Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...
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<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong> > <strong>2011</strong><br />
Schwerpunkt:<br />
Armut von Frauen in Bremen<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />
Bremen
<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong> > <strong>2011</strong><br />
Schwerpunkt:<br />
Armut von Frauen in Bremen<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />
Bremen
<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong><br />
Herausgeber<br />
Verfasser/innen<br />
Redaktion<br />
Gestaltung<br />
Fotos<br />
Druck<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />
Bürgerstraße 1<br />
28195 Bremen<br />
Telefon 0421· 36301-0<br />
Telefax 0421·36301- 89<br />
info@ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.de<br />
www.ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.de<br />
Petra Buhr, Elke Heyduck, Ralf Lorenzen,<br />
Barbara Rinken, Paul M. Schrö<strong>der</strong>,<br />
Thomas Schwarzer<br />
Elke Heyduck, Martina Kedenburg,<br />
Hanna Mollenhauer, Nathalie San<strong>der</strong>,<br />
Thomas Schwarzer<br />
Designbüro Möhlenkamp,<br />
Marlis Schuldt, Jörg Möhlenkamp<br />
Kay Michalak<br />
müllerDITZEN, Bremerhaven<br />
Abgeschlossen im Mai <strong>2011</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
Elke Heyduck / Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />
1 Einleitung<br />
Thomas Schwarzer / Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />
2 Armut von Frauen durch Bildungsarmut<br />
und prekäre Positionen im Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />
2.1 Vertieft sich die Spaltung in privilegierte und unterprivilegierte Frauen?<br />
2.2 Exkurs: Bildungsarmut von jungen Frauen – in Deutschland und Bremen<br />
2.3 Armutsrisiken von jungen Frauen in <strong>der</strong> Berufsfindungsphase<br />
2.4 Teilzeitar<strong>bei</strong>t und Minijobs –<br />
Erwerbstätigkeit schützt nicht vor Einkommensarmut<br />
2.5 Die Niedriglohnentwicklung und <strong>der</strong> Lohnabstand<br />
zwischen Männern und Frauen als Armutsursache<br />
2.6 Beziehen Frauen Sozialleistungen – im Sinne staatlicher<br />
›Armutsbekämpfung‹ –, verbleiben viele in Einkommensarmut<br />
2.7 Fazit<br />
Interview mit Dr. Petra Buhr / Universität Bremen<br />
3 Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
Dr. Barbara Rinken / Hochschule Bremen<br />
4 Armut und Alleinerziehen<br />
Ralf Lorenzen / Soziologe, freier Journalist<br />
5 Alltägliche Armut – junge Frauen, Alleinerziehende, Ältere<br />
Paul M. Schrö<strong>der</strong> / Bremer Institut für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung und Jugendberufshilfe<br />
6 Zahlen, Daten, Fakten <strong>zur</strong> Armut im Land Bremen<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (SGB II) nach Geschlecht, Altersgruppen, in Bedarfsgemeinschaften,<br />
im Verhältnis <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote und im Städtevergleich<br />
Kin<strong>der</strong> und an<strong>der</strong>e nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige und SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen nach Stadt- und Ortsteilen<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften: Bewilligte Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat<br />
Grundsicherung im Alter<br />
6<br />
10<br />
30<br />
38<br />
50<br />
72
4<br />
x Susanne Kling<strong>bei</strong>l hilft ihrer Tochter Anna-Lena <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach einem Praktikumsplatz
Wir bedanken uns herzlich<br />
<strong>bei</strong> Familie Kling<strong>bei</strong>l für den Einblick ins Familienleben.<br />
Susanne Kling<strong>bei</strong>l, 41, lebt mit ihren <strong>bei</strong>den Töchtern in Bremen-<br />
Nord. 2004 verlor sie völlig unerwartet ihren Mann, <strong>der</strong> nur<br />
54 Jahre alt wurde. Mutter und Töchter zogen daraufhin in eine<br />
Dreizimmerwohnung. Da Susanne Kling<strong>bei</strong>l keine Berufsausbildung<br />
hat, war die Familie zunächst auf die Finanzierung durch<br />
Sozialhilfe angewiesen. ›Das Sozialamt hat in unserem Fall<br />
anstandslos geholfen, da kann ich mich nicht beklagen‹, sagt<br />
die alleinerziehende Mutter.<br />
Trotzdem fiel sie in ein tiefes Loch, bis sie 2005 aus eigener<br />
Initiative <strong>bei</strong>m Haus <strong>der</strong> Zukunft Hilfe suchte. Dort fand sie ein<br />
offenes Ohr für ihre Situation und relativ schnell einen Ein-Euro<br />
Job. Heute ar<strong>bei</strong>tet sie für eine Aufwandsentschädigung als<br />
Küchenleiterin im (Verbundprojekt) Mehrgenerationenhaus. Das<br />
Haus <strong>der</strong> Zukunft stand ihr mit Rat und Tat <strong>zur</strong> Seite und die<br />
Menschen haben ihr wie<strong>der</strong> eine Aufgabe gegeben. ›Die Ar<strong>bei</strong>t<br />
ist Ablenkung vom Alltag, man wird gebraucht. Das ist ein gutes<br />
Gefühl‹, sagt sie. ›Sonst wäre ich wohl eine Stubenhockerin<br />
geworden.‹ Und Tochter Anna-Lena ergänzt: ›Als es dir besser<br />
ging, ging es auch uns besser.‹<br />
Die 15-jährige Anna-Lena macht den Realschulabschluss und<br />
möchte gerne Zahntechnikerin werden. Ihre Schwester Lysa-<br />
Marie ist 20, hat das Fachabitur für Gestaltung und macht eine<br />
Ausbildung <strong>zur</strong> gestaltungstechnischen Assistentin.<br />
Finanziell kommt die Familie mit Witwen- und Halbwaisenrente<br />
plus Hartz IV über die Runden, allerdings wird das Schülerbafög<br />
von Lysa-Marie mit <strong>der</strong> staatlichen Unterstützung verrechnet.<br />
Im nächsten Jahr möchte Susanne Kling<strong>bei</strong>l gerne eine Weiterbildung<br />
absolvieren, mit <strong>der</strong> sie den Bremer Dienstleistungspass<br />
erhält. Mit ihm hätte sie eine Grundlage für Bewerbungen auf<br />
dem ersten Ar<strong>bei</strong>tsmarkt.<br />
5
6<br />
Einleitung<br />
x Das Zimmer von Tochter Lysa-Marie ist Schlafraum, Fernsehraum und Malatelier
Elke Heyduck x Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />
1 Einleitung<br />
Beginnen wir mit <strong>der</strong> guten Nachricht: Die<br />
Situation von Frauen in dieser Gesellschaft ist<br />
durchaus in Bewegung. Mittlerweile wissen<br />
alle, dass die Bildungsabschlüsse <strong>der</strong> Frauen<br />
überwiegend besser sind als die <strong>der</strong> Männer,<br />
mehr Frauen sind heute erwerbstätig und die<br />
Diskussion um eine Frauenquote in Aufsichtsräten<br />
o<strong>der</strong> Führungspositionen zeigt, dass<br />
auch hier die politische Einsicht in die strukturelle<br />
Benachteiligung von Frauen und in <strong>der</strong>en<br />
Beseitigung wächst. Soweit, so schön.<br />
Warum wir dennoch unseren <strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong><br />
<strong>Lage</strong> dem Thema ›Frauenarmut‹ widmen?<br />
Zum Beispiel, weil zwar mehr Frauen erwerbstätig<br />
sind als noch vor Jahren, ihr Ar<strong>bei</strong>tsvolumen<br />
insgesamt aber gleich geblieben ist.<br />
Was bedeutet, dass mehr Frauen sich die<br />
gleich gebliebene ›Menge‹ Ar<strong>bei</strong>t teilen. O<strong>der</strong><br />
auch weil Frauen noch immer deutlich weniger<br />
verdienen als Männer. Und auch, weil die<br />
politisch herausgefor<strong>der</strong>te Ausweitung <strong>der</strong><br />
Minijobs dafür gesorgt hat, dass sehr viele<br />
Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen<br />
ar<strong>bei</strong>ten und keine existenzsichernden<br />
Löhne erzielen.<br />
Der Artikel von Thomas Schwarzer,<br />
Referent für kommunale Sozialpolitik <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer, berichtet von diesen<br />
und weiteren ›Sollbruchstellen‹ in <strong>der</strong> weiblichen<br />
Erwerbsbiografie.<br />
Die Situation von Frauen in<br />
dieser Gesellschaft ist durchaus<br />
in Bewegung.<br />
Nach wie vor sind familienbedingte Erwerbsunterbrechungen<br />
<strong>bei</strong> Frauen deutlich<br />
häufiger als <strong>bei</strong> Männern. Auch wenn <strong>bei</strong>de<br />
Elternteile berufstätig sind, wird die Familienar<strong>bei</strong>t<br />
im Wesentlichen von Frauen geleistet.<br />
Zugleich sind gut dotierte Teilzeitstellen<br />
o<strong>der</strong> gar Führungspositionen in Teilzeit nach<br />
wie vor äußerst selten.<br />
Der ›gespaltene‹ Ar<strong>bei</strong>tsmarkt schlägt <strong>bei</strong><br />
Frauen beson<strong>der</strong>s zu Buche. Zwar steigt <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Akademikerinnen an allen Berufstätigen<br />
– zugleich aber finden sich insbeson<strong>der</strong>e<br />
Frauen in den atypischen Ar<strong>bei</strong>tsverhältnissen<br />
wie<strong>der</strong>: Nur knapp die Hälfte <strong>der</strong> berufstätigen<br />
Bremer Frauen hat ein klassisches Vollzeit-<br />
Ar<strong>bei</strong>tsverhältnis. Über 50 Prozent sind in Teilzeit,<br />
befristet o<strong>der</strong> in Minijobs beschäftigt.<br />
Von ›atypischen‹ Ar<strong>bei</strong>tsverhältnissen kann aus<br />
Sicht <strong>der</strong> Frauen also gar nicht mehr gesprochen<br />
werden.<br />
Nicht zuletzt, dies zeigen regionale und bundesweite<br />
Studien, ist <strong>der</strong> sogenannte Gen<strong>der</strong><br />
Pay Gap, also <strong>der</strong> Lohnabstand zwischen Frauenverdiensten<br />
und denen <strong>der</strong> Männer, mit über<br />
20 Prozent hoch – in Bremen mit über 25 Prozent<br />
im Großstadtvergleich sogar noch höher.<br />
Dies betrifft auch gut qualifizierte Frauen. Fakt<br />
ist also: Wiewohl Frauen <strong>bei</strong> den Bildungsabschlüssen<br />
aufgeholt und die Männer inzwischen<br />
überholt haben, können sie ihre<br />
Bildungsvorteile auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nicht<br />
angemessen umsetzen.<br />
Politisch wäre eine Vielzahl von Maßnahmen<br />
zu ergreifen, die dazu <strong>bei</strong>tragen würden, die<br />
Leitplanken weiblicher Berufsbiografien<br />
gefahrloser zu gestalten. Hierzu zählen zu<br />
allererst ein Mindestlohn und die Eindämmung<br />
<strong>der</strong> Minijobs. Hierzu zählen aber auch ausreichende<br />
Betreuungsmöglichkeiten für Kin<strong>der</strong>,<br />
Frauenquoten auf den Führungsetagen und die<br />
Möglichkeit für Frauen und Männer, in Teilzeit<br />
zu ar<strong>bei</strong>ten, aber auch <strong>bei</strong>zeiten wie<strong>der</strong> aufzustocken.<br />
Den Gewerkschaften kommt insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Beseitigung des Gen<strong>der</strong> Pay<br />
7
8<br />
Einleitung<br />
Gap eine herausragende Rolle zu. Nach wie<br />
vor ist Männerar<strong>bei</strong>t tariflich besser gesichert<br />
als Ar<strong>bei</strong>t in ›typischen Frauenberufen‹. Den<br />
Bildungsinstanzen – von <strong>der</strong> Steuerung bis<br />
zum einzelnen Kita-Betrieb – kommt die Aufgabe<br />
zu, junge Mädchen und Frauen aus <strong>der</strong><br />
Geschlechterfalle zu holen und sie früh für<br />
Wissenschaft und Technik zu begeistern, um<br />
das frauentypische Berufswahlverhalten zu<br />
verän<strong>der</strong>n.<br />
Im Interview mit Petra Buhr, Soziologin an<br />
<strong>der</strong> Universität Bremen und Mitar<strong>bei</strong>terin des<br />
Deutschen Beziehungs- und Familienpanels,<br />
werfen wir im Anschluss einen Blick auf die<br />
Armutsforschung. Hier zeigen sich zwei parallele<br />
Entwicklungen: Zum einen zeigt die dynamische<br />
Armutsforschung, dass es einen vergleichsweise<br />
hohen Anteil von Personen gibt,<br />
die innerhalb eines Jahres aus dem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezug<br />
wie<strong>der</strong> herauskommen.<br />
Ursächlich für diese Armutsphasen ist <strong>bei</strong><br />
Frauen oft eine Scheidung, die Geburt eines<br />
Kindes, aber natürlich auch <strong>der</strong> Verlust des<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplatzes. Allerdings ist es in den letzten<br />
Jahren eindeutig schwieriger geworden,<br />
Armutslagen wie<strong>der</strong> zu überwinden. Verfestigte<br />
Armut findet sich <strong>bei</strong> bestimmten Gruppen<br />
wie zum Beispiel Alleinerziehenden. Ihre<br />
Armutsquote ist rund dreimal so hoch wie im<br />
Durchschnitt, hingegen liegen die Quoten<br />
zwischen Frauen und Männern, die nicht in<br />
Familien leben, dicht <strong>bei</strong>einan<strong>der</strong>. Offenbar<br />
sind also zusätzliche Faktoren, wie die Versorgung<br />
von Kin<strong>der</strong>n und eingeschränkte Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung, ursächlich für<br />
einen Teil <strong>der</strong> Armut.<br />
Den Alleinerziehenden haben wir aus diesem<br />
Grund ein eigenes Kapitel dieses <strong>Bericht</strong>s<br />
gewidmet. Barbara Rinken, Familiensoziologin<br />
aus Bremen, beschreibt <strong>der</strong>en Situation.<br />
In den <strong>bei</strong>den Städten Bremen und Bremerhaven<br />
sind 34 Prozent aller Familienhaushalte<br />
Haushalte von Alleinerziehenden. Etwa 90 Prozent<br />
<strong>der</strong> Alleinerziehenden sind Frauen, zehn<br />
Prozent Männer. Erfor<strong>der</strong>t Familie bereits von<br />
Paaren ein höheres Maß an Energie und<br />
Geduld, so müssen Alleinerziehende diese<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen ausschließlich aus eigener<br />
Kraft bewältigen. Soziale Netzwerke und<br />
Erwerbstätigkeit sind hier materiell, aber auch<br />
soziokulturell von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />
Als alleinige Ernährerinnen leiden Alleinerziehende<br />
unter verstärkten Existenzängsten und<br />
sind häufiger überlastet und/o<strong>der</strong> krank. Sind<br />
sie ar<strong>bei</strong>tslos, stehen sie in beson<strong>der</strong>s hohem<br />
Maße unter dem Verdacht, nicht ar<strong>bei</strong>ten zu<br />
wollen. Um Qualifikationsdefizite auszugleichen,<br />
sind jedoch Ausbildungen o<strong>der</strong> Weiterqualifizierungen<br />
oft nicht möglich, weil die<br />
Angebote üblicherweise ganztägig absolviert<br />
werden müssen. Hüten muss man sich jedoch<br />
davor, die Gruppe <strong>der</strong> Alleinerziehenden insgesamt<br />
als ›problematisch‹ einzustufen. Dies<br />
würde lediglich ein gesellschaftliches Vorurteil<br />
reproduzieren. Trotz <strong>der</strong> erschwerten Bedingungen<br />
sind zwei Drittel aller alleinerziehenden<br />
Frauen mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren<br />
erwerbstätig. Das sind zwei Prozent mehr als<br />
Mütter aus Paarfamilien. Alleinerziehende<br />
Frauen ar<strong>bei</strong>ten mit 42 Prozent auch häufiger<br />
in Vollzeit als Mütter aus Paarfamilien (27 Prozent).<br />
In ihrer Selbstwahrnehmung bezeichnet sich<br />
kaum eine <strong>der</strong> Frauen als arm. ›Willkommen<br />
im normalen Leben‹ heißt – nicht nur deshalb<br />
– <strong>der</strong> Beitrag des Hamburger Journalisten<br />
und Sozialwissenschaftlers Ralf Lorenzen.<br />
Die hohe Zahl <strong>der</strong> Hartz-IV-Empfängerinnen<br />
und -Empfänger in manchen Bremer Stadtteilen<br />
sorgt darüber hinaus für eine gewisse<br />
›Normalität <strong>der</strong> Armut‹. Viele <strong>der</strong> von Armut<br />
Betroffenen geben sich selbst die ›Schuld‹ für<br />
ihre schwierige Lebenssituation. Und alle wünschen<br />
sich ein Leben, das doch noch ein bisschen<br />
›normaler‹ ist. Zu dem eine vernünftige<br />
Wohnung gehört, Geld, das man sparen kann,<br />
Urlaub und die Mittel, um kaputte Dinge zu<br />
ersetzen. Da<strong>bei</strong> finden junge Frauen mit Kin<strong>der</strong>n,<br />
die in Armut leben, durchaus Unterstützung<br />
<strong>bei</strong> Behörden und Initiativen. Die beson<strong>der</strong>en<br />
Einschränkungen, schon in jungen Jahren<br />
alleinerziehend und ohne eigenes Einkommen<br />
ein Kind großzuziehen, sind für diese<br />
Frauen zwar nur schwer zu bewältigen. Die
Verantwortung ist oft aber auch ein Ansporn,<br />
das eigene Leben in die ›Hand‹ zu nehmen –<br />
was gelingen kann –, wenn es passende<br />
Unterstützungsangebote gibt. Dazu gehören<br />
vor allem zeitlich abgestimmte (Nach-) Qualifizierungen<br />
und Fortbildungen, die mit <strong>der</strong><br />
Betreuung von Kin<strong>der</strong>n abgestimmt werden<br />
können.<br />
Erschwerend ist häufig die ›Zersplitterung‹ <strong>der</strong><br />
öffentlichen Hilfen. So erhält eine junge Frau<br />
aus Bremen zum Beispiel Unterstützungsleistungen<br />
aus fünf verschiedenen Quellen:<br />
Kin<strong>der</strong>geld für den Sohn, ein kleines Ausbildungsgehalt,<br />
eine Ausbildungs<strong>bei</strong>hilfe, einen<br />
Unterhaltsvorschuss vom Amt und eine ›Aufstockung‹<br />
von <strong>der</strong> BAgIS (heute Jobcenter).<br />
Regelmäßig bereichern Interviews die Schwerpunkte<br />
unserer Sozialberichterstattung. Denn<br />
Statistik ist nicht alles. Jede/r empfindet<br />
Benachteiligung und Armut an<strong>der</strong>s und stößt<br />
an an<strong>der</strong>e Grenzen <strong>bei</strong>m Versuch, an dieser<br />
Gesellschaft teilzuhaben. Dennoch verzichten<br />
wir nicht auf Statistik. Der ›neue deutsche<br />
Aufschwung‹, <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit (fast) überall gelobt<br />
und beschrieben wird, ist keiner, <strong>der</strong> allen<br />
zugutekommt. Dies belegen insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Bremer Daten <strong>zur</strong> armen Bevölkerung, die<br />
Paul Schrö<strong>der</strong> vom Institut für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung<br />
und Jugendberufshilfe für uns<br />
gesammelt und aufbereitet hat. Im Gegensatz<br />
<strong>zur</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenzahlen,<br />
die für Deutschland insgesamt und auch in<br />
Bremen rückläufig sind, gibt es <strong>bei</strong> den<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen und<br />
-Empfängern (SGB II) relativ wenig Bewegung.<br />
Seit <strong>der</strong> Finanz- und Wirtschaftskrise stieg ihre<br />
Zahl in Bremen von November 2008 bis April<br />
2010 um nahezu 4.000 auf über 54.000 an.<br />
Bis Dezember 2010 gab es dann aber einen<br />
leichten Rückgang um knapp 2.000 Menschen.<br />
In Bremerhaven schwankt die Zahl<br />
<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
zwischen 15.000 (2009) und 15.340 (2010).<br />
Ein Vergleich <strong>der</strong> Entwicklung mit an<strong>der</strong>en<br />
deutschen Großstädten (über 400.000 Einwohner)<br />
zeigt Bremen in einer insgesamt stabilen<br />
mittleren Position. Dagegen zeigt ein Vergleich<br />
<strong>der</strong> Entwicklung in Bremerhaven mit ähnlichen<br />
deutschen Großstädten, dass sich die Seestadt<br />
in <strong>der</strong> mit Abstand schwierigsten <strong>sozialen</strong><br />
<strong>Lage</strong> befindet. Der Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
und -Empfänger pro<br />
1.000 Einwohner/innen liegt mit 202 Menschen<br />
weit höher als in Rostock, Wilhelmshaven<br />
o<strong>der</strong> Offenbach am Main.<br />
Übrigens: Von Armut (im Sinne <strong>der</strong> Hartz-<br />
Gesetze) betroffen waren in Bremen im<br />
Dezember 2010 kaum mehr Frauen (26.707)<br />
als Männer (26.091). In Bremerhaven waren<br />
es zum gleichen Zeitpunkt kaum mehr Männer<br />
(7.517) als Frauen (7.413).<br />
Womit wir wie<strong>der</strong> <strong>bei</strong> unserem Schwerpunkt<br />
angelangt wären. Dass Frauen zwar nicht im<br />
Hartz-IV-Bezug, wohl aber – wie <strong>der</strong> folgende<br />
einleitende Beitrag zeigt – insgesamt in größerem<br />
Umfang von Armut betroffen sind, dass<br />
ihre Armutsgefährdungsquote um einiges<br />
höher ist als die <strong>der</strong> Männer, hat in erster<br />
Linie mit Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten<br />
auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Verteilung<br />
von bezahlter und unbezahlter Ar<strong>bei</strong>t zu tun.<br />
Immer noch, kein Grund also, die Hände in<br />
den Schoß zu legen und darauf zu warten,<br />
dass sich diese Ungleichheiten quasi ›von<br />
allein‹ erledigen. Die For<strong>der</strong>ung nach gleicher<br />
Teilhabe für Frauen klingt ja in den 2010er<br />
Jahren <strong>bei</strong>nahe grotesk altertümlich, sie bleibt<br />
aber – lei<strong>der</strong>! – aktuell. Insofern möchten wir<br />
mit diesem <strong>Bericht</strong>, mit seinen Argumenten,<br />
seinem Blick auf den Alltag und auf Zahlen,<br />
alle unterstützen, die den fortbestehenden<br />
Ungleichheiten entgegenwirken.<br />
9
10<br />
Armut von Frauen<br />
x Susanne Kling<strong>bei</strong>l <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Essenausgabe im Haus <strong>der</strong> Zukunft
Thomas Schwarzer x Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />
2 Armut von Frauen durch Bildungsarmut<br />
und prekäre Positionen im Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />
In den Medien und auch in <strong>der</strong> Politik sind<br />
erfolgreiche Frauen in den letzten Jahren<br />
zunehmend ›sichtbarer‹. Angela Merkel als<br />
Bundeskanzlerin ist für diese Entwicklung ein<br />
beson<strong>der</strong>s deutliches Beispiel. Solche Vorbil<strong>der</strong><br />
können durch Kompetenz und selbstbewusstes<br />
Auftreten viele Frauen <strong>bei</strong> eigenen,<br />
ehrgeizigen Zielen bestärken – im Sinne von<br />
›Frauen können mehr erreichen‹. Tatsächlich<br />
nimmt die Existenz und auch die Sichtbarkeit<br />
von Frauen in Führungspositionen in den<br />
letzten Jahren teilweise deutlich zu. Diese<br />
Dynamik beschreibt die Sozialwissenschaftlerin<br />
Jutta Allmendinger als ›Frauen auf dem<br />
Sprung‹. 1<br />
Diese erfreulichen Fortschritte werden<br />
manchmal aber auch politisch missbraucht:<br />
Wenn weitergehende Gleichstellungsfor<strong>der</strong>ungen<br />
abgewehrt werden, mit dem Hinweis,<br />
›seht her, es geht doch, Frauen müssen es<br />
nur richtig anstellen‹. Ein solcher Blick allein<br />
auf den einzelnen Menschen und seinen Erfolg<br />
wird dann auch für weniger erfolgreiche Frauen<br />
zum Maßstab. Sie haben scheinbar irgendetwas<br />
›falsch gemacht‹ und kommen deshalb<br />
nicht voran o<strong>der</strong> geraten sogar in Armut.<br />
Thema sind dann nicht die weiterhin massiv<br />
ungleichen Verwirklichungschancen von Frauen<br />
und Männern, son<strong>der</strong>n ›richtiges‹ beziehungsweise<br />
›falsches‹ Verhalten.<br />
Tatsächlich aber entwickeln sich ungleiche<br />
Verwirklichungschancen aufgrund gesellschaftlicher<br />
Rahmenbedingungen und persönlicher<br />
Erfahrungen in den aufeinan<strong>der</strong> aufbauenden<br />
Lebensphasen. Bedingungen und Erfahrungen<br />
früher Lebensphasen entfalten quasi ›lebenslängliche‹<br />
Wirkungen. Prägend sind vor allem<br />
die frühen Erfahrungen in den Familien sowie<br />
in den Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.<br />
Insofern ist es ein beson<strong>der</strong>er historischer<br />
Fortschritt, dass die jungen Frauen in<br />
Deutschland am Ende <strong>der</strong> Schulphase im<br />
Durchschnitt bessere Abschlüsse erreichen als<br />
die jungen Männer. Dieser Bildungsvorsprung<br />
geht durch zentrale ›Weichenstellungen‹ in den<br />
nachfolgenden Lebensphasen <strong>bei</strong> vielen Frauen<br />
aber wie<strong>der</strong> verloren. Dazu zählt vor allem<br />
die Übergangsphase in Ausbildung und Beruf,<br />
die Phase einer möglichen Elternschaft sowie<br />
die Bedingungen, trotz Mutterschaft erwerbstätig<br />
sein zu können. An diesen ›Knotenpunkten‹<br />
im Lebenslauf kann und muss durch<br />
politische Eingriffe für eine gerechte Politik<br />
<strong>der</strong> Gleichstellung von Männern und Frauen<br />
gesorgt werden. Denn die Lebens- und<br />
Erwerbsverläufe werden in einem erheblichen<br />
Maße von den politisch gesetzten Rahmenbedingungen<br />
und den gesellschaftlichen Institutionen<br />
(Familie, Kita, Schule, Ausbildungssystem,<br />
Regelungen des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes,<br />
Recht) ›mitgesteuert‹. Sie bilden ›Leitplanken‹,<br />
die <strong>der</strong> Verwirklichung persönlicher Ziele<br />
för<strong>der</strong>lich sein können o<strong>der</strong> auch im Wege<br />
stehen. Damit Frauen ihre persönlichen Ziele<br />
in den aktuellen Auseinan<strong>der</strong>setzungen über<br />
eine gerechtere Verteilung von Macht, Geld<br />
und Ar<strong>bei</strong>t auch erreichen können, ist <strong>der</strong><br />
Blick auf die Situation <strong>der</strong> Männer erfor<strong>der</strong>lich,<br />
aber nicht hinreichend. Gerade <strong>der</strong> berufliche<br />
Erfolg von Frauen (und von Männern)<br />
ist unter den gegenwärtigen Bedingungen<br />
ebenfalls von <strong>der</strong> Umverteilung von Macht,<br />
Geld und Ar<strong>bei</strong>t zwischen Frauen abhängig.<br />
Eine notwendige Voraussetzung für den<br />
beruflichen Erfolg von Frauen (und von Männern)<br />
ist die alltägliche Entlastung von unbezahlten,<br />
schlecht bezahlten o<strong>der</strong> abgewerteten<br />
Tätigkeiten. Diese werden noch immer<br />
fast durchgängig von Frauen erledigt: Putzen,<br />
Kochen und Einkaufen sowie die Betreuung<br />
und Pflege <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Kranken und <strong>der</strong><br />
Älteren. Frauenforscherinnen verweisen auf<br />
die noch immer zumeist privat und unentgeltlich<br />
durch Frauen erbrachte Haus-, Familienund<br />
Sorgear<strong>bei</strong>t, von <strong>der</strong> auch viele (Ehe-)<br />
Männer profitieren. Durch ihre zeitlichen und<br />
emotionalen Bindungen verbleiben den Frauen<br />
erheblich weniger Zeit und Energie, sich <strong>der</strong><br />
Konkurrenz auf den Ar<strong>bei</strong>tsmärkten zu stellen.<br />
1 Vgl. Allmendinger 2008.<br />
11
12<br />
Armut von Frauen<br />
Die ungleiche Verteilung von unbezahlter und<br />
bezahlter Ar<strong>bei</strong>t zwischen Frauen und Männern<br />
wird zusätzlich durch die geringer bewertete<br />
und schlechter bezahlte Erwerbsar<strong>bei</strong>t in typischen<br />
Frauenberufen verstärkt. Ursächlich für<br />
eine Armutsgefährdung sind aber nicht alleine<br />
kürzere Erwerbsar<strong>bei</strong>tszeiten und frauentypische<br />
Qualifikationen, son<strong>der</strong>n auch diskriminierende<br />
Mechanismen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Rollenzuweisung,<br />
auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und <strong>bei</strong> <strong>der</strong> sozialstaatlichen<br />
Sicherung. Bei dieser Erklärung ist<br />
anzumerken, dass sie zwar für Mütter in <strong>der</strong><br />
Familienphase zutrifft, weniger jedoch für<br />
Frauen, die keine Kin<strong>der</strong> beziehungsweise<br />
keine Familienpflichten haben.<br />
Warum aber verrichten immer noch gerade<br />
Frauen diese unbezahlten o<strong>der</strong> schlecht<br />
bezahlten Jobs, selbst in einer relativ mo<strong>der</strong>nen<br />
westeuropäischen Gesellschaft wie <strong>der</strong><br />
deutschen o<strong>der</strong> in einer Großstadt wie Bremen?<br />
Was zwingt o<strong>der</strong> veranlasst sie dazu?<br />
Immerhin herrscht Schulpflicht und immer<br />
mehr Frauen sind erwerbstätig und erzielen<br />
ein eigenes Einkommen. Bei den Bildungsabschlüssen<br />
und auch <strong>bei</strong> den Berufsausbildungen<br />
haben die jungen Frauen ihre traditionelle<br />
Benachteiligung gegenüber den jungen Männern<br />
weitgehend überwunden. Bei den höheren<br />
Bildungsabschlüssen haben sie die Männer<br />
inzwischen überholt. Müssten diese Bildungsgewinne<br />
nicht zumindest die jüngeren Frauen<br />
besser vor <strong>der</strong> Gefährdung durch prekäre<br />
Jobs und Armut schützen?<br />
2.1 Vertieft sich die Spaltung in privilegierte<br />
und unterprivilegierte Frauen?<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung erklärt das Armutsrisiko<br />
von Frauen mit dem Verweis auf einen<br />
›zweigeteilten‹, gespaltenen o<strong>der</strong> in verschiedene<br />
›Segmente‹ aufgeteilten Ar<strong>bei</strong>tsmarkt. 2<br />
Neben den traditionell geringer entlohnten<br />
weiblichen Dienstleistungsberufen sind verstärkt<br />
sogenannte ›Randbelegschaften‹ in<br />
Unternehmen und Betrieben entstanden (Frauen,<br />
Migranten, Ältere und leistungsgemin<strong>der</strong>te<br />
Personen). Sie tragen ein höheres Armutsrisiko,<br />
weil sie keine vollzeitnahen, kontinuierlichen<br />
Ar<strong>bei</strong>tsverträge erhalten und häufig zu<br />
Niedriglöhnen ar<strong>bei</strong>ten (Leihar<strong>bei</strong>t, Teilzeit<br />
bzw. Minijobs). Zusätzlich zu dieser ohnehin<br />
prekären Erwerbsposition erwerben sie geringere<br />
o<strong>der</strong> überhaupt keine Ansprüche auf<br />
soziale Sicherungsleistungen. Seitdem es in<br />
Deutschland zu einer starken Ausweitung des<br />
Niedriglohnsektors durch die Unternehmen<br />
gekommen ist (forciert von <strong>der</strong> Politik),<br />
gewinnt diese Erklärung an Bedeutung. Die<br />
vergleichsweise niedrigen Löhne vieler Frauen<br />
sind jedoch nicht allein mit <strong>der</strong> Entstehung<br />
eines breiten Niedriglohnsektors zu erklären.<br />
Über alle Qualifikationsstufen hinweg beträgt<br />
<strong>der</strong> Lohnabstand zwischen Frauen und Männern<br />
im Durchschnitt 23 Prozent. Lediglich die<br />
Hälfte dieses Unterschiedes lässt sich durch<br />
verschiedene soziale und berufliche Merkmale<br />
erklären, die an<strong>der</strong>e Hälfte durch Lohndiskriminierung.<br />
Mit 23 Prozent Lohnabstand zwischen<br />
Frauen und Männern gehört Deutschland in<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union zu den ›Schlusslichtern‹.<br />
So führt die Frage nach den Ursachen<br />
eines erhöhten Armutsrisikos von Frauen zu<br />
einer ›Kette‹ beziehungsweise zu einem<br />
Geflecht von Einflüssen. Verursacht wird ihre<br />
Armut nicht durch einen zentralen o<strong>der</strong> mehrere<br />
genau berechenbare Faktoren. Ausschlaggebend<br />
ist das spezifische ›Zusammenspiel‹<br />
<strong>der</strong> oben genannten verschiedenen Einflüsse<br />
an spezifischen ›Knotenpunkten‹ im Lebensund<br />
Erwerbsverlauf. Ausgangspunkt kann ein<br />
fehlen<strong>der</strong> Schul- o<strong>der</strong> Ausbildungsabschluss<br />
sein, spätere Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit o<strong>der</strong> nicht<br />
(mehr) nachgefragte Qualifikationen, die Verantwortung<br />
für Kin<strong>der</strong>, fehlende Sprachkenntnisse,<br />
eine Krankheit o<strong>der</strong> eine Krisensituation.<br />
Kommen mehrere dieser Einflüsse zusammen,<br />
steigt das Armutsrisiko massiv. Solche<br />
verknüpften Informationen zu einzelnen Personen<br />
o<strong>der</strong> Haushalten liegen aufgrund umfassen<strong>der</strong><br />
