<br />

Mai 2010<br />

Juni 2010<br />

158 151<br />

Juli 2010<br />

25 bis unter<br />

50 Jahren<br />

165<br />

August 2010<br />

September 2010<br />

132 143<br />

50 bis unter<br />

55 Jahren<br />

Oktober 2010<br />

122<br />

November 2010<br />

115<br />

Dezember 2010<br />

124<br />

55 bis unter<br />

65 Jahren<br />

Frauen<br />

Männer<br />

106<br />

Insgesamt<br />

Männer<br />

Frauen<br />

73


74<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Zu Abbildung 1.1:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II)<br />

Stadt Bremen<br />

Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />

insgesamt 52.798 Frauen und Männer im<br />

Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II angewiesen. 1 Dies waren 0,8 Prozent<br />

(425) weniger als ein Jahr zuvor.<br />

Im April des <strong>Bericht</strong>sjahres (2010) endete<br />

<strong>der</strong> seit Ende 2008 andauernde Anstieg <strong>der</strong><br />

Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Von<br />

November 2008, dem Monat, in dem <strong>der</strong> bisher<br />

niedrigste Bestand an Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Empfängern und -Empfängerinnen seit März<br />

2005 2 ermittelt wurde (50.653), bis April 2010<br />

war die Zahl <strong>der</strong> Frauen und Männer, die auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen waren, um<br />

nahezu 4.000 (7,8 Prozent) auf 54.619 gestiegen.<br />

Die bisher größte Zahl erwerbsfähiger<br />

Hilfebedürftiger im Sinne des SGB II (Hartz IV) 3<br />

wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremen mit 56.823 im<br />

Mai 2006 registriert.<br />

Von den insgesamt 52.798 Empfängerinnen<br />

und Empfängern von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II im<br />

Dezember 2010 waren 26.707 Frauen und<br />

26.091 Männer, 0,1 Prozent (20) weniger<br />

Frauen und 1,5 Prozent (405) weniger Männer<br />

als ein Jahr zuvor.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Frauen an den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen erreichte in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen im September 2008 mit 51,3 Prozent<br />

den bisher höchsten Stand. Mit dem Anstieg<br />

<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

sank <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Frauen bis April 2010<br />

auf 50,1 Prozent. Seitdem ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Frauen wie<strong>der</strong> leicht auf 50,6 Prozent im<br />

Dezember 2010 gestiegen (Dezember 2009:<br />

50,2 Prozent).<br />

Nachrichtlich: 4 In <strong>der</strong> Stadt Bremen erhielten<br />

im Dezember 2010 insgesamt 1.507 Menschen<br />

Hilfen zum Lebensunterhalt außerhalb<br />

von Einrichtungen gemäß Kapitel 3 SGB XII<br />

(Sozialhilfe), 134 (9,8 Prozent) mehr als ein<br />

Jahr zuvor. 207 davon waren Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 18 Jahren (Dezember 2009: 190),<br />

1.255 waren 18 bis unter 65 Jahre alt<br />

(Dezember 2009: 1.131) und 45 waren 65<br />

Jahre und älter (Dezember 2009: 52). Von den<br />

1.255 Menschen im Alter von 18 bis unter 65<br />

Jahren waren 630 (50,2 Prozent; Dezember<br />

2009: 563 beziehungsweise 49,8 Prozent)<br />

Frauen.<br />

1 Hier, soweit nicht an<strong>der</strong>s vermerkt, immer revidierte Daten<br />

nach einer Wartezeit von drei Monaten.<br />

2 Der dritte Monat nach Inkrafttreten des SGB II (Hartz IV);<br />

in diesem Monat dürfte die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Empfänger/innen noch unvollständig erfasst gewesen sein.<br />

3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für<br />

Ar<strong>bei</strong>tsuchende.<br />

4 Quelle: PROSOZ Bremen, übermittelt von <strong>der</strong> Senatorin für<br />

Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene<br />

Berechnungen.


Zu Abbildung 1.2:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />

1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen<br />

Stadt Bremen<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremen 5 waren im Dezember<br />

2010 von 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 146<br />

auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Dezember<br />

2009: 147). Von 1000 Männern im entsprechenden<br />

Alter waren dies 143 (Dezember<br />

2009: 146), von 1.000 Frauen 148 (wie im<br />

Dezember 2009).<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte, die Zahl <strong>der</strong><br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000<br />

Einwohner/innen, liegt in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong><br />

25- bis unter 50-Jährigen über diesem Durchschnitt,<br />

in den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter<br />

55-Jährigen und 55- bis unter 65-Jährigen<br />

darunter.<br />

Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen, wie im Durchschnitt<br />

aller Altersgruppen, 146 von 1.000<br />

Einwohnern und Einwohnerinnen dieser Altersgruppe<br />

auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen<br />

(Dezember 2009: 150). Die altersdifferenzierte<br />

Betrachtung dieser Altersgruppe zeigt: Die<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte unter den 15- bis<br />

unter 18-Jährigen ist mit 182 (Dezember 2009:<br />

194) wesentlich höher als unter den 18- bis<br />

unter 25-Jährigen. Von 1.000 Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern im Alter von 18 bis unter 25<br />

Jahren waren 135 (Dezember 2009: 137) auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Männer: 125;<br />

Frauen: 145). Die relativ geringe Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />

in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 18- bis<br />

unter 25-Jährigen in <strong>der</strong> Stadt Bremen (vgl.<br />

Bremerhaven) dürfte in erster Linie auf den<br />

hohen Teil von Studentinnen und Studenten in<br />

dieser Altersgruppe <strong>zur</strong>ückzuführen sein, die<br />

grundsätzlich keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II haben.<br />

In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen<br />

waren im Dezember 2010 158 von 1.000<br />

Einwohnern und Einwohnerinnen dieser Altersgruppe<br />

Empfänger/innen von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II (Dezember 2009: 162). In <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 50- bis unter 55-Jährigen waren dies 132<br />

(Dezember 2009: 127) und in <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen – die Altersgruppe<br />

mit <strong>der</strong> trotz weiterem Anstieg immer noch<br />

niedrigsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte 6 – 115<br />

(Dezember 2009: 110).<br />

In den Altersgruppen von 15 bis unter 25<br />

und von 25 bis unter 50 Jahren ist die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />

<strong>bei</strong> den Frauen noch immer<br />

höher als <strong>bei</strong> den Männern: 154 von 1.000<br />

<strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 15 bis unter 25<br />

Jahren (Männer: 138 von 1.000) und 165 von<br />

1.000 <strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 25 bis unter<br />

50 Jahren (Männer: 151 von 1.000). In den<br />

Altersgruppen von 50 bis unter 55 und 55 bis<br />

unter 65 Jahren liegt die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Dichte <strong>bei</strong> den Frauen dagegen noch immer<br />

deutlich unter <strong>der</strong> <strong>bei</strong> den Männern: 122 von<br />

1.000 <strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 50 bis unter<br />

55 Jahren (Männer: 143 von 1.000), 106<br />

von 1.000 <strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 55 bis<br />

unter 65 Jahren (Männer: 124 von 1.000).<br />

5 Die Quoten im Dezember 2010 beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong><br />

Einwohner/innen Ende 2009. In <strong>der</strong> Stadt Bremen lebten Ende<br />

2009 insgesamt 362.576 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />

unter 65 Jahren, darunter 180.720 Frauen. Von den 362.576<br />

Einwohnerinnen und Einwohnern im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren waren 63.208 15 bis unter 25 Jahre (darunter 31.807<br />

Frauen), 196.964 25 bis unter 50 Jahre (darunter 96.337 Frauen),<br />

37.505 50 bis unter 55 Jahre (darunter 19.138 Frauen)<br />

und 64.899 55 bis unter 65 Jahre alt (darunter 33.438 Frauen).<br />

Von den 63.208 Einwohnerinnen und Einwohnern im Alter von<br />

15 bis unter 25 Jahren waren 14.780 unter 18 Jahre (darunter<br />

7.205 Frauen) und 48.428 18 Jahre und älter (darunter 24.602<br />

Frauen).<br />

6 In dieser Altersgruppe bezieht bereits ein nicht unerheblicher Teil<br />

Altersrenten/Pensionen und hat deshalb grundsätzlich keinen<br />

Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (§ 7 Abs. 4 SGB II).<br />

75


76<br />

20.000<br />

18.000<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Abbildung 2.1:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremerhaven revidierte Daten*<br />

15.154 15.051 14.982 14.892 14.875 14.958 15.084 15.212 15.324<br />

7.614<br />

7.540<br />

Juli 2009<br />

7.579<br />

7.472<br />

August 2009<br />

7.545<br />

7.437<br />

September 2009<br />

7.486<br />

7.406<br />

Oktober 2009<br />

7.466<br />

7.409<br />

November 2009<br />

* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA).<br />

7.490<br />

7.468<br />

Dezember 2009<br />

7.553<br />

7.531<br />

Januar 2010<br />

7.565<br />

7.647<br />

Februar 2010<br />

7.634<br />

7.690<br />

März 2010<br />

15.339 15.272 15.296 15.272 15.225 15.158 15.092 14.984 14.930<br />

Abbildung 2.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />

Stadt Bremerhaven Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />

pro tausend<br />

202 197 207<br />

15 bis unter<br />

65 Jahren<br />

217 203<br />

15 bis unter<br />

25 Jahren<br />

232<br />

263 267<br />

15 bis unter<br />

18 Jahren<br />

7.632<br />

7.707<br />

April 2010<br />

7.601<br />

7.671<br />

* Einwohner/innen Ende 2009<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />

259<br />

201<br />

180<br />

18 bis unter<br />

25 Jahren<br />

224<br />

Mai 2010<br />

7.614<br />

7.682<br />

Juni 2010<br />

227<br />

215<br />

7.637<br />

7.635<br />

Juli 2010<br />

25 bis unter<br />

50 Jahren<br />

240<br />

7.596<br />

7.629<br />

August 2010<br />

170<br />

7.565<br />

7.593<br />

September 2010<br />

182<br />

50 bis unter<br />

55 Jahren<br />

7.524<br />

7.568<br />

Oktober 2010<br />

158<br />

7.474<br />

7.510<br />

November 2010<br />

7.413<br />

7.517<br />

Dezember 2010<br />

142 153<br />

55 bis unter<br />

65 Jahren<br />

Frauen<br />

Männer<br />

131<br />

Insgesamt<br />

Männer<br />

Frauen


Zu Abbildung 2.1: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

(SGB II), Stadt Bremerhaven<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven waren im Dezember<br />

insgesamt 14.930 Frauen und Männer im<br />

Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II angewiesen. Dies waren 0,2 Prozent<br />

(28) weniger als ein Jahr zuvor.<br />

Im April des <strong>Bericht</strong>sjahres (2010) endete<br />

<strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.<br />

Von November 2009, dem Monat,<br />

in dem <strong>der</strong> bisher niedrigste Bestand an<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängern und -Empfängerinnen<br />

seit Februar 2005 7 ermittelt wurde<br />

(14.875), bis April 2010 war die Zahl <strong>der</strong> Frauen<br />

und Männer, die auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

angewiesen waren, um 464 (3,1 Prozent) auf<br />

15.339 gestiegen. Die bisher größte Zahl<br />

erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des<br />

SGB II (Hartz IV) 8 wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

mit 17.405 im März 2006 registriert.<br />

Von den insgesamt 14.930 Empfängerinnen<br />

und Empfängern von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II im<br />

Dezember 2010 waren 7.413 Frauen und<br />

7.517 Männer, 1,0 Prozent (77) weniger Frauen<br />

und 0,7 Prozent (49) mehr Männer als<br />

ein Jahr zuvor.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Frauen an den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

im Oktober 2008 mit 51,0 Prozent<br />

den bisher höchsten Stand erreichte, sank im<br />

<strong>Bericht</strong>sjahr (2010) erstmals seit August 2007<br />

wie<strong>der</strong> unter 50 Prozent: 49,7 Prozent<br />

(Dezember 2009: 50,1 Prozent).<br />

Nachrichtlich: 9 Im Dezember 2010 erhielten<br />

insgesamt 281 Menschen Hilfen zum Lebensunterhalt<br />

außerhalb von Einrichtungen gemäß<br />

Kapitel 3 SGB XII (Sozialhilfe), zwei weniger als<br />

ein Jahr zuvor. 35 davon waren Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 18 Jahren, 243 waren 18 bis unter<br />

65 Jahre alt und drei waren 65 Jahre und älter.<br />

Von den 243 Menschen im Alter von 18 bis<br />

unter 65 Jahren waren 111 (45,7 Prozent)<br />

Frauen.<br />

Zu Abbildung 2.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Empfänger/innen pro 1.000<br />

Einwohner/innen nach Altersgruppen,<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 10 waren im<br />

Dezember 2010 von 1.000 Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren 202 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen<br />

(wie im Dezember 2009). Von 1.000 Männern<br />

im entsprechenden Alter waren dies 197<br />

(Dezember 2009: 196), von 1.000 Frauen 207<br />

(Dezember 2009: 209).<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte, die Zahl <strong>der</strong><br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen,<br />

lag damit in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

um 39 Prozent (Dezember 2009: 38<br />

Prozent) über <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Stadt Bremen. Bei den<br />

Männern betrug die negative Abweichung 38 Prozent<br />

(Dezember 2009: 35 Prozent), <strong>bei</strong> den Frauen<br />

40 Prozent (Dezember 2009: 41 Prozent).<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte liegt in den Altersgruppen<br />

<strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen und <strong>der</strong><br />

25- bis unter 50-Jährigen über dem Durchschnitt,<br />

in den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter 55-Jährigen<br />

und 55- bis unter 65-Jährigen darunter.<br />

In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen<br />

waren 217 von 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern<br />

auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Dezember<br />

2009: 226). Die altersdifferenzierte Betrachtung<br />

dieser Altersgruppe zeigt: Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Dichte unter den 15- bis unter 18-Jährigen ist mit<br />

263 deutlich höher als unter den 18- bis unter 25-<br />

Jährigen (201). Bei den Frauen ist dieser Unterschied<br />

zwischen diesen <strong>bei</strong>den Altersgruppen deutlich<br />

geringer ausgeprägt als <strong>bei</strong> den Männern. Von<br />

1.000 Frauen im Alter von 15 bis unter 18 Jahren<br />

waren 259 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Männer:<br />

267), von 1.000 Frauen im Alter von 18 bis<br />

unter 25 Jahren 224 (Männer: 180).<br />

In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen<br />

waren dies 227 (wie im Dezember 2009). In<br />

<strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 50- bis unter 55-Jährigen<br />

waren dies 170 (Dezember 2009: 171) und in <strong>der</strong><br />

Altersgruppe <strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen – die<br />

Altersgruppe mit <strong>der</strong> niedrigsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />

II-Dichte 11 – 142 (Dezember 2009: 134).<br />

In den Altersgruppen von 15 bis unter 25 und<br />

von 25 bis unter 50 Jahren ist die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />

<strong>bei</strong> den Frauen höher als <strong>bei</strong> den<br />

Männern: 232 von 1.000 beziehungsweise 240<br />

von 1.000 <strong>bei</strong> den Frauen, 203 von 1.000 beziehungsweise<br />

215 von 1.000 <strong>bei</strong> den Männern. In<br />

den Altersgruppen von 50 bis unter 55 und 55 bis<br />

unter 65 Jahren liegt die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />

<strong>bei</strong> den Frauen dagegen unter <strong>der</strong> <strong>bei</strong> den Männern:<br />

158 von 1.000 beziehungsweise 131 von<br />

1.000 <strong>bei</strong> den Frauen und 182 von 1.000 beziehungsweise<br />

153 von 1.000 <strong>bei</strong> den Männern.<br />

77<br />

7 Der zweite Monat nach Inkrafttreten des SGB II (Hartz IV); in diesem Monat (Februar 2005)<br />

dürfte die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen noch unvollständig erfasst<br />

gewesen sein.<br />

8 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende.<br />

9 Quelle: Open PROSOZ, übermittelt von <strong>der</strong> Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit,<br />

Jugend und Soziales.<br />

10 Die Quoten im Dezember 2010 beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong> Einwohner/innen Ende<br />

2009. In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven lebten Ende 2009 insgesamt 73.932 Einwohner/innen im<br />

Alter von 15 bis unter 65 Jahren, darunter 35.851 Frauen. Von den 73.932 Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 13.812 15 bis unter 25<br />

Jahre (darunter 6.684 Frauen), 37.254 25 bis unter 50 Jahre (darunter 17.649 Frauen),<br />

8.435 50 bis unter 55 Jahre (darunter 4.244 Frauen) und 14.431 55 bis unter 65 Jahre<br />

alt (darunter 7.274 Frauen). Von den 13.812 Einwohnerinnen und Einwohnern im Alter von<br />

15 bis unter 25 Jahren waren 3.453 unter 18 Jahre (darunter 1.635 Frauen) und 10.359<br />

18 Jahre und älter (darunter 5.049 Frauen).<br />

11 In dieser Altersgruppe bezieht bereits ein nicht unerheblicher Teil Altersrenten/Pensionen<br />

und hat deshalb grundsätzlich keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (§ 7 Abs. 4 SGB II).