repräsentativer Befragungen lediglich<br />
für die Armuts- und Reichtumsberichte <strong>der</strong><br />
Bundesregierung vor. Die amtliche Statistik in<br />
Bremen o<strong>der</strong> in vergleichbaren Großstädten<br />
bietet diese Informationen nicht. Für das Land<br />
Bremen sind deshalb we<strong>der</strong> die genaue Zahl<br />
<strong>der</strong> einkommensarmen Frauen bekannt noch<br />
2 Vgl. Dingeldey 2010: 18.
die Zahl <strong>der</strong>jenigen von ihnen, die dauerhaft<br />
den Anschluss an den durchschnittlichen<br />
Lebensstandard verlieren.<br />
In den folgenden Kapiteln dieses <strong>Bericht</strong>es<br />
erfolgt deshalb eine Annäherung an die spezifischen<br />
Lebenssituationen von Frauen in<br />
Bremen, die sich in Armut o<strong>der</strong> in prekären<br />
Lebenslagen befinden. Diese Annäherung<br />
ist orientiert an den zentralen Knotenpunkten<br />
von Frauen entlang ihres Lebenslaufs.<br />
2.2 Exkurs: Bildungsarmut von jungen<br />
Frauen – in Deutschland und Bremen<br />
Frauen, insbeson<strong>der</strong>e die jüngeren Altersgruppen,<br />
werden häufig als ›Gewinnerinnen‹ <strong>der</strong><br />
Entwicklungen im deutschen Bildungssystem<br />
<strong>der</strong> letzten 20 Jahre bezeichnet. Sie haben <strong>bei</strong><br />
den Bildungsabschlüssen und auch <strong>bei</strong> den<br />
Berufsausbildungen ihre traditionelle Benachteiligung<br />
gegenüber den jungen Männern<br />
weitgehend überwunden. Bei den höheren<br />
Bildungsabschlüssen haben sie die Männer<br />
inzwischen überholt. Diese positive Gesamtsicht<br />
überdeckt aber meistens die weiterhin<br />
bestehende Bildungsarmut – auch von jungen<br />
Frauen. Dass es trotz <strong>der</strong> durchschnittlich<br />
besseren Bildungsabschlüsse weiterhin Bildungsarmut<br />
in Deutschland gibt, wird seit<br />
Anfang des neuen Jahrtausends öffentlich diskutiert.<br />
3 Unter Bildungsarmut wird zweierlei<br />
verstanden: wenig Erfolg versprechende<br />
Abschlüsse und vergleichsweise geringe Kompetenzen<br />
im Leseverständnis, in Mathematik<br />
und in den Naturwissenschaften. Seit den<br />
regelmäßigen und international vergleichenden<br />
PISA-Studien werden die Unterschiede <strong>bei</strong> den<br />
verschiedenen Kompetenzen hitzig diskutiert.<br />
Im Ausbildungssystem und auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />
wird in Deutschland aber weiterhin ein<br />
möglichst erfolgreicher Abschluss belohnt.<br />
Das Fehlen eines Hauptschulabschlusses o<strong>der</strong><br />
eines beruflichen Bildungsabschlusses gilt als<br />
ein hartes Merkmal für eine Unterversorgung<br />
mit schulischer Bildung. Ist das <strong>der</strong> Fall,<br />
wird von Bildungsarmut gesprochen. Dann ist<br />
<strong>der</strong> Zugang zum Ausbildungssystem infrage<br />
gestellt, das in Deutschland auf eine möglichst<br />
breite, allgemeine Durchschnittsqualifikation<br />
zielt. Erst in den letzten Jahren hat<br />
zudem eine öffentliche Diskussion darüber<br />
begonnen, dass in Deutschland, im Vergleich<br />
zu an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n, zu wenige<br />
Hochschulabsolventen ausgebildet werden.<br />
Ein Blick auf die Entwicklung <strong>der</strong> Schulabschlüsse<br />
zwischen 1993 und 2009 in<br />
Deutschland (siehe Abbildung 1, S. 14) verdeutlicht<br />
die Beharrlichkeit <strong>der</strong> Grundstrukturen,<br />
die durch das dreigliedrige Schulsystem<br />
geprägt sind. Erst in den letzten Jahren<br />
kommt etwas Bewegung in die Verteilung <strong>der</strong><br />
Schulabschlüsse.<br />
Am Beginn <strong>der</strong> hier betrachteten Entwicklung<br />
(1993) dominierte <strong>bei</strong> den jungen<br />
Männern noch diejenige Gruppe (41 Prozent),<br />
die keinen Schulabschluss (11 Prozent)<br />
o<strong>der</strong> einen Hauptschulabschluss<br />
erreichten (30 Prozent). Fast gleichauf mit<br />
ihnen erlangten 37 Prozent den in Deutschland<br />
mittlerweile dominierenden Realschulabschluss.<br />
Lediglich 22 Prozent <strong>der</strong><br />
jungen Männer erreichten 1993 die (Fach-)<br />
Hochschulreife.<br />
Bei den jungen Männern erhöhte sich bis<br />
2001 sogar die Anzahl und auch <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong>jenigen, die als ›bildungsarm‹ ohne<br />
Hauptschulabschluss die Schule verlassen<br />
haben, auf zwölf Prozent. Seitdem verringerte<br />
sich ihr Anteil auf acht Prozent im<br />
Jahr 2009. Ganz ähnlich zu diesem Verlauf<br />
hat sich auch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> jungen Männer<br />
mit einem Hauptschulabschluss von 30 Prozent<br />
(1993) auf 24 Prozent (2009) reduziert.<br />
Dennoch beendet auch im Jahr 2009<br />
etwa ein Drittel <strong>der</strong> jungen Männer ihre<br />
Schulzeit ohne einen Schulabschluss o<strong>der</strong><br />
mit einem Hauptschulabschluss (32 Prozent)<br />
und lediglich 28 Prozent mit <strong>der</strong><br />
(Fach-) Hochschulreife. Es dominiert <strong>der</strong><br />
Realschulabschluss, den 40 Prozent <strong>der</strong><br />
jungen Männer erreichen.<br />
3 Vgl. Allmendinger 1999; Allmendinger/Leibfried 2003.<br />
13
14<br />
500.000<br />
450.000<br />
400.000<br />
350.000<br />
300.000<br />
250.000<br />
200.000<br />
150.000<br />
100.000<br />
50.000<br />
0<br />
Armut von Frauen<br />
Abbildung 1: Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse 1993–2009,<br />
Frauen und Männer in Deutschland<br />
91.235<br />
22 %<br />
151.129<br />
37 %<br />
123.563<br />
30 %<br />
46.681<br />
11 %<br />
Männer<br />
104.414<br />
27 %<br />
161.124<br />
42 %<br />
95.412<br />
25 %<br />
25.762<br />
7 %<br />
Frauen<br />
101.947<br />
22 %<br />
174.251<br />
37 %<br />
141.499<br />
30 %<br />
52.411<br />
11 %<br />
Männer<br />
124.257<br />
28 %<br />
189.327<br />
42 %<br />
104.386<br />
23 %<br />
28.075<br />
6 %<br />
Frauen<br />
99.271<br />
21 %<br />
182.129<br />
38 %<br />
135.315<br />
29 %<br />
56.779<br />
12 %<br />
Die jungen Frauen hatten bereits 1993 eine<br />
Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse erreicht,<br />
welche die jungen Männer erst 2009 erlangen<br />
konnten. Ein Drittel von ihnen (32 Prozent)<br />
erreichte damals keinen Schulabschluss<br />
(7 Prozent) o<strong>der</strong> einen Hauptschulabschluss<br />
(25 Prozent). 42 Prozent verließen<br />
schon 1993 die Schule mit einem<br />
Realschulabschluss und 27 Prozent <strong>der</strong><br />
jungen Frauen erlangten die (Fach-) Hochschulreife.<br />
Über die dargestellten Jahre hinweg verbesserten<br />
sich die jungen Frauen auf fast allen<br />
Stufen ihrer Abschlüsse, ausgehend von<br />
einer nahezu konstanten ›Mitte‹ von 41 bis<br />
43 Prozent mit Realschulabschlüssen. Der<br />
Anteil mit einem (Fach-) Hochschulabschluss<br />
stieg von 27 Prozent (1993) auf<br />
35 Prozent im Jahr 2009. Gleichzeitig reduzierte<br />
sich <strong>der</strong> Anteil ›bildungsarmer‹ junger<br />
Frauen ohne einen Hauptschulabschluss<br />
von sieben auf fünf Prozent. Bei den jungen<br />
Frauen mit einem Hauptschulabschluss<br />
sank ihr Anteil von 25 Prozent 1993 auf<br />
18 Prozent 2009.<br />
Männer<br />
126.028<br />
28 %<br />
194.416<br />
43 %<br />
100.812<br />
22 %<br />
32.102<br />
7 %<br />
Frauen<br />
105.949<br />
22 %<br />
195.881<br />
40 %<br />
136.792<br />
28 %<br />
49.756<br />
10 %<br />
Männer<br />
137.923<br />
29 %<br />
202.868<br />
43 %<br />
100.920<br />
21 %<br />
28.396<br />
6 %<br />
Frauen<br />
125.291<br />
28 %<br />
179.888<br />
40 %<br />
110.085<br />
24 %<br />
35.505<br />
8 %<br />
1993 1997 2001 2005 2009<br />
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, Schulstatistik Regional 2010.<br />
Männer<br />
156.579<br />
35 %<br />
181.492<br />
41 %<br />
81.871<br />
18 %<br />
22.849<br />
5 %<br />
Frauen<br />
ohne Hauptschulabschluss<br />
mit Hauptschulabschluss<br />
mit Realschulabschluss<br />
mit allgemeiner (Fach-) Hochschulreife<br />
Zusätzlich zu den beschriebenen Entwicklungen<br />
zeigt sich noch ein weiterer Trend für<br />
Deutschland insgesamt. Die Zahl <strong>der</strong> Schulabgänger/innen<br />
stieg seit 1993, mit einem<br />
Höhepunkt im Jahr 2005. Seitdem sind die<br />
Zahlen <strong>der</strong> Absolventen und Absolventinnen<br />
rückläufig, mit einer erheblichen Entlastung<br />
<strong>bei</strong> den Ausbildungsplätzen und auf dem<br />
Ar<strong>bei</strong>tsmarkt.<br />
Ein vergleichen<strong>der</strong> Blick auf die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Schulabschlüsse im Bundesland Bremen<br />
zeigt gleich einen gravierenden Unterschied.<br />
Von 1993 an steigt in Bremen die Gesamtzahl<br />
<strong>der</strong> Schulabgänger/innen nicht unerheblich<br />
von 6.380 auf 7.969 im Jahr 2009. Die für<br />
Deutschland geltende Entlastung <strong>bei</strong> den Ausbildungsplätzen<br />
und auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt gilt<br />
für die regionalen Ar<strong>bei</strong>tsmärkte in Bremen<br />
und Bremerhaven nicht, im Gegenteil.<br />
Gelten aber ansonsten die zentralen Trends<br />
in Deutschland auch für das Bundesland Bremen?<br />
O<strong>der</strong> ist die Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse<br />
in den <strong>bei</strong>den Großstädten Bremen<br />
und Bremerhaven durch spezifische regionale<br />
Entwicklungen geprägt? Gerade die Bundeslän<strong>der</strong><br />
verfügen auf dem Gebiet <strong>der</strong> Bildungspolitik<br />
ja über weitreichende eigene Gestaltungsmöglichkeiten.
4500<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
Abbildung 2: Verteilung <strong>der</strong> Schulabschlüsse 1993–2009,<br />
Frauen und Männer im Land Bremen<br />
Männer<br />
1.068<br />
33 %<br />
969<br />
30 %<br />
876<br />
27 %<br />
369<br />
11 %<br />
Frauen<br />
1.091<br />
35 %<br />
1.086<br />
35 %<br />
684<br />
22 %<br />
237<br />
8 %<br />
Männer<br />
996<br />
30 %<br />
1.080<br />
33 %<br />
875<br />
26 %<br />
353<br />
11 %<br />
Frauen<br />
1.115<br />
35 %<br />
1.122<br />
35 %<br />
702<br />
22 %<br />
225<br />
7 %<br />
Männer<br />
961<br />
27 %<br />
1.325<br />
38 %<br />
813<br />
23 %<br />
423<br />
12 %<br />
1993 1997 2001 2005 2009<br />
Frauen<br />
1.209<br />
34 %<br />
1.437<br />
40 %<br />
672<br />
19 %<br />
255<br />
7 %<br />
Männer<br />
Im Land Bremen ist die Ausgangssituation<br />
im Jahr 1993 an<strong>der</strong>s als im Bund. Vor<br />
allem, weil die Gruppe <strong>der</strong> Schülerinnen<br />
und <strong>der</strong> Schüler mit einer (Fach-) Hochschulreife<br />
deutlich größer war. Bei den jungen<br />
Männern erreichten 30 Prozent eine<br />
(Fach-) Hochschulreife, <strong>bei</strong> den jungen Frauen<br />
35 Prozent. Auffällig ist, dass diese<br />
Anteile über den gesamten Zeitraum bis<br />
2009 kaum gesteigert werden konnten und<br />
zwischenzeitlich sogar rückläufig waren.<br />
Dennoch erlangt eine größere Gruppe von<br />
jungen Frauen und jungen Männern in<br />
Bremen die (Fach-) Hochschulreife, weil<br />
insgesamt die Zahl <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />
<strong>der</strong> Schüler gestiegen ist, nicht jedoch<br />
ihr Anteil.<br />
1993 dominierte auch in Bremen <strong>bei</strong> den<br />
jungen Männern noch diejenige Gruppe (38<br />
Prozent), die keinen Schulabschluss (11<br />
Prozent) o<strong>der</strong> einen Hauptschulabschluss<br />
erreichten (27 Prozent). 33 Prozent <strong>der</strong><br />
jungen Männer beendeten die Schule<br />
mit einem Realschulabschluss und<br />
30 Prozent mit <strong>der</strong> (Fach-) Hochschulreife.<br />
Bei den jungen Männern entwickelte sich<br />
<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> ›bildungsarmen‹ Schüler bis<br />
2005 nahezu konstant (11 Prozent), ihre<br />
Zahl stieg bis zu diesem Jahr sogar an.<br />
Seit 2005 hat sich jedoch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
1.069<br />
27 %<br />
1.546<br />
39 %<br />
902<br />
23 %<br />
432<br />
11 %<br />
Frauen<br />
1.316<br />
33 %<br />
1.628<br />
41 %<br />
740<br />
19 %<br />
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, Schulstatistik Regional 2010.<br />
258<br />
7 %<br />
Männer<br />
1.203<br />
30 %<br />
1.714<br />
42 %<br />
856<br />
21 %<br />
271<br />
7 %<br />
81.871<br />
18 697 %<br />
18 %<br />
Frauen<br />
1.429<br />
36 %<br />
1.607<br />
41 %<br />
192<br />
5 %<br />
ohne Hauptschulabschluss<br />
mit Hauptschulabschluss<br />
mit Realschulabschluss<br />
mit allgemeiner (Fach-) Hochschulreife<br />
Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss<br />
auf sieben Prozent verringert. Bis 2005<br />
stieg auch die Zahl <strong>der</strong> jungen Männer mit<br />
einem Hauptschulabschluss, obwohl ihr<br />
Anteil an allen Schülern von 27 Prozent auf<br />
21 Prozent im Jahr 2009 <strong>zur</strong>ückging.<br />
Trotz <strong>der</strong> rückläufigen Bedeutung <strong>der</strong><br />
Hauptschulabschlüsse, haben im Jahr 2009<br />
fast genauso viele junge Männer die Schule<br />
mit diesem Abschluss verlassen (856)<br />
wie 1993 (876).<br />
15
16<br />
Armut von Frauen<br />
Bei den jungen Frauen in Bremen sind zwischen<br />
1993 und 2009 die Anteile mit einem<br />
Hauptschulabschluss von 22 Prozent auf<br />
18 Prozent <strong>zur</strong>ückgegangen. Ebenfalls<br />
rückläufig entwickelte sich <strong>bei</strong> ihnen <strong>der</strong><br />
Anteil ohne Hauptschulabschluss von acht<br />
Prozent (1993) auf fünf Prozent (2009).<br />
Dennoch stieg die Zahl <strong>der</strong> Hauptschülerinnen<br />
in diesem Zeitraum von 684 auf 697,<br />
während die Zahl <strong>der</strong> Schülerinnen ohne<br />
Hauptschulabschluss von 237 auf 192<br />
<strong>zur</strong>ückging. Deutlich angestiegen ist <strong>bei</strong><br />
den jungen Frauen bis 2009 hingegen <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Absolventinnen mit einem Realschulabschluss<br />
(von 35 auf 41 Prozent).<br />
Zusammenfassend zeigt sich, dass im Land<br />
Bremen jedes Jahr 270 junge Männer (7 Prozent)<br />
und fast 200 junge Frauen (5 Prozent)<br />
die Schule ohne einen Abschluss verlassen<br />
und damit als ›bildungsarm‹ gelten. Mittlerweile<br />
müssen aber auch viele Hauptschüler/innen<br />
als sogenannte ›Risikoschüler/innen‹ betrachtet<br />
werden. Das sind im Land Bremen weitere<br />
21 Prozent <strong>der</strong> jungen Männer (856) und<br />
18 Prozent <strong>der</strong> jungen Frauen (697).<br />
Insgesamt umfasste 2009 die Gruppe <strong>der</strong><br />
›bildungsarmen‹ Schüler/innen und <strong>der</strong> Risikoschüler/innen<br />
28 Prozent <strong>der</strong> jungen Männer<br />
(1.127) und 23 Prozent <strong>der</strong> jungen Frauen<br />
(889). Trotz dieser etwas geringeren Zahl <strong>bei</strong><br />
den jungen Frauen steht fast ein Viertel vor<br />
massiven Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz<br />
zu finden und sich in den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />
zu integrieren.<br />
2.3 Armutsrisiken von jungen Frauen<br />
in <strong>der</strong> Berufsfindungsphase<br />
Der Armutsbericht <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />
2008 hat detailliert den weiteren Weg <strong>der</strong><br />
sogenannten ›Risikoschüler/innen‹ für<br />
Deutschland dargestellt. Danach durchliefen<br />
2006 über 80 Prozent <strong>der</strong>jenigen ohne einen<br />
Schulabschluss, 50 Prozent mit einem Hauptschulabschluss<br />
und sogar über 25 Prozent<br />
mit einem Realschulabschluss das sogenannte<br />
›Übergangssystem‹ (904 Frauen, 1.073 Männer)<br />
4 . Für fast zwei Drittel dieser Absolventinnen<br />
und Absolventen eröffnen die dortigen<br />
Maßnahmen kaum gesicherte berufliche Per-<br />
spektiven. Sie starten mit hohen Armutsrisiken<br />
in die Konkurrenz auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt. 5<br />
In dieser wichtigen Phase des Berufseinstiegs<br />
verkehrt sich <strong>der</strong> beschriebene ›Bildungsvorsprung‹<br />
aus <strong>der</strong> Schulzeit, zumindest<br />
für viele junge Risikoschülerinnen, bereits in<br />
sein Gegenteil. Im Dezember 2010 gab es in<br />
<strong>der</strong> Stadt Bremen 9.243 erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige (Hartz IV) im Alter von 15 bis<br />
unter 25 Jahren: 4.906 junge Frauen (53 Prozent)<br />
und 4.337 junge Männer (47 Prozent). 6<br />
Von denjenigen jungen Erwachsenen, die<br />
einen Ausbildungsplatz finden, entscheiden<br />
sich vor allem viele junge Frauen – auch<br />
in Bremen – für ›typisch‹ weibliche Dienstleistungsberufe.<br />
Dazu gehören vor allem die<br />
kaufmännischen Berufe (Büro-/Einzelhandels-/<br />
Großhandelskauffrau usw.) sowie personenbezogene<br />
Dienstleistungen (Arzt-/Zahnarzthelferin,<br />
Friseurin, Krankenschwester, Altenpflegerin).<br />
Gerade viele personenbezogene Dienstleistungen<br />
(Sozial-, Erziehungs-, Gesundheitsberufe)<br />
führen einen Großteil <strong>der</strong> jungen Frauen<br />
nicht in das duale System, son<strong>der</strong>n in eine<br />
Berufsfachschule. Sie liegen als schulische<br />
Ausbildungen in <strong>der</strong> Hoheit <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />
und sind entsprechend uneinheitlich geregelt. 7<br />
Die Kosten <strong>der</strong> Ausbildung müssen zum Teil<br />
von den (überwiegend weiblichen) Auszubildenden<br />
getragen werden, die dort im Status von<br />
Schülerinnen verbleiben. Nach dem Abschluss<br />
<strong>der</strong> Ausbildungsphase sind die weiteren<br />
Berufswege nicht durch geregelte Aufstiegsund<br />
Karrierewege gekennzeichnet.<br />
4 Nach eigener Modellrechnung.<br />
5 Vgl. Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen 2008: 10.<br />
6 Siehe Kapitel 6 dieses <strong>Bericht</strong>s, Tabelle 3.1.<br />
7 Vgl. Gottschall 2008: 14.
Abbildung 3: Anteile an <strong>der</strong> Erziehung und Familienar<strong>bei</strong>t Angaben in %<br />
Frage: ›Wenn Sie einmal an die Erziehung und Betreuung Ihrer Kin<strong>der</strong> denken:<br />
Wie haben Sie sich das mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin aufgeteilt:<br />
Wie viel machen Sie selbst <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Familienar<strong>bei</strong>t?<br />
Würden Sie sagen ...‹<br />
das meiste<br />
alles<br />
keine Angabe<br />
2<br />
2<br />
etwa die Hälfte<br />
Väter von Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren<br />
1<br />
21<br />
kaum etwas, nichts<br />
13<br />
61<br />
den kleineren Teil<br />
den kleineren Teil<br />
keine Angabe<br />
kaum etwas,<br />
nichts<br />
Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach (2010): Monitor Familienleben 2010. Einstellungen und Lebensverhältnisse von Familien.<br />
Ergebnisse einer Repräsentativbefragung, Allensbach.<br />
alles<br />
Die meisten <strong>der</strong> jungen Männer entscheiden<br />
sich hingegen für ›typisch‹ männliche Technikberufe<br />
o<strong>der</strong> ebenfalls für kaufmännische Berufe,<br />
auch in Bremen: (Kfz-) Mechatroniker, Industriemechaniker,<br />
Elektroniker usw.). Diese<br />
Berufe führen viele Männer in das duale<br />
System. Im dualen System werden sie auf<br />
bundeseinheitlich geregelte Fachar<strong>bei</strong>terberufe<br />
vorbereitet, es bietet eine tarifliche Entlohnung,<br />
betriebliche Mitbestimmung und meistens<br />
geregelte Übergänge von <strong>der</strong> Ausbildung<br />
in Beschäftigung. Dementsprechend ist nicht<br />
allein die Berufswahl von jungen Frauen mit<br />
dafür verantwortlich, dass viele von ihnen in<br />
weniger gut bezahlten Berufen erwerbstätig<br />
werden. Mitverantwortlich ist auch die Ausgestaltung<br />
des Ausbildungssystems, dass <strong>der</strong>zeit<br />
in kleinen Schritten umgebaut wird.<br />
Ein weiterer ganz zentraler Aspekt für die<br />
unterschiedlichen Berufswege von Männern<br />
und Frauen ist die Aufteilung <strong>der</strong> bezahlten<br />
Erwerbsar<strong>bei</strong>t und <strong>der</strong> unbezahlten Versor-<br />
1<br />
1<br />
2<br />
Mütter von Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren Vollzeit berufstätige Mütter<br />
11<br />
etwa die Hälfte<br />
18<br />
67<br />
das meiste<br />
das meiste<br />
gungsar<strong>bei</strong>t (Haus- und Sorgear<strong>bei</strong>t). Das wird<br />
deutlich, wenn die bezahlte Erwerbsar<strong>bei</strong>t und<br />
die unbezahlte Versorgungsar<strong>bei</strong>t zusammen<br />
betrachtet werden. Dann erreichen Frauen im<br />
Durchschnitt mit 43 Stunden pro Woche eine<br />
etwas höhere Gesamtar<strong>bei</strong>tszeit als Männer<br />
mit 42 Stunden. 8 Lediglich in <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 30- bis 44-Jährigen, in <strong>der</strong> klassischen<br />
›Familienphase‹, ar<strong>bei</strong>ten die Männer mit rund<br />
8,2 Stunden pro Tag etwas länger als die<br />
Frauen mit circa 7,5 Stunden bezahlter und<br />
unbezahlter Ar<strong>bei</strong>t. Vor allem, wenn Kin<strong>der</strong> im<br />
Haushalt leben, nimmt die unbezahlte Ar<strong>bei</strong>tszeit<br />
<strong>der</strong> Frauen überdurchschnittlich zu. Und<br />
unabhängig davon, ob erwerbstätige Mütter<br />
viel verdienen o<strong>der</strong> wenig, ob sie einen hohen<br />
o<strong>der</strong> einen weniger hohen Bildungsabschluss<br />
8 Vgl. BMFSFJ/Statistisches Bundesamt 2003: 9.<br />
53<br />
alles<br />
4<br />
17
18<br />
Armut von Frauen<br />
haben – immer erledigen sie den weit überwiegenden<br />
Teil <strong>der</strong> Familienar<strong>bei</strong>t. Das gilt selbst<br />
dann, wenn sie 40 Stunden pro Woche und<br />
länger erwerbstätig sind. Die berufstätigen<br />
Mütter versuchen in erster Linie, sich durch<br />
an<strong>der</strong>e Frauen aus <strong>der</strong> Verwandtschaft und<br />
<strong>der</strong> Nachbarschaft o<strong>der</strong> durch Haushaltshilfen<br />
und Kin<strong>der</strong>mädchen zu entlasten. Nur wenige<br />
Mütter verlassen sich auf verlässliche Alltagsregelungen<br />
mit ihren Partnern. 9 Selbst diejenigen<br />
Frauen, die sich in <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> ›Familienernährerin‹<br />
befinden (fast 10 Prozent aller<br />
Paarhaushalte in Westdeutschland, 15 Prozent<br />
in Ostdeutschland), bleiben im Regelfall<br />
Hauptzuständige für den Haushalt und die<br />
Kin<strong>der</strong>erziehung. 10<br />
2.4 Teilzeitar<strong>bei</strong>t und Minijobs –<br />
Erwerbstätigkeit schützt nicht<br />
vor Einkommensarmut<br />
Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen<br />
und Männern im Erwerbsleben entspricht in<br />
immer stärkerem Maße den Wünschen und<br />
Lebensplanungen vieler Frauen, vor allem aber<br />
ökonomischen Notwendigkeiten. Obwohl Frauen<br />
<strong>bei</strong> den Bildungsabschlüssen aufgeholt und<br />
die Männer inzwischen überholt haben (vgl.<br />
Punkt 2.2), können sie ihre Bildungsvorteile<br />
auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nicht dementsprechend<br />
umsetzen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e von Müttern, ist zwar in den<br />
letzten Jahren in Deutschland und in Bremen<br />
gestiegen. Dieser Anstieg beruht jedoch vor<br />
allem auf Teilzeitbeschäftigungen, häufig mit<br />
geringem Stundenumfang sowie niedrigen<br />
Löhnen. Diese Kombination ist für viele Frauen<br />
nicht existenzsichernd.<br />
Die Quote erwerbstätiger Frauen liegt in<br />
Deutschland <strong>bei</strong> mittlerweile 66 Prozent, 11 sieben<br />
Prozentpunkte über dem Durchschnitt in<br />
den 27 EU-Län<strong>der</strong>n. Im Land Bremen 12 ist sie<br />
von 54,4 Prozent (2005) auf 60 Prozent im<br />
9 Vgl. Sachverständigenkommission <strong>2011</strong>: 153.<br />
10 Vgl. Klenner/Klammer 2009.<br />
11 Vgl. Sachverständigenkommission <strong>2011</strong>: 90.<br />
12 Bei den Männern stieg sie ebenfalls von 64 Prozent (2005) auf<br />
68,7 Prozent im Jahr 2008 (vgl. Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen,<br />
Gesundheit, Jugend und Soziales 2010: 7).<br />
Jahr 2008 gestiegen. Das ist ein vergleichsweise<br />
niedriger Wert, da mit Bremen und Bremerhaven<br />
zwei Großstädte betrachtet werden.<br />
Der 66-Prozent-Wert für Deutschland beruht<br />
hingegen auf dem Durchschnitt von ländlichen,<br />
kleinstädtischen und großstädtischen Ar<strong>bei</strong>tsmärkten.<br />
In Bremen ist in Bezug auf die Frauenerwerbstätigkeit<br />
noch ›Luft nach oben‹.<br />
Bemerkenswert ist weniger <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong><br />
Erwerbsquote von Frauen, da sie auch in<br />
an<strong>der</strong>en EU-Län<strong>der</strong>n steigt. Bemerkenswert<br />
sind zwei ›Son<strong>der</strong>entwicklungen‹.<br />
Trotz <strong>der</strong> höheren Erwerbsquote hat sich<br />
das von Frauen geleistete Volumen <strong>der</strong><br />
Erwerbsar<strong>bei</strong>t nicht vergrößert, es stagniert.<br />
Werden alle Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisse und Ar<strong>bei</strong>tsstunden<br />
von Frauen zu Vollzeitbeschäftigungen<br />
zusammengerechnet, leisten sie aktuell nicht<br />
mehr bezahlte Erwerbsar<strong>bei</strong>t als schon vor<br />
Jahren. Die Erwerbsar<strong>bei</strong>tsstunden aller Frauen<br />
verteilen sich heute lediglich auf ›mehr<br />
Schultern‹.<br />
Diese Entwicklung geht mit <strong>der</strong> starken<br />
Ausweitung von Teilzeitar<strong>bei</strong>t einher sowie<br />
dem zweiten deutschen Son<strong>der</strong>weg, den ›Minijobs‹.<br />
Die starke Zunahme <strong>der</strong> Minijobs beruht<br />
auf Strategien vieler Unternehmen, die seit<br />
den ›Gesetzen für mo<strong>der</strong>ne Dienstleistungen<br />
am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt‹ (ab 2003) vermehrt mit Minijobbern<br />
und vor allem mit Minijobberinnen<br />
ar<strong>bei</strong>ten. Niedriglöhne und Ar<strong>bei</strong>tsrechtsverletzungen<br />
sind da<strong>bei</strong> lei<strong>der</strong> weit verbreitet.
Abbildung 4:<br />
Teilzeitbeschäftigte mit dem Wunsch nach einer Vollzeittätigkeit in Prozent<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
Nachgewiesen ist ein Rückgang <strong>der</strong> Vollzeitar<strong>bei</strong>tsplätze<br />
in Deutschland zwischen 2000 und<br />
2009 von über 1,7 Millionen – davon 670.000<br />
Frauenar<strong>bei</strong>tsplätze. Im gleichen Zeitraum<br />
stieg die Zahl ausschließlich geringfügig Beschäftigter<br />
(Teilzeit, Minijobs) um fast 1,3 Millionen<br />
Menschen, darunter 715.000 Frauen.<br />
Das Resultat dieser Entwicklung zeigt sich in<br />
einer Teilzeitbeschäftigung von 46 Prozent <strong>bei</strong><br />
den Frauen (2008) und lediglich neun Prozent<br />
<strong>bei</strong> den Männern. Selbst <strong>bei</strong> Frauen ohne Kin<strong>der</strong><br />
ist die Teilzeitquote mit 28 Prozent relativ<br />
hoch. 13 Tatsächlich entspricht eine Erwerbstätigkeit<br />
in Teilzeit den Wünschen von einem<br />
Teil <strong>der</strong> Frauen, insbeson<strong>der</strong>e wenn sie (kleine)<br />
Kin<strong>der</strong> betreuen. Gleichzeitig ist in den<br />
letzten Jahren aber auch <strong>der</strong> Anteil ›unfreiwilliger<br />
Teilzeitar<strong>bei</strong>t‹ erheblich angestiegen.<br />
Das heißt, dass viele Frauen länger ar<strong>bei</strong>ten<br />
wollen o<strong>der</strong> müssen, was ihnen aber nicht<br />
möglich ist.<br />
2000<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, Qualität <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t, 2010.<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
2007<br />
2008<br />
2009<br />
Auch im Land Bremen zeigt sich eine vergleichbare<br />
Entwicklung zwischen Männern und<br />
Frauen. Die Erwerbstätigkeit erhöhte sich wie<br />
im Bund zwischen 2000 und 2009 (+2,9 Prozent),<br />
aber lediglich um 0,9 Prozentpunkte.<br />
Gleichzeitig erfolgte ein Rückgang <strong>der</strong> sozialversicherungspflichtigen<br />
Beschäftigung (Vollzeit)<br />
um immerhin fünf Prozent. Neue Beschäftigungsverhältnisse<br />
entstanden vor allem als<br />
sozialversicherungspflichtige Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />
(+24,5 Prozent) und als ausschließlich geringfügig<br />
entlohnte Beschäftigung (+21,7 Prozent).<br />
Diese <strong>bei</strong>den Erwerbsbereiche sind<br />
nicht nur im Land Bremen stark weiblich<br />
geprägt. Sozialversicherungspflichtige Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />
ist lediglich <strong>bei</strong> 7,5 Prozent <strong>der</strong> Männer<br />
verbreitet. Im Gegensatz dazu dominieren die<br />
Frauen insgesamt zwar auch <strong>bei</strong> <strong>der</strong> geringfügigen<br />
Beschäftigung (60 Prozent), aber fast<br />
40 Prozent dieser prekären Jobs führen<br />
Männer aus.<br />
13 Vgl. BMAS 2008: 96.<br />
19
20<br />
Armut von Frauen<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 2010*: 290.689 insg./Land Bremen<br />
Frauen / Vollzeit 79.886 62,6% Männer / Vollzeit 150.929 92,5%<br />
Frauen / Teilzeit 47.652 37,4% Männer / Teilzeit 12.091 7,5%<br />
Frauen insgesamt 127.597 100,0% Männer insgesamt 163.092 100,0%<br />
Geringfügig Beschäftigte 2010*: 70.801 insgesamt<br />
Frauen insgesamt 42.595 60,2% Männer insgesamt 28.206 39,8%<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Beschäftigungsstatistik.<br />
*Stichtag: 30. September 2010.<br />
Insgesamt zeigt sich, dass im Land Bremen<br />
das klassische ›Normalar<strong>bei</strong>tsverhältnis‹<br />
weiterhin stark dominiert, zumindest aus <strong>der</strong><br />
Sicht <strong>der</strong> 150.929 Männer, die Vollzeit ar<strong>bei</strong>ten.<br />
Ihnen stehen 12.091 Männer (7,5 Prozent)<br />
in einer atypischen, aber sozialversicherungspflichtig<br />
gesicherten Teilzeitbeschäftigung<br />
gegenüber sowie 28.206 geringfügig<br />
beschäftigte Männer. Atypisch beschäftigt ist<br />
demnach eine stattliche Min<strong>der</strong>heit von rund<br />
40.000 Männern (21 Prozent).<br />
Von den Frauen im Land Bremen ar<strong>bei</strong>ten<br />
etwa halb so viele (79.886) – im Vergleich <strong>zur</strong><br />
Anzahl <strong>der</strong> Männer – in einem klassischen<br />
Normalar<strong>bei</strong>tsverhältnis (Vollzeit). Ihnen stehen<br />
14 Vgl. Kümmerling et al. 2008: 7.<br />
47.652 Frauen (37,4 Prozent) in einer atypischen,<br />
aber sozialversicherungspflichtig<br />
gesicherten Teilzeitbeschäftigung gegenüber<br />
sowie 42.595 geringfügig beschäftigte Frauen.<br />
Das sind insgesamt 90.247 Frauen. Aus<br />
ihrer Sicht kann eigentlich nicht von einem<br />
›atypischen‹ Beschäftigungsverhältnis gesprochen<br />
werden, da es sich um etwas mehr als<br />
die Hälfte aller Frauen handelt (53 Prozent).<br />
Für die Frage, wer Teilzeit- o<strong>der</strong> geringfügig<br />
beschäftigt ist, ist neben den Unterschieden<br />
zwischen Männern und Frauen auch <strong>der</strong>en<br />
Qualifikation relevant. Bundesweite Untersuchungen<br />
zeigen, dass <strong>bei</strong> gering qualifizierten<br />
Frauen <strong>der</strong> Teilzeitanteil am höchsten ist und<br />
<strong>bei</strong> hoch qualifizierten Frauen am niedrigsten.<br />
Dieser Zusammenhang hat sich in den letzten<br />
Jahren in Deutschland nicht abgemil<strong>der</strong>t,<br />
son<strong>der</strong>n weiter verstärkt. Mit dem Resultat,<br />
dass in keinem europäischen Land gering<br />
qualifizierte und teilzeitbeschäftigte Frauen so<br />
kurze Ar<strong>bei</strong>tszeiten haben wie in (West-)<br />
Deutschland. 14
früheres Bundesgebiet<br />
neue Län<strong>der</strong><br />
Abbildung 5: Tarifbindung 2009 in Prozent/Deutschland<br />
56 9<br />
36<br />
38 13<br />
49<br />
Branchentarifvertrag Firmentarifvertrag kein Tarifvertrag<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, Qualität <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t, 2010.<br />
Diese wachsende ›Kluft‹ vertieft sich zusätzlich<br />
durch Entwicklungen im Bereich <strong>der</strong> sozialversicherungspflichtig<br />
gesicherten Beschäftigung.<br />
Anschaulich wird das durch die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
innerhalb dieses Beschäftigungsbereiches<br />
im Land Bremen. 15 Dort verringerte<br />
sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Beschäftigten zwischen<br />
2000 und 2009 ohne Berufsausbildung um<br />
21,5 Prozent, <strong>der</strong>jenigen mit einer Berufsausbildung<br />
um 9,6 Prozent. Der Anteil <strong>der</strong><br />
Beschäftigten mit einem Fach- o<strong>der</strong> Hochschulabschuss<br />
erhöhte sich hingegen um 24,2<br />
Prozent. Exemplarisch zeigt sich diese Auseinan<strong>der</strong>entwicklung<br />
am Beispiel von Bremerhaven.<br />
Dort hat sich die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsplätze<br />
für Frauen mit einem Hochschulabschluss<br />
seit 1998 um fast 80 Prozent erhöht. 16 Bei<br />
den gleich qualifizierten Männern liegt <strong>der</strong><br />
Zuwachs lediglich <strong>bei</strong> rund 40 Prozent.<br />
Weniger gut qualifizierte Ar<strong>bei</strong>tskräfte sind<br />
demnach in beson<strong>der</strong>em Maße auf prekäre<br />
Beschäftigungsverhältnisse mit einem geringen<br />
Stundenumfang verwiesen.<br />
Noch ein weiterer Schritt in Richtung eines<br />
steigenden Armutsrisikos erfolgt für diese<br />
weniger gut qualifizierten Frauen in einem<br />
prekären Beschäftigungsverhältnis mit geringem<br />
Stundenumfang, wenn die (Niedrig-)<br />
Lohnentwicklung einbezogen wird.<br />
2.5 Die Niedriglohnentwicklung und<br />
<strong>der</strong> Lohnabstand zwischen Männern<br />
und Frauen als Armutsursache<br />
In <strong>der</strong> aktuellen Debatte um einen allgemein<br />
verbindlichen gesetzlichen Mindestlohn verweisen<br />
Kritiker immer wie<strong>der</strong> auf die dafür<br />
zuständigen Tarifvertragsparteien. In Deutschland<br />
lege nicht die Politik Lohnuntergrenzen<br />
fest, son<strong>der</strong>n Ar<strong>bei</strong>tgeber und Gewerkschaften.<br />
Sie regeln in Tarifverträgen Bezahlung,<br />
Ar<strong>bei</strong>tszeiten und weitere Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen.<br />
Werden Tarifverträge für Firmen o<strong>der</strong> Branchen<br />
ausgehandelt, gelten für die Beschäftigten<br />
Mindeststandards.<br />
Die Reichweite von Tarifverträgen ist seit<br />
1998 jedoch von 68 Prozent auf 56 Prozent<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten im Jahr 2009 gesunken<br />
(Westdeutschland). 36 Prozent <strong>der</strong> Beschäftigten<br />
in Westdeutschland und 49 Prozent <strong>der</strong><br />
Beschäftigten in Ostdeutschland ar<strong>bei</strong>ten in<br />
Firmen und Betrieben ohne Tarifvertrag (vgl.<br />
Abbildung 5). Für sie sind keine Mindeststandards<br />
festgelegt. Solche fehlenden Untergrenzen<br />
wirken sich insbeson<strong>der</strong>e zulasten von<br />
Frauen aus. Erhielten im Jahr 1995 25 Prozent<br />
<strong>der</strong> beschäftigten Frauen Niedriglöhne, waren<br />
es 2007 bereits 29 Prozent, im Vergleich<br />
zu 14 Prozent <strong>der</strong> Männer. Zwei Drittel aller<br />
Niedriglöhner/innen in Deutschland sind<br />
Frauen. 17<br />
15 Vgl. Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer 2010: 55.<br />
16 Vgl. Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen <strong>2011</strong>: 22. Einen erheblichen<br />
Effekt für diese Entwicklung hat das dortige Alfred-Wegener-<br />
Institut mit allein rund 800 Beschäftigten.<br />
17 Vgl. Bosch et al. 2009.<br />
21
22<br />
Armut von Frauen<br />
Denn auch die vielen teilzeitbeschäftigten<br />
Frauen erhalten in Deutschland durchschnittlich<br />
vier Euro weniger Stundenlohn als Vollzeitbeschäftigte,<br />
quasi eine ›Lohnstrafe‹ für<br />
(weibliche) Teilzeitar<strong>bei</strong>t.<br />
Aber nicht allein im Niedriglohnbereich ist<br />
<strong>der</strong> Verdienstabstand zwischen Frauen und<br />
Männern ein Ausdruck mangeln<strong>der</strong> Gleichbehandlung.<br />
Insgesamt ist <strong>der</strong> (Brutto-) Verdienst<br />
pro Stunde von Frauen in Deutschland um 23<br />
Prozent niedriger als <strong>der</strong> von Männern. Konkret<br />
verdienten im Jahr 2009 Frauen im Durchschnitt<br />
14,90 Euro und damit 4,50 Euro weniger<br />
als Männer (19,40 Euro). In Westdeutschland<br />
ist dieser Lohnabstand mit 25 Prozent<br />
sogar noch höher, in Ostdeutschland ist er mit<br />
sechs Prozent erheblich niedriger. Innerhalb<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union gehört Deutschland<br />
bezogen auf den Lohnabstand zu den Schlusslichtern.<br />
Denn auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt halten<br />
sich in Deutschland beson<strong>der</strong>s hartnäckige<br />
Ungleichheiten zum Nachteil von Frauen.<br />
Obwohl mehrere Bundesregierungen den<br />
Verdienstabstand zwischen Frauen und<br />
Männern bis zum Jahr 2010 auf 15 Prozent<br />
senken wollten, ist er über die Jahre nahezu<br />
gleich geblieben.<br />
In den <strong>bei</strong>den Großstädten Bremen und<br />
Bremerhaven ist <strong>der</strong> Lohnabstand zwischen<br />
Frauen und Männern mit 26 Prozent noch<br />
größer als im Durchschnitt in Deutschland insgesamt.<br />
Dafür gibt es einerseits eine einleuchtende<br />
Erklärung. Sind Frauen vor allem in<br />
schlechter bezahlten Frauenberufen tätig und<br />
Männer in besser bezahlten Männerberufen,<br />
und ist auch noch die regionale Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />
hoch, dann drückt diese schwierige<br />
Verhandlungsposition <strong>der</strong> Frauen ihre Löhne<br />
noch stärker. Zum an<strong>der</strong>en ist <strong>der</strong> Lohnabstand<br />
in den deutschen Großstädten mit<br />
durchschnittlich zwölf Prozent deutlich geringer<br />
als in den <strong>bei</strong>den Großstädten Bremen<br />
und Bremerhaven. Dieser geringere Wert für<br />
die Großstädte entsteht durch den erheblich<br />
höheren Anteil von erwerbstätigen Frauen<br />
mit hohen Qualifikationen. Dass in Bremen<br />
und Bremerhaven <strong>der</strong> Lohnabstand trotz <strong>der</strong><br />
hoch qualifizierten erwerbstätigen Frauen 26<br />
Prozent beträgt, legt folgende Erklärung nahe:<br />
Sowohl die hoch qualifizierten Frauen wie<br />
auch die prekär beschäftigten Frauen, bezie-<br />
hen vergleichsweise noch geringere Löhne<br />
als Frauen in an<strong>der</strong>en deutschen Großstädten<br />
– im Vergleich zu den in Bremen vergleichsweise<br />
höher bezahlten Männern.<br />
Bestätigt wird diese Erklärung auch durch<br />
den oben bereits ausgeführten, vergleichsweise<br />
hohen Anteil von erwerbstätigen Frauen in<br />
Teilzeit- und in geringfügig entlohnter Beschäftigung.<br />
Bei den geringfügig Beschäftigten,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>bei</strong> den Minijobs, hat Bremen<br />
im Vergleich aller Bundeslän<strong>der</strong> sogar die<br />
höchsten Anteile insgesamt.<br />
Die prekäre <strong>Lage</strong> gerade <strong>der</strong> überdurchschnittlich<br />
vielen Frauen in Teilzeit- und in<br />
geringfügig entlohnter Beschäftigung in Bremen<br />
wird noch deutlicher, wenn auch die<br />
Lohnregelungen für jene Branchen betrachtet<br />
werden, die über einen Tarifvertrag verfügen.<br />
Denn selbst gültige Tarifverträge schützen<br />
we<strong>der</strong> im Bundesland Bremen noch in an<strong>der</strong>en<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n vor Niedriglöhnen. Im Land<br />
Bremen werden mindestens 26 Tarifverträge<br />
(vgl. Abbildung 6, S. 23) angewendet, die für<br />
untere Lohngruppen Lohnsätze von weniger<br />
als dem gefor<strong>der</strong>ten Mindestlohn von 8,50<br />
Euro pro Stunde zugrunde legen:<br />
6,00 bis 7,50 Euro je Stunde = 1.009 bis<br />
1.251 Euro je Monat in 14 Branchen;<br />
7,51 bis 8,48 Euro je Stunde = 1.242 bis<br />
1.433 Euro je Monat in 12 Branchen).<br />
Und selbst in Branchen, in denen es einen allgemein<br />
verbindlichen Mindestlohn gibt, liegen<br />
die Löhne teilweise unter dem existenzsichernden<br />
Stundensatz von 8,50 Euro. Zum Beispiel<br />
<strong>bei</strong> den Wäschereidienstleistungen (7,65<br />
Euro), in <strong>der</strong> Abfallwirtschaft (8,24 Euro) und<br />
in <strong>der</strong> Pflege (8,50 Euro). Selbst <strong>der</strong> Pflegemindestlohn<br />
liegt noch in <strong>der</strong> Armutsrisikozone.<br />
Es ist außerdem gleichstellungspolitisch<br />
bedenklich, wenn etwa Fachkräfte in <strong>der</strong><br />
ambulanten und stationären Altenpflege 8,50<br />
Euro verdienen, im Baugewerbe aber selbst<br />
Ungelernte mindestens 9,25 Euro erhalten.