78<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 1.1: Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II –<br />

Stadt Bremen<br />

revidierte Daten<br />

Dezember März Juni September Dezember<br />

2009 2010 2010 2010 2010<br />

Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 73.933 75.639 75.536 74.454 73.547<br />

Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter (Personen insgesamt)<br />

1,86 1,85 1,85 1,85 1,85<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 53.223 54.587 54.587 53.621 52.798<br />

eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,34 1,34 1,34 1,33 1,33<br />

n Männer 26.496 27.213 27.182 26.541 26.091<br />

n Frauen 26.727 27.374 27.405 27.080 26.707<br />

n Frauen (in % von eHb)<br />

Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />

50,2% 50,1% 50,2% 50,5% 50,6%<br />

15 bis unter 25 Jahren 9.494 9.845 9.909 9.550 9.243<br />

15 bis unter 25 Jahre (in % von eHb) 17,8% 18,0% 18,2% 17,8% 17,5%<br />

n Männer (15 bis unter 25) 4.481 4.657 4.694 4.493 4.337<br />

n Frauen (15 bis unter 25) 5.013 5.188 5.215 5.057 4.906<br />

n Frauen (in % von eHb 15 bis unter 25) 52,8% 52,7% 52,6% 53,0% 53,1%<br />

25 bis unter 50 Jahren 31.830 32.467 32.277 31.700 31.156<br />

25 bis unter 50 Jahre (in % von eHb) 59,8% 59,5% 59,1% 59,1% 59,0%<br />

n Männer (25 bis unter 50) 15.782 16.103 15.951 15.557 15.233<br />

n Frauen (25 bis unter 50) 16.048 16.364 16.326 16.143 15.923<br />

n Frauen (in % von eHb 25 bis unter 50) 50,4% 50,4% 50,6% 50,9% 51,1%<br />

50 bis unter 55 Jahren 4.758 4.952 4.983 4.955 4.967<br />

50 bis unter 55 Jahre (in % von eHb) 8,9% 9,1% 9,1% 9,2% 9,4%<br />

n Männer (50 bis unter 55) 2.491 2.608 2.628 2.586 2.625<br />

n Frauen (50 bis unter 55) 2.267 2.344 2.355 2.369 2.342<br />

n Frauen (in % von eHb 50 bis unter 55) 47,6% 47,3% 47,3% 47,8% 47,2%<br />

55 bis unter 65 Jahren 7.141 7.323 7.418 7.416 7.432<br />

55 bis unter 65 Jahre (in % von eHb) 13,4% 13,4% 13,6% 13,8% 14,1%<br />

n Männer (55 bis unter 65) 3.742 3.845 3.909 3.905 3.896<br />

n Frauen (55 bis unter 65) 3.399 3.478 3.509 3.511 3.536<br />

n Frauen (in % von eHb 55 bis unter 65) 47,6% 47,5% 47,3% 47,3% 47,6%<br />

1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II) und nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />

2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 1.1:<br />

Empfängerinnen und Empfänger<br />

von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

Stadt Bremen<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremen lebten im Dezember 2010<br />

insgesamt 73.547 Menschen im Alter von<br />

unter 65 Jahren in 39.789 sogenannten SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften 12 , darunter 52.798<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />

SGB II 13 . Dies waren insgesamt 386 (0,5 Prozent)<br />

Hilfebedürftige weniger als ein Jahr zuvor<br />

– 425 (0,8 Prozent) weniger erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige und 39 (0,2 Prozent) mehr nicht<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />

Im Dezember 2010 lag die Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />

hilfebedürftigen Männer 405 (1,5 Prozent),<br />

die <strong>der</strong> erwerbsfähigen hilfebedürftigen<br />

Frauen 20 (0,1 Prozent) unter dem entsprechenden<br />

Bestand ein Jahr zuvor. Der Anteil <strong>der</strong><br />

Frauen an den 52.798 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

im Dezember 2010 betrug 50,6 Prozent<br />

(Dezember 2009: 50,2 Prozent).<br />

In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong><br />

Stadt Bremen lebten im Dezember 2010 durchschnittlich<br />

1,85 Personen (Dezember 2009:<br />

1,86), davon 1,33 erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

und 0,52 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />

17,5 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

im Dezember 2010 waren 15 bis unter 25<br />

Jahre (Dezember 2009 17,8 Prozent), 59,0<br />

Prozent waren 25 bis unter 50 Jahre (Dezember<br />

2009: 59,8 Prozent), 9,4 Prozent waren 50<br />

bis unter 55 Jahre (Dezember 2009: 8,9 Prozent)<br />

und 14,1 Prozent waren 55 bis unter 65<br />

Jahre alt (Dezember 2009: 13,4 Prozent). Der<br />

Anteil <strong>der</strong> älteren erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt ist im Vergleich zum Dezember<br />

2009 weiter gestiegen. Im Dezember 2010<br />

waren 23,5 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen 50 Jahre und älter. Im Dezember<br />

2009 waren dies 22,4 Prozent. 14<br />

Der im <strong>Bericht</strong>sjahr (2010) leicht gestiegene<br />

Anteil <strong>der</strong> Frauen an den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Empfängerinnen und -Empfängern ist in <strong>der</strong><br />

Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen am<br />

höchsten. Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong><br />

Stadt Bremen 53,1 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen im Alter von 15 bis unter 25<br />

Jahren Frauen (Dezember 2009: 52,8 Prozent).<br />

Auch in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25- bis unter<br />

50-Jährigen lag <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Frauen an den<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfängern<br />

im Dezember 2010 mit 51,1 Prozent<br />

über dem Durchschnitt von 50,6 Prozent. 15<br />

In den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter 55und<br />

55- bis unter 65-Jährigen lag <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

mit 47,2 beziehungsweise 47,6 Prozent<br />

(Dezember 2010) weiterhin deutlich unter dem<br />

Anteil <strong>der</strong> Frauen an den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen insgesamt.<br />

Nachrichtlich: 57,5 Prozent <strong>der</strong> 54.587<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Juni 2010 16<br />

waren bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger 17 auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen. Von den 27.182<br />

Männern waren dies 54,2 Prozent, von den<br />

27.405 Frauen 60,7 Prozent. In <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 50- bis unter 65-Jährigen waren 71,8<br />

Prozent <strong>der</strong> 12.401 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger hilfebedürftig<br />

im Sinne des SGB II.<br />

12 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />

vergleiche Tabelle 2.1.<br />

13 Neben den 52.798 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

20.749 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />

Empfänger/innen), darunter 19.823 Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />

15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />

14 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />

15 Eine differenzierte Betrachtung <strong>der</strong> Altersstruktur <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen (z.B. in Fünf-Jahres-Altersgruppen)<br />

würde vermutlich zeigen, dass <strong>der</strong> Frauenanteil insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den Altersgruppen <strong>der</strong> 25- bis unter 30- und 30- bis unter<br />

35-Jährigen noch über diesen 51,1 Prozent liegt. Die einseitige<br />

Verteilung <strong>der</strong> Betreuungspflichten für Kin<strong>der</strong> dürfte – in Verbindung<br />

mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten – <strong>der</strong><br />

wesentliche Grund dafür sein.<br />

16 Daten <strong>zur</strong> Verweildauer <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im<br />

Dezember 2010 liegen gegenwärtig noch nicht vor.<br />

17 ›Die ›bisherige Dauer‹ misst, wie lange ein Hilfebedürftiger bis<br />

zum Messzeitpunkt dem Bestand angehört‹ (Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur<br />

für Ar<strong>bei</strong>t).<br />

79


80<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 1.2: Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II –<br />

Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten<br />

Dezember März Juni September Dezember<br />

2009 2010 2010 2010 2010<br />

Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 20.779 21.200 21.121 20.988 20.690<br />

Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter (Personen insgesamt)<br />

1,91 1,90 1,89 1,88 1,88<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 14.958 15.324 15.296 15.158 14.930<br />

eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,37 1,37 1,37 1,36 1,36<br />

n Männer 7.468 7.690 7.682 7.593 7.517<br />

n Frauen 7.490 7.634 7.614 7.565 7.413<br />

n Frauen (in % von eHb)<br />

Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />

50,1% 49,8% 49,8% 49,9% 49,7%<br />

15 bis unter 25 Jahren 3.124 3.239 3.191 3.081 2.996<br />

15 bis unter 25 Jahre (in % von eHb) 20,9% 21,1% 20,9% 20,3% 20,1%<br />

n Männer (15 bis unter 25) 1.513 1.568 1.524 1.471 1.444<br />

n Frauen (15 bis unter 25) 1.611 1.671 1.667 1.610 1.552<br />

n Frauen (in % von eHb 15 bis unter 25) 51,6% 51,6% 52,2% 52,3% 51,8%<br />

25 bis unter 50 Jahren 8.456 8.624 8.617 8.575 8.450<br />

25 bis unter 50 Jahre (in % von eHb) 56,5% 56,3% 56,3% 56,6% 56,6%<br />

n Männer (25 bis unter 50) 4.173 4.285 4.299 4.269 4.213<br />

n Frauen (25 bis unter 50) 4.283 4.339 4.318 4.306 4.237<br />

n Frauen (in % von eHb 25 bis unter 50) 50,7% 50,3% 50,1% 50,2% 50,1%<br />

50 bis unter 55 Jahren 1.445 1.489 1.475 1.452 1.433<br />

50 bis unter 55 Jahre (in % von eHb) 9,7% 9,7% 9,6% 9,6% 9,6%<br />

n Männer (50 bis unter 55) 759 790 776 762 764<br />

n Frauen (50 bis unter 55) 686 699 699 690 669<br />

n Frauen (in % von eHb 50 bis unter 55) 47,5% 46,9% 47,4% 47,5% 46,7%<br />

55 bis unter 65 Jahren 1.933 1.972 2.013 2.050 2.051<br />

55 bis unter 65 Jahre (in % von eHb) 12,9% 12,9% 13,2% 13,5% 13,7%<br />

n Männer (55 bis unter 65) 1.023 1.047 1.083 1.091 1.096<br />

n Frauen (55 bis unter 65) 910 925 930 959 955<br />

n Frauen (in % von eHb 55 bis unter 65) 47,1% 46,9% 46,2% 46,8% 46,6%<br />

1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II) und nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />

2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 1.2:<br />

Empfängerinnen und Empfänger<br />

von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven lebten im Dezember<br />

2010 insgesamt 20.690 Menschen im Alter von<br />

unter 65 Jahren in 11.017 sogenannten SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften 18 , darunter 14.930<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />

SGB II. 19 Dies waren insgesamt 89 (0,4 Prozent)<br />

Hilfebedürftige weniger als ein Jahr zuvor<br />

– 28 (0,2 Prozent) weniger erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige und 61 (1,0 Prozent)<br />

weniger nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />

Im Dezember 2010 lag die Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />

hilfebedürftigen Männer 49 (0,7 Prozent)<br />

über und die <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />

hilfebedürftigen Frauen 77 (1,0 Prozent) unter<br />

dem entsprechenden Bestand ein Jahr zuvor.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Frauen an den 14.930 erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen im Dezember 2010<br />

betrug 49,7 Prozent (7.413) – 0,4 Prozentpunkte<br />

weniger als ein Jahr zuvor.<br />

In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong><br />

Stadt Bremerhaven lebten im Dezember 2010<br />

durchschnittlich 1,88 Personen (Dezember<br />

2009: 1,91), davon 1,36 erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige und 0,52 nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige.<br />

20,1 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

im Dezember 2010 waren 15 bis unter 25<br />

Jahre (Dezember 2009: 20,9 Prozent), 56,6<br />

Prozent waren 25 bis unter 50 Jahre (Dezember<br />

2009: 56,5 Prozent), 9,6 Prozent waren 50<br />

bis unter 55 Jahre (Dezember 2009: 9,7 Prozent)<br />

und 13,7 Prozent waren 55 bis unter 65<br />

Jahre alt (Dezember 2009: 12,9 Prozent). Der<br />

Anteil <strong>der</strong> älteren erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt ist im Vergleich zum Dezember<br />

2009 weiter gestiegen. Im Dezember 2010<br />

waren 23,3 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen 50 Jahre und älter. Im Dezember<br />

2009 waren dies 22,6 Prozent.<br />

Beim Vergleich mit den entsprechenden<br />

Daten für die Stadt Bremen fällt auf: Der Anteil<br />

<strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen an den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen ist auch im Dezember<br />

2010 in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven noch immer<br />

deutlich größer als in <strong>der</strong> Stadt Bremen. 20<br />

Der im Verlauf <strong>der</strong> letzten zwölf Monate<br />

(Dezember 2009 bis Dezember 2010) leicht<br />

gesunkene Anteil <strong>der</strong> Frauen an den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />

und -Empfängern ist<br />

in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen<br />

am höchsten. Im Dezember 2010 waren in<br />

<strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 51,8 Prozent <strong>der</strong><br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Alter von 15<br />

bis unter 25 Jahren Frauen (Dezember 2009:<br />

51,6 Prozent). Leicht über dem Durchschnitt<br />

lag im Dezember 2010 auch <strong>der</strong> im Verlauf des<br />

<strong>Bericht</strong>sjahres auf 50,1 Prozent gesunkene<br />

Anteil <strong>der</strong> Frauen in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25bis<br />

unter 50-Jährigen (Dezember 2009: 50,7<br />

Prozent). 21<br />

In den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter 55und<br />

55- bis unter 65-Jährigen lag <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

im Dezember 2010 mit 46,7 beziehungsweise<br />

46,6 Prozent deutlich unter dem Anteil <strong>der</strong><br />

Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt (Dezember 2009: 47,5 Prozent<br />

beziehungsweise 47,1 Prozent).<br />

Nachrichtlich: 60,5 Prozent <strong>der</strong> 15.296<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Juni 2010 22<br />

waren bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger 23 auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen. Von den 7.682<br />

Männern waren dies 57,5 Prozent, von den<br />

7.614 Frauen 63,6 Prozent. In <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 50- bis unter 65-Jährigen waren 72,9 Prozent<br />

<strong>der</strong> 3.488 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger hilfebedürftig im<br />

Sinne des SGB II.<br />

18 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

vergleiche Tabelle 2.2.<br />

19 Neben den 14.930 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

5.760 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />

Empfänger/innen), darunter 5.571 Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />

15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />

20 Vergleiche Tabelle 1.1.<br />

21 Eine differenzierte Betrachtung <strong>der</strong> Altersstruktur <strong>der</strong> Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen (z. B. in Fünf-Jahres-Altersgruppen)<br />

würde vermutlich zeigen, dass <strong>der</strong> Frauenanteil insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den Altersgruppen <strong>der</strong> 25- bis unter 30- und 30- bis unter<br />

35-Jährigen über diesen 50,1 Prozent liegt. Die einseitige Verteilung<br />

<strong>der</strong> Betreuungspflichten für Kin<strong>der</strong> dürfte – in Verbindung<br />

mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten – <strong>der</strong> wesentliche<br />

Grund dafür sein.<br />

22 Daten <strong>zur</strong> Verweildauer <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im<br />

Dezember 2010 liegen gegenwärtig noch nicht vor.<br />

23 Die ›bisherige Dauer‹ misst, wie lange ein Hilfebedürftiger bis<br />

zum Messzeitpunkt dem Bestand angehört (Statistik <strong>der</strong><br />

Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t).<br />

81


82<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 2.1:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremen<br />

revidierte Daten<br />

Dezember März Juni September Dezember<br />

2009 2010 2010 2010 2010<br />

Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />

davon (BG = 100%)<br />

39.826 40.815 40.801 40.260 39.789<br />

n mit einer Person 1<br />

23.005 23.648 23.697 23.404 23.158<br />

n mit einer Person 1 (in % von BG) 57,8% 57,9% 58,1% 58,1% 58,2%<br />

n mit zwei Personen 2<br />

7.496 7.680 7.643 7.576 7.490<br />

n mit zwei Personen 2 (in % von BG) 18,8% 18,8% 18,7% 18,8% 18,8%<br />

n mit drei Personen 2<br />

4.604 4.638 4.612 4.521 4.440<br />

n mit drei Personen 2 (in % von BG) 11,6% 11,4% 11,3% 11,2% 11,2%<br />

n mit vier Personen 2<br />

2.713 2.796 2.799 2.731 2.671<br />

n mit vier Personen 2 (in % von BG) 6,8% 6,9% 6,9% 6,8% 6,7%<br />

n mit fünf und mehr Personen 2<br />

2.008 2.053 2.050 2.028 2.030<br />

n mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 5,0% 5,0% 5,0% 5,0% 5,1%<br />

davon (BG = 100%)<br />

n mit einer/einem eHb 3<br />

29.146 29.835 29.854 29.572 29.271<br />

n mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 73,2% 73,1% 73,2% 73,5% 73,6%<br />

n mit zwei eHb 3<br />

8.362 8.616 8.582 8.409 8.305<br />

n mit zwei eHb 3 (in % von BG) 21,0% 21,1% 21,0% 20,9% 20,9%<br />

n mit drei eHb 3<br />

1.568 1.591 1.603 1.506 1.465<br />

n mit drei eHb 3 (in % von BG) 3,9% 3,9% 3,9% 3,7% 3,7%<br />

n mit vier und mehr eHb 3<br />

623 644 647 638 593<br />

n mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,6% 1,6% 1,6% 1,6% 1,5%<br />

n ohne eHb 4<br />

127 129 115 135 155<br />

n ohne eHb 4 (in % von BG) 0,3% 0,3% 0,3% 0,3% 0,4%<br />

darunter (BG = 100%)<br />

n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (BG mit Kin<strong>der</strong>n) 11.833 12.009 11.939 11.851 11.798<br />

n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (in % von BG)<br />

davon (BG mit Kin<strong>der</strong>n = 100%)<br />

29,7% 29,4% 29,3% 29,4% 29,7%<br />

n mit einem Kind 6.454 6.538 6.500 6.436 6.418<br />

n mit einem Kind (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 54,5% 54,4% 54,4% 54,3% 54,4%<br />

n mit zwei Kin<strong>der</strong>n 3.571 3.629 3.603 3.585 3.544<br />

n mit zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 30,2% 30,2% 30,2% 30,3% 30,0%<br />

n mit drei Kin<strong>der</strong>n 1.258 1.272 1.267 1.256 1.262<br />

n mit drei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 10,6% 10,6% 10,6% 10,6% 10,7%<br />

n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 550 570 569 574 574<br />

n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 4,6% 4,7% 4,8% 4,8% 4,9%<br />

1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahren) (= Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II)<br />

4 BG ohne erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n); ›eHb mit Ausschlussgrund, vor allem (alleinerziehende) Studentinnen/Studenten mit Kind,<br />

die selbst keinen Anspruch auf Alg II haben (wg. grundsätzlichem Anspruch auf BAföG), aber Anspruch auf SGB-II-Leistung für ihr Kind<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 2.1:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

Stadt Bremen<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremen wurden im Dezember<br />

2010 insgesamt 39.789 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />

im Sinne des SGB II 24 gezählt,<br />

37 (0,1 Prozent) weniger als im Dezember<br />

2009.<br />

In 58,2 Prozent (23.158) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />

lebte jeweils lediglich eine Person<br />

(Dezember 2009: 57,8 Prozent).<br />

In 18,8 Prozent (7.490) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten zwei, in 11,2 Prozent (4.440)<br />

drei, in 6,7 Prozent (2.671) vier und in 5,1<br />

Prozent (2.030) fünf und mehr Personen – in<br />

<strong>der</strong> Regel mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />

und weitere erwerbsfähige o<strong>der</strong> nicht<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige. 25<br />