Abbildung 6:<br />
Branchen mit Tarifvergütungen unter 8,50 Euro/Stunde im Land Bremen 2010<br />
Branche<br />
Garten-, Landschafts- und<br />
Sportplatzbau<br />
Fleischerhandwerk<br />
Fleischerhandwerk<br />
Friseurhandwerk<br />
(Stadt Bremen)<br />
Sanitär- , Heizung-, Klimahandwerk<br />
(in Bremerhaven)<br />
Bewachungsgewerbe<br />
Separatwachdienst<br />
Maler- und Lackiererhandwerk<br />
Bewachungsgewerbe<br />
Revierwachdienst<br />
Hotel- und Gaststättengewerbe<br />
Bekleidungsindustrie<br />
Systemgastronomie<br />
Einzelhandel<br />
Erwerbsgartenbau<br />
Erwerbsgartenbau<br />
Zeitar<strong>bei</strong>t (West),<br />
Tarif BZA<br />
Zeitar<strong>bei</strong>t (West),<br />
Tarif iGZ<br />
Dachdeckerhandwerk West<br />
feinkeramische Industrie<br />
Kfz-Handwerk<br />
Floristik<br />
Gebäu<strong>der</strong>einigung<br />
Versicherungsgewerbe<br />
Briefdienstleistungen (West)<br />
sonstige Tätigkeiten<br />
öffentlicher Dienst Bund<br />
öffentlicher Dienst West<br />
Gemeinden<br />
öffentlicher Dienst Län<strong>der</strong><br />
(West)<br />
Quelle: WSI-Tarifarchiv<br />
Beschäftigungsform<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>ter<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Ar<strong>bei</strong>ter<br />
Ar<strong>bei</strong>ter<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>ter<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>ter<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Angestellter<br />
Angestellter<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Angestellter<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer<br />
Tarifvergütung<br />
(EUR) je Stunde<br />
6,25–8,06<br />
6,31<br />
6,33<br />
6,34–6,57<br />
6,35<br />
6,00–6,47<br />
6,59<br />
6,10–6,61<br />
6,69–6,91<br />
6,89<br />
7,05–7,50<br />
7,16–7,50<br />
7,22<br />
7,32<br />
7,38–8,19<br />
7,51–8,19<br />
7,41<br />
7,65<br />
7,65<br />
7,73–8,07<br />
8,15<br />
8,34<br />
8,40<br />
8,48<br />
8,48<br />
–<br />
Tarifvergütung<br />
(EUR) je Monat gültig ab<br />
1.056–1.362<br />
1.009<br />
1.012<br />
1.046–1.084<br />
1.022<br />
1.039–1.121<br />
1.113<br />
1.057–1.145<br />
1.131–1.168<br />
1.103<br />
1.191–1.268<br />
1.167–1.223<br />
1.220<br />
1.237<br />
1.119–1.242<br />
1.139–1.242<br />
1.251<br />
1.263<br />
1.198<br />
1.307–1.363<br />
1.377<br />
1.372<br />
1.406<br />
1.433<br />
1.433<br />
1.406–1.423<br />
09/<strong>2011</strong><br />
07/1995<br />
07/1995<br />
04/2007<br />
04/2008<br />
05/1992<br />
03/2007<br />
03/2008<br />
06/2003<br />
03/2007<br />
03/2008<br />
07/2008, 07/2009<br />
01/2010<br />
12/2007, 12/2008,<br />
12/2009, 12/2010<br />
09/2009, 09/2010,<br />
01/<strong>2011</strong><br />
12/2008<br />
12/2008<br />
01/2007, 07/2010,<br />
05/<strong>2011</strong>, 11/<strong>2011</strong>,<br />
11/2012<br />
11/2008, 07/2010,<br />
05/<strong>2011</strong>, 11/<strong>2011</strong>,<br />
11/2012<br />
10/2010<br />
02/2010<br />
01/2008<br />
09/2009, 09/2010,<br />
09/<strong>2011</strong><br />
05/2003<br />
01/2009<br />
01/2008<br />
01/2010<br />
01/2010<br />
03/2009,<br />
03/2010<br />
23
24<br />
Armut von Frauen<br />
2.6 Beziehen Frauen Sozialleistungen<br />
– im Sinne staatlicher ›Armutsbekämpfung‹<br />
–, verbleiben viele in<br />
Einkommensarmut<br />
Seit den Ar<strong>bei</strong>tsmarktreformen (Hartz-Gesetze)<br />
ist vielfach dargestellt worden, dass sie eher<br />
<strong>zur</strong> Stärkung <strong>der</strong> traditionellen Rollen von<br />
Frauen und Männern <strong>bei</strong>getragen haben. 18<br />
Zwar wurde das Ziel <strong>der</strong> Gleichstellung <strong>der</strong><br />
Geschlechter in <strong>der</strong> aktivierenden Ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitik<br />
festgeschrieben. Und auch im<br />
Bereich des SGB II (Hartz IV) wird <strong>der</strong><br />
Anspruch erhoben, nicht mehr die männliche<br />
Ernährerfamilie als Leitbild zu betrachten.<br />
Dennoch werden Frauen in <strong>der</strong> Praxis, durch<br />
die Zubilligung ihrer eingeschränkten Verfügbarkeit<br />
aufgrund <strong>der</strong> Betreuung kleiner Kin<strong>der</strong><br />
(§ 10 SGB II) beziehungsweise fehlen<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuungsangebote,<br />
weiterhin auf ihre<br />
traditionelle Rolle verwiesen. Den Fachkräften<br />
in den ›Jobcentern‹ fehlen außerdem entsprechende<br />
Instrumente, mit denen sie die Aufgabenteilung<br />
zwischen Mann und Frau in einer<br />
Bedarfsgemeinschaft beeinflussen könnten.<br />
Faktisch kam es deshalb eher zu einer<br />
Stärkung <strong>der</strong> traditionellen Rollenverteilung.<br />
Frauen wurden und werden verstärkt in den<br />
Bereich prekärer Beschäftigung verwiesen und<br />
verbleiben angesichts <strong>der</strong> dort verbreiteten<br />
Niedrig- und Armutslöhne in Abhängigkeit von<br />
Partnern und/o<strong>der</strong> staatlichen Sozialleistungen.<br />
19<br />
Gleichzeitig hat sich in <strong>der</strong> letzten Finanzund<br />
Wirtschaftskrise (2008/2009) gezeigt,<br />
dass Frauen weniger stark unter Ar<strong>bei</strong>tsplatzverlusten<br />
zu leiden hatten als ein Teil <strong>der</strong> Männer.<br />
Dies hängt vor allem damit zusammen,<br />
dass die Frauenbeschäftigung wegen des<br />
hohen Dienstleistungsanteils weniger stark<br />
konjunkturell schwankt. In Bremen und Bremerhaven<br />
betraf <strong>der</strong> Beschäftigungsrückgang<br />
infolge <strong>der</strong> Wirtschafts- und Finanzkrise vor<br />
allem männerdominierte Bereiche wie die Leihar<strong>bei</strong>t,<br />
die Hafenwirtschaft und das verar<strong>bei</strong>tende<br />
Gewerbe. Ausdruck dieser Entwicklung<br />
ist auch die offizielle Ar<strong>bei</strong>tslosenquote.<br />
Sie lag im Dezember 2010 <strong>bei</strong> den Männern in<br />
<strong>der</strong> Stadt Bremen <strong>bei</strong> 11 Prozent und <strong>bei</strong> den<br />
Frauen <strong>bei</strong> 9,8 Prozent. Auch in Bremerhaven<br />
sind die Männer mit 17,1 Prozent stärker<br />
betroffen als die Frauen mit 16,2 Prozent.<br />
Aktuell ist jedoch die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosen<br />
und die Quote <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit kein wirklich<br />
guter Maßstab mehr, um die Entwicklungen<br />
<strong>bei</strong> den prekär Beschäftigten und den<br />
Armen zu beurteilen. Obwohl dem so ist, stellen<br />
die meisten Politiker das erfreuliche aktuelle<br />
Wirtschaftswachstum und die rückläufigen<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosenzahlen weiterhin als die wichtigsten<br />
Kennzahlen dar. Tatsächlich jedoch wurden<br />
durch die Ar<strong>bei</strong>tsmarktreformen im Zuge <strong>der</strong><br />
Agenda 2010 zwei Gruppen von ar<strong>bei</strong>tslosen<br />
Männern und Frauen geschaffen, die <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
Präsentation <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmarkzahlen nicht<br />
deutlich zu unterscheiden sind. Offiziell heißen<br />
sie auch nicht mehr Ar<strong>bei</strong>tslose, son<strong>der</strong>n<br />
Ar<strong>bei</strong>tsuchende.<br />
Eine Min<strong>der</strong>heit von 18 Prozent (6.559)<br />
gehört in <strong>der</strong> Stadt Bremen zu den Ar<strong>bei</strong>tsuchenden,<br />
die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld I beziehen.<br />
Sie haben auch weiterhin Anspruch auf statussichernde<br />
Leistungen durch die Ar<strong>bei</strong>tslosenversicherung.<br />
Sie müssen als Ar<strong>bei</strong>tsuchende<br />
in den ersten sechs Monaten einer Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />
eine ›angemessene‹ Beschäftigung<br />
akzeptieren. Selbst danach müssen sie nur<br />
solche Beschäftigungen annehmen, die mindestens<br />
ein Einkommen in Höhe des Ar<strong>bei</strong>tslosengeldes<br />
garantieren. 20 Lediglich diese<br />
Min<strong>der</strong>heit hat noch Zugang zum Sozialversicherungssystem<br />
und den dort gewährten<br />
privilegierten <strong>sozialen</strong> Rechten.<br />
Die große Mehrheit hingegen, 82 Prozent<br />
<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsuchenden (30.635) in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen, muss von dem neu eingeführten<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (Hartz IV) leben. Ihre<br />
Leistungen sind ausschließlich steuerfinanziert<br />
und nicht existenzsichernd, um die<br />
Bezieher/innen <strong>zur</strong> Aufnahme von Erwerbsar<strong>bei</strong>t<br />
zu bewegen. Dieses Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
beträgt seit dem 1.1.<strong>2011</strong> 364 Euro pro<br />
18 Vgl. Jaehrling/Rudolph 2010.<br />
19 Vgl. Lenhart 2009.<br />
20 Vgl. Dingeldey 2010: 21.
Monat plus Wohn- und Heizkosten. Bei <strong>der</strong><br />
Beantragung dieser Hartz-IV-Leistungen erfolgt<br />
eine genaue Prüfung <strong>der</strong> Bedürftigkeit<br />
und wenn weitere Personen dem Haushalt<br />
angehören, werden anteilige Zuschläge<br />
gewährt. Wird eine Bedürftigkeit zuerkannt,<br />
werden neben <strong>der</strong> als ar<strong>bei</strong>tslos registrierten<br />
Person weitere Personen im Haushalt zu einer<br />
›Bedarfsgemeinschaft‹ zusammengefasst.<br />
Dazu zählen auch nicht am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt verfügbare<br />
Gruppen wie etwa Mütter mit Kin<strong>der</strong>n<br />
unter drei Jahren, Erwerbstätige mit einem<br />
Haushaltseinkommen unterhalb <strong>der</strong> Armutsgrenze<br />
(›Erwerbsaufstocker‹) o<strong>der</strong> Teilnehmer/innen<br />
von Beschäftigungsmaßnahmen.<br />
Weil die Gesamtzahl <strong>der</strong> Leistungsempfänger<br />
nicht allein die Ar<strong>bei</strong>tslosen, son<strong>der</strong>n auch<br />
die gerade genannten Gruppen umfasst, ist<br />
es wirklich kompliziert, die Ar<strong>bei</strong>tslosen zu<br />
identifizieren.<br />
Das wäre nicht weiter tragisch, wenn nicht<br />
in <strong>der</strong> Öffentlichkeit und im politischen Alltagsgeschäft<br />
in einer kaum noch zu verantwortenden<br />
Art und Weise Vorurteile geschürt würden:<br />
Vorurteile über eine angeblich bedrohlich<br />
große Gruppe von Hartz-IV-Empfängern, die<br />
auf Kosten <strong>der</strong> Steuerzahler/innen ›nichts<br />
tun‹.<br />
Abbildung 7: Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen – Stadt Bremen – Dezember 2010<br />
Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen (15–65 Jahre): 1 52.798<br />
Frauen: 26.707 (50,6%) – Männer: 26.091 (49,4%)<br />
Ar<strong>bei</strong>tsuchende (Ar<strong>bei</strong>tslose, Maßnahmeteilnehmer)<br />
und erwerbstätige ›Aufstocker‹: 40.130 (76,0%)<br />
Maßnahmeteilnehmer<br />
und ›Aufstocker‹:<br />
17.458 (43,5%)<br />
Frauen: 8.340 (47,8%)<br />
Männer: 9.118 (52,2%)<br />
Maßnahmeteilnehmer: 3<br />
7.872 (45,1%)<br />
Frauen: 3.496 (44,4%)<br />
Männer: 4.376 (55,6%)<br />
ar<strong>bei</strong>tslose<br />
Ar<strong>bei</strong>tsuchende: 2<br />
22.672 (56,5%)<br />
Frauen: 9.969 (44,0%)<br />
Männer: 12.703 (56,0%)<br />
Erwerbsaufstocker:<br />
9.586 (54,9%)<br />
Frauen: 4.844 (50,5%)<br />
Männer: 4.742 (49,5%)<br />
nicht Erwerbsfähige (Sozialgeld): 4 20.749<br />
Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren: 19.823 (95.5%)<br />
im Alter von 15 bis 65 Jahren: 926 (4,5%)<br />
nicht Ar<strong>bei</strong>tsuchende:<br />
12.668 (24,0%)<br />
SGB XII GSiAE: 5 5.429<br />
Frauen: 3.434 (63,3%)<br />
Männer: 1.995 (36,7%)<br />
Quellen:<br />
1 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach dem SGB II. Report für Kreise<br />
und kreisfreie Städte. Bremen, Stadt, <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />
2 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremen, Stadt, Dezember 2010.<br />
3 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremen, Stadt, Dezember 2010.<br />
4 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010):<br />
Report für Kreise und kreisfreie Städte. Bremen, Stadt, <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />
5 Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Stadt Bremen: PROSOZ Bremen; Bremerhaven:<br />
Open PROSOZ Bremerhaven); Statistisches Landesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />
25
26<br />
Armut von Frauen<br />
Abbildung 8: Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen – Stadt Bremerhaven – Dezember 2010<br />
Erwerbsfähige Leistungsempfänger/innen (15–65 Jahre): 1 14.930<br />
Frauen: 7.413 (49,6%) – Männer: 7.517 (50,4%)<br />
Ar<strong>bei</strong>tsuchende (Ar<strong>bei</strong>tslose, Maßnahmeteilnehmer)<br />
und erwerbstätige ›Aufstocker‹: 12.391 (83,0%)<br />
Maßnahmeteilnehmer<br />
und ›Aufstocker‹:<br />
4.428 (35,7%)<br />
Frauen: 2.062 (46,6%)<br />
Männer: 2.366 (53,4%)<br />
Maßnahmeteilnehmer: 3<br />
2.030 (45,8%)<br />
Frauen: 839 (41,3%)<br />
Männer: 1.191 (58,7%)<br />
nicht Erwerbsfähige (Sozialgeld): 4 5.760<br />
Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren: 5.571 (96,7%)<br />
im Alter von 15 bis 65 Jahren: 189 (3,3%)<br />
Die Aufteilung <strong>der</strong> einzelnen Gruppen und<br />
ihre Darstellung in Abbildung 7 (s. S. 25) soll<br />
einen realistischen Blick auf die Leistungsempfänger/innen<br />
im erwerbsfähigen Alter ermöglichen.<br />
Sie soll hingegen ausdrücklich nicht<br />
dazu dienen, die weitverbreitete Problematik<br />
des Hartz-IV-Bezuges – gerade für die Betroffenen<br />
– ›klein<strong>zur</strong>echnen‹.<br />
Die in den Medien und in <strong>der</strong> Politik gern<br />
zitierte Zahl von über 70.000 Hartz-IV-Empfängern<br />
und -Empfängerinnen in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
relativiert sich, wenn die nicht erwerbsfähigen<br />
Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren (19.823;<br />
Dezember 2010) geson<strong>der</strong>t ausgewiesen<br />
werden. Ihre Lebenssituationen, in materieller<br />
Armut aufwachsen zu müssen, müssen mit<br />
Nachdruck verän<strong>der</strong>t werden. Ihnen kann<br />
jedenfalls nicht ernsthaft vorgeworfen werden,<br />
ar<strong>bei</strong>tslose<br />
Ar<strong>bei</strong>tsuchende: 2<br />
7.963 (64,3%)<br />
Frauen: 3.545 (44,5%)<br />
Männer: 4.418 (55,5%)<br />
Erwerbsaufstocker:<br />
2.398 (54,2%)<br />
Frauen: 1.223 (51,0%)<br />
Männer: 1.175 (49,0%)<br />
nicht Ar<strong>bei</strong>tsuchende:<br />
2.539 (17,0%)<br />
SGB XII GSiAE: 5 1.364<br />
Frauen: 898 (65,8%)<br />
Männer: 466 (34,2%)<br />
Quellen:<br />
1 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach dem SGB II. Report für Kreise und<br />
kreisfreie Städte. Bremerhaven, Stadt. <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />
2 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremerhaven, Stadt. Dezember 2010.<br />
3 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Zahlen. Frauen und Männer. Bremerhaven, Stadt. Dezember 2010.<br />
4 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (2010): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach dem SGB II. Report für Kreise und<br />
kreisfreie Städte. Bremerhaven, Stadt. <strong>Bericht</strong>smonat Dezember 2010.<br />
5 Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Stadt Bremen: PROSOZ Bremen; Bremerhaven:<br />
Open PROSOZ Bremerhaven); Statistisches Landesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />
auf Kosten <strong>der</strong> Allgemeinheit zu leben. Dann<br />
verbleiben 52.798 erwerbsfähige Leistungsbezieher,<br />
fast genau <strong>zur</strong> Hälfte Frauen und<br />
Männer. Ihre Gesamtzahl reduziert sich weiter,<br />
wenn Frauen, die kleine Kin<strong>der</strong> betreuen o<strong>der</strong><br />
Personen, die Ältere pflegen, abgezogen werden<br />
(die nicht Ar<strong>bei</strong>tsuchenden: 12.668). Aber<br />
auch die verbleibenden rund 40.000 Personen<br />
bilden nicht die Gruppe <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen<br />
Leistungsempfänger. Fast 9.600 von ihnen<br />
sind in keiner Weise ›ar<strong>bei</strong>tslos‹ o<strong>der</strong> ›ar<strong>bei</strong>tsuchend‹,<br />
son<strong>der</strong>n erwerbstätig (›Aufstocker‹).<br />
Manche von ihnen ar<strong>bei</strong>ten sogar in Vollzeit,<br />
viele in Teilzeit o<strong>der</strong> in Minijobs, manche mit<br />
mehreren Minijobs und insgesamt auch rund<br />
1.400 als Selbstständige. Alle müssen aufgrund<br />
von Niedriglöhnen o<strong>der</strong> Armutslöhnen<br />
zusätzlich staatliche Leistungen beantragen,
um ihre Existenz zu sichern. Weitere circa<br />
7.900 Teilnehmer/innen in ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitischen<br />
Maßnahmen sind zwar ar<strong>bei</strong>tslos, aber<br />
sehr aktiv. Sie suchen aktiv und oft mit hohem<br />
Aufwand nach passenden Ar<strong>bei</strong>tsstellen, schulen<br />
um, qualifizieren sich o<strong>der</strong> sind in ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitischen<br />
Maßnahmen tätig. Im Bereich<br />
dieser Maßnahmen werden insgesamt mehr<br />
Männer (ca. 4.400) als Frauen geför<strong>der</strong>t (ca.<br />
3.500). Am Ende reduziert sich die Anzahl <strong>der</strong><br />
tatsächlich ar<strong>bei</strong>tslosen Ar<strong>bei</strong>tsuchenden auf<br />
rund 22.700 Personen. Auch in dieser Gruppe<br />
finden sich mehr Männer (12.703) als Frauen<br />
(9.969). Von ihnen ist wie<strong>der</strong>um rund die Hälfte<br />
langzeitar<strong>bei</strong>tslos (länger als ein Jahr). Das sind<br />
von den ursprünglich 52.798 erwerbsfähigen<br />
Leistungsbeziehern lediglich 20 Prozent.<br />
Von <strong>der</strong> Grundstruktur ganz ähnlich stellt<br />
sich die Situation in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
dar. Hier fällt lediglich auf, dass die Gruppe<br />
<strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen Ar<strong>bei</strong>tsuchenden vergleichsweise<br />
größer ist als in <strong>der</strong> Stadt Bremen.<br />
2.7 Fazit<br />
Zusammenfassend wird deutlich, dass die<br />
Frauen, die von staatlicher Grundsicherung<br />
und Sozialleistungen leben müssen, kaum in<br />
größerer Zahl von Armut betroffen sind als<br />
Männer. Die insgesamt höhere Zahl von Frauen,<br />
die in Armut leben, ergibt sich in erster<br />
Linie aus ihrer prekären Position auf dem<br />
Ar<strong>bei</strong>tsmarkt (niedrig entlohnte Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />
und Minijobs). Ein Großteil <strong>der</strong> Frauen ist trotz<br />
eigener Erwerbstätigkeit von einer eigenständigen<br />
Existenzsicherung noch weit entfernt.<br />
Tragen sie dann auch noch Verantwortung für<br />
die Versorgung und Betreuung von Kin<strong>der</strong>n,<br />
steigt ihr Armutsrisiko enorm. Dazu tragen in<br />
den letzten Jahren auch viele <strong>der</strong> neu entstehenden<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplätze, gerade im wachsenden<br />
Segment <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> und personenbezogenen<br />
Dienstleistungen <strong>bei</strong>. Viele dieser zusätzlichen<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplätze werden als Helferinnen-,<br />
Assistentinnen- und Zuverdienerinnen-Stellen<br />
angeboten – mit zum Teil schlechten Verdienstmöglichkeiten.<br />
Aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Geschlechtergleichstellung<br />
von Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen und<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmern ist die <strong>der</strong>zeitige Minijobstrategie,<br />
über den Lebenslauf betrachtet,<br />
beson<strong>der</strong>s nachteilig. Durch die politischen<br />
und institutionellen Rahmenbedingungen<br />
sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse<br />
vor allem für verheiratete Frauen kurzfristig<br />
attraktiv. Mangels ihrer Durchlässigkeit<br />
zum Segment sozialversicherungspflichtiger<br />
Beschäftigung erweisen sie sich langfristig<br />
jedoch häufig als ›Sackgasse‹.<br />
Individuelle Entwicklungsmöglichkeiten von<br />
Frauen werden dadurch beschnitten, durch<br />
die staatliche Subventionierung Kosten<br />
sozialisiert und in die Zukunft verlagert<br />
(Finanzierung niedriger Alterseinkommen).<br />
Sozialversicherungspflichtige Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />
muss weiterentwickelt werden. Frauen und<br />
Männer müssen leichter und ohne Nachteile<br />
ihre Ar<strong>bei</strong>tszeiten verringern, aber auch<br />
wie<strong>der</strong> zu einer Vollzeitbeschäftigung<br />
<strong>zur</strong>ückkehren können. Aufstiegswege müssen<br />
ihnen dennoch offenstehen. Neben<br />
entsprechenden betrieblichen Teilzeit- und<br />
För<strong>der</strong>modellen, bedarf es außerdem <strong>der</strong><br />
gesellschaftlichen Wertschätzung und<br />
Anerkennung (auch finanziell) von Phasen<br />
<strong>der</strong> Sorgear<strong>bei</strong>t.<br />
Zum Ausgleich des Lohnabstands zwischen<br />
Männern und Frauen müssen die Tarifparteien<br />
(Ar<strong>bei</strong>tgeber und Gewerkschaften) für<br />
gerechtere Lohnstrukturen sorgen. Die<br />
Ar<strong>bei</strong>tgeber sind in <strong>der</strong> Pflicht, diskriminierende<br />
Ar<strong>bei</strong>tsentgelte zu vermeiden, die<br />
Gewerkschaften müssen diese offensiv einfor<strong>der</strong>n<br />
beziehungsweise gemeinsam mit<br />
den Beschäftigten durchsetzen. Hierzu<br />
besteht <strong>der</strong>zeit eine gute wirtschaftliche<br />
Ertragslage, die Raum für höhere und<br />
gerechte Löhne zwischen Frauen und Männern<br />
bietet. Die spezifische deutsche Niedriglohnstrategie<br />
<strong>der</strong> letzten Jahre, überwiegend<br />
getragen von vielen Frauen, muss<br />
jetzt beendet werden, um Armut abzubauen,<br />
die Binnennachfrage zu stärken und die<br />
öffentlichen Haushalte zu konsolidieren.<br />
27
28<br />
Literatur<br />
Armut von Frauen<br />
Dazu ist aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen<br />
und Ar<strong>bei</strong>tnehmer sowie <strong>der</strong><br />
›öffentlichen Hand‹ die Einführung eines<br />
gesetzlichen Mindestlohns überfällig. Erst<br />
dann könnten auch private ›Haushalte‹ ohne<br />
einen klassischen Familienlohn ihre Existenz<br />
sichern – ohne aufstockende Grundsicherungsleistungen<br />
aus den öffentlichen Haushalten.<br />
Durch Mindestlöhne werden allerdings<br />
lediglich Lohnuntergrenzen gesetzt.<br />
Damit kann nicht gewährleistet werden,<br />
dass qualifizierte Frauen entsprechend ihrer<br />
Qualifikationen und Erfahrungen auch angemessen<br />
entlohnt werden. Ein erster Schritt<br />
in diese Richtung wäre es, Lohn- und<br />
Gehaltstarife für allgemein verbindlich zu<br />
erklären. In den <strong>sozialen</strong>/personenbezogenen<br />
Dienstleistungsberufen sind darüber<br />
hinaus grundlegen<strong>der</strong>e Reformen erfor<strong>der</strong>lich.<br />
ALLMENDINGER, Jutta (1999): Bildungsarmut. Zur Verschränkung<br />
von Bildungs- und Sozialpolitik; in: Soziale<br />
Welt 50/1999, S. 35–50.<br />
ALLMENDINGER, Jutta/LEIBFRIED, Stephan (2003):<br />
Bildungsarmut; in: Aus Politik und Zeitgeschichte,<br />
21–22/2003.<br />
ALLMENDINGER, Jutta (2008): Frauen auf dem Sprung.<br />
Studie <strong>der</strong> Zeitschrift ›Brigitte‹, Hamburg 2008.<br />
ARBEITNEHMERKAMMER BREMEN (2008) (Hrsg.): Armutsbericht<br />
2008, Schwerpunkt: Jugendliche zwischen<br />
Schule und Beruf, Bremen 2008.<br />
ARBEITNEHMERKAMMER BREMEN (2010) (Hrsg.):<br />
Statistisches Jahrbuch 2010, Wirtschafts-, Ar<strong>bei</strong>ts- und<br />
Sozialstatistik, Bremen 2010.<br />
ARBEITNEHMERKAMMER BREMEN (<strong>2011</strong>) (Hrsg.): <strong>Bericht</strong><br />
<strong>zur</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen und Ar<strong>bei</strong>tnehmer im<br />
Lande Bremen, Bremen <strong>2011</strong>.<br />
BMAS Bundesministerium für Ar<strong>bei</strong>t und Soziales (2008)<br />
(Hrsg.): Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht <strong>der</strong><br />
Bundesregierung, 2008.<br />
BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen<br />
und Jugend/Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2003):<br />
Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
in Deutschland 2001/02.<br />
BOSCH, Gerhard/Weinkopf, Claudia/Kalina, Thorsten<br />
(2009): Mindestlöhne in Deutschland: Expertise im Auftrag<br />
<strong>der</strong> Friedrich-Ebert-Stiftung; in: WISO-Diskurs,<br />
Expertisen und Dokumentationen <strong>zur</strong> Wirtschafts- und<br />
Sozialpolitik, Dezember 2009.<br />
DINGELDEY, Irene (2010): Agenda 2010: Dualisierung <strong>der</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitik; in: Aus Politik und Zeitgeschichte,<br />
48/2010, S. 18–25.<br />
GOTTSCHALL, Karin (2008): Trotz Abschluss arm? Professionalisierung<br />
als Strategie gegen Frauenarmut; in: Programmierte<br />
Frauenarmut? Bremische Zentralstelle für die<br />
Verwirklichung <strong>der</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frauen (ZFG),<br />
2008, S. 7–17.<br />
JAEHRLING, Karen/Rudolph, Clarissa (2010): Grundsicherung<br />
und Geschlecht. Gleichstellungspolitische Befunde<br />
zu den Wirkungen von ›Hartz IV‹, 2010.<br />
Sie müssen die Ausbildung sowie die Finanzierung<br />
und Ausgestaltung von Ar<strong>bei</strong>tsverhältnissen<br />
umfassen. Erfor<strong>der</strong>lich ist eine<br />
Qualitäts- und Aufwertungsoffensive, insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den für die Zukunft zentralen<br />
Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsberufen.<br />
KLENNER, Christina/Klammer, Ute (2009): Weibliche<br />
Familienernährerinnen in West- und Ostdeutschland –<br />
Wunschmodell o<strong>der</strong> neue Prekarität?; in: Rollenleitbil<strong>der</strong><br />
und -realitäten in Europa: Rechtliche, ökonomische und<br />
kulturelle Dimensionen, Forschungsreihe Band 8 des<br />
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.), S. 58–80.<br />
KÜMMERLING, Angelika/Jansen, Andreas/Lehndorff, Steffen<br />
(2008): Immer mehr Frauen sind erwerbstätig – aber mit<br />
kürzeren Wochenar<strong>bei</strong>tszeiten. IAQ-Report 04, 2008.<br />
LENHART, Karin (2009): Soziale Bürgerrechte unter Druck.<br />
Die Auswirkungen von Hartz IV auf Frauen, 2009.<br />
SACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION (<strong>2011</strong>): Neue Wege –<br />
Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern<br />
im Lebensverlauf. Gutachten <strong>der</strong> Sachverständigenkommission<br />
<strong>zur</strong> Erstellung des Ersten Gleichstellungsberichtes<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung, <strong>2011</strong>.<br />
SENATORIN FÜR ARBEIT, FRAUEN, GESUNDHEIT, JUGEND<br />
UND SOZIALES (2010): Lebenslagen im Land Bremen.<br />
Datenreport des Senats <strong>der</strong> Freien Hansestadt Bremen,<br />
2010.