73,6 Prozent (29.271) <strong>der</strong> insgesamt<br />

39.789 Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen waren Bedarfsgemeinschaften, in<br />

denen lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />

lebte (Dezember 2009: 73,2 Prozent).<br />

In den Bedarfsgemeinschaften mit einem<br />

o<strong>der</strong> einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

lebten 55,4 Prozent (29.271) <strong>der</strong> insgesamt<br />

52.798 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

(Dezember 2009: 54,8 Prozent).<br />

Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten<br />

in 20,9 Prozent (8.305) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />

Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

lebten insgesamt 16.610 beziehungsweise<br />

31,5 Prozent <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

in <strong>der</strong> Stadt Bremen (Dezember<br />

2009: 21,0 Prozent <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />

beziehungsweise 31,4 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen).<br />

Drei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />

1.465 (3,7 Prozent; Dezember 2009: 3,9 Prozent),<br />

vier und mehr in 593 (1,5 Prozent;<br />

Dezember 2009: 1,6 Prozent) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />

Im Dezember 2010 lebten in 29,7 Prozent<br />

(11.798) <strong>der</strong> SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in<br />

<strong>der</strong> Stadt Bremen Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />

15 Jahren (wie im Dezember 2009).<br />

In 54,4 Prozent (6.418) dieser 11.798<br />

Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />

von unter 15 Jahren. In 30,0 Prozent (3.544)<br />

<strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n lebten<br />

zwei, in 10,7 Prozent (1.262) drei und in 4,9<br />

Prozent (574) vier und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 15 Jahren.<br />

24 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />

25 155 Bedarfsgemeinschaften waren im Dezember 2010 als<br />

Bedarfsgemeinschaften ohne eine(n) erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n)<br />

erfasst. Es handelt sich hier um Bedarfsgemeinschaften,<br />

in denen <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Erwerbsfähige keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II haben. Da<strong>bei</strong> handelt es sich nach Auskunft <strong>der</strong><br />

Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t vor allem um (alleinerziehende)<br />

Studentinnen/Studenten mit Kind(ern). Diese haben wegen<br />

eines grundsätzlichen Anspruchs auf Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

(BAföG) keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, aber gegebenenfalls<br />

Anspruch auf SGB-II-Leistungen für ihr(e) Kind(er).<br />

83


84<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 2.2:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten<br />

Dezember März Juni September Dezember<br />

2009 2010 2010 2010 2010<br />

Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />

davon (BG = 100%)<br />

10.906 11.158 11.179 11.147 11.017<br />

n mit einer Person 1<br />

6.068 6.233 6.286 6.335 6.297<br />

n mit einer Person 1 (in % von BG) 55,6% 55,9% 56,2% 56,8% 57,2%<br />

n mit zwei Personen 2<br />

2.163 2.217 2.228 2.171 2.123<br />

n mit zwei Personen 2 (in % von BG) 19,8% 19,9% 19,9% 19,5% 19,3%<br />

n mit drei Personen 2<br />

1.327 1.323 1.284 1.277 1.259<br />

n mit drei Personen 2 (in % von BG) 12,2% 11,9% 11,5% 11,5% 11,4%<br />

n mit vier Personen 2<br />

728 753 760 731 715<br />

n mit vier Personen 2 (in % von BG) 6,7% 6,7% 6,8% 6,6% 6,5%<br />

n mit fünf und mehr Personen 2<br />

620 632 621 633 623<br />

n mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 5,7% 5,7% 5,6% 5,7% 5,7%<br />

davon (BG = 100%)<br />

n mit einer/einem eHb 3<br />

7.777 7.951 8.013 8.027 7.981<br />

n mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 71,3% 71,3% 71,7% 72,0% 72,4%<br />

n mit zwei eHb 3<br />

2.418 2.473 2.428 2.422 2.339<br />

n mit zwei eHb 3 (in % von BG) 22,2% 22,2% 21,7% 21,7% 21,2%<br />

n mit drei eHb 3<br />

506 512 528 486 487<br />

n mit drei eHb 3 (in % von BG) 4,6% 4,6% 4,7% 4,4% 4,4%<br />

n mit vier und mehr eHb 3<br />

192 209 197 195 191<br />

n mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,8% 1,9% 1,8% 1,7% 1,7%<br />

n ohne eHb 4<br />

13 13 13 17 19<br />

n ohne eHb 4 (in % von BG) 0,1% 0,1% 0,1% 0,2% 0,2%<br />

darunter (BG = 100%)<br />

n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (BG mit Kin<strong>der</strong>n) 3.290 3.328 3.296 3.277 3.234<br />

n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (in % von BG)<br />

davon (BG mit Kin<strong>der</strong>n = 100%)<br />

30,2% 29,8% 29,5% 29,4% 29,4%<br />

n mit einem Kind 1.786 1.812 1.788 1.758 1.737<br />

n mit einem Kind (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 54,3% 54,4% 54,2% 53,6% 53,7%<br />

n mit zwei Kin<strong>der</strong>n 942 946 948 948 940<br />

n mit zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 28,6% 28,4% 28,8% 28,9% 29,1%<br />

n mit drei Kin<strong>der</strong>n 370 384 375 378 359<br />

n mit drei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 11,2% 11,5% 11,4% 11,5% 11,1%<br />

n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 192 186 185 193 198<br />

n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 5,8% 5,6% 5,6% 5,9% 6,1%<br />

1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahren) (= Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II)<br />

4 BG ohne erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n); ›eHb mit Ausschlussgrund‹, vor allem (alleinerziehende)<br />

Studentinnen/Studenten mit Kind, die selbst keinen Anspruch auf Alg II haben (wg. grundsätzlichem Anspruch auf<br />

BAföG), aber Anspruch auf SGB-II-Leistung für ihr Kind<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 2.2:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven wurden im Dezember<br />

2010 insgesamt 11.017 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />

im Sinne des SGB II 26 gezählt,<br />

111 (1,0 Prozent) mehr als im Dezember 2009.<br />

In 57,2 Prozent (6.297) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />

lebte jeweils lediglich eine Person<br />

(Dezember 2009: 55,6 Prozent).<br />

In 19,3 Prozent (2.123) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten zwei, in 11,4 Prozent (1.259)<br />

drei, in 6,5 Prozent (715) vier und in 5,7 Prozent<br />

(623) fünf und mehr Personen – in <strong>der</strong><br />

Regel mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />

und weitere erwerbsfähige o<strong>der</strong> nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige. 27<br />

72,4 Prozent (7.981) <strong>der</strong> insgesamt 11.017<br />

Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

waren Bedarfsgemeinschaften, in denen<br />

lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger lebte<br />

(Dezember 2009: 71,3 Prozent).<br />

In den Bedarfsgemeinschaften mit einem<br />

o<strong>der</strong> einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebten<br />

53,5 Prozent (7.981) <strong>der</strong> insgesamt 14.930<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen.<br />

Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />

21,2 Prozent (2.339) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />

Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebten<br />

insgesamt 4.678 beziehungsweise 31,3 Prozent<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in <strong>der</strong><br />

Stadt Bremerhaven (Dezember 2009: 22,2 Prozent<br />

<strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften beziehungsweise<br />

32,3 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen).<br />

Drei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in 487<br />

(4,4 Prozent; Dezember 2009: 4,6 Prozent),<br />

vier und mehr in 191 (1,7 Prozent; Dezember<br />

2009: 1,8 Prozent) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />

Im Dezember 2010 lebten in 29,4 Prozent<br />

(3.234) <strong>der</strong> SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong><br />

Stadt Bremerhaven Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />

15 Jahren (Dezember 2009: 30,2 Prozent).<br />

In 53,7 Prozent (1.737) dieser 3.234<br />

Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />

von unter 15 Jahren. In 29,1 Prozent (940) <strong>der</strong><br />

Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n lebten zwei,<br />

in 11,1 Prozent (359) drei und in 6,1 Prozent<br />

(198) vier und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />

15 Jahren.<br />

26 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />

27 19 Bedarfsgemeinschaften waren im Dezember 2010 als<br />

Bedarfsgemeinschaften ohne eine(n) erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n)<br />

erfasst. Es handelt sich hier um Bedarfsgemeinschaften,<br />

in denen <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Erwerbsfähige keinen Anspruch auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II haben. Da<strong>bei</strong> handelt es sich nach Auskunft<br />

<strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t vor allem um (alleinerziehende)<br />

Studentinnen/Studenten mit Kind(ern). Diese haben<br />

wegen eines grundsätzlichen Anspruchs auf Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

(BAföG) keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, aber gegebenenfalls<br />

Anspruch auf SGB-II-Leistungen für ihr(e) Kind(er).<br />

85


86<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 3.1: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose<br />

im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremen<br />

Alg II: revidierte Daten<br />

Dezember März Juni September Dezember<br />

2009 2010 2010 2010 2010<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 53.223 54.587 54.587 53.621 52.798<br />

n Männer 26.496 27.213 27.182 26.541 26.091<br />

n Frauen 26.727 27.374 27.405 27.080 26.707<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II 22.485 23.620 23.470 23.424 22.672<br />

in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 42,2% 43,3% 43,0% 43,7% 42,9%<br />

n Männer 12.748 13.387 13.190 13.026 12.703<br />

n Männer (in % von eHb – Männer) 48,1% 49,2% 48,5% 49,1% 48,7%<br />

n Frauen 9.737 10.233 10.280 10.398 9.969<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen) 36,4% 37,4% 37,5% 38,4% 37,3%<br />

eHb – 15 bis unter 25 Jahren 9.494 9.845 9.909 9.550 9.243<br />

n Männer (15 bis unter 25) 4.481 4.657 4.694 4.493 4.337<br />

n Frauen (15 bis unter 25) 5.013 5.188 5.215 5.057 4.906<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – unter 25 Jahren 1.761 1.926 1.910 1.836 1.823<br />

in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahren 18,5% 19,6% 19,3% 19,2% 19,7%<br />

n Männer (15 bis unter 25) 1.018 1.099 1.066 1.014 1.041<br />

n Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 22,7% 23,6% 22,7% 22,6% 24,0%<br />

n Frauen (15 bis unter 25) 743 827 844 822 782<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 14,8% 15,9% 16,2% 16,3% 15,9%<br />

eHb – 25 bis unter 55 Jahren 36.588 37.419 37.260 36.655 36.123<br />

n Männer (25 bis unter 55) 18.273 18.711 18.579 18.143 17.858<br />

n Frauen (25 bis unter 55) 18.315 18.708 18.681 18.512 18.265<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahren 18.604 19.444 19.189 19.190 18.403<br />

in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahren 50,8% 52,0% 51,5% 52,4% 50,9%<br />

n Männer (25 bis unter 55) 10.595 11.076 10.820 10.703 10.310<br />

n Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 58,0% 59,2% 58,2% 59,0% 57,7%<br />

n Frauen (25 bis unter 55) 8.009 8.368 8.369 8.487 8.093<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 43,7% 44,7% 44,8% 45,8% 44,3%<br />

eHb – 55 bis unter 65 Jahren 7.141 7.323 7.418 7.416 7.432<br />

n Männer (55 bis unter 65) 3.742 3.845 3.909 3.905 3.896<br />

n Frauen (55 bis unter 65) 3.399 3.478 3.509 3.511 3.536<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahren 2.120 2.250 2.371 2.398 2.446<br />

in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahren 29,7% 30,7% 32,0% 32,3% 32,9%<br />

n Männer (55 bis unter 65) 1.135 1.212 1.304 1.309 1.352<br />

n Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 30,3% 31,5% 33,4% 33,5% 34,7%<br />

n Frauen (55 bis unter 65) 985 1.038 1.067 1.089 1.094<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 29,0% 29,8% 30,4% 31,0% 30,9%<br />

1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 3.1:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />

registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />

Stadt Bremen<br />

Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />

0,8 Prozent (425) weniger Frauen und<br />

Männer auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen als<br />

ein Jahr zuvor. Im entsprechenden Zeitraum<br />

stieg die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosen im Rechtskreis<br />

SGB II um 0,8 Prozent (187).<br />

Von den 52.798 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />

und -Empfängern waren 42,9 Prozent<br />

(22.672) als Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />

registriert 28 (Dezember 2009: 42,2 Prozent).<br />

Demnach waren 30.126 (57,1 Prozent)<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen nicht<br />

ar<strong>bei</strong>tslos beziehungsweise nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose<br />

registriert, 612 (2,0 Prozent) weniger als<br />

ein Jahr zuvor. Die Gründe für die Zuordnung<br />

von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängern und -Empfängerinnen<br />

zum Status ›nicht ar<strong>bei</strong>tslos‹ sind<br />

im Wesentlichen: Schulbesuch, Erwerbstätigkeit<br />

von mindestens 15 Wochenstunden, Teilnahme<br />

an einer Maßnahme <strong>zur</strong> ›Einglie<strong>der</strong>ung<br />

in Ar<strong>bei</strong>t‹ o<strong>der</strong> ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen<br />

<strong>der</strong> Betreuung von Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> pflegebedürftigen<br />

Angehörigen.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslos registrierten<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt differiert<br />

alters-, geschlechtsspezifisch und auch<br />

zwischen den Stadtteilen erheblich.<br />

Im Dezember 2010 waren 48,7 Prozent <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger (männlich), aber<br />

nur 37,3 Prozent <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />

als Ar<strong>bei</strong>tslose registriert. 29 Die<br />

erheblich niedrigere Quote <strong>bei</strong> den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />

dürfte im Wesentlichen<br />

auf die ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen<br />

<strong>der</strong> Betreuung von (kleinen) Kin<strong>der</strong>n <strong>zur</strong>ückzuführen<br />

sein. 30<br />

In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-<br />

Jährigen waren lediglich 19,7 Prozent <strong>der</strong><br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als Ar<strong>bei</strong>tslose<br />

im Rechtskreis SGB II registriert: 24,0 Prozent<br />

<strong>der</strong> männlichen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

und lediglich 15,9 Prozent <strong>der</strong> weiblichen<br />

(Dezember 2009: 22,7 Prozent Männer; 14,8<br />

Prozent Frauen).<br />

Die höchste Quote (Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosen<br />

im Rechtskreis SGB II an den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen) wurde für die Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 25- bis unter 55-Jährigen errechnet. Sie<br />

betrug im Dezember 2010 50,9 Prozent <strong>bei</strong><br />

den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dieser<br />

Altersgruppe insgesamt (Dezember 2009:<br />

50,8 Prozent). Von den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Empfängern (männlich) dieser Altersgruppe<br />

waren 57,7 Prozent registriert (Dezember<br />

2009: 58,0 Prozent), von den Ar<strong>bei</strong>tslosen-<br />

geld-II-Empfängerinnen lediglich 44,3 Prozent<br />

(Dezember 2009: 43,7 Prozent).<br />

Eine sehr niedrige, im <strong>Bericht</strong>sjahr (2010)<br />

aber leicht gestiegene Quote wurde für die<br />

Altersgruppe <strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen<br />

ermittelt: nur 32,9 Prozent (Dezember 2009:<br />

29,7 Prozent). Männer: 34,7 Prozent (Dezember<br />

2009: 30,3 Prozent); Frauen: 30,9 Prozent<br />

(Dezember 2009: 29,0 Prozent). 31<br />

In den Bremer Stadtteilen reicht <strong>der</strong> Anteil<br />

<strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslos registrierten erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen an den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen insgesamt, <strong>bei</strong> einem Durchschnitt<br />

von 42,6 Prozent im September 2010 32<br />

von 52,0 Prozent im Stadtteil Mitte bis lediglich<br />

35,0 Prozent im Stadtteil Osterholz und<br />

33,1 Prozent im Stadtteil Vahr. 33<br />

28 Spätere integrierte Auswertungen zeigen: Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />

liegt mit 42,2 Prozent unter dieser Quote. Die Gründe für diese Abweichungen:<br />

zeitverzögert erfasste Rechtskreiswechsel und kurzzeitige Leistungsunterbrechungen.<br />

Als Ar<strong>bei</strong>t suchend galten im Dezember 2010 70,7 Prozent (37.353) <strong>der</strong><br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t;<br />

eigene Berechnungen.<br />

29 Diese geschlechtsspezifischen Quoten beziehen sich auf die registrierten<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosen im Rechtskreis SGB II und die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Die<br />

spätere integrierte Auswertung zu Leistungsbezug und registrierter Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

in <strong>der</strong> Stadt Bremen ergab, dass im Dezember 2010 von den männlichen<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 48,2 Prozent und von den weiblichen erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen lediglich 36,4 Prozent als Ar<strong>bei</strong>tslose registriert waren.<br />

Als Ar<strong>bei</strong>t suchend galten im Dezember 2010 77,5 Prozent (20.215) <strong>der</strong> männlichen<br />

und 64,2 Prozent (17.138) <strong>der</strong> weiblichen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; eigene Berechnungen.<br />

30 Die ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen <strong>der</strong> Betreuung von Kin<strong>der</strong>n sollte jedoch in<br />

<strong>der</strong> Regel nur dann gegeben sein, wenn die Kin<strong>der</strong> noch nicht das dritte Lebensjahr<br />

vollendet haben. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II sollen die zuständigen<br />

kommunalen Träger darauf hinwirken, ›dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig<br />

ein Platz <strong>zur</strong> Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird, ...‹. Dies wird<br />

vermutlich oft so interpretiert, dass diese Plätze erst dann angeboten werden,<br />

wenn erwerbsfähige Erziehende einen Ar<strong>bei</strong>tsplatz in Aussicht haben.<br />

31 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 <strong>der</strong> Verweis auf § 428 SGB III in § 65<br />

Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und ältere erwerbsfähige ar<strong>bei</strong>tslose<br />

Hilfebedürftige wegen eingeschränkter Verfügbarkeit nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose zu<br />

registrieren. Für Neufälle im Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 <strong>der</strong><br />

Absatz 2 im neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige Hilfebedürftige,<br />

die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf<br />

Monaten Leistungen <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende bezogen haben,<br />

ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten<br />

worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums für die Dauer des jeweiligen<br />

Leistungsbezugs nicht als ar<strong>bei</strong>tslos.‹ Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen 1.018 erwerbsfähige Hilfebedürftige im Alter von über 58 Jahren auf<br />

Grundlage von § 53a Abs. 2 SGB II nicht als ar<strong>bei</strong>tslos registriert (Dezember<br />

2009: 701). Datenquelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t, Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in<br />

Zahlen, Kreisreport 31.03.<strong>2011</strong>.<br />

32 Die Daten für Dezember 2010 lagen <strong>bei</strong> Redaktionsschluss noch nicht vor.<br />

Zur durchschnittlichen Quote von 42,6 Prozent im September 2010<br />

(im Vergleich zu 43,7 Prozent in <strong>der</strong> Tabelle 3.1) vgl. Fußnote 28.<br />

33 Ohne Stadtteil Häfen.<br />

87


88<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 3.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose<br />

im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremerhaven<br />

Alg II: revidierte Daten<br />

Dezember März Juni September Dezember<br />

2009 2010 2010 2010 2010<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 14.958 15.324 15.296 15.158 14.930<br />

n Männer 7.468 7.690 7.682 7.593 7.517<br />

n Frauen 7.490 7.634 7.614 7.565 7.413<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II 6.807 7.352 7.594 7.788 7.963<br />

in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 45,5% 48,0% 49,6% 51,4% 53,3%<br />

n Männer 3.703 4.154 4.240 4.303 4.418<br />

n Männer (in % von eHb – Männer) 49,6% 54,0% 55,2% 56,7% 58,8%<br />

n Frauen 3.104 3.198 3.354 3.485 3.545<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen) 41,4% 41,9% 44,1% 46,1% 47,8%<br />

eHb – 15 bis unter 25 Jahren 3.124 3.239 3.191 3.081 2.996<br />

n Männer (15 bis unter 25) 1.513 1.568 1.524 1.471 1.444<br />

n Frauen (15 bis unter 25) 1.611 1.671 1.667 1.610 1.552<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – unter 25 Jahren 674 734 683 748 746<br />

in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahren 21,6% 22,7% 21,4% 24,3% 24,9%<br />

n Männer (15 bis unter 25) 389 435 381 415 417<br />

n Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 25,7% 27,7% 25,0% 28,2% 28,9%<br />

n Frauen (15 bis unter 25) 285 299 302 333 329<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 17,7% 17,9% 18,1% 20,7% 21,2%<br />

eHb – 25 bis unter 55 Jahren 9.901 10.113 10.092 10.027 9.883<br />

n Männer (25 bis unter 55) 4.932 5.075 5.075 5.031 4.977<br />

n Frauen (25 bis unter 55) 4.969 5.038 5.017 4.996 4.906<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahren 5.515 5.977 6.202 6.289 6.380<br />

in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahren 55,7% 59,1% 61,5% 62,7% 64,6%<br />

n Männer (25 bis unter 55) 2.993 3.357 3.461 3.469 3.531<br />

n Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 60,7% 66,1% 68,2% 69,0% 70,9%<br />

n Frauen (25 bis unter 55) 2.522 2.620 2.741 2.820 2.849<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 50,8% 52,0% 54,6% 56,4% 58,1%<br />

eHb – 55 bis unter 65 Jahren 1.933 1.972 2.013 2.050 2.051<br />

n Männer (55 bis unter 65) 1.023 1.047 1.083 1.091 1.096<br />

n Frauen (55 bis unter 65) 910 925 930 959 955<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahren 618 641 709 751 837<br />

in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahren 32,0% 32,5% 35,2% 36,6% 40,8%<br />

n Männer (55 bis unter 65) 321 362 398 419 470<br />

n Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 31,4% 34,6% 36,7% 38,4% 42,9%<br />

n Frauen (55 bis unter 65) 297 279 311 332 367<br />

n Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 32,6% 30,2% 33,4% 34,6% 38,4%<br />

1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 3.2:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />

registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

0,2 Prozent (28) weniger Frauen und<br />

Männer auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen als<br />

ein Jahr zuvor. Im entsprechenden Zeitraum<br />

stieg die Zahl <strong>der</strong> im Rechtskreis SGB II<br />

registrierten Ar<strong>bei</strong>tslosen um 17,0 Prozent<br />

(1.156)!<br />

Von den 14.930 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />

und -Empfängern waren 53,3 Prozent<br />

(7.963) als Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />

registriert, 7,8 Prozentpunkte mehr (!) als ein<br />

Jahr zuvor (Dezember 2009: 45,5 Prozent). 34<br />

Diese Quote lag in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven um<br />

über 10 Prozentpunkte über <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Quote in <strong>der</strong> Stadt Bremen (42,9 Prozent).<br />

46,7 Prozent (6.967) <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

waren nicht ar<strong>bei</strong>tslos<br />

beziehungsweise nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose<br />

registriert, 1.184 (14,5 Prozent) weniger (!)<br />

als ein Jahr zuvor. 35<br />

Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslos registrierten<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />

differiert auch in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

alters- und geschlechtsspezifisch erheblich.<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven waren im Dezember<br />

2010 58,8 Prozent <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Empfänger (männlich), aber nur 47,8 Prozent<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen als<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose registriert 36 (Dezember 2009:<br />

49,6 Prozent beziehungsweise 41,4 Prozent).<br />

In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-<br />

Jährigen waren im Dezember 2010 24,9 Prozent<br />

<strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose registriert: 28,9 Prozent Männer<br />

und lediglich 21,2 Prozent Frauen (Dezember<br />

2009: Altersgruppe insgesamt 21,6 Prozent;<br />

Männer 25,7 Prozent; Frauen 17,7 Prozent).<br />

Die höchste Quote wurde für die Altersgruppe<br />

<strong>der</strong> 25- bis unter 55-Jährigen errechnet.<br />

Sie betrug im Dezember 2010 64,6 Prozent<br />

<strong>bei</strong> den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dieser<br />

Altersgruppe insgesamt (Dezember 2009:<br />

55,7 Prozent): Männer 70,9 Prozent (Dezember<br />

2009: 60,7 Prozent); Frauen: 58,1<br />

Prozent (Dezember 2009: 50,8 Prozent).<br />

In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen<br />

betrug die Quote 40,8 Prozent (Dezember<br />

2009: 32,0 Prozent). Männer: 42,9 Prozent<br />

(Dezember 2009: 31,4 Prozent), Frauen: 38,4<br />

Prozent 37 (Dezember 2009: 32,6 Prozent).<br />

34 Spätere integrierte Auswertungen zeigen: Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt, liegt mit 50,2 Prozent unter dieser Quote. Die<br />

Gründe für diese Abweichungen: zeitverzögert erfasste Rechtskreiswechsel<br />

und kurzzeitige Leistungsunterbrechungen. Als Ar<strong>bei</strong>t<br />

suchend galten im Dezember 2010 73,6 Prozent (10.990) <strong>der</strong><br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur<br />

für Ar<strong>bei</strong>t; eigene Berechnungen.<br />

35 Zu den Gründen siehe die Anmerkungen zu Tabelle 3.1.<br />

36 Diese geschlechtsspezifischen Quoten beziehen sich auf die<br />

registrierten Ar<strong>bei</strong>tslosen im Rechtskreis SGB II und die erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen. Die spätere integrierte Auswertung zu<br />

Leistungsbezug und registrierter Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremerhaven ergab, dass im Dezember 2010 von den männlichen<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 55,6 Prozent und von den weiblichen<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lediglich 44,7 Prozent als<br />

Ar<strong>bei</strong>tslose registriert waren. Als Ar<strong>bei</strong>t suchend galten im Dezember<br />

2010 79,8 Prozent (6.000) <strong>der</strong> männlichen und 67,3 Prozent<br />

(4.990) <strong>der</strong> weiblichen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Quelle:<br />

Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; eigene Berechnungen. Zu<br />

den Gründen für die geschlechtsspezifischen Differenzen zwischen<br />

diesen Quoten (ar<strong>bei</strong>tslose beziehungsweise Ar<strong>bei</strong>t suchende<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige) siehe die Anmerkungen zu Tabelle<br />

3.1.<br />

37 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 <strong>der</strong> Verweis auf § 428<br />

SGB III in § 65 Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und ältere<br />

erwerbsfähige ar<strong>bei</strong>tslose Hilfebedürftige wegen eingeschränkter<br />

Verfügbarkeit nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose zu registrieren. Für Neufälle im<br />

Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 <strong>der</strong> Absatz 2 im<br />

neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die<br />

nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von<br />

zwölf Monaten Leistungen <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende<br />

bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung angeboten worden ist, gelten nach Ablauf dieses<br />

Zeitraums für die Dauer des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als<br />

ar<strong>bei</strong>tslos.‹ Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

etwa 262 erwerbsfähige Hilfebedürftige im Alter von über 58 Jahren<br />

auf Grundlage von § 53a Abs. 2 SGB II registriert (Dezember 2009:<br />

191). Datenquelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t, Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

in Zahlen, Kreisreport 31.03.<strong>2011</strong>.<br />

89


90<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 4: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in den 15 Großstädten<br />

mit mehr als 400.000 Einwohnern und Einwohnerinnen<br />

revidierte Daten<br />

EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />

Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />

Berlin 2.366,7 438.056 444.906 443.889 437.965 431.400<br />

Bremen 362,6 53.223 54.587 54.587 53.621 52.798<br />

Dortmund 382,4 58.409 59.835 59.950 59.415 58.824<br />

Dresden 340,9 43.512 44.355 44.263 43.250 41.814<br />

Duisburg 319,6 51.195 52.215 51.994 51.030 50.118<br />

Düsseldorf 396,5 46.500 47.632 47.931 47.571 47.215<br />

Essen 374,7 58.947 59.887 59.697 58.728 58.042<br />

Frankfurt am Main 467,7 50.306 51.540 51.005 50.165 48.827<br />

Hamburg 1.210,7 142.831 145.729 144.164 141.493 138.461<br />

Hannover (Region) 740,6 86.784 89.078 88.781 87.294 85.889<br />

Köln 683,7 84.469 85.975 86.330 84.552 83.220<br />

Leipzig 344,8 61.727 62.665 62.254 61.199 59.297<br />

München 924,7 53.921 55.793 55.731 54.865 54.059<br />

Nürnberg 337,4 36.146 37.411 37.156 35.855 34.931<br />

Stuttgart 413,3 30.235 30.981 30.909 30.227 29.348<br />

EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />

Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />

Berlin 2.366,7 185 1 188 1 188 1 185 1 182 1<br />

Leipzig 344,8 179 2 182 2 181 2 178 2 172 2<br />

Duisburg 319,6 160 3 163 3 163 3 160 3 157 3<br />

Essen 374,7 157 4 160 4 159 4 157 4 155 4<br />

Dortmund 382,4 153 5 156 5 157 5 155 5 154 5<br />

Bremen 362,6 147 6 151 6 151 6 148 6 146 6<br />

Dresden 340,9 128 7 130 7 130 7 127 7 123 7<br />

Köln 683,7 124 8 126 8 126 8 124 8 122 8<br />

Düsseldorf 396,5 117 10 120 11 121 9 120 9 119 9<br />

Hannover (Region) 740,6 117 11 120 10 120 10 118 10 116 10<br />

Hamburg 1.210,7 118 9 120 9 119 11 117 11 114 11<br />

Frankfurt am Main 467,7 108 12 110 13 109 13 107 12 104 12<br />

Nürnberg 337,4 107 13 111 12 110 12 106 13 104 13<br />

Stuttgart 413,3 73 14 75 14 75 14 73 14 71 14<br />

München 924,7 58 15 60 15 60 15 59 15 58 15<br />

Deutschland 53.877,9 91 93 92 89 87<br />

Westdeutschland 43.047,9 76 78 77 75 73<br />

1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2009; Daten für Ende 2010 lagen <strong>bei</strong> Redaktionsschluss noch nicht vor)<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 4:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in<br />

den 15 Großstädten mit mehr als 400.000<br />

Einwohnern und Einwohnerinnen<br />

Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Berlin<br />

182 von 1.000 Einwohnern und Einwohnerinnen<br />

38 im Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen – die höchste<br />

Zahl im Großstadtvergleich. Die Quote <strong>der</strong><br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (pro 1.000<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren) nahm in <strong>der</strong> Stadt Berlin im Vergleich<br />

zum Dezember 2009 um 3 Prozentpunkte ab.<br />

Hinter den Städten Berlin, Leipzig, Duisburg,<br />

Essen und Dortmund belegte die Stadt Bremen<br />

im Dezember 2010 mit 146 erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen im<br />

Alter von 15 bis unter 65 Jahren Rang 6 in<br />

diesem Negativ-Ranking. 39 Die Quote lag damit<br />

einen Punkt unter <strong>der</strong> Quote im Dezember<br />

2009.<br />

Hinter <strong>der</strong> Stadt Bremen folgten auf Rang 7<br />

bis 13 die Städte Dresden (123), Köln (122),<br />

Düsseldorf (119), die Region Hannover (116),<br />

Hamburg (114) und die Städte Frankfurt am<br />

Main (104) und Nürnberg (ebenfalls 104).<br />

In diesen 13 von insgesamt 15 Großstädten<br />

lag die Quote nicht nur über dem Durchschnitt<br />

von 73 pro 1.000 in Westdeutschland, son<strong>der</strong>n<br />

auch über dem deutlich höheren Durchschnitt<br />

von 87 pro 1.000 in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland insgesamt.<br />

Auch im Dezember 2010 waren in nur zwei<br />

<strong>der</strong> 15 Großstädte weniger als 100 von 1.000<br />

Einwohnern und Einwohnerinnen im Alter von<br />

15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />

angewiesen. In den Städten Stuttgart und<br />

München lag die Quote mit 71 beziehungsweise<br />

58 unter dem westdeutschen Durchschnitt<br />

von 73 pro 1.000.<br />

In <strong>der</strong> Rangfolge <strong>der</strong> 15 Großstädte hat sich<br />

im Verlauf des <strong>Bericht</strong>sjahres (2010) insgesamt<br />

nur wenig verän<strong>der</strong>t: 40 Lediglich zwischen<br />

den Städten Hamburg, Düsseldorf und Hannover<br />

(Region) än<strong>der</strong>te sich die Rangfolge, insbeson<strong>der</strong>e<br />

wegen <strong>der</strong> im Großstadtvergleich<br />

beson<strong>der</strong>s negativen Entwicklung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />

in Düsseldorf. In Düsseldorf<br />

stieg diese entgegen dem Trend im <strong>Bericht</strong>sjahr<br />

um zwei Punkte auf 119 (Rang 9 im Negativ-Ranking).<br />

38 An<strong>der</strong>s ausgedrückt: 18,2 Prozent. Die Quoten in diesem<br />

Abschnitt beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong> Einwohner/innen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2009. Da neuere<br />

Bevölkerungsdaten <strong>bei</strong> Redaktionsschluss nicht vorlagen, wurden<br />

in dieser Tabelle die entsprechenden Quoten in allen Städten bezogen<br />

auf die Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren Ende<br />

2009 berechnet.<br />

39 Dezember 2009: 147 bezogen auf die entsprechende Bevölkerung<br />

Ende 2009.<br />

40 Rangfolge berechnet auf Basis ungerundeter Quoten.<br />

91


92<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Abbildung 3: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld- und Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 100<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 1 im Vergleich <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote 2<br />

alle 15 Großstädte (>400.000 EW), Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen<br />

22 % 22<br />

21 % 21<br />

20 % 20<br />

19 % 19<br />

18 % 18<br />

17 % 17<br />

16 % 16<br />

15 % 15<br />

14 % 14<br />

13 % 13<br />

12 % 12<br />

11 % 11<br />

10 % 10<br />

9 % 9<br />

8 % 8<br />

7 % 7<br />

6 % 6<br />

5 % 5<br />

4 % 4<br />

3 % 3<br />

2 % 2<br />

1 % 1<br />

0 % 0<br />

M S HH F N H* D K HB DD E DO DU B L<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosenquote (bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen) (linke Skala)<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-Empfänger/innen (SGB III) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II/›Hartz IV‹) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />

* Region Hannover<br />

1 Ende 2009 (neuere Bevölkerungsdaten lagen <strong>bei</strong> Redaktionsschluss nicht für alle Städte vor)<br />

2 bezogen auf die abhängigen Erwerbspersonen<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Statistisches Bundesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />

Alg- und Alg-II-Empfänger/innen pro 100 EW


Zu Abbildung 3:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld- und Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Empfänger/innen pro 100 Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren im<br />

Vergleich <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote<br />

alle 15 Großstädte<br />

Der Vergleich <strong>der</strong> Zahlen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeldund<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />

100 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren mit <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote in den 15<br />

Großstädten mit mehr als 400.000 Einwohnern<br />

und Einwohnerinnen (Dezember 2010) zeigt:<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosenquote, bezogen auf alle<br />

zivilen Erwerbspersonen, reichte in den 15<br />

Großstädten von 5,3 Prozent in München bis<br />

12,9 Prozent in Leipzig (Dezember 2009: von<br />

5,8 Prozent in München bis 13,6 Prozent in<br />

Leipzig).<br />

Die Höhe <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote hat (in diesem<br />

Querschnittsvergleich) offensichtlich kaum<br />

einen Einfluss auf den Anteil <strong>der</strong> Personen mit<br />

einem Anspruch auf das <strong>bei</strong>tragsfinanzierte<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld (SGB III) an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren. Lediglich<br />

<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Personen, die auf das steuerfinanzierte<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen sind) an <strong>der</strong><br />

Bevölkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren ist<br />

in Städten mit einer höheren Ar<strong>bei</strong>tslosenquote<br />

wesentlich höher als in Städten mit einer<br />

niedrigeren Ar<strong>bei</strong>tslosenquote.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen 41 Frauen und<br />

Männer mit einem Anspruch auf das <strong>bei</strong>tragsfinanzierte<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld reicht in den 15<br />

Großstädten von 1,2 Prozent <strong>der</strong> Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren in<br />

Stuttgart (Minimum) bis 1,7 Prozent in Dortmund,<br />

Duisburg und Nürnberg (Maximum in<br />

den 12 westdeutschen Großstädten) und 1,9<br />

Prozent in Dresden (Maximum aller 15 Großstädte).<br />

Dies waren deutlich weniger als ein<br />

Jahr zuvor (Dezember 2009: von 1,7 Prozent<br />

in Frankfurt am Main und Stuttgart bis 2,4 Prozent<br />

in Dresden und Nürnberg).<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremen hatten <strong>bei</strong> einer<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosenquote 42 von 10,4 Prozent (Dezember<br />