29<br />
x ›Ohne die Ar<strong>bei</strong>t wäre ich wohl eine Stubenhockerin geworden‹
30<br />
Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
x Susanne Kling<strong>bei</strong>l ist in dem Stadtteil geblieben, in dem sie geboren wurde:<br />
›Gute Nachbarschaft ist mir sehr wichtig‹
Interview mit Dr. Petra Buhr x Universität Bremen, Institut für empirische und angewandte Soziologie (EMPAS)<br />
3 Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
Dr. Petra Buhr forscht am Institut für empirische<br />
und angewandte Soziologie <strong>der</strong> Universität<br />
Bremen. Ihre Ar<strong>bei</strong>tsschwerpunkte sind<br />
dort Armut und soziale Grundsicherung sowie<br />
aktuell die Familienforschung. Seit Mitte <strong>der</strong><br />
1990er Jahre war sie an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />
dynamischen Armutsforschung beteiligt, die<br />
Phasen von Armut im Lebenslauf untersucht.<br />
Neben dem typischen Muster eines ›Teufelskreises‹<br />
<strong>der</strong> Armut zeigt die dynamische<br />
Armutsforschung, dass ein erheblicher Teil <strong>der</strong><br />
Betroffenen lediglich kurzzeitig o<strong>der</strong> in<br />
bestimmten Lebensphasen von Armut betroffen<br />
ist. Armut wird häufig durch Ereignisse wie<br />
<strong>der</strong> Verlust des Ar<strong>bei</strong>tsplatzes, eine Scheidung<br />
o<strong>der</strong> die Geburt eines Kindes ausgelöst. Sie<br />
kann zu einem späteren Zeitpunkt aber auch<br />
wie<strong>der</strong> überwunden werden. Durch diese Sicht<br />
auf Armut zeigte sich außerdem, dass ein<br />
erheblich größerer Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
zumindest vorübergehend in Armut und<br />
mit Abstiegsängsten lebt als die begrenzte<br />
Gruppe <strong>der</strong> ›dauerhaft Armen‹.<br />
THOMAS SCHWARZER: Welcher Armutsbegriff<br />
ist beson<strong>der</strong>s geeignet, wenn speziell die<br />
Ungleichheit von Armutssituationen zwischen<br />
Frauen und Männern untersucht werden soll?<br />
PETRA BUHR: Zentrale Begriffe in <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
sind Einkommensarmut, Lebenslage<br />
und Lebenschancen. Sie unterscheiden sich<br />
hauptsächlich dadurch, welche Aspekte von<br />
Armut betrachtet werden. Bei <strong>der</strong> Einkommensarmut<br />
wird lediglich ein Aspekt betrachtet,<br />
das ›Einkommen‹. Wer ein hinreichendes<br />
Einkommen besitzt, kann sich einen angemessenen<br />
Lebensstandard leisten und sich auch<br />
bestimmte Lebenschancen eröffnen. Der<br />
Ansatz <strong>der</strong> Lebenslagen untersucht stärker<br />
die tatsächliche Lebenssituation, zu <strong>der</strong><br />
immer mehrere Aspekte gehören: neben dem<br />
Einkommen zum Beispiel auch die Gesundheit,<br />
die Wohnung, die Bildung o<strong>der</strong> die Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen.<br />
Grundsätzlich ist so ein umfassendes<br />
Armutskonzept aussagekräftiger als das<br />
eindimensionale Konzept <strong>der</strong> Einkommensarmut.<br />
Das gilt für jede Art von Armutsuntersuchungen,<br />
ob es nun um Unterschiede<br />
zwischen Männern und Frauen geht, um<br />
Kin<strong>der</strong>armut o<strong>der</strong> um Armut im Alter. Da die<br />
Einkommensarmut aber am einfachsten zu<br />
ermitteln ist, steht sie in <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
und in <strong>der</strong> Öffentlichkeit oft im Mittelpunkt.<br />
Die Umsetzung des Ansatzes <strong>der</strong> Lebenslagen<br />
ist dagegen kompliziert und es gibt <strong>der</strong>zeit<br />
auch noch kein wirklich allgemein akzeptiertes<br />
Konzept <strong>der</strong> Umsetzung.<br />
THOMAS SCHWARZER: Werden aber Untersuchungen,<br />
die mehrere Aspekte von Armut<br />
betrachten, nicht auch diffuser? Wenn zum<br />
Beispiel ein Aspekt wie ein stabiles soziales<br />
Beziehungsnetz geringe finanzielle Mittel<br />
relativiert.<br />
PETRA BUHR: Werden mehrere Aspekte<br />
betrachtet, stellt sich tatsächlich die Frage,<br />
ob sie sich in irgendeiner Weise ausgleichen.<br />
Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten: Entwe<strong>der</strong><br />
die Armut verschärft sich, weil ein<br />
Mensch in mehreren Lebensbereichen benachteiligt<br />
ist, o<strong>der</strong> Aspekte aus einem <strong>der</strong><br />
Lebensbereiche können an<strong>der</strong>e Einschränkungen<br />
abmil<strong>der</strong>n. Dann stellt sich aber die<br />
Frage, wie die einzelnen Aspekte ›gewichtet‹<br />
werden sollen. Ist die Gesundheit wichtiger als<br />
eine gute Vernetzung o<strong>der</strong> ist Bildung weniger<br />
wichtig als eine gute soziale Einbindung?<br />
Es ist ohne Frage ein Vorteil, wenn ein<br />
Mensch nicht in mehreren Bereichen benachteiligt<br />
ist. Er o<strong>der</strong> sie ist dann zwar arm hinsichtlich<br />
des Einkommens, aber trotzdem zum<br />
Beispiel sozial eingebunden und gesund. Dann<br />
gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die<br />
Einkommensarmut nicht in absehbarer Zeit zu<br />
völliger Ausgrenzung führt.<br />
Wer ein hinreichendes Einkommen<br />
besitzt, kann sich einen<br />
angemessenen Lebensstandard<br />
leisten und sich auch bestimmte<br />
Lebenschancen eröffnen.<br />
31
32<br />
Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
Daran zeigt sich auch, wie wichtig es ist,<br />
mehrere Aspekte zu betrachten, weil sonst<br />
alle ›über einen Kamm geschoren‹ werden. Die<br />
verschiedenen Aspekte in ihrem Zusammenhang<br />
zu betrachten, ist vor allem dann von<br />
zentraler Bedeutung, wenn positive Aspekte<br />
und Potenziale eines Menschen sichtbar<br />
werden, die für ein Überwinden von Einkommensarmut<br />
notwendig sind.<br />
THOMAS SCHWARZER: Zurück <strong>zur</strong> Armut, speziell<br />
von Frauen: Müssen <strong>bei</strong> einer Untersuchung<br />
beson<strong>der</strong>e weibliche Aspekte einbezogen<br />
werden?<br />
PETRA BUHR: Es gibt frauenspezifische Ursachen<br />
von Armut. Allerdings muss ich an dieser<br />
Stelle auch vor einem weitverbreiteten Missverständnis<br />
warnen: Mit dem Begriff ›Frauenarmut‹<br />
ist häufig die Vorstellung verbunden, dass<br />
Armut vor allem ein Problem von Frauen ist,<br />
dass die Armut weiblich ist. Wir müssen aber<br />
zwei Dinge auseinan<strong>der</strong>halten: die strukturelle<br />
Benachteiligung von Frauen in vielen gesellschaftlichen<br />
Bereichen und die tatsächliche<br />
Armutsbetroffenheit. Wird von Frauenarmut<br />
gesprochen, sind häufig die strukturellen<br />
Benachteiligungen von Frauen gemeint und<br />
weniger die tatsächliche Armutssituation. Bei<br />
alleinerziehenden Müttern sind die Armutsquoten<br />
etwa dreimal so hoch wie im Durchschnitt.<br />
Betrachtet man hingegen die Armutsquoten<br />
von Frauen und Männern, die nicht als Familien<br />
leben, liegt die Betroffenheit durch Armut nicht<br />
weit auseinan<strong>der</strong>. Obwohl Frauen überwiegend<br />
niedrigere Löhne haben als Männer, führt das<br />
nicht direkt zu einem Leben dieser Frauen in<br />
Armut. Es kommen immer zusätzliche Faktoren<br />
hinzu, wie zum Beispiel häufig die Versorgung<br />
eines Kindes. Solange Frauen für sich<br />
alleine wirtschaften o<strong>der</strong> gemeinsam mit<br />
einem Partner, führen die bestehenden strukturellen<br />
Benachteiligungen nicht unbedingt in<br />
Armut.<br />
THOMAS SCHWARZER: Sollen wir also präziser<br />
von Mütterarmut reden?<br />
PETRA BUHR: Von Frauenarmut zu sprechen ist<br />
genauso richtig, wie auch von Männerarmut zu<br />
sprechen. Mit dem Begriff Frauenarmut wird<br />
aber häufig verbunden, dass Frauen beson<strong>der</strong>s<br />
oft von Armut betroffen sind, aber so ein-<br />
fach ist das nicht. Ein Blick auf die verschiedenen<br />
<strong>sozialen</strong> Gruppen von Frauen zeigt,<br />
dass vor allem die Alleinerziehenden überdurchschnittlich<br />
häufig arm sind. Frauen sind<br />
ohne Frage in vielen gesellschaftlichen Bereichen<br />
benachteiligt, es gibt auch bestimmte<br />
weibliche Armutsrisiken, aber ich würde nicht<br />
sagen, dass Armut in erster Linie ein Frauenphänomen<br />
ist.<br />
THOMAS SCHWARZER: Spielen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Armut<br />
von Frauen also eher soziale Aspekte eine<br />
wichtige Rolle, wie zum Beispiel die Berufsqualifikation<br />
o<strong>der</strong> die Herkunft aus einem<br />
spezifischen <strong>sozialen</strong> Milieu?<br />
PETRA BUHR: Das ist auch ein Aspekt. Gerade<br />
<strong>bei</strong> den Alleinerziehenden muss stärker nach<br />
ihrer <strong>sozialen</strong> Position unterschieden werden.<br />
Eine Alleinerziehende, die zum Beispiel eine<br />
gut bezahlte Stelle im öffentlichen Dienst hat,<br />
ist sicherlich seltener von Armut betroffen,<br />
als jemand in einem typisch weiblichen Dienstleistungsjob<br />
mit einem Niedriglohn. Hinzu<br />
kommt die Frage, wie gut die institutionelle<br />
Kin<strong>der</strong>betreuung ausgebaut ist o<strong>der</strong> ob es<br />
Familienangehörige o<strong>der</strong> Freundinnen gibt, die<br />
unterstützend tätig werden. Außerdem gibt es<br />
auch noch den Unterschied zwischen städtischen<br />
und ländlichen Regionen. Auf dem Land<br />
muss man weitere Wege <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>t in Kauf<br />
nehmen und auch die Kin<strong>der</strong>betreuungsmöglichkeiten<br />
sind häufig weniger gut ausgebaut.<br />
Das gilt auch für die beträchtlichen Unterschiede<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung in Ost- und<br />
Westdeutschland. In Ostdeutschland ist die<br />
Infrastruktur <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung nach wie<br />
vor erheblich umfangreicher und die meisten<br />
Frauen sind eher bereit, auch jüngere Kin<strong>der</strong><br />
in institutionelle Betreuung zu geben. In Westdeutschland<br />
ist noch immer eine gewisse<br />
Zurückhaltung verbreitet, was die Betreuung<br />
von Kleinkin<strong>der</strong>n durch öffentliche Einrichtun-<br />
Eine Alleinerziehende, die zum Beispiel<br />
eine gut bezahlte Stelle im öffentlichen<br />
Dienst hat, ist sicherlich seltener von<br />
Armut betroffen, als jemand in einem<br />
typisch weiblichen Dienstleistungsjob<br />
mit einem Niedriglohn.
gen angeht. Es ist zwar auch, aber nicht nur<br />
die fehlende Infrastruktur, die dazu führt,<br />
dass ein Teil <strong>der</strong> Frauen nach <strong>der</strong> Geburt<br />
eines Kindes keiner Erwerbstätigkeit mehr<br />
nachgeht. Verbreitet ist vielmehr noch die verinnerlichte<br />
Haltung, dass ein Teil <strong>der</strong> Frauen,<br />
zumindest in den ersten Jahren, ihr Kind<br />
selbst betreuen möchte.<br />
THOMAS SCHWARZER: Wir sprachen jetzt über<br />
die verschiedenen Kombinationen von Aspekten,<br />
die <strong>zur</strong> Armut von Frauen führen können.<br />
Lassen sich unter den genannten Aspekten<br />
so etwas wie die hauptsächlichen Ursachen<br />
bestimmen, also auch im Hinblick auf die<br />
von Ihnen erwähnten strukturellen Benachteiligungen<br />
von Frauen?<br />
PETRA BUHR: Ein strukturelles Problem ist die<br />
Schwierigkeit, die Lebensbereiche Ar<strong>bei</strong>t und<br />
Familie ›unter einen Hut‹ zu bekommen. In<br />
den letzten Jahren hat sich zwar ein gewisser<br />
Wandel vollzogen. Grundsätzlich ist es aber<br />
in Deutschland nach wie vor schwieriger als in<br />
an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n, eine den<br />
beruflichen Erfor<strong>der</strong>nissen und Wünschen entsprechende<br />
Kin<strong>der</strong>betreuung zu finden. Das<br />
erschwert außerdem vielen Müttern, die eine<br />
›Kin<strong>der</strong>pause‹ machen o<strong>der</strong> machen müssen,<br />
wie<strong>der</strong> in den Beruf einzusteigen.<br />
Ein weiterer Aspekt ist das bundesdeutsche<br />
Steuersystem, das nach wie vor in weiten<br />
Teilen auf das traditionelle Modell des Alleinernährers<br />
ausgerichtet ist o<strong>der</strong> auf die Frau<br />
als ›Zuverdienerin‹. Das Ehegattensplitting<br />
untergräbt weiterhin eine Erwerbsorientierung<br />
von Frauen. Das strukturelle und klimatische<br />
Umfeld in Deutschland ist nach wie vor so,<br />
dass Frauen nicht unbedingt erwerbstätig sein<br />
müssen und wenn sie es wollen, wird es ihnen<br />
eher erschwert als dass sie unterstützt<br />
werden.<br />
Dieses Modell des Alleinernährers o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Zuverdienerin funktioniert so lange, wie ein<br />
akzeptables Familienleben möglich ist. Kommt<br />
es jedoch <strong>zur</strong> Trennung o<strong>der</strong> zu einer Scheidung,<br />
fehlen entsprechende sozialstaatliche<br />
Sicherungen. Viele dieser Frauen müssen<br />
dann plötzlich finanziell nicht nur auf ›eigenen<br />
Beinen‹ stehen, son<strong>der</strong>n häufig auch mit für<br />
die Kin<strong>der</strong> aufkommen. Aus diesen Gründen<br />
sehe ich als eines <strong>der</strong> zentralen strukturellen<br />
Probleme, die Schwierigkeiten Familie und<br />
Kommt es jedoch <strong>zur</strong> Trennung<br />
o<strong>der</strong> zu einer Scheidung,<br />
fehlen entsprechende<br />
sozialstaatliche Sicherungen.<br />
Beruf zu vereinbaren. In einer solchen schwierigen<br />
Lebenssituation dann wie<strong>der</strong> in den<br />
Beruf einzusteigen o<strong>der</strong> die Ar<strong>bei</strong>tszeit auszuweiten,<br />
ist kurzfristig oft kaum möglich. Viele<br />
Frauen müssen dann erhebliche Abstriche<br />
machen, nicht allein <strong>bei</strong>m Einkommen.<br />
In Zukunft könnte sich <strong>bei</strong> diesem Thema aber<br />
einiges än<strong>der</strong>n. Durch den schon jetzt sich<br />
zeigenden Fachar<strong>bei</strong>tskräftemangel könnte<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>einstieg von Frauen zukünftig stärker<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Firmen bieten ja bereits<br />
Frauen, die vorübergehend aus dem Beruf<br />
aussteigen, Fortbildungen an. Ich könnte mir<br />
vorstellen, dass zumindest durch die Betriebe<br />
und vonseiten <strong>der</strong> Wirtschaftsverbände in<br />
Zukunft bessere Wie<strong>der</strong>einstiegschancen eröffnet<br />
werden. Profitieren werden davon aber<br />
vor allem qualifizierte und hoch qualifizierte<br />
Frauen.<br />
Qualifikationsdefizite können außerdem<br />
durch lebenslanges Lernen beziehungsweise<br />
durch bessere Fort- und Weiterbildungsprogramme<br />
speziell für Frauen in <strong>der</strong> ›Kin<strong>der</strong>phase‹<br />
verbessert werden. Mittel- und langfristig<br />
muss aber viel stärker präventiv gear<strong>bei</strong>tet<br />
werden, für bessere Ausbildungsmöglichkeiten<br />
und hinreichende Schulabschlüsse.<br />
Aspekte <strong>der</strong> Persönlichkeit (Leistungsbereitschaft,<br />
Umgangsformen usw.), die in den<br />
letzten Jahren beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Öffentlichkeit,<br />
in den Unternehmen und in <strong>der</strong> Politik stark<br />
betont werden, sind ohne Frage auch ein<br />
Aspekt unter an<strong>der</strong>en. Da sie sich aber<br />
kurz- und auch mittelfristig kaum beeinflussen<br />
lassen, sollten sie weniger im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen.<br />
33
34<br />
Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
THOMAS SCHWARZER: In <strong>der</strong> Diskussion über<br />
Armutsverläufe wird vor allem auf die Übergangsphasen<br />
geschaut – was passiert<br />
zwischen Schule, Ausbildung und Berufseinstieg<br />
o<strong>der</strong> wenn das erste Kind geboren wird.<br />
Soll präventiv gegen Armut angegangen<br />
werden, muss an diesen Übergangsphasen<br />
mit Maßnahmen angesetzt werden o<strong>der</strong> ist es<br />
dann eigentlich schon zu spät und alle<br />
Konzentration sollte auf die Kin<strong>der</strong>garten-<br />
und Schulzeit gerichtet werden?<br />
PETRA BUHR: Grundsätzlich ist es immer besser,<br />
langfristig anzusetzen, also schon<br />
während <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>garten- und Schulzeit. Aber<br />
den Frauen, die jetzt betroffen sind, kann man<br />
nur durch aktuelle Maßnahmen helfen. Zum<br />
Beispiel, indem fehlende Ausbildungen nachgeholt<br />
o<strong>der</strong> zusätzliche Qualifikationen erworben<br />
werden. Langfristig ist es sinnvoll, dafür zu<br />
sorgen, dass Frauen von vornherein großen<br />
Wert auf eine gute Ausbildung legen. Doch vor<br />
diesem Problem steht eine Armutspolitik<br />
immer. Sie versucht Armut möglichst präventiv<br />
und langfristig zu verhin<strong>der</strong>n, gerade auch<br />
durch bessere Bildung. Aber sie muss sich<br />
auch um die Menschen kümmern, die aktuell<br />
von Armut betroffen sind und auch dort mit<br />
gezielten Maßnahmen ansetzen.<br />
Als Beispiel dazu fällt mir ein Thema gerade<br />
hier in Bremen ein – die Diskussion über<br />
ein gesundes Mittagessen in Kin<strong>der</strong>gärten und<br />
Schulen. Häufig wird gesagt, das bringe<br />
irgendwie nichts, man müsse die Armut an <strong>der</strong><br />
Wurzel packen. Aber für die Kin<strong>der</strong>, die gerade<br />
jetzt von Armut betroffen sind, bringt das<br />
selbstverständlich was. Und das gilt für an<strong>der</strong>e<br />
Bereiche <strong>der</strong> Armutsdiskussion ganz genauso.<br />
Langfristig muss versucht werden, Armut<br />
zu verhin<strong>der</strong>n, indem Armut möglichst gar<br />
nicht erst entsteht. Wenn die Armut aber da<br />
ist, muss gerade auch im Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
dafür gesorgt werden, dass die Folgen von<br />
Armut möglichst stark vermin<strong>der</strong>t werden.<br />
Vorbeugend und ausgleichend muss eine sinnvolle<br />
Armutspolitik sein.<br />
Ein weiteres Problem ist durch die begleitenden<br />
Untersuchungen <strong>der</strong> Hartz-IV-Reformen<br />
deutlich geworden. Es gibt Indizien dafür,<br />
dass <strong>bei</strong> den Beratungen in den Ar<strong>bei</strong>tsagenturen,<br />
<strong>bei</strong> Erfolg versprechen<strong>der</strong>en För<strong>der</strong>maßnahmen<br />
eher Männer bevorzugt werden.<br />
Weil ein Teil <strong>der</strong> Berater/innen scheinbar vor<br />
allem das traditionelle Ernährermodell im Hinterkopf<br />
hat, werden Frauen aussichtsreichere<br />
Maßnahmen o<strong>der</strong> Tätigkeiten zum Teil gar<br />
nicht erst angeboten. Das gilt beson<strong>der</strong>s für<br />
Frauen mit (kleinen) Kin<strong>der</strong>n, <strong>bei</strong> denen die<br />
Vorstellung besteht, dass sie ja eine wichtige<br />
Aufgabe haben und deshalb <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Vergabe<br />
<strong>der</strong> knappen Angebote keine Priorität haben.<br />
Mögliche Ausstiege aus <strong>der</strong> Armut werden so<br />
verhin<strong>der</strong>t und die Betroffenen werden quasi<br />
in <strong>der</strong> Armut ›festgehalten‹. Hier muss von<br />
sozialstaatlich produzierter Armut gesprochen<br />
werden.<br />
THOMAS SCHWARZER: Viele Frauen streben aus<br />
ganz unterschiedlichen Gründen in typische<br />
›Frauenberufe‹, die meistens gesellschaftlich<br />
geringer bewertet und auch bezahlt werden.<br />
PETRA BUHR: Ja, das ist auf jeden Fall richtig,<br />
aber das führt nicht unbedingt in Armut.<br />
Es müssen immer noch an<strong>der</strong>e Aspekte<br />
hinzukommen – die Geburt eines Kindes o<strong>der</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit, damit durch eine gering<br />
bezahlte Tätigkeit Armut entsteht. Dienstleistungstätigkeiten,<br />
wie zum Beispiel die Kin<strong>der</strong>-,<br />
Kranken- und Altenpflege, die vor allem<br />
Frauen ausüben, sind zu gering bezahlt,<br />
was eine Abwertung dieser gesellschaftlich<br />
wichtigen Leistungen darstellt. Aber die zum<br />
Teil geringen Löhne führen nicht gradlinig zu<br />
einem Armutsrisiko. Es ist eher ein ›Mosaikstein‹<br />
unter an<strong>der</strong>en strukturellen Benachteiligungen<br />
von Frauen.
THOMAS SCHWARZER: Frauen ohne Schulabschluss<br />
o<strong>der</strong> ohne Berufsausbildung sind selten<br />
Thema in <strong>der</strong> Armutsdiskussion, weil die<br />
jungen Frauen eher als Bildungsgewinnerinnen<br />
<strong>der</strong> letzten Jahre betrachtet werden. Ist das<br />
Armutsrisiko von schlecht qualifizierten Frauen<br />
ein blin<strong>der</strong> Fleck?<br />
PETRA BUHR: Es ist richtig, dass sich die<br />
Debatte sehr stark auf die Alleinerziehenden<br />
konzentriert und junge Frauen, solange sie<br />
noch keine Kin<strong>der</strong> haben, in <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
nicht so im Fokus stehen. Sie sind<br />
eher in <strong>der</strong> Bildungs- o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung<br />
ein Thema. Dort wird auch problematisiert,<br />
dass Frauen Berufsentscheidungen<br />
treffen, die nicht sehr zukunftsträchtig und<br />
Erfolg versprechend sind. Solange die jungen<br />
Frauen noch im Haushalt <strong>der</strong> Eltern leben,<br />
fallen sie als Einzelperson nicht auf und gelten<br />
dadurch auch nicht als arm. Erst wenn sie<br />
ausziehen und alleine leben o<strong>der</strong> in jungen<br />
Jahren bereits ein Kind bekommen, dann<br />
erscheinen sie in <strong>der</strong> Statistik.<br />
Wenn junge Frauen, speziell auch Frauen<br />
aus Migrantenfamilien, noch in <strong>der</strong> Familie<br />
leben, gibt es ebenfalls Formen von Benachteiligung,<br />
die ihre Autonomie einschränken.<br />
Die eigene Berufswahl wird zum Teil stark von<br />
den Schul- o<strong>der</strong> Berufsvorstellungen <strong>der</strong> Eltern<br />
beeinflusst, was in <strong>der</strong> Bildungsforschung<br />
auch thematisiert wird. Was die Berufsorientierung<br />
von jungen Frauen angeht, hat sich in<br />
den letzten Jahren relativ wenig an den traditionellen<br />
Mustern geän<strong>der</strong>t.<br />
THOMAS SCHWARZER: Strittig ist in den letzten<br />
Jahren auch diskutiert worden, ob sich Armut<br />
<strong>bei</strong> bestimmten Gruppen eher verfestigt o<strong>der</strong><br />
ob es für die meisten nur eine vorübergehende<br />
Lebensphase ist, wenn zum Beispiel die<br />
Kin<strong>der</strong> ganz klein und betreuungsintensiv sind.<br />
PETRA BUHR: Verschiedene Untersuchungen<br />
zeigen eindeutig (z.B. das Sozioökonomische<br />
Panel), dass es schwieriger geworden ist, aus<br />
Armutslagen auszusteigen o<strong>der</strong> aus unteren in<br />
mittlere Einkommensbereiche aufzusteigen.<br />
Bereits seit Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre lässt sich<br />
beobachten, dass die Mobilität im unteren<br />
Bereich <strong>der</strong> Einkommensverteilung geringer<br />
geworden ist. Auch die Armutsquoten sind seit<br />
Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre stark gestiegen, was<br />
hauptsächlich daran liegt, dass es schwieriger<br />
geworden ist, aus <strong>der</strong> Armut herauszukommen<br />
und nicht daran, dass deutlich mehr Leute in<br />
die Armut hineingekommen sind. Dennoch gibt<br />
es nach wie vor einen vergleichsweise hohen<br />
Anteil von Personen, die innerhalb von einem<br />
Jahr wie<strong>der</strong> aus dem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezug<br />
herauskommen. Aber es gibt auch Anzeichen<br />
für eine Verfestigung <strong>bei</strong> bestimmten Gruppen<br />
und speziell Alleinerziehende sind die Gruppe,<br />
die nach wie vor sehr große Schwierigkeiten<br />
hat, aus dem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezug wie<strong>der</strong><br />
auszusteigen.<br />
THOMAS SCHWARZER: Die Alleinerziehenden<br />
sind also die zentrale Gruppe?<br />
PETRA BUHR: Für die ist es beson<strong>der</strong>s schwierig.<br />
Sie müssen sowohl die Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
organisieren als auch einen angemessenen<br />
Job finden und von daher ist es schon eine<br />
richtige Beobachtung, dass Langzeitarmut in<br />
Deutschland zunimmt und dass es absolut<br />
schwieriger geworden ist, Armutsphasen zu<br />
überwinden.<br />
Wenn junge Frauen, speziell auch<br />
Frauen aus Migrantenfamilien,<br />
noch in <strong>der</strong> Familie leben, gibt<br />
es ebenfalls Formen von Benachteiligung,<br />
die ihre Autonomie<br />
einschränken.<br />
35
36<br />
Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />
Bei den Renten wissen wir,<br />
dass wir ein Armutsproblem vor<br />
uns herschieben. Das wird<br />
nicht nur die Frauen betreffen.<br />
THOMAS SCHWARZER: Gibt es Analysen und<br />
Zahlen, so dass man ungefähr sagen kann:<br />
Zwei Drittel <strong>der</strong> Armut sind verfestigt und ein<br />
Drittel ist eher vorübergehend in Armut o<strong>der</strong><br />
ist das umstritten?<br />
PETRA BUHR: Dazu gibt es Untersuchungen.<br />
2006 waren nach Daten des Sozioökonomischen<br />
Panels (SOEP) 35 Prozent <strong>der</strong> Einkommensarmen<br />
seit vier Jahren arm, 50 Prozent<br />
zwischen ein und drei Jahren und 15 Prozent<br />
erstmals arm, also in dem Jahr arm geworden.<br />
Bei einem Blick auf das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II (Hartz IV) sieht man, dass 55 Prozent <strong>der</strong><br />
Neuzugänge im Februar/März 2007 nach<br />
einem Jahr wie<strong>der</strong> aus dem Bezug raus<br />
waren. Bei den Alleinerziehenden waren es<br />
nach zwölf Monaten noch 63 Prozent, die<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II bezogen haben. Wenn man<br />
Zahlen von 1985 bis 1988 im unteren Fünftel<br />
<strong>der</strong> Einkommensverteilung mit Zahlen von<br />
2003 bis 2006 vergleicht, dann blieben zwischen<br />
1985 und 1988 58 Prozent im unteren<br />
Fünftel und zwischen 2003 und 2006 schon<br />
64 Prozent. Die Mobilität ist also geringer<br />
geworden, aber es gibt nach wie vor auch<br />
mobile Gruppen, denen es gelingt, aus <strong>der</strong><br />
Armut herauszukommen.<br />
THOMAS SCHWARZER: Gibt es Untersuchungen<br />
darüber, in welchen Lebensphasen sich<br />
verschiedene Aspekte gegenseitig verstärken<br />
– um dann Maßnahmen gezielt in diesen<br />
Situationen einzusetzen?<br />
PETRA BUHR: Untersuchungen zeigen, dass<br />
sich Unterbrechungen im Erwerbsleben negativ<br />
auf die Ar<strong>bei</strong>tslosengeldansprüche und<br />
natürlich auch auf die späteren Rentenansprüche<br />
auswirken. Das ist ja das klassische<br />
Beispiel, wie sich im Lebenslauf an verschiedenen<br />
Stellen Benachteiligungen häufen, sich<br />
gegenseitig verstärken und nachhaltig wirken.<br />
Eine Entkoppelung dieser Effekte wäre lediglich<br />
dann möglich, wenn ein Teil <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />
Sicherungsleistungen von <strong>der</strong> Erwerbsbiografie<br />
abgelöst würde. Dies ist ja <strong>bei</strong> den<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeldansprüchen im Rechtskreis<br />
des Ar<strong>bei</strong>tslosengelds II bereits passiert,<br />
allerdings auf niedrigem Niveau. Es wurde<br />
festgesetzt, dass jetzt alle nach einem Jahr<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit lediglich noch das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II bekommen, egal wie lange sie<br />
vorher erwerbstätig waren.<br />
Bei den Renten wissen wir, dass wir ein<br />
Armutsproblem vor uns herschieben. Das wird<br />
nicht nur die Frauen betreffen. Frauen werden<br />
aber aufgrund ihrer strukturellen Nachteile auf<br />
dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in größerer Zahl betroffen<br />
sein. Das Problem <strong>der</strong> zunehmenden Altersarmut<br />
könnte lediglich durch eine höhere Grundrente<br />
verhin<strong>der</strong>t werden. Die Grundsicherung<br />
im Alter (SGB XII) ist zwar ein Reformversuch<br />
in diese Richtung. Da aber an<strong>der</strong>e Leistungen,<br />
wie zum Beispiel die Riester-Rente darauf<br />
angerechnet werden, bin ich wirklich pessimistisch,<br />
wie man dieses Problem lösen<br />
könnte ohne einen völligen Systembruch.<br />
THOMAS SCHWARZER: Müsste wirklich ein<br />
an<strong>der</strong>es System eingeführt werden?<br />
PETRA BUHR: Eine armutsvermeidende Grundrente<br />
müsste deutlich über dem Sozialhilfeniveau<br />
beziehungsweise über dem Hartz-IV-<br />
Regelsatz liegen. Außerdem dürfte sich Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />
nicht mehr so negativ auf die Rentenansprüche<br />
auswirken. Dann würden sich<br />
vielleicht auch mehr Männer für Teilzeit entscheiden.<br />
In den Nie<strong>der</strong>landen o<strong>der</strong> in Schweden<br />
ist es in dieser Art geregelt. Aber durch<br />
die zunehmende Altersarmut wird noch einiges<br />
auf uns zukommen, da bin ich sehr sicher,<br />
das wird im Moment noch weitgehend verdrängt.