2009: 10,8 Prozent) lediglich 1,5 Prozent<br />

(Dezember 2009: 1,9 Prozent) einen Anspruch<br />

auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld (SGB III).<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

reicht dagegen von 5,8 Prozent in<br />

München bis 18,2 Prozent in Berlin (Dezember<br />

2009: von ebenfalls 5,8 Prozent in München<br />

bis 18,5 Prozent in Berlin). In <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />

waren 14,6 Prozent 43 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II angewiesen (Dezember 2009: 14,7 Prozent).<br />

In allen Städten liegt diese ›Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Quote‹ im Dezember 2010 über <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote,<br />

bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen.<br />

In den Städten Berlin, Bremen,<br />

Essen und Hamburg ist diese ›Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote‹<br />

im Vergleich <strong>zur</strong> registrierten<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosenquote beson<strong>der</strong>s hoch.<br />

Der wesentlich engere Zusammenhang zwischen<br />

<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote und <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote (Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren) als zwischen<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote und <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-Quote<br />

(Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />

Empfänger/innen gemäß SGB III an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren)<br />

zeigt: Das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld gemäß SGB III<br />

(Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>ung)<br />

hat offensichtlich keine o<strong>der</strong> kaum eine<br />

(finanziell) ausgleichende Wirkung zwischen<br />

den Städten mit einer hohen und denen mit<br />

einer niedrigen Ar<strong>bei</strong>tslosenquote. Der Ausgleich<br />

zwischen den Städten mit hoher und<br />

Städten mit niedriger Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit erfolgt<br />

nahezu ausschließlich durch das in <strong>der</strong> Regel<br />

wesentlich geringere Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, das<br />

zudem zu einem erheblichen Teil 44 von den<br />

Kommunen zu finanzieren ist. 45<br />

41 Registrierte und nicht registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose.<br />

42 Hier immer die Ar<strong>bei</strong>tslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen.<br />

43 14,6 Prozent berechnet auf Basis <strong>der</strong> Bevölkerung Ende 2009.<br />

44 Insbeson<strong>der</strong>e die im <strong>Bericht</strong>szeitraum (2010) 77,0 Prozent <strong>der</strong><br />

Leistungen für Unterkunft und Heizung (Stuttgart: 73,0 Prozent).<br />

Siehe dazu auch die Anmerkungen zu Tabelle 9.1.<br />

45 Zur Aushöhlung <strong>der</strong> Versicherungsleistung ›Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

während Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit‹ durch die ›Hartz-Gesetzgebung‹ (insbeson<strong>der</strong>e<br />

Erstes bis Viertes Gesetz für mo<strong>der</strong>ne Dienstleistungen<br />

am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und Gesetz zu Reformen am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt) vergleiche<br />

Armutsbericht 2008, Seite 124.<br />

93


94<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 5: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in Bremerhaven<br />

und 11 Vergleichsstädten<br />

revidierte Daten<br />

EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

Bremerhaven und 20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />

11 Vergleichsstädte in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />

Bottrop 77,1 8.276 8.578 8.493 8.544 8.447<br />

Bremerhaven 73,9 14.958 15.324 15.296 15.158 14.930<br />

Darmstadt 97,7 8.833 8.894 8.728 8.619 8.287<br />

Gera 64,8 11.209 11.427 11.208 10.844 10.467<br />

Heilbronn 80,4 6.416 6.734 6.572 6.310 6.094<br />

Offenbach am Main 80,2 12.586 13.017 12.981 12.596 12.262<br />

Oldenburg (Oldb.) 110,7 13.210 13.434 13.417 13.139 12.784<br />

Osnabrück 111,1 11.957 12.393 12.318 12.236 12.101<br />

Regensburg 92,7 7.183 7.459 7.165 6.807 6.567<br />

Rostock 134,4 23.398 24.021 23.516 22.971 22.692<br />

Wilhelmshaven 52,1 8.379 8.704 8.583 8.407 8.316<br />

Wolfsburg 77,2 6.069 6.319 6.400 6.154 5.908<br />

EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

Bremerhaven und 20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />

11 Vergleichsstädte in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />

Bremerhaven 73,9 202 1 207 1 207 1 205 1 202 1<br />

Rostock 134,4 174 2 179 2 175 2 171 2 169 2<br />

Gera 64,8 173 3 176 3 173 3 167 3 162 3<br />

Wilhelmshaven 52,1 161 4 167 4 165 4 161 4 160 4<br />

Offenbach am Main 80,2 157 5 162 5 162 5 157 5 153 5<br />

Oldenburg (Oldb.) 110,7 119 6 121 6 121 6 119 6 115 6<br />

Bottrop 77,1 107 8 111 8 110 8 111 7 110 7<br />

Osnabrück 111,1 108 7 112 7 111 7 110 8 109 8<br />

Darmstadt 97,7 90 9 91 9 89 9 88 9 85 9<br />

Wolfsburg 77,2 79 11 82 11 83 10 80 10 77 10<br />

Heilbronn 80,4 80 10 84 10 82 11 78 11 76 11<br />

Regensburg 92,7 78 12 80 12 77 12 73 12 71 12<br />

Deutschland 53.877,9 91 93 92 89 87<br />

Westdeutschland 43.047,9 76 78 77 75 73<br />

1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2009; Daten für Ende 2010 lagen <strong>bei</strong> Radaktionsschluss noch nicht vor)<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 5:<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

und 11 Vergleichsstädten 46<br />

Der Vergleich <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

pro 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Dichte) in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven und den 11<br />

Vergleichsstädten (Dezember 2010) zeigt:<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremerhaven war im Dezember 2010 mit 202<br />

(von 1.000 Einwohnern und Einwohnerinnen)<br />

nach zwischenzeitlichem Anstieg auf 207 im<br />

März und Juni 2010 wie<strong>der</strong> genauso hoch wie<br />

im Dezember 2009 und weiterhin die <strong>bei</strong><br />

weitem höchste dieser 12 Vergleichsstädte. 47<br />

Auch in den Vergleichsmonaten März, Juni und<br />

September 2010 war die Stadt Bremerhaven<br />

die Stadt mit den meisten erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen im<br />

Alter von 15 bis unter 65 Jahren.<br />

Hinter <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven belegten die<br />

Städte Rostock (169), Gera (162), Wilhelmshaven<br />

(160) und Offenbach am Main (153) Rang 2<br />

bis 5. Der Abstand zwischen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />

in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven und diesen<br />

Städten hat sich im <strong>Bericht</strong>sjahr zum Teil<br />

deutlich vergrößert, denn, an<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong><br />

Stadt Bremerhaven, ist die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Dichte in diesen Städten im <strong>Bericht</strong>sjahr gesunken.<br />

Mit deutlichem Abstand zu den genannten<br />

fünf Städten mit <strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />

II-Dichte folgen die Städte Oldenburg (115),<br />

Bottrop (110) und Osnabrück (109). In vier <strong>der</strong><br />

11 Vergleichsstädte waren weniger als 100 von<br />

1.000 Einwohnern und Einwohnerinnen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II angewiesen: Darmstadt (85), Wolfsburg<br />

(77), Heilbronn (76) und Regensburg (71).<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte lag im Dezember<br />

2010 in vier Vergleichsstädten unter dem Bundesdurchschnitt<br />

von 87 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängern<br />

und -Empfängerinnen pro 1.000 Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren. In nur einer dieser Vergleichsstädte, in<br />

Regensburg, lag die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />

im Dezember 2010 unter dem Durchschnitt von<br />

73 pro 1.000 in Westdeutschland.<br />

Die Rangfolge dieser 12 Städte hat sich im<br />

<strong>Bericht</strong>sjahr kaum verän<strong>der</strong>t: Lediglich Rang 7<br />

und 8 (Bottrop und Osnabrück) und Rang 10<br />

und 11 (Wolfsburg und Heilbronn) tauschten<br />

den Rang, wo<strong>bei</strong> die Städte Bottrop und Wolfsburg<br />

in diesem Negativ-Ranking um einen Rang<br />

aufstiegen.<br />

46 Als Vergleichsstädte wurden hier die sogenannten Benchmark-<br />

Städte <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven übernommen. Die elf Städte wurden<br />

vom Magistrat nach zwei Kriterien ausgewählt: a) Städte mit ähnlichen<br />

Bevölkerungszahlen wie Bremerhaven, die eine zentralörtliche<br />

Funktion erfüllen (Bottrop, Darmstadt, Gera, Heilbronn, Oldenburg,<br />

Osnabrück, Offenbach am Main, Regensburg, Wolfsburg) und<br />

b) Küstenstädte, die aufgrund ihrer Küstenrandlage für Bremerhaven-Vergleiche<br />

von Bedeutung sind, wo<strong>bei</strong> die Bevölkerungszahl<br />

nachrangig ist (Rostock, Wilhelmshaven). Eine Prüfung, ob sich<br />

diese Städte tatsächlich für den Vergleich <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />

Dichte eignen, wurde nicht vorgenommen.<br />

47 An<strong>der</strong>s ausgedrückt: 20,2 Prozent. Die Quoten in diesem<br />

Abschnitt beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong> Einwohner/innen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2009. Da neuere<br />

Bevölkerungsdaten <strong>bei</strong> Redaktionsschluss nicht vorlagen, wurden<br />

in dieser Tabelle die entsprechenden Quoten in allen Städten<br />

bezogen auf die Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

Ende 2009 berechnet.<br />

95


96<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 6: Kin<strong>der</strong> und an<strong>der</strong>e nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten<br />

Dezember März Juni September Dezember<br />

Stadt Bremen 2009 2010 2010 2010 2010<br />

Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 20.710 21.052 20.949 20.833 20.749<br />

nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />

davon (nEf)<br />

0,52 0,52 0,51 0,52 0,52<br />

15 Jahre und älter 2<br />

925 925 938 931 926<br />

15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />

darunter<br />

4,5% 4,4% 4,5% 4,5% 4,5%<br />

n Frauen (15 Jahre und älter) 504 503 501 496 494<br />

n Frauen (in % von nEf - 15 Jahre und älter) 54,5% 54,4% 53,4% 53,3% 53,3%<br />

Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren 19.785 20.127 20.011 19.902 19.823<br />

unter 15 Jahren (in % von nEf) 95,5% 95,6% 95,5% 95,5% 95,5%<br />

Kin<strong>der</strong> (unter 15 Jahren) pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />

0,50 0,49 0,49 0,49 0,50<br />

n einem Kind 6.454 6.538 6.500 6.436 6.418<br />

n einem Kind (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 32,6% 32,5% 32,5% 32,3% 32,4%<br />

n zwei Kin<strong>der</strong>n 7.142 7.258 7.206 7.170 7.088<br />

n zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 36,1% 36,1% 36,0% 36,0% 35,8%<br />

n drei Kin<strong>der</strong>n 3.774 3.816 3.801 3.768 3.786<br />

n drei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 19,1% 19,0% 19,0% 18,9% 19,1%<br />

n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 2.415 2.515 2.504 2.528 2.531<br />

n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 12,2% 12,5% 12,5% 12,7% 12,8%<br />

Dez. März Juni Sept. Dez.<br />

Stadt Bremerhaven 2009 2010 2010 2010 2010<br />

Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 5.821 5.876 5.825 5.830 5.760<br />

nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />

davon (nEf)<br />

0,53 0,53 0,52 0,52 0,52<br />

15 Jahre und älter 2<br />

180 189 189 179 189<br />

15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />

darunter<br />

3,1% 3,2% 3,2% 3,1% 3,3%<br />

n Frauen (15 Jahre und älter) 92 106 106 104 111<br />

n Frauen (in % von nEf – 15 Jahre und älter) 51,1% 56,1% 56,1% 58,1% 58,7%<br />

Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren 5.641 5.687 5.636 5.651 5.571<br />

unter 15 Jahren (in % von nEf) 96,9% 96,8% 96,8% 96,9% 96,7%<br />

Kin<strong>der</strong> (unter 15 Jahren) pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />

0,52 0,51 0,50 0,51 0,51<br />

n einem Kind 1.786 1.812 1.788 1.758 1.737<br />

n einem Kind (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 31,7% 31,9% 31,7% 31,1% 31,2%<br />

n zwei Kin<strong>der</strong>n 1.884 1.892 1.896 1.896 1.880<br />

n zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 33,4% 33,3% 33,6% 33,6% 33,7%<br />

n drei Kin<strong>der</strong>n 1.110 1.152 1.125 1.134 1.077<br />

n drei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 19,7% 20,3% 20,0% 20,1% 19,3%<br />

n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 861 831 827 863 877<br />

n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 15,3% 14,6% 14,7% 15,3% 15,7%<br />

1 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von SozialgeldI)<br />

2 ermittelt aus nEf insgesamt und nEf im Alter von unter 15 Jahren (kleinere Abweichungen von den BA-Daten möglich)<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 6:<br />

Kin<strong>der</strong> und an<strong>der</strong>e nicht<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen<br />

In den 39.789 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

in <strong>der</strong> Stadt Bremen im Dezember 2010 lebten<br />

mit den 52.798 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

insgesamt 20.749 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />

39 (0,2 Prozent) mehr als ein<br />

Jahr zuvor.<br />

Ein insgesamt nur sehr kleiner Teil <strong>der</strong> nicht<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen war älter als<br />

15 Jahre. In <strong>der</strong> Stadt Bremen waren dies im<br />

Dezember 2010 insgesamt 926 (4,5 Prozent),<br />

darunter weiterhin überdurchschnittlich viele<br />

Frauen (53,3 Prozent).<br />

Der weit überwiegende Teil <strong>der</strong> nicht<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kin<strong>der</strong> im<br />

Alter von unter 15 Jahren: 19.823 beziehungsweise<br />

95,5 Prozent <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen. Dies waren 38 (0,2 Prozent)<br />

mehr als im Dezember 2009.<br />

32,4 Prozent (6.418) dieser Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 15 Jahren lebten im Dezember 2010<br />

in Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />

15 Jahren, 35,8 Prozent (7.088) in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren.<br />

19,1 Prozent (3.786) dieser Kin<strong>der</strong> lebten in<br />

Bedarfsgemeinschaften mit drei und 12,8<br />

Prozent (2.531) in Bedarfsgemeinschaften mit<br />

vier und mehr Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 15<br />

Jahren. 48<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit weniger als drei Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />

unter 15 Jahren ist in <strong>der</strong> Stadt Bremen im Vorjahresvergleich<br />

(Dezember 2009 – Dezember<br />

2010) um 0,7 Prozent (90) auf 13.506 gesunken,<br />

die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit drei und mehr Kin<strong>der</strong>n ist um 2,1<br />

Prozent (128) auf 6.317 (31,9 Prozent<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften)<br />

gestiegen.<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Im Dezember 2010 lebten in den 11.017<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremerhaven mit den 14.930 erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

insgesamt 5.760 nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />

61 (1,0 Prozent)<br />

weniger als ein Jahr zuvor.<br />

Nur ein sehr kleiner Teil <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen war älter als 15 Jahre.<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven waren dies im<br />

Dezember 2010 insgesamt lediglich 189<br />

(3,3 Prozent), darunter 58,7 Prozent Frauen.<br />

Der weit überwiegende Teil <strong>der</strong> nicht<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kin<strong>der</strong> im<br />

Alter von unter 15 Jahren: 5.571 beziehungsweise<br />

96,7 Prozent <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen. Dies waren 70 (1,2 Prozent)<br />

weniger als ein Jahr zuvor.<br />

31,2 Prozent (1.737) dieser Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 15 Jahren lebten im Dezember 2010<br />

in Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />

15 Jahren, 33,7 Prozent (1.880) in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren.<br />

19,3 Prozent (1.077) dieser Kin<strong>der</strong> lebten<br />

in Bedarfsgemeinschaften mit drei und 15,7<br />

Prozent (877) in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter<br />

15 Jahren. 49<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit weniger als drei Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />

unter 15 Jahren hat in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

im Vorjahresvergleich (Dezember 2009 –<br />

Dezember 2010) um 1,4 Prozent (53) auf<br />

3.617 abgenommen, die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in<br />

Bedarfsgemeinschaften mit drei und mehr<br />

Kin<strong>der</strong>n um 0,9 Prozent (17) auf 1.954 (35,1<br />

Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren in SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften). 50<br />

48 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />

49 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />

50 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />

97


98<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 7: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 18 Jahren<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Dezember 2010 – revidierte Daten<br />

Bremen Bremerhaven<br />

Bedarfsgemeinschaften (BG) insgesamt<br />

darunter<br />

39.789 11.017<br />

Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) 5.731 1.560<br />

mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) (in % von BG insgesamt)<br />

darunter<br />

Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n<br />

14,4% 14,2%<br />

n mit einem Kind unter 18 Jahren 2.252 632<br />

in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 39,3% 40,5%<br />

n mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 1.965 501<br />

in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 34,3% 32,1%<br />

n mit drei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 943 264<br />

in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 16,5% 16,9%<br />

n mit vier Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 381 101<br />

in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 6,6% 6,5%<br />

n mit fünf und mehr Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 190 62<br />

in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 3,3% 4,0%<br />

Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) 7.351 2.058<br />

n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) (in % von BG insgesamt)<br />

darunter<br />

Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren)<br />

18,5% 18,7%<br />

n mit einem Kind unter 18 Jahren 1<br />

4.492 1.207<br />

in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 61,1% 58,6%<br />

n mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 2.009 578<br />

in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 27,3% 28,1%<br />

n mit drei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 600 174<br />

in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 8,2% 8,5%<br />

n mit vier Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 181 72<br />

in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 2,5% 3,5%<br />

n mit fünf und mehr Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 69 27<br />

in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 0,9% 1,3%<br />

Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren<br />

darunter<br />

22.921 6.509<br />

n in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong> 2<br />

11.408 3.318<br />

in % von Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 49,8% 51,0%<br />

1 darunter 12 (Bremen) bzw. 3 (Bremerhaven) Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren<br />

2 die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong> wurde aus <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> BG mit ein, zwei, drei, vier, fünf<br />

und mehr Kin<strong>der</strong>n und den (wenigen) Alleinerziehenden im Alter von unter 18 Jahren ermittelt, (siehe Fußnote 1),<br />

<strong>bei</strong> den BG mit fünf und mehr Kin<strong>der</strong>n wurden durchschnittlich 5,25 Kin<strong>der</strong> unterstellt<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 7:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n<br />

im Alter von unter 18 Jahren<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen<br />

Von den 39.789 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

im Dezember 2010 waren 5.731 (14,4<br />

Prozent) Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 18<br />

Jahren (Dezember 2009: 5.843) und 7.351<br />

(18,5 Prozent) Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n im<br />

Alter von unter 18 Jahren (Dezember 2009:<br />

7.303).<br />

In diesen insgesamt 13.082 Bedarfsgemeinschaften<br />

beziehungsweise 32,9 Prozent <strong>der</strong><br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />

(Dezember 2009: 33,0 Prozent) lebten 22.921<br />

Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren, davon<br />

11.408 (49,8 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />

Alleinerziehen<strong>der</strong>. 51 Ein Jahr zuvor, im<br />

Dezember 2009, lebten 23.090 Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />

darunter etwa 11.410 (49,4 Prozent)<br />

in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong>.<br />

Von den 5.731 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen<br />

Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren<br />

hatten 39,3 Prozent (2.252) ein Kind, 34,3 Prozent<br />

(1.965) zwei Kin<strong>der</strong>, 16,5 Prozent (943)<br />

drei Kin<strong>der</strong>, 6,6 Prozent (381) vier Kin<strong>der</strong> und<br />

3,3 Prozent (190) fünf und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit diesen 5.731 auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />

beziehungsweise Lebensgemeinschaften etwa<br />

2,01 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft (Dezember<br />

2009: 2,00).<br />

Von den 7.351 Alleinerziehenden hatten<br />

61,1 Prozent (4.492) ein Kind, 27,3 Prozent<br />

(2.009) zwei Kin<strong>der</strong>, 8,2 Prozent (600) drei, 2,5<br />

Prozent (181) vier und 0,9 Prozent (69) fünf<br />

und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit den 7.351 auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Alleinerziehenden<br />

etwa 1,55 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft<br />

– deutlich weniger als <strong>bei</strong> den Ehepaaren<br />

beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 18 Jahren<br />

(Dezember 2009: 1,56).<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Von den 11.017 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

im Dezember 2010 waren 1.560 (14,2<br />

Prozent) Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter<br />

18 Jahren (Dezember 2009: 1.622) und 2.058<br />

(18,7 Prozent) Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n im<br />

Alter von unter 18 Jahren (Dezember 2009:<br />

2.075).<br />

In diesen insgesamt 3.618 Bedarfsgemeinschaften<br />

beziehungsweise 32,8 Prozent <strong>der</strong><br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />

(Dezember 2009: 33,9 Prozent) lebten 6.509<br />

Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren, davon<br />

3.318 (51,0 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />

Alleinerziehen<strong>der</strong>. 52 Ein Jahr zuvor, im Dezember<br />

2009, lebten 6.566 Kin<strong>der</strong> im Alter von<br />

unter 18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />

darunter etwa 3.342 (50,9 Prozent) in<br />

Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong>.<br />

Von den 1.560 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen<br />

Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

hatten 40,5 Prozent (632) ein<br />

Kind, 32,1 Prozent (501) zwei Kin<strong>der</strong>, 16,9<br />

Prozent (264) drei Kin<strong>der</strong>, 6,5 Prozent (101)<br />

vier Kin<strong>der</strong> und 4,0 Prozent (62) fünf und mehr<br />

Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit diesen 1.560 auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />

beziehungsweise Lebensgemeinschaften etwa<br />

2,05 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft (Dezember<br />

2009: 2,06).<br />

Von den 2.058 Alleinerziehenden hatten<br />

58,6 Prozent (1.207) ein Kind, 28,1 Prozent<br />

(578) zwei Kin<strong>der</strong>, 8,5 Prozent (174) drei, 3,5<br />

Prozent (72) vier und 1,3 Prozent (27) fünf und<br />

mehr Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit den 2.058 auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Alleinerziehenden<br />

1,61 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft –<br />

deutlich weniger als <strong>bei</strong> den Ehepaaren beziehungsweise<br />

Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n<br />

im Alter von unter 18 Jahren (Dezember 2009:<br />

ebenfalls 1,61).<br />

51 Neben diesen 22.921 Kin<strong>der</strong>n in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten noch 207 (Dezember 2009: 190) Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />

18 Jahren in SGB-XII-Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb<br />

von Einrichtungen).<br />

52 Neben diesen 6.509 Kin<strong>der</strong>n in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten noch 35 Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren in SGB-XII-<br />

Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen);<br />

Dezember 2009: 40.<br />

99


100<br />

550<br />

500<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Abbildung 4: Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />

im Alter von unter 15 Jahren pro 1.000 Kin<strong>der</strong> im entsprechenden Alter* –<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />

pro tausend<br />

332<br />

unter<br />

3 Jahren<br />

Stadt Bremen<br />

335<br />

3 bis unter<br />

7 Jahren<br />

7 bis unter<br />

15 Jahren<br />

* Einwohner/innen Ende 2009<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />

258<br />

292<br />

unter 15 Jahren<br />

insgesamt<br />

434<br />

unter<br />

3 Jahren<br />

Stadt Bremerhaven<br />

421<br />

3 bis unter<br />

7 Jahren<br />

329<br />

7 bis unter<br />

15 Jahren<br />

372<br />

unter<br />

15 Jahren<br />

insgesamt


Zu Abbildung 4:<br />

Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />

im Alter von unter 15 Jahren pro 1.000<br />

Kin<strong>der</strong> im entsprechenden Alter<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen<br />

Im Dezember 2010 lebten in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />

292 von 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter<br />

15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(Dezember 2009: 291). Zur Erinnerung: Ende<br />

2004, dem letzten Jahr vor Inkrafttreten des<br />

SGB II, lebten in <strong>der</strong> Stadt Bremen 206 von<br />

1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter unter 15 Jahren in Familien<br />

(Haushalten), die auf Sozialhilfe angewiesen<br />

waren. 53<br />

Die Quote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

nimmt in <strong>der</strong> Stadt Bremen erst<br />

mit Erreichen des Schulalters deutlich ab. Von<br />

jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 3 Jahren<br />

lebten 332 (Dezember 2009: 335), von<br />

jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von 3 bis unter<br />

7 Jahren lebten 335 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(Dezember 2009: 328). Von jeweils<br />

1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von 7 bis unter 15 Jahren<br />

traf dies für 258 Kin<strong>der</strong> zu (Dezember<br />

2009: ebenfalls 258).<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven lebten im Dezember<br />

2010 372 von 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />

unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(Dezember 2009: 377). Zur Erinnerung:<br />

Ende 2004, dem letzten Jahr vor Inkrafttreten<br />

des SGB II, lebten in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

287 von 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter unter 15 Jahren<br />

in Familien (Haushalten), die auf Sozialhilfe<br />

angewiesen waren. 54<br />

Die Quote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

nimmt mit zunehmendem Alter ab.<br />

Von jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 3<br />

Jahren lebten 434 (Dezember 2009: 447), von<br />

jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von 3 bis unter<br />

7 Jahren 421 (Dezember 2009: ebenfalls 421)<br />

und von jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />

7 bis unter 15 Jahren 329 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(Dezember 2009: 333).<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 15<br />

Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften lag in<br />

<strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 27,6 Prozent (nicht Prozentpunkte)<br />

über dem entsprechenden Anteil<br />

in <strong>der</strong> Stadt Bremen (Dezember 2009: 29,4<br />

Prozent).<br />

Die Quote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 15<br />

Jahren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven (37,2 Prozent)<br />

war die höchste Quote im Kreisvergleich<br />

(Dezember 2010), vor <strong>der</strong> Landeshauptstadt<br />

Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) mit 35,4<br />

Prozent und <strong>der</strong> Bundeshauptstadt Berlin mit<br />

35,2 Prozent. 55<br />

53 Vgl. Armutsbericht 2005, S. 117 und Tabelle 2.2/2004 (S. 96).<br />

Inwieweit Ende 2004 Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfänger/innen mit Kin<strong>der</strong>n<br />

im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />

Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb<br />

von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht bekannt.<br />

Die Kin<strong>der</strong> von Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfängerinnen und -empfängern,<br />

die Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in <strong>der</strong><br />

Zahl <strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />

54 Vgl. Armutsbericht 2005, S. 118 und Tabelle 2.3/2004 (S. 98).<br />

Inwieweit Ende 2004 Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfänger/innen mit Kin<strong>der</strong>n<br />

im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />

Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb<br />

von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht bekannt.<br />

Die Kin<strong>der</strong> von Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfängerinnen und -empfängern,<br />

die Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in <strong>der</strong><br />

Zahl <strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />

55 Quoten berechnet auf Basis <strong>der</strong> Bevölkerung im Alter von unter<br />

15 Jahren Ende 2009.<br />

101


102<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 8.1: Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahren)<br />

an <strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremen<br />

September 2010<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 2 unter 15 Jahren 3<br />

Stadt / Stadtteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />

Stadt Bremen insgesamt<br />

darunter Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />

14,8% 14,6% 15,0% 29,3%<br />

1<br />

11 Stadtteil Mitte 14,1% 15,5% 12,4% 25,8%<br />

21 Stadtteil Neustadt 13,2% 13,9% 12,3% 26,8%<br />

213 Neustadt 10,0% 10,4% 9,5% 21,5%<br />

215 Gartenstadt Süd 15,9% 13,4% 18,3% 37,3%<br />

23 Stadtteil Obervieland 12,6% 11,4% 13,8% 26,7%<br />

231 Habenhausen 2,6% . . 6,0%<br />

233 Kattenturm 23,5% 21,2% 25,6% 46,6%<br />

24 Stadtteil Huchting 19,5% 17,4% 21,4% 39,5%<br />

244 Grolland 3,6% . . 5,5%<br />

25 Stadtteil Woltmershausen 17,6% 17,3% 17,8% 32,9%<br />

251 Woltmershausen 19,1% . . 36,3%<br />

252 Rablinghausen 11,8% . . 20,3%<br />

31 Stadtteil Östliche Vorstadt 10,0% 11,6% 8,5% 17,1%<br />

32 Stadtteil Schwachhausen 4,5% 4,7% 4,3% 7,4%<br />

33 Stadtteil Vahr 22,3% 19,7% 24,5% 45,9%<br />

331 Gartenstadt Vahr 12,3% 11,3% 13,1% 27,0%<br />

332 Neue Vahr Nord 27,4% 23,7% 30,7% 54,3%<br />

34 Stadtteil Horn-Lehe 6,3% 6,1% 6,5% 13,2%<br />

351 Borgfeld 4<br />

2,2% . . 2,5%<br />

361 Oberneuland 4<br />

3,5% . . 3,1%<br />

37 Stadtteil Osterholz 20,7% 19,5% 21,8% 40,0%<br />

373 Tenever 34,3% 31,2% 37,2% 54,0%<br />

374 Osterholz 5,2% . . 8,8%<br />

38 Stadtteil Hemelingen 14,0% 14,1% 13,9% 26,6%<br />

383 Hemelingen 21,1% 20,6% 21,3% 36,3%<br />

384 Arbergen 7,4% 7,0% 7,9% 17,2%<br />

42 Stadtteil Findorff 10,8% 11,2% 10,3% 18,7%<br />

43 Stadtteil Walle 18,4% 18,8% 17,9% 34,6%<br />

44 Stadtteil Gröpelingen 27,5% 26,1% 28,9% 49,2%<br />

441 Lindenhof 25,3% 24,7% 25,9% 40,4%<br />

442 Gröpelingen 32,9% 30,4% 35,0% 55,9%<br />

51 Stadtteil Burglesum 14,4% 13,6% 15,0% 28,7%<br />

513 Burgdamm 20,9% 18,9% 22,7% 38,8%<br />

515 St. Magnus 6,4% . . 12,3%<br />

52 Stadtteil Vegesack 16,9% 16,2% 17,5% 32,8%<br />

522 Grohn 18,7% 17,9% 19,4% 42,6%<br />

523 Schönebeck 10,1% 9,0% 11,1% 22,7%<br />

53 Stadtteil Blumenthal 19,1% 18,0% 20,0% 33,9%<br />

531 Blumenthal 23,4% 22,8% 23,7% 37,6%<br />

533 Lüssum-Bockhorn 21,8% 20,3% 23,3% 38,5%<br />

535 Rekum 6,4% . . 12,0%<br />

Maximum (Ortsteile) 34,3% 31,2% 37,2% 55,9%<br />

Minimum (Ortsteile) 2,2% . . 2,5%<br />

1 ohne Stadtteil Häfen und ohne die Ortsteile Blockland, Seehausen und Strom<br />

2 Bevölkerung im entsprechenden Alter (15 bis unter 65 Jahren bzw. unter 15 Jahren) Ende 2009<br />

3 Stadt- und Ortsteildaten auf Basis <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt),<br />

Anteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in <strong>der</strong> Stadt Bremen: 95,53%<br />

4 Ortsteile, die keinem Stadtteil zugeordnet sind<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 8.1:<br />

Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

(unter 15 Jahren) an<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />

Stadt Bremen:<br />

Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />

Im September 2010 56 waren im stadtbremischen<br />

Durchschnitt 14,8 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige), 14,6 Prozent <strong>der</strong> Männer und<br />

15,0 Prozent <strong>der</strong> Frauen im entsprechenden<br />

Alter.<br />

Die entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />

Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />

Stadtteil zugeordnet sind) reichten insgesamt<br />

von 4,5 Prozent im Stadtteil Schwachhausen<br />

bis 27,5 Prozent im Stadtteil Gröpelingen. Die<br />

drei Stadtteile mit <strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote<br />

sind neben dem Stadtteil Gröpelingen<br />

(27,5 Prozent) die Stadtteile Vahr (22,3<br />

Prozent) und Osterholz (20,7 Prozent).<br />

Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />

reichten von 2,2 Prozent in Borgfeld bis 34,3<br />

Prozent in Tenever. Die drei Ortsteile mit <strong>der</strong><br />

höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote sind neben<br />

Tenever (34,3 Prozent) die Ortsteile Gröpelingen<br />

(32,9 Prozent) und Neue Vahr Nord (27,4<br />

Prozent).<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten <strong>der</strong> Frauen<br />

reichten auf Stadtteilebene von 4,3 Prozent in<br />

Schwachhausen bis 28,9 Prozent in Gröpelingen,<br />

die <strong>der</strong> Männer von 4,7 Prozent in<br />

Schwachhausen bis 26,1 Prozent in Gröpelingen.<br />

Auf Ortsteilebene reichten die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten<br />

<strong>bei</strong> den Frauen bis 57 37,2 Prozent<br />

und <strong>bei</strong> den Männern bis 31,2 Prozent in<br />

Tenever.<br />

Sozialgeld-Empfänger/innen unter 15 Jahren<br />

(nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

unter 15 Jahren)<br />

Im September 58 2010 lebten im stadtbremischen<br />

Durchschnitt 29,3 Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im<br />

Alter von unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften.<br />

Das heißt, ihre Mütter und/o<strong>der</strong><br />

Väter waren – ganz o<strong>der</strong> ergänzend – auf<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen.<br />

Die entsprechenden Quoten reichten in den<br />

Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />

Stadtteil zugeordnet sind) von 7,4 Prozent im<br />

Stadtteil Schwachhausen bis 49,2 Prozent im<br />

Stadtteil Gröpelingen. Die vier Stadtteile mit<br />

<strong>der</strong> höchsten Quote sind neben dem Stadtteil<br />

Gröpelingen (49,2 Prozent) die Stadtteile Vahr<br />

(45,9 Prozent), Osterholz (40,0 Prozent) und<br />

Huchting (39,5 Prozent).<br />

Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />

reichten von 2,5 Prozent in Borgfeld bis 55,9<br />

Prozent in Gröpelingen. Die drei Ortsteile mit<br />

<strong>der</strong> höchsten Quote sind neben Gröpelingen<br />

(55,9 Prozent) die Ortsteile Neue Vahr Nord<br />

(54,3 Prozent) und Tenever (54,0 Prozent).<br />

56 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />

lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />

57 Nur ›bis‹, denn es liegen nicht für alle Ortsteile entsprechende<br />

geschlechtsspezifisch differenzierte Daten vor. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e<br />

für Ortsteile mit niedrigen Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten.<br />

58 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />

lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />

103


104<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 8.2: Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahren)<br />

an <strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremerhaven<br />

September 2010<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 1 unter 15 Jahren 1<br />

Stadt / Stad tteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />

Stadt Bremerhaven insgesamt<br />

darunter Stadtteile und Ortsteile<br />

20,5% 19,9% 21,1% 37,8%<br />

11 Stadtteil Weddewarden 4,6% 5,2% 4,0% 5,5%<br />

12 Stadtteil Leherheide 19,5% 17,2% 21,7% 36,4%<br />

121 Königsheide 7,3% 7,8% 6,8% 11,6%<br />

122 Fehrmoor 2,7% 3,0% 2,5% 5,5%<br />

123 Leherheide-West 34,5% 29,8% 38,8% 57,7%<br />

13 Stadtteil Lehe 23,3% 23,3% 23,3% 38,2%<br />

131 Speckenbüttel 3,4% 3,2% 3,6% 5,1%<br />

132 Eckernfeld 8,9% 8,7% 9,1% 17,5%<br />

133 Twischkamp 27,5% 28,6% 26,2% 42,0%<br />

134 Goethestraße 41,5% 39,4% 44,1% 67,3%<br />

135 Klushof 29,7% 28,8% 30,6% 52,5%<br />

136 Schierholz 10,9% 11,9% 10,0% 18,7%<br />

137 Buschkämpen 5,5% 6,4% 4,6% 25,5%<br />

14 Stadtteil Mitte 20,7% 20,6% 20,8% 48,3%<br />

141 Mitte-Süd 18,7% 19,9% 17,5% 39,0%<br />

142 Mitte-Nord 21,9% 21,0% 22,9% 51,8%<br />

21 Geestemünde 24,3% 24,0% 24,6% 45,8%<br />

211 Geestemünde-Nord 15,9% 16,5% 15,3% 34,2%<br />

212 Geestendorf 26,5% 25,4% 27,6% 52,3%<br />

213 Geestemünde-Süd 21,4% 20,3% 22,6% 39,8%<br />

214 Bürgerpark 17,8% 17,7% 17,9% 35,8%<br />

215 Grünhöfe 35,4% 35,6% 35,2% 53,9%<br />

22 Stadtteil Schiffdorferdamm 4,0% 4,6% 3,5% 8,8%<br />

23 Stadtteil Surheide 3,5% 3,8% 3,1% 8,8%<br />

24 Stadtteil Wulsdorf 12,9% 12,8% 12,9% 24,1%<br />

241 Dreibergen 17,8% 17,5% 18,0% 34,3%<br />

242 Jedutenberg 8,0% 8,0% 8,0% 13,4%<br />

25 Stadtteil Fischereihafen 5,9% 6,9% 4,5% 3,5%<br />

Maximum (Ortsteile) 41,5% 39,4% 44,1% 67,3%<br />

Minimum (Ortsteile) 2,7% 3,0% 2,5% 3,5%<br />

1 Bevölkerung im entsprechenden Alter (15 bis unter 65 Jahren bzw. unter 15 Jahren) Ende 2009;<br />

Orts- und Stadtteile: Magistrat Bremerhaven; Stadt Bremerhaven insgesamt: Statistisches Landesamt Bremen<br />

2 Stadt- und Ortsteildaten auf Basis <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt),<br />

Anteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven: 96,93%<br />

Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Magistrat Bremerhaven; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 8.2:<br />

Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

(unter 15 Jahren) an<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />

Stadt Bremerhaven: Stadtteile und Ortsteile<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />

Im September 2010 59 waren in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremerhaven durchschnittlich 20,5 Prozent <strong>der</strong><br />

Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen<br />

(erwerbsfähige Hilfebedürftige), 19,9 Prozent<br />

<strong>der</strong> Männer und 21,1 Prozent <strong>der</strong> Frauen im<br />

entsprechenden Alter.<br />

Die entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />

Stadtteilen reichten insgesamt von 3,5 Prozent<br />

im Stadtteil Surheide bis 24,3 Prozent im<br />

Stadtteil Geestemünde. Die vier Stadtteile mit<br />

<strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote sind<br />

neben dem Stadtteil Geestemünde (24,3 Prozent)<br />

die Stadtteile Lehe (23,3 Prozent), Mitte<br />

(20,7 Prozent) und Leherheide (19,5 Prozent).<br />

Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />

reichten von 2,7 Prozent in Fehrmoor bis 41,5<br />

Prozent im Ortsteil Goethestraße. Die drei Ortsteile<br />

mit <strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote<br />

sind neben dem Ortsteil Goethestraße (41,5<br />

Prozent) die Ortsteile Grünhöfe (35,4 Prozent)<br />

und Leherheide-West (34,5 Prozent).<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten <strong>der</strong> Frauen<br />

reichten auf Stadtteilebene von 3,1 Prozent im<br />

Stadtteil Surheide bis 24,6 Prozent in Geestemünde,<br />

die <strong>der</strong> Männer von 3,8 Prozent<br />

in Surheide bis 24,0 Prozent in Geestemünde.<br />

Auf Ortsteilebene reichten die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten<br />

<strong>bei</strong> den Frauen von 2,5 Prozent<br />

in Fehrmoor bis 44,1 Prozent im Ortsteil<br />

Goethestraße, <strong>bei</strong> den Männern von 3,0 Prozent<br />

in Fehrmoor bis 39,4 Prozent im Ortsteil<br />

Goethestraße.<br />

Sozialgeld-Empfänger/innen unter<br />

15 Jahren (nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige unter 15 Jahren)<br />

Im September 2010 60 lebten in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremerhaven 37,8 Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Alter<br />

von unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften.<br />

Das heißt, ihre Mütter und/o<strong>der</strong> Väter<br />

waren – ganz o<strong>der</strong> ergänzend – auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

II angewiesen.<br />

Die entsprechenden Quoten reichten in den<br />

Stadtteilen von 3,5 Prozent im Stadtteil Fischereihafen<br />

bis 48,3 Prozent im Stadtteil Mitte.<br />

Die vier Stadtteile mit <strong>der</strong> höchsten Quote sind<br />

neben dem Stadtteil Mitte (48,3 Prozent) die<br />

Stadtteile Geestemünde (45,8 Prozent), Lehe<br />

(38,2 Prozent) und Leherheide (36,4 Prozent).<br />

Die entsprechenden Quoten in den Ortsbeziehungsweise<br />

Stadtteilen reichten von 3,5<br />

Prozent im Stadtteil Fischereihafen bis 67,3<br />

Prozent im Ortsteil Goethestraße. Die sechs<br />

Ortsteile mit <strong>der</strong> höchsten Quote (jeweils über<br />

50 Prozent) sind neben dem Ortsteil Goethestraße<br />

(67,3 Prozent) die Ortsteile Leherheide-<br />

West (57,7 Prozent), Grünhöfe (53,9 Prozent),<br />

Klushof (52,5 Prozent), Geestendorf (52,3 Prozent)<br />

und Mitte-Nord (51,8 Prozent).<br />

59 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />

lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />

60 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />

lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />

105


106<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 9.1: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG):<br />

Bewilligte Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremen<br />

revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />

insgesamt (brutto) Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen für Unterkunft SV-Beiträge sonstige<br />

ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />

Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/<br />

Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />

- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15-<br />

2006 37,72 877 484 672 14,69 262 0,76 35 13,44 313 172 8,62 153 0,22 3<br />

2007 33,84 849 444 620 13,77 253 0,72 33 13,09 328 172 6,03 111 0,22 3<br />

2008 33,20 856 450 630 13,31 252 0,70 33 13,00 335 176 5,97 113 0,22 3<br />

2009 34,94 889 478 664 13,84 263 0,82 40 13,62 347 186 6,39 121 0,26 4<br />

2010 35,91 888 480 666 14,20 263 0,71 34 14,16 350 189 6,55 121 0,29 4<br />

Jan 2009 33,47 875 467 652 13,25 258 0,68 33 13,01 340 181 6,31 123 0,23 3<br />

Feb 2009 33,96 879 470 654 13,44 259 0,67 33 13,19 341 182 6,39 123 0,28 4<br />

Mrz 2009 34,41 884 473 658 13,58 260 0,66 32 13,39 344 184 6,44 123 0,34 5<br />

Apr 2009 34,39 879 473 656 13,60 259 0,63 31 13,40 343 184 6,45 123 0,31 4<br />

Mai 2009 34,41 878 473 655 13,62 259 0,61 30 13,44 343 185 6,46 123 0,28 4<br />

Jun 2009 34,47 878 473 655 13,60 259 0,59 29 13,52 344 185 6,47 123 0,29 4<br />

Jul 2009 35,30 892 481 666 14,11 266 0,83 41 13,81 349 188 6,33 119 0,23 3<br />

Aug 2009 36,68 926 498 691 14,40 271 1,88 92 13,79 348 187 6,35 120 0,27 4<br />

Sep 2009 35,56 895 482 669 14,16 266 0,84 40 13,95 351 189 6,36 120 0,25 3<br />

Okt 2009 35,46 891 480 666 14,11 265 0,82 40 13,93 350 189 6,37 120 0,21 3<br />

Nov 2009 35,50 893 481 668 14,11 266 0,82 40 13,95 351 189 6,39 120 0,23 3<br />

Dez 2009 35,68 896 483 670 14,13 265 0,82 40 14,05 353 190 6,42 121 0,26 3<br />

Jan 2010 35,63 889 479 664 14,13 264 0,72 35 13,99 349 188 6,54 122 0,24 3<br />

Feb 2010 35,89 886 478 663 14,31 264 0,66 32 14,03 347 187 6,58 122 0,31 4<br />

Mrz 2010 36,30 889 480 665 14,39 264 0,65 31 14,28 350 189 6,62 121 0,35 5<br />

Apr 2010 36,18 886 478 662 14,35 263 0,63 30 14,21 348 188 6,63 121 0,36 5<br />

Mai 2010 36,14 886 479 662 14,35 263 0,62 30 14,21 348 188 6,63 121 0,33 4<br />

Jun 2010 36,08 884 478 661 14,32 262 0,62 30 14,27 350 189 6,61 121 0,26 3<br />

Jul 2010 35,89 881 477 660 14,24 262 0,61 29 14,22 349 189 6,58 121 0,25 3<br />

Aug 2010 37,23 918 495 688 14,51 268 1,65 78 14,20 350 189 6,54 121 0,33 4<br />

Sep 2010 35,63 885 479 664 14,05 262 0,60 29 14,17 352 190 6,51 121 0,30 4<br />

Okt 2010 35,38 882 478 664 13,96 262 0,60 29 14,12 352 191 6,48 122 0,22 3<br />

Nov 2010 35,28 886 480 668 13,90 263 0,60 29 14,08 353 191 6,45 122 0,25 3<br />

Dez 2010 35,28 887 480 668 13,87 263 0,60 29 14,12 355 192 6,46 122 0,23 3<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.<br />

* LE = Leistungsempfänger/in (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II und Sozialgeld)<br />

** E = Empfänger/in


Zu Tabelle 9.1:<br />

Ausgaben für SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong><br />

Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />

Stadt Bremen<br />

Im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010 wurden in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen vom Bund und <strong>der</strong> Stadt Bremen zu<br />

tragende SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des<br />

Lebensunterhaltes in Höhe von durchschnittlich<br />

35,91 Millionen Euro pro Monat (brutto) bewilligt.<br />

Dies waren (nominal) 0,97 Millionen Euro<br />

pro Monat mehr als im Vorjahr (2009).<br />

Von diesen durchschnittlich 35,91 Millionen<br />

Euro entfielen 14,20 Millionen Euro (39,5 Prozent)<br />

auf das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, 0,71 Millionen<br />

Euro (2,0 Prozent) auf das Sozialgeld (jeweils<br />

ohne die Leistungen für Unterkunft und Heizung),<br />

14,16 Millionen Euro (39,4 Prozent) auf<br />

die Leistungen für Unterkunft und Heizung,<br />

6,55 Millionen Euro (18,2 Prozent) auf die<br />

Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung und 0,29 Millionen<br />

Euro (0,8 Prozent) auf die sonstigen<br />

Leistungen 61 .<br />

Der Vergleich <strong>der</strong> bewilligten SGB-II-Leistungen<br />

<strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhalts pro<br />

Bedarfsgemeinschaft, pro Leistungsempfänger/in<br />

62 beziehungsweise pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />

II-Empfänger/in in den <strong>Bericht</strong>sjahren 2009 und<br />

2010 zeigt: Die bewilligten monatlichen Leistungen<br />

pro Bedarfsgemeinschaft sanken im Vergleich<br />

zum <strong>Bericht</strong>sjahr 2009 um etwa einen<br />

Euro (0,1 Prozent) auf 888 Euro, die bewilligten<br />

monatlichen Leistungen pro Leistungsempfänger/in<br />

stiegen um etwa zwei Euro (0,4 Prozent)<br />

auf 480 Euro und die bewilligten monatlichen<br />

Leistungen pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in<br />

stiegen um ebenfalls etwa zwei Euro (0,4 Prozent)<br />

auf 666 Euro.<br />

Das bewilligte Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II pro<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in (ohne Leistungen<br />

für Unterkunft und Heizung und ohne<br />

Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung) betrug, wie im<br />

Vorjahr (2009) 263 Euro pro Monat.<br />

Die bewilligten monatlichen Leistungen für<br />

Unterkunft und Heizung stiegen pro Bedarfsgemeinschaft<br />

um etwa vier Euro 63 (1,1 Prozent)<br />

auf 350 Euro. Pro Leistungsempfänger/in stiegen<br />

diese Ausgaben um etwa drei Euro (1,6<br />

Prozent) auf 189 Euro.<br />

Von den bewilligten Leistungen im <strong>Bericht</strong>sjahr<br />

2010 hatte <strong>der</strong> Bund etwa 68,8 Prozent<br />

(24,7 Millionen Euro pro Monat) und die Stadt<br />

Bremen 31,2 Prozent (11,2 Millionen Euro pro<br />

Monat) zu tragen (2009: 70,2 Prozent beziehungsweise<br />

29,8 Prozent). 64 Der Anteil <strong>der</strong><br />

Stadt Bremen an den bewilligten Leistungen für<br />

SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes<br />

ist damit weiter gestiegen – im<br />

Wesentlichen wegen des weiter von 25,4 Prozent<br />

auf 23,0 Prozent reduzierten Anteils des<br />

Bundes an den kommunalen Leistungen für<br />

Unterkunft und Heizung.<br />

Hinweis: Die in dieser Tabelle dargestellte Entwicklung<br />

<strong>der</strong> bewilligten Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes gibt keine Auskunft<br />

über die in den Antragsverfahren anerkannten<br />

Bedarfe <strong>der</strong> SGB-II-Bedarfsgemeinschaften. Im<br />

Dezember 2010 wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremen <strong>bei</strong><br />

22.240 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (55,9<br />

Prozent <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften insgesamt)<br />

Einkommen in Höhe von insgesamt etwa 10,38<br />

Millionen Euro angerechnet, etwa 261 Euro pro<br />

Bedarfsgemeinschaft (Dezember 2009: 251<br />

Euro) beziehungsweise 467 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />

mit anrechenbarem Einkommen<br />

(Dezember 2009: 450 Euro). 65 Unter den insgesamt<br />

39.789 Bedarfsgemeinschaften waren<br />

unter an<strong>der</strong>em 14.571 (36,6 Prozent; Dezember<br />

2009: 37,0 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />

mit anrechenbarem Einkommen aus Kin<strong>der</strong>geld<br />

und 11.275 (28,3 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />

mit anrechenbarem Einkommen<br />

aus Erwerbstätigkeit (Dezember 2009: 26,8<br />

Prozent). In 2.404 (6,0 Prozent; Dezember<br />

2009: 6,8 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />

wurden Sozialleistungen angerechnet, darunter<br />

in 971 Bedarfsgemeinschaften Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

gemäß SGB III (Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>ung); Dezember<br />

2009: 1.288.<br />

61 Als sonstige Leistungen werden von <strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für<br />

Ar<strong>bei</strong>t insbeson<strong>der</strong>e die nicht von <strong>der</strong> Regelleistung umfassten kommunalen<br />

Leistungen zusammengefasst: Leistungen für Erstausstattungen für<br />

die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte, für Erstausstattungen für<br />

Bekleidung einschließlich <strong>bei</strong> Schwangerschaft und Geburt sowie für mehrtägige<br />

Klassenfahrten im Rahmen <strong>der</strong> schulrechtlichen Bestimmungen<br />

(§ 23 SGB II). Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />

62 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />

63 Rundungsdifferenz zu den in <strong>der</strong> Tabelle genannten Leistungen, da Verän<strong>der</strong>ungen<br />

auf Basis ungerundeter Daten ermittelt wurden (3,73 Euro).<br />

64 Die Kommunen haben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Leistungen<br />

für Unterkunft und Heizung zu tragen. Der Bund beteiligt sich an diesen<br />

Leistungen gemäß § 46 Abs. 5 SGB II. Die Höhe des Bundesanteils<br />

ergibt sich aus den Absätzen 6 und 7 des § 46 SGB II. Der Bundesanteil<br />

betrug in den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im<br />

Land Bremen und 13 weiteren Län<strong>der</strong>n 31,2 Prozent dieser Ausgaben<br />

(Baden-Württemberg 2007: 35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz 2007: 41,2 Prozent).<br />

Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land Bremen und 13 weiteren<br />

Län<strong>der</strong>n auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg 2008: 32,6 Prozent;<br />

Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent). Im Jahr 2009 sank <strong>der</strong> Anteil des<br />

Bundes weiter auf 25,4 Prozent (Baden-Württemberg 2009: 29,4 Prozent;<br />

Rheinland-Pfalz 2009: 35,4 Prozent) und im Jahr 2010 auf 23,0 Prozent<br />

(Baden-Württemberg 2010: 27,0 Prozent; Rheinland-Pfalz 2010: 33,0<br />

Prozent).<br />

65 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung<br />

für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach SGB II, Report für Kreise und kreisfreie<br />

Städte, <strong>Bericht</strong>smonate Dezember 2009 und 2010, Nürnberg; eigene<br />

Berechnungen.<br />

107


108<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 9.2: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG):<br />

Bewilligte Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />

insgesamt (brutto) Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen für Unterkunft SV-Beiträge sonstige<br />

ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />

Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/<br />

Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />

- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15-<br />

2006 11,08 865 465 645 4,44 258 0,21 31 3,82 298 160 2,56 149 0,06 3<br />

2007 10,08 847 431 600 4,22 251 0,20 30 3,78 317 161 1,82 108 0,06 3<br />

2008 9,64 850 434 606 3,98 250 0,19 31 3,60 317 162 1,81 114 0,06 3<br />

2009 9,58 877 459 636 3,87 257 0,22 38 3,59 329 172 1,83 121 0,07 3<br />

2010 9,50 855 452 626 3,91 257 0,19 33 3,52 316 167 1,83 120 0,07 3<br />

Jan 2009 9,43 868 452 627 3,78 251 0,18 31 3,54 326 170 1,85 123 0,07 3<br />

Feb 2009 9,56 872 454 630 3,85 254 0,19 31 3,58 326 170 1,87 123 0,07 3<br />

Mrz 2009 9,67 877 457 633 3,86 253 0,18 30 3,64 330 172 1,88 123 0,11 5<br />

Apr 2009 9,62 877 459 634 3,85 254 0,17 29 3,64 332 173 1,87 123 0,09 4<br />

Mai 2009 9,50 872 457 631 3,81 253 0,16 28 3,60 330 173 1,86 123 0,07 3<br />

Jun 2009 9,47 868 455 627 3,83 253 0,15 26 3,58 328 172 1,86 123 0,05 3<br />

Jul 2009 9,66 878 461 637 3,96 261 0,22 38 3,61 329 172 1,81 119 0,06 3<br />

Aug 2009 9,98 915 478 663 4,00 266 0,52 89 3,59 329 172 1,80 119 0,07 3<br />

Sep 2009 9,54 876 459 637 3,89 260 0,22 38 3,58 329 172 1,78 119 0,07 3<br />

Okt 2009 9,48 873 458 636 3,86 259 0,22 37 3,57 329 173 1,78 119 0,05 3<br />

Nov 2009 9,52 879 461 640 3,88 261 0,21 37 3,59 331 174 1,78 120 0,06 3<br />

Dez 2009 9,52 873 458 636 3,91 261 0,22 37 3,55 325 171 1,79 120 0,05 3<br />

Jan 2010 9,44 860 451 626 3,88 257 0,17 29 3,50 319 167 1,82 121 0,06 3<br />

Feb 2010 9,53 861 453 627 3,94 259 0,17 30 3,53 318 168 1,84 121 0,06 3<br />

Mrz 2010 9,65 865 455 630 3,97 259 0,17 29 3,57 320 168 1,85 121 0,09 4<br />

Apr 2010 9,66 864 455 630 3,96 258 0,17 29 3,59 321 169 1,84 120 0,10 5<br />

Mai 2010 9,58 859 454 627 3,95 259 0,17 29 3,54 318 168 1,84 120 0,07 3<br />

Jun 2010 9,54 854 452 624 3,93 257 0,16 28 3,54 317 168 1,84 120 0,07 3<br />

Jul 2010 9,49 847 450 621 3,90 255 0,16 28 3,54 316 168 1,83 120 0,06 3<br />

Aug 2010 9,80 878 465 644 3,96 260 0,45 76 3,50 314 166 1,82 120 0,07 3<br />

Sep 2010 9,38 841 447 619 3,87 255 0,16 28 3,48 312 166 1,82 120 0,05 3<br />

Okt 2010 9,36 842 448 620 3,85 255 0,16 28 3,48 314 167 1,81 120 0,05 3<br />

Nov 2010 9,30 843 448 620 3,82 255 0,16 28 3,45 313 166 1,80 120 0,05 3<br />

Dez 2010 9,32 846 451 624 3,84 257 0,16 28 3,46 314 167 1,81 121 0,05 2<br />

Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.<br />

* LE = Leistungsempfänger/in (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II und Sozialgeld)<br />