THOMAS SCHWARZER: Das Ar<strong>bei</strong>tsleben vieler<br />
Menschen ist heute durch Erwerbsunterbrechungen,<br />
längere Phasen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />
o<strong>der</strong> durch prekäre Beschäftigung charakterisiert.<br />
All dies führt zu vermin<strong>der</strong>ten Rentenansprüchen<br />
und speziell prekär Beschäftigte<br />
haben zudem nur wenig Spielraum, privat<br />
vorzusorgen. Wie kommt man aus diesem<br />
Dilemma raus?<br />
PETRA BUHR: Ich fürchte erst mal gar nicht.<br />
Die Rentenreform, wodurch stärker auf die<br />
private Komponente gesetzt und zugleich das<br />
Rentenniveau weiter abgesenkt wurde, ist<br />
von falschen Voraussetzungen ausgegangen.<br />
Sie ist davon ausgegangen, dass die Menschen<br />
tatsächlich die Möglichkeit haben vorzusorgen.<br />
Aber es ist eben so, dass viele Menschen<br />
im unteren Einkommensbereich schlicht<br />
und ergreifend kein Geld über haben für die<br />
private Altersvorsorge. Hinzu kommen weitere<br />
Aspekte: Da die Riester-Rente auch auf<br />
die Grundsicherung im Alter angerechnet wird,<br />
kann ich mir vorstellen, dass das auch die<br />
Motivation, privat vorzusorgen, gerade <strong>bei</strong><br />
Menschen im unteren Einkommensbereich,<br />
senkt. Für manche Gruppen ist es schwierig<br />
sich zu entscheiden, was für sie das angemessene<br />
Produkt für die private Alterssicherung<br />
ist und an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong> denken: Ach,<br />
irgendwie wird es später dann schon gehen.<br />
Aber es wird mit Sicherheit nicht funktionieren,<br />
es werden viele Menschen im Alter eine<br />
Rente auf Grundsicherungsniveau haben, wenn<br />
nicht sogar darunter. Denn das alte Konzept,<br />
das besagt, <strong>der</strong> Lebensstandard wird auch<br />
nach dem Ende des Erwerbslebens ungefähr<br />
gesichert, wurde verabschiedet.<br />
Fragen: Thomas Schwarzer<br />
x Referent für kommunale Sozialpolitik<br />
Für manche Gruppen ist es<br />
schwierig sich zu entscheiden,<br />
was für sie das angemessene<br />
Produkt für die private Alterssicherung<br />
ist und an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong><br />
denken: Ach, irgendwie wird<br />
es später dann schon gehen.<br />
37
38<br />
Armut und Alleinerziehen<br />
x Großeinkauf zusammen mit den Töchtern
Dr. Barbara Rinken x Erziehungswissenschaftlerin, Frauenbeauftragte für den Wissenschaftsbereich <strong>der</strong> Hochschule Bremen<br />
4 Armut und Alleinerziehen<br />
Das Thema Alleinerziehen wird in den Medien<br />
häufig im Zusammenhang mit Defiziten thematisiert.<br />
Die beson<strong>der</strong>en Leistungen von Alleinerziehenden<br />
sind dagegen selten im Blick.<br />
Neben den sozialstrukturellen Problemen, die<br />
<strong>zur</strong> Armut Alleinerziehen<strong>der</strong> führen, sollen in<br />
diesem Artikel auch die Lebensleistungen von<br />
Alleinerziehenden beschrieben werden. Denn<br />
Kin<strong>der</strong> großzuziehen erfor<strong>der</strong>t ja bereits von<br />
Paaren ein hohes Maß an Energie und Geduld<br />
sowie die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse<br />
<strong>zur</strong>ückzustellen. Alleinerziehende müssen<br />
diese Anfor<strong>der</strong>ungen ausschließlich aus eigener<br />
Kraft bewältigen und gleichzeitig ein verbindliches<br />
Beziehungsnetzwerk aufbauen.<br />
Soziale Kontakte und Erwerbstätigkeit sind für<br />
sie die wichtigsten Faktoren für Zufriedenheit<br />
mit dieser spezifischen Lebenssituation. 1<br />
Da Alleinerziehende in <strong>der</strong> Regel auf ihren<br />
Wohnort und auf eingeschränkte Ar<strong>bei</strong>tszeiten<br />
festgelegt sind, betreffen sie die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes in beson<strong>der</strong>er Weise:<br />
<strong>der</strong> Rückgang unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse,<br />
die Ausweitung des Niedriglohnbereichs<br />
und die zunehmenden Flexibilitätsanfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Erhebliche Einschränkungen<br />
ergeben sich außerdem durch die Beharrlichkeit<br />
des Modells <strong>der</strong> Halbtagsschulen und<br />
Halbtagskin<strong>der</strong>gärten und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
Teilzeitar<strong>bei</strong>t vieler erwerbstätiger Frauen.<br />
Vor allem wegen dieser strukturellen Hemmnisse<br />
sind aktuell von den 1.558.000 Millionen<br />
Alleinerziehenden in Deutschland insgesamt<br />
(2009) 647.000 Alleinerziehende (40 Prozent)<br />
bundesweit auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (Hartz IV)<br />
angewiesen, 2 davon im Land Bremen 9.456 3 .<br />
Den schwierigen Bedingungen zum Trotz ist<br />
<strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Alleinerziehenden erwerbstätig:<br />
›Zwei Drittel <strong>der</strong> alleinerziehenden Frauen<br />
mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren sind erwerbstätig,<br />
das sind zwei Prozent mehr als unter<br />
den Müttern aus Paarfamilien. Alleinerziehende<br />
Frauen ar<strong>bei</strong>ten auch deutlich häufiger Vollzeit<br />
als an<strong>der</strong>e Mütter: 42 Prozent im Gegensatz<br />
zu 27 Prozent <strong>bei</strong> Müttern aus Paarfamilien.‹ 4<br />
Die mit den unterschiedlichen sozialstrukturellen<br />
Situationen einhergehenden Lebensgefühle<br />
Alleinerziehen<strong>der</strong> werden in diesem<br />
Artikel anhand von Auszügen aus Interviews<br />
verdeutlicht. 5<br />
1 Vgl. Rinken (2010). Aussagen in diesem Text, die nicht mit einer<br />
an<strong>der</strong>s lautenden Literaturangabe versehen sind , beziehen sich<br />
auf diese Publikation.<br />
2 Vgl. Familienreport 2010: 72.<br />
3 Vgl. Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: SGB-II-Län<strong>der</strong>report<br />
Juni 2010.<br />
4 Familienreport 2010: 71.<br />
5 Hier kommen Alleinerziehende als Expertinnen und Experten ihrer<br />
Lebenssituationen zu Wort. Die im folgenden Text eingefügten<br />
Interviewpassagen sind einer qualitativen Forschungsar<strong>bei</strong>t entnommen<br />
(Rinken 2010). Die Befragung wurde mit <strong>der</strong> Methode<br />
des ›problemzentrierten Interviews‹ (Witzel 2000) durchgeführt.<br />
39
40<br />
Armut und Alleinerziehen<br />
Zur Gruppe <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />
›DIE‹ Alleinerziehenden gibt es nicht. Diese<br />
Gruppe ist sehr heterogen, unter an<strong>der</strong>em in<br />
Bezug auf das Alter <strong>der</strong> Alleinerziehenden, die<br />
Anzahl und das Alter <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die Schulbildung,<br />
die Ausbildung und die Berufstätigkeit.<br />
›Von den 8,4 Millionen Familien mit Kin<strong>der</strong>n<br />
unter 18 Jahren in Deutschland sind 1,6 Millionen<br />
alleinerziehend. Das entspricht je<strong>der</strong> fünften<br />
Familie.‹ 6 Im Land Bremen machen Alleinerziehendenhaushalte<br />
mit 34 Prozent (27.500)<br />
mehr als ein Drittel aller 80.300 Familien mit<br />
Kin<strong>der</strong>n aus. 7 Ungefähr 90 Prozent <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />
sind Frauen, circa zehn Prozent<br />
Männer. Diese Zahlen sprechen für sich, was<br />
das Beharrungsvermögen traditioneller<br />
Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft<br />
angeht. Es macht einen Unterschied, ob eine<br />
Mutter o<strong>der</strong> ein Vater alleine erzieht: Alleinerziehende<br />
Väter leben im Durchschnitt mit<br />
älteren Kin<strong>der</strong>n zusammen und sind weniger<br />
häufig auf den Bezug von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
angewiesen. Die Dauer des Alleinerziehens<br />
und die Entstehungsgeschichte machen große<br />
Unterschiede für das individuelle Erleben.<br />
Alleinerziehende in Ostdeutschland haben tendenziell<br />
positivere Einstellungen <strong>zur</strong> Ganztagsbetreuung<br />
von Kin<strong>der</strong>n und damit eng zusammenhängend,<br />
positivere Einstellungen <strong>zur</strong><br />
Müttererwerbstätigkeit. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e<br />
für die Phase, wenn die Kin<strong>der</strong> zwischen<br />
einem Jahr und drei Jahre alt sind.<br />
Die Gemeinsamkeit aller Alleinerziehenden<br />
besteht darin, allein verantwortlich für die<br />
Betreuung und Versorgung von Kin<strong>der</strong>n und<br />
die materielle Absicherung <strong>der</strong> Familie zu<br />
sein: durch Erwerbstätigkeit, durch die Beantragung<br />
von staatlicher Unterstützung o<strong>der</strong>,<br />
wie <strong>bei</strong> den sogenannten ›Aufstockerinnen‹,<br />
durch <strong>bei</strong>des, weil das Gehalt trotz Kin<strong>der</strong>geld<br />
und Unterhalt unter den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Regelsätzen liegt.<br />
Was ist Armut?<br />
Für eine menschenwürdige Existenz müssen<br />
Nahrung, Kleidung und Unterkunft sowie die<br />
Teilhabe am <strong>sozialen</strong> und kulturellen Leben<br />
gesichert sein. Ist dies nicht <strong>der</strong> Fall, so ist<br />
Armut gegeben. Vielen Alleinerziehenden fehlt<br />
es am Nötigsten.<br />
Ein erwerbsloser alleinerziehen<strong>der</strong><br />
Vater berichtet:<br />
›Ich komme überhaupt nicht hin. Ich laviere<br />
mich wirklich durch bis zum Gehtnichtmehr,<br />
verschiebe oft Schulden von einer<br />
Ecke in die an<strong>der</strong>e. (...) Und ich nutze<br />
unter an<strong>der</strong>em (...) auch die Bremer Tafel.<br />
Sonst würde ich gar nicht klarkommen.‹<br />
Dazu gezwungen zu sein, eine ›Tafel‹ in<br />
Anspruch zu nehmen bedeutet, auf Almosen<br />
angewiesen zu sein. Das löst Schamgefühle<br />
aus und beschädigt das Selbstbewusstsein.<br />
Der hier zitierte Vater ist einer von etwa einer<br />
Million in diesem Land, die sich mithilfe <strong>der</strong><br />
Tafeln ernähren, darunter ungefähr ein Viertel<br />
Kin<strong>der</strong> und Jugendliche. Durch die <strong>der</strong>zeit 833<br />
Tafeln in Deutschland wird einerseits bedürftigen<br />
Menschen geholfen, an<strong>der</strong>erseits wird<br />
Armut in <strong>der</strong> Wahrnehmung ›normalisiert‹.<br />
›Die Pointe liegt darin, dass überflüssige<br />
Lebensmittel an Menschen weitergereicht<br />
werden, die scheinbar auch überflüssig<br />
sind, weil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmarkt keine Verwendung<br />
für sie hat: Die Überflüssigen essen<br />
das Überflüssige.‹ 8<br />
6 Familienreport 2010: 70.<br />
7 Vgl. Statistisches Landesamt Bremen, Jahrbuch 2009: 28.<br />
Bei diesen Daten zählen zu den Alleinerziehenden auch Väter<br />
und Mütter mit volljährigen Kin<strong>der</strong>n.<br />
8 Selke; in: Laudenbach 2009: 2.
Für erwerbslose Alleinerziehende können die<br />
Tafeln eine Überlebenshilfe sein. Zu den einklagbaren<br />
Rechten von Erwerbslosen und<br />
Geringverdienern sollte jedoch das Recht auf<br />
gesunde Ernährung unabhängig vom Besuch<br />
karitativer Einrichtungen gehören. Gleiches gilt<br />
für die Versorgung mit Kleidung. Neben<br />
Ernährung und Kleidung ist auch Wohnen ein<br />
Aspekt, an dem sich Armut zeigt und Folgewirkungen<br />
entstehen. Durch die im Vergleich zu<br />
realen Mieten niedrigen Mietsätze im SGB II<br />
(Sozialgesetzbuch Zweites Buch) besteht die<br />
Gefahr, dass erwerbslose o<strong>der</strong> von Niedriglöhnen<br />
lebende Alleinerziehende in Quartiere<br />
abgedrängt werden, in denen bereits viele<br />
Menschen unter problematischen materiellen<br />
Bedingungen wohnen, was <strong>zur</strong> Kumulation<br />
sozialer Probleme führt.<br />
Ausbildung<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Problemgruppe stellen<br />
die Alleinerziehenden ohne Schulabschluss<br />
beziehungsweise ohne Berufsausbildung<br />
dar. Die Einschätzung einer Alleinerziehenden,<br />
die mit jungen Müttern ar<strong>bei</strong>tet, lautet:<br />
›Und ich denke, es ist viel wichtiger,<br />
Alleinerziehende zum Beispiel auszubilden,<br />
also das ist ein ganz großes Manko<br />
in diesem Staate, wenn eine Alleinerziehende<br />
versucht, eine Ausbildung zu<br />
machen, das ist so schwierig, wenn die<br />
mit 40 Stunden und mit einem kleinen<br />
Kind diese Ausbildung durchziehen soll.<br />
Also ich ar<strong>bei</strong>te mit jugendlichen Müttern<br />
und teilweise fängt die Schule morgens<br />
um acht o<strong>der</strong> um halb acht an. Weil es<br />
lediglich eine berufliche Schule für die<br />
ganze Stadt gibt, müssen sie teilweise um<br />
sechs losfahren, um pünktlich zu sein.<br />
Wer nimmt ein einjähriges Kind ab sechs<br />
Uhr und dann kommen die Mütter spät<br />
nach Hause, wie lange soll man das<br />
durchhalten? Wo sind die Kräfte für so<br />
etwas? Ich finde, es müsste eine Teilzeitausbildung<br />
geben, für solche Personengruppen<br />
müsste es Teilzeitausbildungen<br />
geben, 30 Stunden maximal.‹<br />
Diese For<strong>der</strong>ung nach Teilzeitausbildungen<br />
ist eindeutig zu unterstützen. Auch in Bremen<br />
gibt es bereits erste Angebote <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsagentur.<br />
Gleichzeitig benötigen Alleinerziehende<br />
flexible Angebote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
auch in sogenannten ›Randzeiten‹ am frühen<br />
Morgen und bis zum Abend. Dass dies möglich<br />
ist, zeigt sich in den ostdeutschen Städten,<br />
wo Ganztagsbetreuung und flexible Öffnungszeiten<br />
erheblich besser ausgebaut sind<br />
als in Westdeutschland. Die Erwerbstätigkeit<br />
von Alleinerziehenden wird dadurch erheblich<br />
erleichtert. Das bislang un<strong>zur</strong>eichende Angebot<br />
in Westdeutschland und in ländlichen<br />
Regionen in Ostdeutschland ist eine entscheidende<br />
Ursache für die hohe Erwerbslosigkeit<br />
von Alleinerziehenden.<br />
Erwerbslosigkeit –<br />
öffentliche Debatten<br />
Erwerbslosigkeit löst <strong>bei</strong> vielen Alleinerziehenden<br />
starke Existenzängste aus. Berufe, die<br />
flexible Ar<strong>bei</strong>tszeiten beziehungsweise<br />
Schichtdienst erfor<strong>der</strong>n, können aufgrund <strong>der</strong><br />
familiären Alleinverantwortlichkeit nicht ausgeübt<br />
werden:<br />
›Da hatte ich dann ein Vierteljahr gar<br />
keine Ar<strong>bei</strong>t und wusste nicht, wie es weitergeht.<br />
Das war eigentlich das schwerste<br />
Vierteljahr überhaupt. Na ja, das war<br />
damals schon schwer als Köchin mit<br />
einem vier Jahre alten Kleinkind Ar<strong>bei</strong>t zu<br />
finden, das Einzige war eben in Gaststätten,<br />
das konnte man nicht machen wegen<br />
<strong>der</strong> Schichtzeit.‹<br />
41
42<br />
Armut und Alleinerziehen<br />
Den gelernten Beruf aufgrund <strong>der</strong> mit Familienar<strong>bei</strong>t<br />
nicht zu vereinbarenden Ar<strong>bei</strong>tszeiten<br />
nicht ausführen zu können, ist ein weiterer<br />
häufiger Grund für Erwerbslosigkeit <strong>bei</strong> Alleinerziehenden.<br />
Für das Lebensgefühl erwerbsloser Frauen<br />
spielen aber auch <strong>der</strong> Inhalt und <strong>der</strong> Ton<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Debatten eine große Rolle:<br />
›Anerkennungsverlust und Missachtung dieser<br />
Personengruppe gehören (...) nicht nur <strong>zur</strong><br />
Erfahrung <strong>der</strong> Betroffenen, son<strong>der</strong>n auch und<br />
gerade zu den Routinen des Diskurses. In<br />
Politik, Medien und im Alltag stehen Ar<strong>bei</strong>tslose<br />
im Verdacht, nicht ar<strong>bei</strong>ten zu wollen<br />
o<strong>der</strong> zu können.‹ 9<br />
In vielen öffentlichen Armutsdebatten werden<br />
diejenigen, die (noch) Ar<strong>bei</strong>t haben, gegen<br />
jene ausgespielt, die erwerbslos sind. Kürzlich<br />
konnte dies beson<strong>der</strong>s deutlich an den Diskussionen<br />
<strong>zur</strong> Neuregelung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />
II-Regelsätze (Hartz IV) beobachtet werden.<br />
Eltern wurden und werden in dieser Debatte<br />
häufig dem Generalverdacht ausgesetzt, das<br />
Geld, das sie für ihre Kin<strong>der</strong> erhalten, für Alkohol<br />
und Zigaretten auszugeben. Dazu werden<br />
in den Medien Extremfälle als typische Beispiele<br />
dargestellt. Derartige Stigmatisierungen<br />
verhin<strong>der</strong>n gesellschaftliche Solidarität. Gleichzeitig<br />
wird die Selbstachtung <strong>der</strong> Betroffenen<br />
untergraben. In einem solchen gesellschaftlichen<br />
Klima ist es kaum möglich, erwerbslos<br />
und selbstbewusst zu sein. Die Stigmatisierung<br />
<strong>der</strong> Erwerbslosen basiert darauf, dass<br />
ihnen ›Misserfolge als Versagen zugerechnet<br />
werden und selbst <strong>der</strong> kompetente Umgang<br />
mit <strong>der</strong> Situation unter Missbrauchsverdacht<br />
gerät‹ 10 .<br />
9 Uske 2000: 169.<br />
10 Uske 2000: 188.<br />
11 In Deutschland gibt es insgesamt 1.311.753 Menschen, die<br />
neben ihrer Erwerbstätigkeit aufstockende Leistungen nach dem<br />
SGB II beziehen. Davon machen Frauen mit 56,2 Prozent mehr<br />
als die Hälfte aus. In Bremen beziehen 17.380 Menschen<br />
zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit Hartz IV, davon sind 55,2<br />
Prozent Frauen (Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />
in Zahlen: Erwerbstätige Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezieher:<br />
Mai 2010).<br />
Working Poor<br />
Jene Alleinerziehende, die im vorhergehenden<br />
Abschnitt die Belastung durch Erwerbslosigkeit<br />
formuliert, findet schließlich Ar<strong>bei</strong>t unterhalb<br />
ihrer Qualifikation in einer Wäscherei.<br />
Heute ist sie Geringverdienerin und somit eine<br />
<strong>der</strong> sogenannten ›working poor‹. Sie hat zwei<br />
Töchter und ihre größte Sorge ist, ihre Kin<strong>der</strong><br />
nicht ausreichend <strong>bei</strong> <strong>der</strong>en Ausbildungen<br />
unterstützen zu können. Ihre größere Tochter<br />
strebt eine Ausbildung an, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Schulgeld<br />
gezahlt werden muss.<br />
›Auch wenn wir BAföG kriegen würden, es<br />
reicht nicht. Da habe ich wirklich Angst.<br />
Da ist wirklich meine Angstgrenze, die<br />
sich dann extrem bis <strong>zur</strong> Panik steigert.<br />
Obwohl ich eigentlich weiß, ich kann mit<br />
wenig Geld auskommen, aber das kann<br />
ich nicht selber machen. Ich kann selber<br />
nähen, ich kann selber Handwerksar<strong>bei</strong>ten<br />
machen und ich kann auch wenig essen<br />
und es einteilen auf irgendeine Art und<br />
Weise. Aber wo es einfach fehlt, fehlt es,<br />
da kann man nicht mehr jonglieren.‹<br />
Deutlich zeigt diese Schil<strong>der</strong>ung das große<br />
Engagement dieser Mutter, die Zurücknahme<br />
eigener Bedürfnisse bis hin <strong>zur</strong> eingeschränkten<br />
Nahrungsaufnahme und die Bedrohung,<br />
die in <strong>der</strong> Befürchtung liegt, ihren Kin<strong>der</strong>n<br />
nicht die gewünschte Ausbildung finanzieren<br />
zu können. Erwerbslose Alleinerziehende, wie<br />
auch alleinerziehende ›Aufstockerinnen‹ 11<br />
fühlen sich häufig doppelt stigmatisiert, als<br />
Alleinerziehende und als ›Hartz-IV-Empfängerinnen‹.<br />
Diese Stigmatisierungen können zu<br />
Rechtfertigungsdruck gegenüber <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />
Umgebung und zu einem schlechten Gewissen<br />
gegenüber den Kin<strong>der</strong>n führen.