** E = Empfänger/in


Zu Tabelle 9.2:<br />

Ausgaben für SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong><br />

Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010 wurden in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremerhaven vom Bund und <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

zu tragende SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong><br />

Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von<br />

durchschnittlich 9,50 Millionen Euro pro Monat<br />

(brutto) bewilligt. Dies waren (nominal) 0,08<br />

Millionen Euro pro Monat weniger als im Vorjahr<br />

(2009).<br />

Von diesen durchschnittlich 9,50 Millionen<br />

Euro entfielen 3,91 Millionen Euro (41,1 Prozent)<br />

auf das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, 0,19 Millionen<br />

Euro (2,0 Prozent) auf das Sozialgeld (jeweils<br />

ohne die Leistungen für Unterkunft und Heizung),<br />

3,52 Millionen Euro (37,0 Prozent) auf<br />

die Leistungen für Unterkunft und Heizung,<br />

1,83 Millionen Euro (19,2 Prozent) auf die<br />

Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung und 0,07<br />

Millionen Euro (0,7 Prozent) auf die sonstigen<br />

Leistungen 66 .<br />

Der Vergleich <strong>der</strong> bewilligten SGB-II-Leistungen<br />

<strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhalts pro<br />

Bedarfsgemeinschaft, pro Leistungsempfänger/in<br />

67 beziehungsweise pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />

II-Empfänger/in in den <strong>Bericht</strong>sjahren 2009 und<br />

2010 zeigt: Die im Vorjahr (2009) deutlich<br />

gestiegenen bewilligten monatlichen Leistungen<br />

pro Bedarfsgemeinschaft sanken im Vergleich<br />

zu 2010 um etwa 22 Euro (2,5 Prozent) auf<br />

855 Euro, die bewilligten monatlichen Leistungen<br />

pro Leistungsempfänger/in um etwa sieben<br />

Euro (1,5 Prozent) auf 452 Euro und die<br />

bewilligten monatlichen Leistungen pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in<br />

um etwa zehn Euro<br />

(1,6 Prozent) auf 626 Euro.<br />

Die bewilligten monatlichen SGB-II-Leistungen<br />

<strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes lagen in<br />

<strong>der</strong> Stadt Bremerhaven im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010<br />

mit 626 Euro pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in<br />

etwa 40 Euro (6,0 Prozent) unter den<br />

entsprechenden Ausgaben in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />

– insbeson<strong>der</strong>e wegen <strong>der</strong> geringeren Leistungen<br />

für Unterkunft und Heizung (niedrigere<br />

Mieten).<br />

Das bewilligte Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II pro<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in (ohne Leistungen<br />

für Unterkunft und Heizung und ohne<br />

Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung) betrug, wie<br />

im Vorjahr (2009) 257 Euro pro Monat.<br />

Die bewilligten monatlichen Leistungen für<br />

Unterkunft und Heizung sanken um etwa 12<br />

Euro 68 (3,8 Prozent) auf 316 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />

beziehungsweise um etwa fünf<br />

Euro (2,7 Prozent) auf 167 Euro pro Leistungsempfänger/in.<br />

Von den bewilligten Leistungen im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010<br />

hatte <strong>der</strong> Bund etwa 71,3 Prozent (6,7 Millionen<br />

Euro pro Monat) und die Stadt Bremerhaven 28,7<br />

Prozent (2,8 Millionen Euro pro Monat) zu tragen<br />

(2009: 70,8 Prozent beziehungsweise 29,2 Prozent).<br />

69 Der Anteil <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven an den<br />

Ausgaben für SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des<br />

Lebensunterhaltes ist damit weiter gestiegen – im<br />

Wesentlichen wegen des von 25,4 Prozent auf 23,0<br />

Prozent reduzierten Anteils des Bundes an den<br />

kommunalen Leistungen für Unterkunft und Heizung.<br />

Hinweis: Die in dieser Tabelle dargestellte Entwicklung<br />

<strong>der</strong> bewilligten für Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes gibt keine Auskunft über die<br />

in den Antragsverfahren anerkannten Bedarfe <strong>der</strong><br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften. Im Dezember 2010<br />

wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven <strong>bei</strong> 6.194 SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften (56,2 Prozent <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />

insgesamt) Einkommen in Höhe von<br />

insgesamt 2,63 Millionen Euro angerechnet, etwa<br />

238 Euro pro Bedarfsgemeinschaft (Dezember<br />

2009: 259 Euro) beziehungsweise 424 Euro pro<br />

Bedarfsgemeinschaft mit anrechenbarem Einkommen<br />

(Dezember 2009: 455 Euro). 70 Unter den insgesamt<br />

11.017 Bedarfsgemeinschaften waren unter<br />

an<strong>der</strong>em 4.001 Bedarfsgemeinschaften (36,3 Prozent;<br />

Dezember 2009: 38,6 Prozent) mit anrechenbarem<br />

Einkommen aus Kin<strong>der</strong>geld und 2.834<br />

Bedarfsgemeinschaften (25,7 Prozent) mit anrechenbarem<br />

Einkommen aus Erwerbstätigkeit<br />

(Dezember 2009: 25,9 Prozent). In 813 (7,4 Prozent;<br />

Dezember 2009: 7,8 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />

wurden Sozialleistungen angerechnet,<br />

darunter in 306 Bedarfsgemeinschaften Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />

gemäß SGB III (Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>ung); Dezember<br />

2009: 318.<br />

109<br />

66 Als sonstige Leistungen werden von <strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t insbeson<strong>der</strong>e<br />

die nicht von <strong>der</strong> Regelleistung umfassten kommunalen Leistungen zusammengefasst:<br />

Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte, für Erstausstattungen<br />

für Bekleidung einschließlich <strong>bei</strong> Schwangerschaft und Geburt sowie für mehrtägige<br />

Klassenfahrten im Rahmen <strong>der</strong> schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 SGB II). Abweichungen<br />

<strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> Einzelbeträge von 9,50 Millionen Euro durch Rundungen bedingt.<br />

67 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />

68 Rundungsdifferenz zu den in <strong>der</strong> Tabelle genannten Leistungen, da Verän<strong>der</strong>ungen auf Basis<br />

ungerundeter Daten ermittelt wurden (12,35 Euro).<br />

69 Die Kommunen haben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Leistungen für Unterkunft<br />

und Heizung zu tragen. Der Bund beteiligt sich an diesen Leistungen gemäß § 46 Abs. 5 SGB<br />

II. Die Höhe des Bundesanteils ergibt sich aus den Absätzen 6 und 7 des § 46 SGB II. Der<br />

Bundesanteil betrug in den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im Land<br />

Bremen und 13 weiteren Län<strong>der</strong>n 31,2 Prozent dieser Ausgaben (Baden-Württemberg 2007:<br />

35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz 2007: 41,2 Prozent). Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land<br />

Bremen und 13 weiteren Län<strong>der</strong>n auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg 2008: 32,6 Prozent;<br />

Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent). Im Jahr 2009 sank <strong>der</strong> Anteil des Bundes weiter auf<br />

25,4 Prozent (Baden-Württemberg 2009: 29,4 Prozent; Rheinland-Pfalz 2009: 35,4 Prozent)<br />

und im Jahr 2010 auf 23,0 Prozent (Baden-Württemberg 2010: 27,0 Prozent; Rheinland-Pfalz<br />

2010: 33,0 Prozent).<br />

70 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende<br />

nach SGB II, Report für Kreise und kreisfreie Städte, <strong>Bericht</strong>smonate Dezember 2009 und<br />

2010; eigene Berechnungen.


110<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 10: Grundsicherung im Alter (Kapitel 4 SGB XII)<br />

65 Jahre und älter – Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen Leistungsempfänger/innen 1<br />

insgesamt Männer Frauen<br />

absolut absolut absolut in v.H.<br />

Dezember 2006 4.306 1.370 2.936 68,2%<br />

Dezember 2007 4.846 1.661 3.185 65,7%<br />

Dezember 2008 5.232 1.850 3.382 64,6%<br />

Dezember 2009 5.348 1.945 3.403 63,6%<br />

Dezember 2010 5.531 2.047 3.484 63,0%<br />

Stadt Bremen Einwohner/innen im Alter von 65 Jahren und älter<br />

Ende 2006 113.318 45.898 67.420 59,5%<br />

Ende 2007 114.875 46.942 67.933 59,1%<br />

Ende 2008 116.321 47.988 68.333 58,7%<br />

Ende 2009 117.170 48.771 68.399 58,4%<br />

Stadt Bremen Leistungsempfänger/innen pro Einwohner/innen 65 Jahre und älter 1<br />

Dezember 2006 3,8% 3,0% 4,4%<br />

Dezember 2007 4,2% 3,5% 4,7%<br />

Dezember 2008 4,5% 3,9% 4,9%<br />

Dezember 2009 4,6% 4,0% 5,0%<br />

Dezember 2010 2<br />

4,7% 4,2% 5,1%<br />

Stadt Bremerhaven Leistungsempfänger/innen 1<br />

insgesamt Männer Frauen<br />

absolut absolut absolut in v.H.<br />

Dezember 2006 1.362 420 942 69,2%<br />

Dezember 2007 1.397 434 963 68,9%<br />

Dezember 2008 1.448 466 982 67,8%<br />

Dezember 2009 1.387 479 908 65,5%<br />

Dezember 2010 1.385 487 898 64,8%<br />

Stadt Bremerhaven Einwohner/innen im Alter von 65 Jahren und älter<br />

Ende 2006 24.924 10.314 14.610 58,6%<br />

Ende 2007 24.980 10.440 14.540 58,2%<br />

Ende 2008 25.106 10.642 14.464 57,6%<br />

Ende 2009 25.135 10.758 14.377 57,2%<br />

Stadt Bremerhaven Leistungsempfänger/innen pro Einwohner/innen 65 Jahre und älter 1<br />

Dezember 2006 5,5% 4,1% 6,4%<br />

Dezember 2007 5,6% 4,2% 6,6%<br />

Dezember 2008 5,8% 4,4% 6,8%<br />

Dezember 2009 5,5% 4,5% 6,3%<br />

Dezember 2010 2<br />

5,5% 4,5% 6,2%<br />

1 außerhalb von Einrichtungen (a.v.E.)<br />

2 berechnet auf Basis <strong>der</strong> Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter Ende 2009<br />

Quellen: Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Stadt Bremen: PROSOZ Bremen; Bremerhaven: Open PROSOZ<br />

Bremerhaven); Statistisches Landesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 10:<br />

Grundsicherung im Alter (Kapitel 4 SGB XII)<br />

Stadt Bremen<br />

Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen 5.531 Menschen im Alter von 65 Jahren<br />

und älter auf Grundsicherung im Alter angewiesen<br />

(Leistungsempfänger/innen außerhalb<br />

von Einrichtungen). Dies entspricht einem Anteil<br />

von 4,7 Prozent an <strong>der</strong> entsprechenden Bevölkerung.<br />

63,0 Prozent (3.484) dieser Leistungsempfänger/innen<br />

waren Frauen.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> auf Grundsicherung im Alter<br />

angewiesenen Menschen ist in den letzten Jahren<br />

kontinuierlich gestiegen. Im Dezember<br />

2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremen 28,4 Prozent<br />

mehr Menschen auf Grundsicherung im Alter<br />

angewiesen als vier Jahre zuvor (Dezember<br />

2006). Der Anteil an <strong>der</strong> leicht gestiegenen<br />

Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter<br />

nahm von 3,8 Prozent auf 4,7 Prozent zu.<br />

Dieser Anstieg war <strong>bei</strong> den Männern deutlich<br />

stärker als <strong>bei</strong> den Frauen. Der Frauenanteil an<br />

den Leistungsempfängerinnen und -empfängern<br />

sank demzufolge von 68,2 Prozent im Dezember<br />

2006 auf 63,0 Prozent im Dezember<br />

2010. Der Anteil <strong>der</strong> Frauen im Alter von 65<br />

Jahren und älter, die auf Grundsicherung<br />

im Alter angewiesen waren, lag jedoch auch im<br />

Dezember 2010 mit 5,1 Prozent deutlich<br />

über dem entsprechenden Anteil <strong>der</strong> Männer<br />

(4,2 Prozent).<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />

1.385 Menschen im Alter von 65<br />

Jahren und älter auf Grundsicherung im Alter<br />

angewiesen (Leistungsempfänger/innen außerhalb<br />

von Einrichtungen). Dies entspricht einem<br />

Anteil von 5,5 Prozent an <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Bevölkerung. 64,8 Prozent (898) dieser<br />

Leistungsempfänger/innen waren Frauen.<br />

An<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> Stadt Bremen ist in <strong>der</strong><br />

Stadt Bremerhaven die Zahl <strong>der</strong> Menschen, die<br />

auf Grundsicherung im Alter angewiesen waren,<br />

gemäß <strong>der</strong> vorliegenden Daten zwischen<br />

Dezember 2006 (1.362) und Dezember 2010<br />

(1.385) kaum gestiegen (+1,7 Prozent).<br />

Trotz dieser deutlichen Abweichung von <strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Stadt Bremen beobachteten Entwicklung<br />

waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven auch im<br />

Dezember 2010 relativ mehr Menschen im<br />

Alter von 65 Jahren und älter auf Grundsicherung<br />

im Alter angewiesen als in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen: 5,5 Prozent. Beson<strong>der</strong>s ausgeprägt<br />

ist dies <strong>bei</strong> den Frauen. Während in <strong>der</strong> Stadt<br />

Bremen im Dezember 2010 5,1 Prozent <strong>der</strong><br />

Frauen im Alter von 65 Jahren und älter auf<br />

Grundsicherung im Alter angewiesen waren,<br />

waren dies in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 6,2 Prozent<br />

(Männer: 4,5 Prozent in Bremerhaven, 4,2<br />

Prozent in <strong>der</strong> Stadt Bremen).<br />

111


112


Es ist Bewegung in <strong>der</strong> Situation von Frauen in dieser Gesellschaft – die Politik hat<br />

verstanden, dass die strukturelle Benachteiligung von Frauen angegangen werden<br />

muss. Dennoch finden Frauen im Land Bremen immer noch schwer einen Ar<strong>bei</strong>tso<strong>der</strong><br />

Ausbildungsplatz, ar<strong>bei</strong>ten oft in prekären Beschäftigungsverhältnissen und sie<br />

verdienen immer noch deutlich weniger als Männer. Diesen Sollbruchstellen in <strong>der</strong><br />

weiblichen Erwerbsbiografie beziehungsweise <strong>der</strong> oft daraus folgenden Armut von<br />

Frauen hat sich die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer in ihrem neuen ›<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong>‹<br />

gewidmet.<br />

Diese Publikation ist Teil <strong>der</strong> <strong>Lage</strong>berichterstattung, die zu unserem gesetzlichen<br />

Auftrag gehört: Vor diesem Hintergrund veröffentlichen wir jährlich drei <strong>Bericht</strong>e:<br />

das Statistische Jahrbuch, den <strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen und<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer im Lande Bremen und den <strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong> mit einem<br />

jeweiligen Jahresschwerpunkt.<br />

Die Armutsgefährdungsquote von Frauen ist um einiges höher als die <strong>der</strong> Männer.<br />

Bremen ist das Bundesland mit <strong>der</strong> – im Westen – höchsten Armutsquote. Nur knapp<br />

die Hälfte <strong>der</strong> berufstätigen Bremer Frauen hat ein klassisches Vollzeit-Ar<strong>bei</strong>tsverhältnis,<br />

das heißt, sie ar<strong>bei</strong>ten in Teilzeit, befristet o<strong>der</strong> als Minijobberin. Auch <strong>der</strong><br />

Lohnabstand zu den Männern ist mit 25 Prozent in Bremen im Großstadtvergleich<br />

sehr hoch. Dazu kommt, dass sich verfestigte Armut zum Beispiel <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong><br />

Alleinerziehenden zeigt. Im Land Bremen sind 34 Prozent aller Familienhaushalte<br />

Haushalte von Alleinerziehenden, davon sind etwa 90 Prozent <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />

Frauen.<br />

Wieso können Frauen trotz besserer Bildungsabschlüsse ihre Vorteile auf dem<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nicht angemessen umsetzen? Welche Gründe führen dazu, dass so viele<br />

Frauen in Minijobs ar<strong>bei</strong>ten? Welche Schlüsse könnte und müsste die Politik aus den<br />

Befunden ziehen? Auf diese Fragen möchten wir mit dem <strong>Bericht</strong> erste Antworten<br />

geben und <strong>der</strong> – lei<strong>der</strong> aktuell bleibenden – For<strong>der</strong>ung nach gleicher Teilhabe für<br />

Frauen noch mal Nachdruck verleihen.<br />

Eine Analyse <strong>zur</strong> Armut im Lebenslauf von Frauen, ein Interview <strong>zur</strong> Armutsforschung,<br />

eine Beschreibung <strong>der</strong> Situation von Alleinerziehenden und ein Artikel <strong>zur</strong> Normalität<br />

<strong>der</strong> Armut – das sind die Kapitel des <strong>Bericht</strong>s. Wie jedes Jahr bereiten wir im letzten<br />

Kapitel zusätzlich die statistischen Daten <strong>zur</strong> Armutsentwicklung im Land Bremen auf.<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen<br />

›Armut von Frauen in Bremen‹

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