Erwerbstätigkeit mit einem<br />
auskömmlichen Einkommen<br />
Von vielen Alleinerziehenden ist eine Teilzeit<br />
von 30 Stunden die Ar<strong>bei</strong>tszeit-Wunschoption.<br />
Ein alleinerziehen<strong>der</strong> Vater schil<strong>der</strong>t die<br />
Zufriedenheit mit seinem hoch qualifizierten<br />
Beruf und <strong>der</strong> dort möglichen Teilzeitar<strong>bei</strong>t:<br />
›Ich gehe einer Tätigkeit nach, die mir Spaß<br />
macht, die mir liegt.‹<br />
Er vertritt seinem Chef gegenüber selbstbewusst,<br />
dass er nur in Grenzen Überstunden<br />
macht.<br />
›Ich gehe nachmittags um 15 Uhr pünktlich<br />
aus dem Büro und zwar hocherhobenen<br />
Hauptes. (...) Diese Teilzeitgeschichte,<br />
reich wird man nicht, es reicht aber, wir<br />
kommen gut über die Runden. Es ist irrsinnig<br />
wichtig für, na ja, ich sage mal stabile<br />
Verhältnisse, für Zufriedenheit zu<br />
Hause, also mit <strong>der</strong> beruflichen Situation,<br />
von Kleinigkeiten mal abgesehen, aber<br />
Zeit und Geld, das passt wun<strong>der</strong>bar in<br />
unser familiäres Gefüge. Da stehe ich auf<br />
<strong>der</strong> Sonnenseite, ganz klar. Ja, damit bin<br />
ich zufrieden. (...) Die persönliche Erfüllung<br />
zu sehen, es gibt eine Expertise, die<br />
meine ist und die geschätzt wird von<br />
an<strong>der</strong>en, so dieses Feedback, also diese<br />
persönliche Wertschätzung darüber hinaus,<br />
dass ich ein toller Papi bin, das ist<br />
schon eine ganze Menge wert.‹<br />
Die große Bedeutung von Anerkennung als<br />
Vater und im Beruf wird hier deutlich. Gleichzeitig<br />
beschreibt dieser alleinerziehende Vater,<br />
dass ihn die durch die Teilzeittätigkeit gegebene<br />
ungenügende Absicherung seiner Rente<br />
manchmal nervös macht:<br />
›Wenn ich so an mein Alter denke und<br />
sehe, was ich bislang so in die Rentenkasse<br />
eingezahlt habe, dann werde ich<br />
schon bisweilen unruhig.‹<br />
Bei <strong>der</strong> Berechnung von Renten werden in<br />
Deutschland <strong>der</strong>zeit drei Lebensjahre eines<br />
Kindes als Kin<strong>der</strong>erziehungszeiten angerechnet.<br />
12 Um die Perspektiven aller Eltern und<br />
insbeson<strong>der</strong>e Alleinerziehen<strong>der</strong> zu verbessern,<br />
müsste die Anrechnung von Kin<strong>der</strong>erziehungszeiten<br />
deutlich erhöht werden. Betreuung<br />
und Erziehung enden schließlich nicht nach<br />
dem dritten Lebensjahr eines Kindes. Die <strong>der</strong>zeitigen<br />
Rentenregelungen führen für Alleinerziehende<br />
häufig zu einer vorprogrammierten<br />
Altersarmut.<br />
Teilhabe am <strong>sozialen</strong> und<br />
kulturellen Leben<br />
Am <strong>sozialen</strong> Leben teilnehmen und kulturelle<br />
Angebote wie Kino- o<strong>der</strong> Theaterbesuche<br />
wahrnehmen zu können, ist für viele Alleinerziehende,<br />
insbeson<strong>der</strong>e jene mit kleinen<br />
Kin<strong>der</strong>n, kaum möglich.<br />
Eine erwerbslose Mutter eines fünfjährigen<br />
Kindes erzählt:<br />
›Und ich habe ja auch kein normales<br />
Leben. Unter einem normalen Leben stelle<br />
ich mir eigentlich vor, dass ich auch<br />
Freiräume habe. Wenn man einen Partner<br />
hat, kann man sich die Freiräume gegenseitig<br />
schaffen und die habe ich als alleinerziehende<br />
Mutter nicht. Ich kann sie mir<br />
auch nicht schaffen, weil das Geld fehlt.‹<br />
12 Vgl. Familienhandbuch 2010.<br />
43
44<br />
Armut und Alleinerziehen<br />
Die Finanzierung privater Kin<strong>der</strong>betreuung in<br />
den Abendstunden ist für erwerbslose Alleinerziehende<br />
und Geringverdienerinnen kaum realisierbar.<br />
Erklärt sich niemand aus dem <strong>sozialen</strong><br />
Umfeld bereit, ab und zu auf das Kind<br />
beziehungsweise die Kin<strong>der</strong> aufzupassen, sind<br />
die Bewegungsmöglichkeiten Alleinerziehen<strong>der</strong><br />
mit kleinen Kin<strong>der</strong>n extrem eingeschränkt.<br />
Die problematische finanzielle Situation för<strong>der</strong>t<br />
soziale Isolation und kann in Resignation<br />
enden:<br />
›Manchmal ist es so, dass ich denke, man,<br />
ist das ein Elend, das hast du dir nicht so<br />
vorgestellt. (...) Und ich habe so viel ausprobiert,<br />
auch mit mir selber und nachgedacht,<br />
was soll ich denn hier abends<br />
immer machen? Man hat ja kein Programm,<br />
also man sitzt rum und denkt<br />
immer an seinen eigenen Schaltkreis (...).<br />
Inzwischen denke ich, ich kann das nicht<br />
än<strong>der</strong>n, ich kann mich nicht zerfleischen,<br />
ich muss die Dinge so nehmen, wie sie<br />
sind und das Beste draus machen. (...)<br />
Ja, mehr ist nicht, ist einfach so.‹<br />
Trotz <strong>der</strong> beschriebenen Situation gelingt dieser<br />
Alleinerziehenden eine Erziehungsleistung,<br />
auf die sie stolz ist:<br />
›Es ist einfach so, es ist mein Kind und<br />
das ist in Ordnung, ich för<strong>der</strong>e sie und ich<br />
bin sehr stolz auf sie, weil ich sie für ein<br />
sehr intelligentes Kind halte. Sie hat mit<br />
acht Monaten angefangen zu sprechen.<br />
Und in <strong>der</strong> Kita haben immer alle gesagt,<br />
als sie zwei Jahre war, oh, die spricht ja<br />
schon so gut, und ich hätte sie ja auch<br />
schon einschulen können. Ich sagte, nee,<br />
noch ein Jahr ist schon gut. Sie ist jetzt<br />
nicht ein kleiner Mozart o<strong>der</strong> so, aber ich<br />
bin einfach stolz, dass ich das schaffe,<br />
obwohl ich keinen Job habe und trotzdem<br />
ich ziemlich wenig Geld habe, artikuliert<br />
sich mein Kind im Verhältnis zu an<strong>der</strong>en<br />
außergewöhnlich gut und ist auch sehr<br />
selbstbewusst.‹<br />
13 Vgl. zusammenfassend: Niepel 1994: 138 ff.<br />
Von großer Bedeutung ist auch hier die Anerkennung<br />
<strong>der</strong> Erziehungskompetenzen <strong>der</strong> Mutter<br />
durch das institutionelle Umfeld, in diesem<br />
Fall durch die Erzieherinnen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tagesstätte.<br />
Von erwerbslosen Eltern wird häufig<br />
thematisiert, dass sie nicht über die Mittel verfügen,<br />
ihre Kin<strong>der</strong> kulturell zu för<strong>der</strong>n. Für Kin<strong>der</strong><br />
bedeutet Armut, wie sie durch die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Regelsätze<br />
gegeben ist, die Verhin<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Teilnahme an Musik-, Sport- und<br />
Kulturangeboten. Hier wird <strong>der</strong> Staat seiner<br />
Verantwortung nicht gerecht. Das <strong>der</strong>zeit in<br />
Umsetzung befindliche ›Bildungs- und Teilhabepaket‹,<br />
innerhalb dessen Zuschüsse zum Mittagessen<br />
und Bildungsangebote für Kin<strong>der</strong><br />
beantragt werden können, stellt keine angemessene<br />
Lösung dar. Wenngleich es positive<br />
Ansätze gibt, wie die Übernahme <strong>der</strong> Kosten<br />
von schulischen Tagesausflügen, so ist doch<br />
zu kritisieren, dass eine Institutionalisierung<br />
zusätzlicher sozialer Kontrolle von Eltern und<br />
Kin<strong>der</strong>n erfolgt und dass die Höhe <strong>der</strong><br />
Zuschüsse den Bedarfen nicht entspricht. Auf<br />
<strong>der</strong> Homepage des Bundesministeriums für<br />
Ar<strong>bei</strong>t und Soziales steht, dass Eltern sich<br />
<strong>bei</strong>m Jobcenter über geeignete Angebote <strong>der</strong><br />
schulischen För<strong>der</strong>ung informieren sollen,<br />
wenn es keine ausreichenden regulären schulischen<br />
Angebote gibt. Die Mitar<strong>bei</strong>terinnen und<br />
Mitar<strong>bei</strong>ter in Jobcentern sind jedoch nicht für<br />
eine solche Beratung qualifiziert. Einkommen<br />
und Erwerbsstatus dürfen keinen Einfluss auf<br />
die Entscheidungsfreiheit von Eltern über die<br />
Frage haben, welche Angebote für ihre Kin<strong>der</strong><br />
die richtigen sind. Vollkommen unverständlich<br />
ist, wieso die Kosten für das Schulmittagessen,<br />
so vorhanden, nicht vollständig übernommen<br />
werden. Der ›verbleibende Eigenanteil<br />
des Kindes‹ von einem Euro frisst fast die<br />
Hälfte des für Ernährung vorgesehenen Betrages<br />
<strong>der</strong> Regelsätze für Kin<strong>der</strong> auf. Gehen die<br />
Verantwortlichen davon aus, dass es ausreicht,<br />
einmal täglich satt zu werden? Für die<br />
Monatskarte werden nur dann die Kosten vollständig<br />
übernommen, wenn diese für die Fahrt<br />
<strong>zur</strong> ›nächstgelegenen Schule‹ unabdingbar ist<br />
und nicht für private Zwecke genutzt wird.<br />
Hier fragt man sich: Soll das Kind umgeschult<br />
werden, wenn es, aus welchen Gründen auch<br />
immer, nicht <strong>zur</strong> ›nächstgelegenen Schule‹<br />
geht? Und wieso wird die private Nutzung <strong>der</strong>
Monatskarte untersagt? Was hat das mit För<strong>der</strong>ung<br />
von Teilhabe zu tun? Eine solche Maßnahme<br />
wie das ›Bildungs- und Teilhabepaket‹<br />
als tragfähige Verbesserung <strong>der</strong> Situation von<br />
Kin<strong>der</strong>n Erwerbsloser darzustellen, stellt eine<br />
erneute Missachtung <strong>der</strong> Betroffenen dar.<br />
Insofern ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass es<br />
von diesen kaum angenommen wird.<br />
Soziale Netzwerke – Gesundheit<br />
In <strong>der</strong> Forschung zu Alleinerziehenden wird<br />
soziale Isolation teilweise im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> ›Zugehörigkeit zu einer unteren Sozialschicht‹<br />
gebracht, an<strong>der</strong>e Untersuchungen<br />
zeigen ein Ansteigen sozialer Isolation in Verbindung<br />
mit einer längeren Dauer des Alleinerziehens.<br />
Die abweichenden Ergebnisse <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Untersuchungen sind unter<br />
an<strong>der</strong>em darauf <strong>zur</strong>ückzuführen, dass differierende<br />
Verständnisse vom Begriff ›Netzwerkmitglie<strong>der</strong>‹<br />
bestehen. 13 Fest steht jedoch, dass<br />
soziale Unterstützung und Vernetzung zentrale<br />
Aspekte des persönlichen Wohlbefindens von<br />
Alleinerziehenden sind.<br />
Eine erwerbstätige alleinerziehende Mutter<br />
erklärt zu diesem Thema:<br />
›Und so ist es gut. Ich glaube dieses<br />
Lebensgefühl, das vermittelt sich dem<br />
Kind. Und das ist wichtig, um nicht selber<br />
zu denken, ja, ich verpasse was o<strong>der</strong> ich<br />
bin nicht so wie die an<strong>der</strong>en, weil ich halt<br />
so aufgewachsen bin. (...) Also, wenn ich<br />
so ein Lebensgefühl ausstrahle, glaube<br />
ich, dann ist das auch etwas, was ich ihm<br />
positiv vermittle. Wenn man nicht so<br />
<strong>zur</strong>ückgezogen, vereinsamt irgendwo lebt,<br />
dann kann das Kind genauso viele Kontakte<br />
haben wie in einer Zweielternfamilie<br />
o<strong>der</strong> sogar noch mehr, weil ich viel mit<br />
Freunden unterwegs bin.‹<br />
Eine Untersuchung <strong>zur</strong> gesundheitlichen Situation<br />
von Alleinerziehenden zeigt, dass alleinerziehende<br />
Mütter im Vergleich zu verheirateten<br />
Müttern signifikant häufiger krank sind. 14<br />
›Zu differenzieren ist, welche Untergruppen<br />
<strong>bei</strong> den Alleinerziehenden beson<strong>der</strong>s stark<br />
belastet sind und welche über ausreichend<br />
Ressourcen verfügen und kaum von <strong>sozialen</strong><br />
und gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />
betroffen sind.‹ 15 Die größten gesundheitlichen<br />
Probleme treten auf, wenn Erwerbslosigkeit,<br />
finanzielle Probleme und soziale Belastungen<br />
zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken.<br />
Ein zufriedenstellendes Einkommen<br />
för<strong>der</strong>t hingegen positive Einschätzungen <strong>der</strong><br />
eigenen gesundheitlichen Situation. 16 Für<br />
Alleinerziehende mit gesundheitlichen Problemen<br />
sind Eltern-Kind-Kuren ein beson<strong>der</strong>s wirksames<br />
Mittel, wie<strong>der</strong> zu Kräften zu kommen<br />
und die Familiensituation zu reflektieren. 17<br />
Einige Krankenkassen lehnen Anträge auf<br />
Kuren zunächst jedoch standardmäßig ab, so<br />
dass auch <strong>bei</strong> starker Bedürftigkeit die Energie<br />
für ein Wi<strong>der</strong>spruchsverfahren aufgebracht<br />
werden muss.<br />
Diskriminierungen /<br />
Geschlechter- und Familienbil<strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong>, die in Einelternfamilien aufwachsen,<br />
haben nicht per se schlechtere Startbedingungen<br />
als Kin<strong>der</strong> aus Zweielternfamilien. Hier wie<br />
dort unterscheiden sich die materiellen und<br />
<strong>sozialen</strong> Bedingungen. Allerdings werden in<br />
unserer Gesellschaft nach wie vor Zweielternfamilien<br />
idealisiert und Einelternfamilien skeptisch<br />
beäugt. Dies führt unter an<strong>der</strong>em zu<br />
Diskriminierungen von Alleinerziehenden auf<br />
dem Ar<strong>bei</strong>ts- und Wohnungsmarkt.<br />
Eine an<strong>der</strong>e alleinerziehende Mutter berichtet:<br />
›Das ist in diesem System ja so, wenn<br />
man außerhalb <strong>der</strong> bürgerlichen Ehe ein<br />
Kind bekommt, dann gibt es zwar Grundsicherung,<br />
aber ansonsten keine Existenzgrundlage,<br />
keine richtigen Möglichkeiten.<br />
(...) Ich hatte sehr viele Schwierigkeiten<br />
diese Wohnung zu kriegen, ich habe<br />
an<strong>der</strong>thalb Jahre auf diese Wohnung<br />
gewartet. Und als ich dann gesagt habe,<br />
ich habe einen Lebenspartner, da habe<br />
ich die Wohnung dann gekriegt.‹<br />
14 Vgl. Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 11.<br />
15 Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 5.<br />
16 Vgl. Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 18/19.<br />
17 Vgl. Helfferich/Hendel-Kramer/Klindworth 2003: 20.<br />
45
46<br />
Armut und Alleinerziehen<br />
Diese Erzählung ist nur ein Beispiel von<br />
Benachteiligungen Alleinerziehen<strong>der</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
Wohnungssuche. Es zeigt sich, dass sich<br />
gesellschaftliche Vorurteile, die in Teilen <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit produziert und bestätigt werden,<br />
sich in Handlungen nie<strong>der</strong>schlagen, die mit<br />
<strong>der</strong> Verteilung von Ressourcen verbunden<br />
sind. Ein weiteres Vorurteil lautet, Alleinerziehende<br />
hätten ihre Kin<strong>der</strong> weniger gut im<br />
Griff als an<strong>der</strong>e Eltern. Diese Einstellung wird<br />
insbeson<strong>der</strong>e gegenüber alleinerziehenden<br />
Müttern mit Söhnen geäußert und selbst von<br />
Teilen des pädagogischen Diskurses gestützt.<br />
Solche Abwertungen einer Familienform,<br />
insbeson<strong>der</strong>e wenn sie durch pädagogisches<br />
Personal in Kin<strong>der</strong>betreuungsinstitutionen<br />
beziehungsweise in Schulen transportiert<br />
werden, können zu einer ständigen Verteidigungshaltung<br />
<strong>bei</strong> Alleinerziehenden führen und<br />
das Gefühl auslösen, mit dem Rücken <strong>zur</strong><br />
Wand zu stehen.<br />
Eine alleinerziehende Mutter berichtet über<br />
Reaktionen eines Familienmitglieds:<br />
›Na ja, er ist ja nun sehr katholisch und ist<br />
<strong>der</strong> Meinung, dass eine Alleinerziehende<br />
keinen Wert hat. Also eine Frau muss<br />
einen Mann haben, sonst darf man keine<br />
Kin<strong>der</strong> kriegen. Und erst recht nicht noch<br />
ein zweites Kind. (...) Er hat mich am<br />
Anfang beschimpft, das kann man schon<br />
sagen. Also beschimpft und nicht für<br />
vollwertig gehalten.‹<br />
Erfreulicherweise konnte sich diese Alleinerziehende<br />
trotz <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Anfeindungen<br />
ihren positiven Blick auf ihre Kin<strong>der</strong> und auf<br />
ihre Erziehungskompetenzen bewahren:<br />
›Wo ich auch wie<strong>der</strong> sage, da bin ich<br />
stolz drauf, dass ich meine Kin<strong>der</strong> allein<br />
erziehe und eigentlich doch besser<br />
klarkomme. Finanziell und auch erziehungsmäßig.<br />
Meine Kin<strong>der</strong>, die hören und<br />
die helfen auch im Haushalt mit.‹<br />
In <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen deutschen Gesellschaft<br />
liegt die Hauptverantwortung für Kin<strong>der</strong>erziehung<br />
und Familienleben nach wie vor <strong>bei</strong> den<br />
Frauen. Spiegelbildlich dazu ist die Vorstellung<br />
von männlicher Vollerwerbstätigkeit noch<br />
immer weit verbreitet und normativ aufgeladen.<br />
Das zeigt sich auch daran, dass lediglich<br />
rund sechs Prozent aller sozialversicherungspflichtig<br />
beschäftigten Männer in Deutschland<br />
in Teilzeit erwerbstätig sind gegenüber<br />
34 Prozent <strong>der</strong> Frauen. 18 In Bremen ar<strong>bei</strong>ten<br />
37 Prozent aller sozialversicherungspflichtig<br />
beschäftigten Frauen in Teilzeit gegenüber<br />
sieben Prozent <strong>der</strong> Männer. 19<br />
Müttern gegenüber, vor allem wenn die<br />
Kin<strong>der</strong> noch klein sind, besteht weiterhin die<br />
Erwartung, dass sie ihre Erwerbstätigkeit<br />
reduzieren o<strong>der</strong> zumindest zeitweise unterbrechen,<br />
um die Kin<strong>der</strong> besser versorgen zu<br />
können. Ganz entgegengesetzt dazu ist die<br />
Erwartung an die Väter. Drei von fünf <strong>der</strong><br />
interviewten erwerbslosen alleinerziehenden<br />
Väter berichten über Ratschläge, ihre Kin<strong>der</strong><br />
zu Pflegeeltern o<strong>der</strong> ins Heim zu geben,<br />
um dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt voll <strong>zur</strong> Verfügung zu<br />
stehen.<br />
›Dass ich besser mehr Zeit zum Ar<strong>bei</strong>ten<br />
aufwenden kann und dass ich eben<br />
auch schichtmäßig flexibler bin und die<br />
Kleine geht dann zu Pflegeeltern, dann ist<br />
mir diese Belastung doch genommen.‹<br />
Einer dieser Männer fühlt sich als alleinerziehen<strong>der</strong><br />
Vater diskriminiert:<br />
›Nein, das kann ich mir nicht vorstellen,<br />
dass eine Mutter so was gefragt wird.<br />
Genau das ist das. Wenn man sagt, die<br />
Mutter ar<strong>bei</strong>tet voll und das Kind ist <strong>bei</strong><br />
mir, die Blicke, die ich dann teilweise<br />
ernte, sprechen für sich.‹<br />
18 Vgl. Statistisches Bundesamt: www.destatis.de/jetspeed/<br />
portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/<br />
Ar<strong>bei</strong>tsmarkt/Sozialversicherungspflichtige/Tabellen/<br />
Content100/Strukturdaten,templateId=ren<strong>der</strong>Print.<br />
19 Vgl. Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: Beschäftigung am<br />
Ar<strong>bei</strong>tsort: Mai 2010.
Väter, die für sich die Familie an die erste<br />
Stelle setzen und die aus unterschiedlichen<br />
Gründen erwerbslos sind, zum Beispiel, weil<br />
die Ar<strong>bei</strong>tszeiten als Handwerksmeister nicht<br />
mit <strong>der</strong> Familienverantwortung zu vereinbaren<br />
sind, werden häufig von ihrem privaten und<br />
institutionellen Umfeld unter Druck gesetzt,<br />
sich für die Erwerbstätigkeit und gegen die<br />
Familienar<strong>bei</strong>t zu entscheiden. In solchen<br />
Fällen wird vom <strong>sozialen</strong> Umfeld das Kindeswohl<br />
<strong>der</strong> männlichen Vollerwerbstätigkeit nachgeordnet.<br />
Ein Blick <strong>zur</strong>ück auf die gesellschaftlichen<br />
Normen zu Väter- und Müttererwerbstätigkeit<br />
in <strong>der</strong> deutschen Geschichte seit dem Zweiten<br />
Weltkrieg zeigt folgendes Grundmuster: Die<br />
Vorstellungen <strong>zur</strong> Erwerbstätigkeit <strong>der</strong> Mütter<br />
in <strong>der</strong> Bundesrepublik und in <strong>der</strong> DDR, aber<br />
auch nach <strong>der</strong> Vereinigung, verän<strong>der</strong>n sich<br />
mit <strong>der</strong> jeweiligen Ar<strong>bei</strong>tsmarktlage. Die<br />
Vollerwerbstätigkeit <strong>der</strong> Väter hingegen ist<br />
das durchgehend dominierende Leitbild.<br />
Anerkennung / Umverteilung /<br />
Zufriedenheit<br />
Für das Wohlbefinden Alleinerziehen<strong>der</strong> und<br />
die Entwicklung ihrer Kin<strong>der</strong> ist es von zentraler<br />
Bedeutung, dass die Eltern eine Zufriedenheit<br />
mit <strong>der</strong> Familienform <strong>der</strong> Einelternfamilie<br />
entwickeln. Hierfür ist neben materieller<br />
Umverteilung die Anerkennung <strong>der</strong> Leistungen<br />
ein wichtiger Aspekt. ›Anerkennung basiert auf<br />
<strong>der</strong> Unterlassung demütigen<strong>der</strong>, diskriminieren<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> ausschließen<strong>der</strong> Praktiken. Darüber<br />
hinaus wird dieser Begriff auf Handlungen<br />
<strong>zur</strong> Herstellung beziehungsweise Beibehaltung<br />
von gesellschaftlichen Verhältnissen bezogen,<br />
welche allen Individuen und Gruppen Selbstachtung<br />
ermöglichen.‹ 20<br />
Eine alleinerziehende Mutter, die sich neben<br />
ihrer Erwerbstätigkeit für Alleinerziehende<br />
engagiert, nimmt Stellung:<br />
›Also ich finds halt einfach nur ganz wichtig,<br />
an<strong>der</strong>en Leuten zu vermitteln, es ist<br />
nicht schrecklich, alleinerziehend zu sein.<br />
Es kommt einfach darauf an, wie man<br />
damit umgeht und ich glaube, dass es<br />
auch wichtig ist, eine Zufriedenheit und<br />
Gelassenheit mit <strong>der</strong> Situation zu ent-<br />
wickeln. Das ist umso schwieriger, je<br />
negativer das gesellschaftliche Bild ist.<br />
Deswegen finde ich es wichtig, dass das<br />
gesellschaftliche Bild positiver ist, einfach,<br />
um es den Menschen nicht noch<br />
zusätzlich schwerer zu machen. Wenn das<br />
irgendwie normaler ist o<strong>der</strong> einfach auch<br />
ja positiver gesehen und anerkannt wird,<br />
die Ar<strong>bei</strong>t, die man leistet in einer Familie,<br />
speziell in einer Einelternfamilie, dass<br />
es dann nicht mehr dieses ganz Schreckliche<br />
ist, alleinerziehend zu sein. O<strong>der</strong><br />
generell nicht zu sagen, um Gottes willen,<br />
das ist eine Alleinerziehende (...), was<br />
kann aus <strong>der</strong> werden, was kann aus den<br />
Kin<strong>der</strong>n werden?‹<br />
Auf die Frage nach gesellschaftlicher Anerkennung<br />
Alleinerziehen<strong>der</strong> antwortet sie:<br />
›Zu wenig. Wenn, dann im privaten<br />
Umfeld, aber gesellschaftlich nicht. Ich<br />
denke, generell wird in dieser Gesellschaft<br />
nicht die Ar<strong>bei</strong>t in <strong>der</strong> Familie wertgeschätzt,<br />
die eine Familie an sich leistet.<br />
Das wird nicht wertgeschätzt und noch<br />
weniger, wenn es nur eine Person macht.‹<br />
Sorgear<strong>bei</strong>t als nach wie vor überwiegend<br />
weibliches Tätigkeitsfeld erfährt (zu) geringe<br />
gesellschaftliche Anerkennung. Dies zeigt sich<br />
unter an<strong>der</strong>em auch an den Gehältern <strong>der</strong><br />
Berufe, in denen sorgende Tätigkeiten zentral<br />
sind, wie zum Beispiel Erzieherinnen sowie<br />
Kranken- und Altenpflegerinnen. Hier stellen<br />
sich grundsätzliche Fragen des Wertes <strong>der</strong><br />
Menschen in dieser Gesellschaft.<br />
20 Rinken 2005: 74/75.<br />
47
48<br />
Armut und Alleinerziehen<br />
Resümee<br />
Neben finanziellen und strukturellen Problemen<br />
tragen auch Aspekte wie mangelnde Wertschätzung<br />
und Diskriminierungen zu Armut<br />
und damit einhergehenden Einschränkungen<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> und kulturellen Teilhabe <strong>bei</strong>.<br />
Ein höherer beruflicher Status ermöglicht<br />
dagegen scheinbar einen besseren Schutz vor<br />
offen geäußerten Abwertungen.<br />
Wer aufgrund einer von <strong>der</strong> Norm abweichenden<br />
Familienform finanziell in Not ist und<br />
durch Erwerbslosigkeit o<strong>der</strong> prekäre Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisse<br />
unter existenziellen Ängsten leidet,<br />
hat es schwer, eine positive Einstellung<br />
zu eben dieser Familienform zu entwickeln.<br />
Die gesellschaftliche Anerkennung <strong>der</strong> Lebensleistungen<br />
Alleinerziehen<strong>der</strong> ist ein wesentlicher<br />
Baustein für <strong>der</strong>en Wohlbefinden. Diese<br />
Anerkennung muss sich neben Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> öffentlichen Debatte in Verbesserungen<br />
<strong>der</strong> materiellen Bedingungen und <strong>der</strong> Zugangsmöglichkeiten<br />
zum Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nie<strong>der</strong>schlagen.<br />
Konkrete Möglichkeiten für die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> sozialstrukturellen Situation bieten<br />
sich mannigfaltig, hier seien lediglich einige<br />
mögliche Beispiele genannt:<br />
eine Kin<strong>der</strong>grundsicherung in <strong>der</strong> Höhe<br />
von 500 Euro, wie sie zum Beispiel vom<br />
Verband alleinerziehen<strong>der</strong> Mütter und<br />
Väter e.V. (VAMV) gefor<strong>der</strong>t wird;<br />
eine deutliche Anhebung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Regel-<br />
und Mietsätze;<br />
gerechtere Rentenregelungen mit stärkerer<br />
Berücksichtigung von Phasen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung;<br />
Steuerregelungen, die nicht die Ehe subventionieren,<br />
wie es in Deutschland <strong>der</strong><br />
Fall ist, son<strong>der</strong>n in denen Kin<strong>der</strong> stärker im<br />
Steuerrecht berücksichtigt werden, wie<br />
zum Beispiel in Frankreich; 21<br />
<strong>der</strong> weitere Ausbau eines qualitativ hochwertigenGanztagskin<strong>der</strong>betreuungsangebots.<br />
Armut von Alleinerziehenden ist eine Frage<br />
des elterlichen Wohlbefindens wie des Kindeswohls.<br />
Eltern wie Kin<strong>der</strong> haben ein Recht auf<br />
ein menschenwürdiges Leben. Die Verantwortung<br />
des Staates liegt darin, die Bedingungen<br />
für dessen Verwirklichung bereitzustellen. Das<br />
hat nichts mit Almosen zu tun. Vielmehr ist es<br />
eine zentrale politische Aufgabe, den Boden<br />
für eine Gesellschaft zu bereiten, die allen<br />
Familienformen ein gutes Leben ermöglicht.<br />
Dies ist auch eine Frage <strong>der</strong> Geschlechtergerechtigkeit.<br />
In den letzten Jahren wurde von den Bundesministerien<br />
für Familie sowie für Ar<strong>bei</strong>t<br />
und Soziales die Gruppe <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />
zunehmend in den Fokus des Interesses<br />
gerückt. Das ESF-Bundesprogramm ›Gute<br />
Ar<strong>bei</strong>t für Alleinerziehende‹ wird <strong>zur</strong>zeit auch<br />
in Bremen umgesetzt. Hier werden unter an<strong>der</strong>em<br />
ganzheitliche Beratung, Unterstützung<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach passen<strong>der</strong> Qualifizierung<br />
beziehungsweise Erwerbsar<strong>bei</strong>t und Hilfe <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> Beschaffung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
bereitgestellt. Es wird darauf zu achten<br />
sein, diese für Alleinerziehende existenziellen<br />
Angebote flächendeckend und nachhaltig<br />
zu sichern. Auch das Angebot von Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
für unter Dreijährige ist in Bremen<br />
momentan im Aufbau. Hier greifen mehrere<br />
Bausteine zusammen, die die Situation Alleinerziehen<strong>der</strong><br />
verbessern und Wege für den<br />
Ausstieg aus Armut unterstützen können.<br />
Allerdings sollten auch die Unternehmen in die<br />
Verantwortung genommen werden. Wo<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplätze fehlen, können Unterstützungsprogramme<br />
nur sehr begrenzt wirksam werden.<br />
Die Familienfreundlichkeit des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes<br />
bedarf <strong>der</strong> Verbesserung. Hier sind<br />
die zentralen Stichworte flexible Ar<strong>bei</strong>tszeiten,<br />
Reduktion von Präsenzzeiten und betriebliche<br />
Kin<strong>der</strong>betreuung mit flexiblen Öffnungszeiten.<br />
Die oben ansatzweise dargestellten unterschiedlichen<br />
Lebensgefühle Alleinerziehen<strong>der</strong><br />
zeigen, je nach strukturellen Bedingungen,<br />
persönlicher Geschichte und <strong>sozialen</strong> Netzwerken,<br />
dass das breite Spektrum von Resignation<br />
über Hoffnung bis hin <strong>zur</strong> Zufriedenheit<br />
reicht. Erstaunlich ist, wie viele Alleinerziehende<br />
ihren Kin<strong>der</strong>n trotz problematischer Rahmenbedingungen<br />
unter großem Energieeinsatz<br />
ein Aufwachsen in einer Atmosphäre <strong>der</strong> Wertschätzung<br />
ermöglichen. Respekt und gesellschaftliche<br />
Anerkennung wären die angemessenen<br />
Reaktionen.<br />
21 Vgl. Beckmann 2008: 125.
Literatur<br />
BECKMANN, Sabine (2008): Geteilte Ar<strong>bei</strong>t? Männer und Care-<br />
Regime in Schweden, Frankreich und Deutschland. Münster:<br />
Westfälisches Dampfboot.<br />
Familienhandbuch 2010: Anrechnung/Berücksichtigung von Zeiten<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung. Das Familienhandbuch des Staatsinstituts<br />
für Frühpädagogik (IFP). Abrufbar unter:<br />
www.familienhandbuch.de/cmain/f_programme/a_leistungen_fuer<br />
_familien/s_562.html<br />
Letzter Zugriff: 10.10.2010.<br />
Familienreport 2010. Leistungen. Wirkungen. Trends.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.<br />
HELFFERICH, Cornelia/HENDEL-KRAMER, Anneliese/KLINDWORTH,<br />
Heike (2003): Gesundheit alleinerziehen<strong>der</strong> Mütter und Väter. In:<br />
Robert Koch-Institut (Hrsg.): Gesundheitsberichterstattung des<br />
Bundes, Heft 14.<br />
LAUDENBACH, Peter (2009): Am Essen wird zuerst gespart. In:<br />
brand eins 05/2009, Schwerpunkt: Essen. Abrufbar unter:<br />
www.brandeins.de/archiv/magazin/gegessen-wirdimmer/artikel/am-essen-wird-zuerst-gestpart.html<br />
Letzter Zugriff: 10.10.2010.<br />
NIEPEL, Gabriele (1994): Alleinerziehende. Abschied von einem<br />
Klischee. Opladen, Leske und Budrich.<br />
RINKEN, Barbara (2005): Alleinerziehende wollen <strong>bei</strong>des:<br />
Anerkennung und Umverteilung. In: Femina Politica, 14. Jg.,<br />
2/2005, 74–84.<br />
RINKEN, Barbara (2010): Spielräume in <strong>der</strong> Konstruktion von<br />
Geschlecht und Familie? Alleinerziehende Mütter und Väter mit<br />
ost- und westdeutscher Herkunft. Wiesbaden, VS Verlag.<br />
USKE, Hans (2000): Sozialschmarotzer und Versager. Missachtung<br />
und Anerkennung in Diskursen über Massenar<strong>bei</strong>tslosigkeit. In:<br />
Holtgrewe, Ursula u.a. (Hrsg.): Anerkennung und Ar<strong>bei</strong>t.<br />
Konstanz, 169–192.<br />
Verband alleinerziehen<strong>der</strong> Mütter und Väter Bundesverband e.V.<br />
(VAMV), Hasenheide 70, 10967 Berlin, Tel.: (030) 6959786,<br />
kontakt@vamv.de, www.vamv.de<br />
2008: Familienpolitisches Grundsatzprogramm.<br />
2009: Dokumentation <strong>der</strong> Fachtagung: Klimawandel für Alleinerziehende<br />
– Einelternfamilien als Seismographen für soziale<br />
Gerechtigkeit.<br />
2010: Das ABC <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>armut.<br />
WITZEL, Andreas (2000): Das problemzentrierte Interview. Forum<br />
Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Research (Online<br />
Journal), 1 (1) Abrufbar unter: www.qualitativeresearch.net/fqs/fqs.htm:1-11.<br />
Letzter Zugriff: 15.01.2008.<br />
49
50<br />
x Das Küchenteam<br />
Willkommen im normalen Leben!
Ralf Lorenzen x Soziologe, freier Journalist<br />
5 Willkommen im normalen Leben!<br />
Auf den Spuren <strong>der</strong> Armut<br />
von Frauen in Bremen<br />
›Ich vermisse das ganz normale Leben‹,<br />
sagt eine <strong>der</strong> Frauen in den knapp 20<br />
Interviews, die für diesen <strong>Bericht</strong> über<br />
Frauenarmut in Bremen geführt wurden.<br />
Bei einer Begegnung auf <strong>der</strong> Straße<br />
würde niemand dieser Frau ansehen, dass<br />
sie ›arm‹ ist. Und in <strong>der</strong> Tat, wenn man<br />
Armut über das Existenzminimum definiert<br />
und nicht erst dort verortet, wo Menschen<br />
betteln o<strong>der</strong> in Mülltonnen nach<br />
verwertbaren Dingen suchen, dann ist<br />
Armut in vielen Bremer Ortsteilen mit<br />
einem hohen Anteil von Hartz-IV-Empfängern<br />
bereits das ganz normale Leben.<br />
Aber das ist eine Sache <strong>der</strong> Statistiker, in<br />
diesem Kapitel geht es um den persönlichen<br />
Umgang mit Bedürftigkeit. Um die ›innere<br />
Mauer‹, die arme Menschen vom normalen<br />
Leben trennt, die aber jede Frau an einer<br />
an<strong>der</strong>en Stelle wahrnimmt. Fast niemand in<br />
diesen Interviews hat sich selbst als arm<br />
bezeichnet. Es ist eine Binsenweisheit, sie<br />
muss aber <strong>bei</strong>m Thema Armut wie<strong>der</strong>holt werden:<br />
Armut hat unendlich viele Schattierungen,<br />
auch in objektiv gleichen Lebenslagen. Ein<br />
paar davon werden in diesem Kapitel gezeigt.<br />
Die Auswahl <strong>der</strong> Gesprächspartnerinnen<br />
verfolgte das Ziel, beson<strong>der</strong>s drei Lebenslagen<br />
in den Blick zu bekommen: junge Frauen<br />
vor dem Start ins Berufsleben, alleinerziehende<br />
Mütter und ältere Frauen, die aus dem<br />
Ar<strong>bei</strong>tsprozess herausgefallen sind. Der<br />
Zugang erfolgte meist über Mitar<strong>bei</strong>terinnen in<br />
Beratungs-, Betreuungs- und Qualifizierungsprojekten<br />
für diese Frauen. Das hat den Vorteil,<br />
dass sie gezielt Frauen ansprechen konnten,<br />
von denen sie annahmen, dass sie zu<br />
einem ausführlichen Interview bereit wären.<br />
Denn es gibt kaum ein Thema, über das Menschen<br />
weniger gern sprechen, als über ihre<br />
eigene Armut.<br />
Bei dieser Vorauswahl besteht die Gefahr,<br />
dass ein geschöntes Bild <strong>der</strong> Wirklichkeit entsteht.<br />
Denn wer sich Hilfe holt und aktiv da<strong>bei</strong><br />
ist, über seine Lebenssituation zu berichten,<br />
dem geht es meist schon besser als <strong>der</strong><br />
Mehrzahl <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, die in ihrer <strong>Lage</strong> verharren.<br />
Es ist aber nicht das Ziel dieses<br />
<strong>Bericht</strong>es, beson<strong>der</strong>s skandalöse Zustände<br />
aufzuzeigen, son<strong>der</strong>n den betroffenen Frauen<br />
auf den folgenden Seiten eine Stimme zu<br />
geben. Dazu gehören auch die Beraterinnen in<br />
den besuchten Projekten, die aufgrund ihrer<br />
Erfahrungen die persönlichen Blickwinkel <strong>der</strong><br />
Frauen noch erweitern.<br />
Entstanden ist eine kleine Bremen-Reise<br />
aus dem äußersten Westen bis zum äußersten<br />
Osten von Bremen, mit kleinen Pausen in<br />
einem Café im Stadtzentrum. Der Ausgangspunkt<br />
liegt allerdings dort, wo sich bedürftige<br />
Menschen in großer Zahl versammeln: <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
Bremer Tafel.<br />
Der tägliche Treck<br />
ans Ende <strong>der</strong> Stadt<br />
Zu Besuch <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
Bremer Tafel<br />
Lang zieht sich <strong>der</strong> Schwarze Weg Richtung<br />
Norden. Wenige Autos fahren hier<br />
am frühen Nachmittag, Busse schon gar<br />
nicht. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
von hier in die Innenstadt will, muss<br />
zum Straßenbahndepot in <strong>der</strong> Gröpelinger<br />
Heerstraße.<br />
Es sind an<strong>der</strong>e Verkehrsmittel, die den<br />
Schwarzen Weg ab 14 Uhr bevölkern: Fahrrä<strong>der</strong><br />
mit Anhängern, kleine Bollerwagen und<br />
vor allem Einkaufsroller – liebevoll Hackenporsche<br />
genannt. Kurz bevor die Stadt endet,<br />
biegt die Karawane nach links ab auf eine<br />
Stichstraße. An einer unscheinbaren Kellertür<br />
kommt <strong>der</strong> Treck zum Stillstand, darauf ein<br />
Schild: Bremer Tafel.<br />
51
52 Willkommen im normalen Leben!<br />
Während sich draußen Männer und Frauen jeglichen<br />
Alters im Wartebereich sammeln, <strong>der</strong><br />
aus zwei gegenüberstehenden Gartenbänken<br />
besteht, herrscht in den engen Kellerräumen<br />
emsiges Treiben. Aus den Vorratskammern<br />
und <strong>Lage</strong>rräumen schleppen die Helfer die<br />
Lebensmittel in den Ladenraum. Alle Sorten<br />
von Lebensmitteln werden hier ansprechend<br />
für die Abgabe an die Bedürftigen ausgestellt:<br />
von Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln,<br />
Nudeln und Brot über Gemüse, Milch und<br />
Joghurt bis zu Fleisch, Fertiggerichten und ein<br />
paar Genussmitteln wie Kaffee und Schokolade.<br />
Auch ein paar Schnittblumen sind heute<br />
im Angebot.<br />
›Das Angebot unterscheidet sich täglich, je<br />
nachdem, was da ist‹, erzählt die Leiterin <strong>der</strong><br />
Gröpelinger Tafel, Hannelore Vogel, an ihrem<br />
Schreibtisch. ›Die Kunden können vorher durchgehen,<br />
sich das Angebot angucken.‹ Aussuchen<br />
dürfen sie allerdings nicht, die Mitar<strong>bei</strong>ter<br />
an <strong>der</strong> Ausgabe entscheiden je nach Angebot,<br />
was im Bollerwagen landet. Ausnahmen gibt es<br />
nur <strong>bei</strong> Menschen, die aufgrund von Diäten<br />
o<strong>der</strong> religiösen Einschränkungen nicht alles<br />
essen dürfen, Schweinefleisch zum Beispiel.<br />
Eine Vollversorgung gibt es hier für niemanden,<br />
lediglich Hilfe zum Lebensunterhalt.<br />
›Wir haben Glück, dass es in Bremen so<br />
viel Nahrungsmittelindustrie gibt‹, sagt Hannelore<br />
Vogel und zählt einige Großspen<strong>der</strong> auf,<br />
die eine zuverlässige Versorgungslage garantieren.<br />
Dennoch gibt es saisonale Engpässe,<br />
denen mit einer perfektionierten Vorratswirtschaft<br />
begegnet wird.<br />
Seit ihren Anfängen vor 15 Jahren sind die<br />
<strong>bei</strong>den Bremer Tafeln zu einem mittelständischen<br />
Betrieb gewachsen. ›Hier in Gröpelingen<br />
haben wir 22 Ein-Euro-Jobber und 15 Ehrenamtliche.<br />
In Hemelingen gibt es insgesamt fast<br />
75 Mitar<strong>bei</strong>ter, meist Ehrenamtliche.‹ Fahrteams,<br />
zwei Kühltransporter, dreimal die<br />
Woche Großmarkt, Aufbau ab sieben, Ausgabe<br />
ab drei, Feierabend um sechs. Frau Vogel<br />
erzählt die betriebswirtschaftlichen Kernzahlen<br />
so, dass ihre Vergangenheit als Betriebswirtin<br />
für Außenhandel unüberhörbar ist. Vor zehn<br />
Jahren hat sie eine Freundin hierhin begleitet,<br />
die die Lebensmittel nicht mehr allein tragen<br />
konnte. ›Da suchten sie Leute zum Fahren.<br />
Heute ist das ein Fulltime-Job für mich.‹<br />
Wer muss sich hier eigentlich<br />
schämen?<br />
Draußen sammeln sich immer mehr Kunden.<br />
Hartz-IV-Empfänger, Asylbewerber, Menschen<br />
mit niedrigem Ar<strong>bei</strong>tslosengeld, Studenten –<br />
das ist <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> Berechtigten. Genauso<br />
viele Männer wie Frauen, auch Ehepaare, <strong>bei</strong>leibe<br />
nicht nur ältere. Je<strong>der</strong> Berechtigte hat<br />
einen festen Wochentag auf seiner Karte vermerkt.<br />
Man kennt sich also. Den Klönschnack<br />
gibt es hier für den einen Euro, den je<strong>der</strong><br />
bezahlen muss, wenn er seine Ausgabe-Nummer<br />
erhält, inklusive. Die Reihenfolge wechselt<br />
jedes Mal, so dass keiner benachteiligt wird.<br />
Ganz zum Schluss sind die Neuen dran. Die<br />
müssen viermal hintereinan<strong>der</strong>kommen, bevor<br />
sie in die Liste aufgenommen werden und<br />
Lebensmittel für die ganze Familie mitnehmen<br />
können.<br />
›Ich habe heute Nummer 18‹, freut sich<br />
Mittwochskundin Anita K. in <strong>der</strong> Gröpelinger<br />
Nachmittagssonne. Ihr Mann, genauso ar<strong>bei</strong>tslos<br />
wie sie, passt zu Hause auf die vier Kin<strong>der</strong><br />
auf. Für die 35-Jährige ist <strong>der</strong> Tafelbesuch<br />
etwas wie eine willkommene Abwechslung<br />
geworden. ›Das ist hier fast schon wie eine<br />
verschworene Gemeinschaft.‹ Das war nicht<br />
immer so. In den ersten Jahren, nachdem ihr<br />
Mann ar<strong>bei</strong>tslos geworden war und sie mit<br />
dem Geld überhaupt nicht mehr hinkamen,<br />
scheute sie sich, <strong>zur</strong> Tafel zu gehen. ›Ich<br />
wusste, dass es das gab und wir hätten das<br />
dringend gebraucht, aber die Scham war<br />
größer.‹ Irgendwann wurde die heimische Versorgungslage<br />
dann so katastrophal, dass<br />
sie sich einen Ruck gab. ›Aber ohne meine<br />
Freundin, die mich begleitet hat, hätte ich das<br />
nie geschafft.‹ Inzwischen trifft sie im Alltag<br />
viele Menschen wie<strong>der</strong>, von denen sie nie<br />
gedacht hätte, dass sie auf die Tafel angewiesen<br />
sind. Und schämen tut sie sich nur noch<br />
für an<strong>der</strong>e: ›Fünf Euro mehr Hartz IV? Ich<br />
würde mich als Politiker ja schämen, so was<br />
überhaupt auszusprechen.‹<br />
Über die Jahre hat auch Hannelore Vogel<br />
einen Wandel im Kreis <strong>der</strong> Bedürftigen festgestellt.<br />
›Nach den Hartz-IV-Reformen ist <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Jüngeren stark angestiegen.‹ Insgesamt<br />
beobachtet sie ein Absinken <strong>der</strong> Hemmschwelle,<br />
da immer mehr Leute sich hier in
<strong>der</strong> richtigen Gesellschaft sehen. Gesunken ist<br />
allerdings auch die Hemmschwelle <strong>der</strong> staatlichen<br />
Organe im Umgang mit <strong>der</strong> Tafel. War<br />
sie ursprünglich mal als Hilfe in <strong>der</strong> größten<br />
Not konzipiert, wird sie von manchem Politiker<br />
und Behördenvertreter heute fast als Regeleinrichtung<br />
missverstanden.<br />
›Es kommen immer wie<strong>der</strong> Politiker, die<br />
wollen das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II kürzen und<br />
sagen, die Empfänger können sich das<br />
Fehlende ja von <strong>der</strong> Tafel holen. In Bremen<br />
zum Glück nicht, aber auch hier hat<br />
die BAgIS die Leute schon mal <strong>zur</strong> Tafel<br />
geschickt, wenn ein Antrag noch nicht<br />
bear<strong>bei</strong>tet war. Dann stand hier schon um<br />
10 Uhr, wenn es noch gar nichts gibt, eine<br />
Schlange vor <strong>der</strong> Tür. Wenn die Leute<br />
Pech hatten, kamen sie aus Findorff und<br />
hatten nur für einmal Straßenbahn-Geld<br />
und konnten nachmittags nicht noch mal<br />
herkommen.‹<br />
Während Hannelore Vogel <strong>bei</strong> dieser Schil<strong>der</strong>ung<br />
noch ruhig bleibt, sträuben sich <strong>der</strong><br />
ehrenamtlichen Mitar<strong>bei</strong>terin Anne Bleyl <strong>bei</strong><br />
diesem Thema die Haare.<br />
›Es kommen hier Leute an, denen wurde<br />
von <strong>der</strong> BAgIS gesagt, sie würden kein<br />
Geld kriegen, hätten aber <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Tafel<br />
einen Anspruch auf Lebensmittel‹, erzählt<br />
sie und holt kurz Luft. ›Nein, hier hat<br />
niemand einen Anspruch, das ist eine<br />
private, ehrenamtliche Organisation. Wir<br />
tun, was wir können, aber wir sind nicht<br />
verpflichtet, etwas zu tun. Wir können ja<br />
auch nur das ausgeben, was wir bekommen<br />
haben. Die Lebensmittel wachsen<br />
nicht in meiner Hosentasche. Und dass<br />
Ämter Leute herschicken, weil sie <strong>bei</strong><br />
ihnen nichts bekommen, geht gar nicht.<br />
Ganz klar.‹<br />
Der Wagen von Anne Bleyl war <strong>der</strong> erste Privatwagen,<br />
<strong>der</strong> für die Gröpelinger Tafel fuhr.<br />
Die alleinerziehende Mutter von fünf Kin<strong>der</strong>n<br />
ar<strong>bei</strong>tet nicht nur im Schnitt acht Stunden in<br />
<strong>der</strong> Woche ehrenamtlich für die Tafel – sie<br />
versorgt auch Grundschulen mit kostenlosen<br />
Computern. ›Weil <strong>der</strong> Senat das nicht tut.‹<br />
Auch sie hat über die Jahre Verän<strong>der</strong>ungen <strong>bei</strong><br />
den Bedürftigen festgestellt. ›Es sind mehr<br />
geworden und obwohl wir immer mehr wachsen,<br />
wird die Warteliste immer länger.‹ Bei<br />
den Gründen dafür kommt sie nach Bildung<br />
und Hartz IV auf das Thema, das sie am meisten<br />
bewegt und erst so richtig zum Kochen<br />
bringt. ›Es fehlen die Betreuungsmöglichkeiten<br />
für die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> alleinerziehenden Frauen.<br />
Wenn ich nicht als selbstständige IT-Beraterin<br />
meine Server nachts hochfahren und meine<br />
Ar<strong>bei</strong>tszeit frei einteilen könnte, würde ich das<br />
auch nicht hinkriegen‹, erzählt sie und analysiert<br />
die Hintergründe des Dilemmas.<br />
›Kin<strong>der</strong> sind immer ein Handicap in <strong>der</strong><br />
Gesellschaft. Das Armutsrisiko Kind ist<br />
größer geworden. Frauen sind standardmäßig<br />
die Betreuer <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Wie will<br />
man ar<strong>bei</strong>ten, wenn die Kin<strong>der</strong> maximal<br />
von viertel nach acht bis dreizehn Uhr<br />
betreut sind? Wo will man da einen Job<br />
finden? Man muss das Kind ja auch noch<br />
hinbringen, <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>t kommen und dann<br />
wie<strong>der</strong> einfangen, da bleibt ein Zeitfenster<br />
von drei bis vier Stunden. Wo will man<br />
da einen Job finden, <strong>der</strong> einen ernährt?<br />
So hoch kann keine Qualifikation sein,<br />
dass man da in den finanziell abgesicherten<br />
Bereich kommt.‹<br />
Schon über hun<strong>der</strong>t Leute haben an diesem<br />
Nachmittag den Gang durch den engen Keller<br />
gemacht und ihre Hackenporsche mit Kartoffeln,<br />
Blumenkohl, Äpfeln, einem Stück Fleisch<br />
und einem Strauß Nelken beladen. Draußen<br />
warten immer noch 15 Menschen, die noch<br />
keine Berechtigungskarte haben. Der Rückweg<br />
über den Schwarzen Weg ist beladen noch<br />
mühseliger. ›Die Älteren schaffen manchmal<br />
den Weg nicht mehr, Bringedienst können wir<br />
uns nicht leisten‹, sagt Hannelore Vogel, kurz<br />
bevor sie für heute Feierabend macht. Immerhin<br />
einmal in <strong>der</strong> Woche kommen jetzt zwei<br />
Jugendliche aus einem Qualifizierungsprojekt<br />
53
54 Willkommen im normalen Leben!<br />
in <strong>der</strong> Nähe, die den beson<strong>der</strong>s Schwachen<br />
die Lebensmittel nach Hause bringen. ›NAHlos‹<br />
heißt das Projekt und seit einige <strong>der</strong><br />
Teilnehmer für die Tafel ar<strong>bei</strong>ten, ist die<br />
Hemmschwelle etwas kleiner geworden, hier<br />
auch mal als Kunde aufzukreuzen.<br />
Bei NAHlos machen<br />
junge Frauen erste<br />
Berufserfahrungen<br />
›Wenn zum Ende des Geldes noch ganz viel<br />
Monat über ist und wir dann vorschlagen:<br />
Geh doch <strong>zur</strong> Tafel, heißt es fast immer. Nee,<br />
das mache ich nicht‹, berichtet NAHlos-Mitar<strong>bei</strong>terin<br />
Anja Mayer. Und ihr Kollege Stefan<br />
Wörpel ergänzt: ›Das ist ja das Eingeständnis:<br />
Ich bin arm. Alle wollen sich ja als Teil <strong>der</strong><br />
Wohlstandsgesellschaft fühlen, auch wenn sie<br />
es nicht sind.‹<br />
Bei NAHlos, in dessen Namen sich Heimat,<br />
Fremde und Aufbruch so geschickt verbinden,<br />
holen sich junge Erwachsene, die in ihrer beruflichen<br />
Entwicklung gestrandet sind, unter <strong>der</strong><br />
Anleitung von drei Sozialpädagogen neue Orientierung<br />
und frisches Rüstzeug für einen neuen<br />
Anlauf. So wie Crissy, die im EDV-Bereich ar<strong>bei</strong>tet.<br />
Auch <strong>bei</strong> ihr ist nach dem Ende des Geldes<br />
meist noch über die Hälfte des Monats übrig.<br />
Bei einer Tasse Kakao im Einkaufstempel<br />
›Waterfront‹, <strong>der</strong> vom NAHlos-Projekt nur eine<br />
Fußgänger-Ampel entfernt liegt, erzählt Crissy,<br />
wie es dazu gekommen ist.<br />
›Das Geld war schon früher immer knapp,<br />
meine Mutter hat von Hartz IV gelebt, wir<br />
waren sechs Geschwister, einen Vater gab es<br />
nie.‹ Den Hauptschulabschluss macht sie an<br />
<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule. Mit 15 werden die familiären<br />
Probleme so massiv, dass sie in eine<br />
Jugend-Wohngemeinschaft kommt. Die weiterqualifizierenden<br />
Einrichtungen, die sie anschließend<br />
besucht, nennt sie ›Absteigen‹,<br />
Aufbewahrungsorte mit Beschäftigungstherapien.<br />
Ihren eigentlichen Berufswunsch nimmt<br />
niemand ernst. ›Mein Traumberuf ist Tierpflegerin,<br />
aber <strong>der</strong> Zuständige <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Bundes-<br />
agentur für Ar<strong>bei</strong>t hat gesagt, im praktischen<br />
Bereich würde ich alles schaffen, aber im<br />
schulischen nicht. Das hat mir immer zugesetzt.‹<br />
Erst <strong>bei</strong> NAHlos unterstützen die Pädagogen<br />
sie da<strong>bei</strong>, ihre Ziele zu erreichen.<br />
›Hier haben sie aber gesagt, ich soll weiterkämpfen.<br />
Deshalb habe ich jetzt auch eine<br />
Bewerbung für eine Ausbildung im Tierheim<br />
abgegeben. In <strong>der</strong> Bewerbung habe ich auch<br />
ein Praktikum angeboten, damit sie sich ein<br />
Bild machen können. Wenn das mit <strong>der</strong> Ausbildung<br />
nicht klappt, möchte ich den Realschulabschluss<br />
nachmachen.‹<br />
LORENZEN: Wie viel Geld haben Sie im Moment<br />
zum Leben?<br />
CRISSY: Von <strong>der</strong> BAgIS bekomme ich 205<br />
Euro, dazu kommen 184 Euro Kin<strong>der</strong>geld und<br />
80 Euro Aufwandsentschädigung von NAHlos.<br />
Die Miete wird von <strong>der</strong> BAgIS bezahlt, Strom<br />
muss ich selbst bezahlen.<br />
LORENZEN: Kommen Sie damit aus?<br />
CRISSY: Das Problem ist, dass ich noch nicht<br />
so mit Geld umgehen kann und meinen Freund<br />
im Augenblick unterstütze, da er drei Monate<br />
Sperre hatte. Das würde er auch für mich tun.<br />
Das Geld ist meist am Zehnten weg. Meistens<br />
pumpe ich mir dann etwas von einer Freundin,<br />
aber wenn ich ihr das <strong>zur</strong>ückbezahle, fehlt<br />
das ja auch wie<strong>der</strong>. Das ist ein Kreislauf.<br />
LORENZEN: Wie groß ist Ihre Wohnung?<br />
CRISSY: Das ist eine Einzimmerwohnung am<br />
Bahnhof, 21 Quadratmeter groß. Mein Freund<br />
ist auch meistens da, dazu die Haustiere.<br />
LORENZEN: Welche?<br />
CRISSY: Sechs Hausratten. Die sind total sauber<br />
und pflegeleicht, wirken nur wegen <strong>der</strong><br />
langen Schwänze für manche so eklig.<br />
LORENZEN: Wofür geben Sie Ihr Geld aus?<br />
CRISSY: Für Deko-Sachen wie Kerzenstän<strong>der</strong>,<br />
Bücher, Lebensmittel, DVDs. Ich habe jetzt<br />
auch einen Computer, aber kein Internet.<br />
Außerdem zahle ich noch über 1.000 Euro<br />
Schulden für einen Handy-Vertrag ab. Da<strong>bei</strong><br />
hilft mir meine Betreuerin vom Jugendamt.<br />
LORENZEN: Und wofür reicht es nicht?<br />
CRISSY: Ich vermisse das vernünftige Essen,<br />
da sieht es mau aus. Wir essen viele Süßigkeiten<br />
und Fast Food. Wir kochen wenig, ich<br />
habe ja nicht mal einen Backofen, um mal was
aufzuwärmen, auch keine Mikrowelle. Nur eine<br />
Doppelplatte. Aber ich habe ja noch Anspruch<br />
auf Erstausstattung.<br />
LORENZEN: Vermissen Sie sonst noch etwas?<br />
CRISSY: Ich verzichte auch auf vernünftige<br />
Klamotten und den Friseur. Wir gehen zweimal<br />
im Monat auf die Discomeile, mehr ist nicht<br />
drin. Ich würde gern mal in eine Ausstellung<br />
gehen o<strong>der</strong> in den Bremerhavener Zoo. Verreist<br />
bin ich erst einmal in meinem Leben, als<br />
Kind nach Nor<strong>der</strong>ney.<br />
LORENZEN: Wo möchten Sie denn gern mal<br />
hin?<br />
CRISSY: Nach China. Mein Freund war schon<br />
mal da. Der kann auch Chinesisch, ist mit<br />
einem Chinesen aufgewachsen. Ich mag auch<br />
gern Kung-Fu-Filme.<br />
LORENZEN: Wie würden Sie Ihr augenblickliches<br />
Lebensgefühl beschreiben?<br />
CRISSY: Ich bin optimistisch. Was meine Vergangenheit<br />
angeht, habe ich das hingekriegt<br />
mit einem Therapeuten, das nagt nicht mehr<br />
an mir, da habe ich mich weiterentwickelt.<br />
Trotzdem leide ich ein bisschen unter meiner<br />
finanziellen Situation, dass ich mir nicht mehr<br />
leisten kann.<br />
LORENZEN: Worin sehen Sie die Ursachen für<br />
Ihre Situation?<br />
CRISSY: Klar würde ich am liebsten meine<br />
Schuld abgeben, aber das bringt mir ja auch<br />
nichts. Ich habe mich ja selbst in diese Situation<br />
gebracht. Ich mache einfach das Beste<br />
daraus.<br />
LORENZEN: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft<br />
vor?<br />
CRISSY: Ich möchte eine größere Wohnung, in<br />
einer WG o<strong>der</strong> mit meinem Freund. Mit Haustieren.<br />
An erster Stelle kommt die Berufsausbildung,<br />
da habe ich lange geschlurt, aber<br />
jetzt gebe ich Vollgas.<br />
Zurück im NAHlos-Projekt, wo es jetzt nach<br />
dem Mittagessen duftet, das die Hauswirtschaftsgruppe<br />
wie jeden Tag für alle zubereitet.<br />
Im Gespräch mit den Sozialpädagogen<br />
zeigt sich, dass die Schil<strong>der</strong>ungen von Crissy<br />
vieles von dem enthalten, was auch für an<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> jungen Leute hier gilt. Nur wenige sind<br />
von zu Hause den Umgang mit Geld gewöhnt,<br />
kennen keine Prioritätenlisten o<strong>der</strong> einen realistischen<br />
Haushaltsplan. Zudem kommen viele<br />
hier schon mit einem Berg Schulden an, auch<br />
hier ist Crissys Handy-Vertrag ein typisches<br />
Beispiel. Vorschüsse sind deshalb ein ständiges<br />
Diskussionsthema – die gibt es aber nur<br />
in Ausnahmefällen, für Bewerbungsfotos zum<br />
Beispiel.<br />
Erschwert wird die stabilisierende Ar<strong>bei</strong>t<br />
von NAHlos zunehmend durch zwei gegenläufige<br />
Entwicklungen. Die Lebenslagen <strong>der</strong> Klienten<br />
werden immer problematischer – auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite wächst <strong>der</strong> Erfolgsdruck durch<br />
die BAgIS. ›Es hat eine Verschärfung gegeben‹,<br />
erzählt Stefan Wörpel. ›Es wird nach<br />
Fehlzeiten geguckt und wenn ein Limit überschritten<br />
wird, fliegen die Leute halt raus. Die<br />
konkrete Situation wird nicht berücksichtigt,<br />
dass jemand vielleicht gerade von <strong>der</strong> Straße<br />
kommt und obdachlos war. Da kann ich nicht<br />
erwarten, dass <strong>der</strong> gleich funktioniert. Wir<br />
lassen uns auf diesen Prozess ein, das bedeutet<br />
dann eben auch mal aufsuchende Ar<strong>bei</strong>t<br />
und zu den Leuten nach Hause zu gehen. Da<br />
braucht man oft mehrere Anläufe. Das muss<br />
man <strong>der</strong> BAgIS immer sehr explizit erörtern.‹<br />
Crissys Ehrgeiz, trotz schwieriger Ausgangsbedingungen<br />
für einen Ausbildungsplatz<br />
zu kämpfen, ist keine Selbstverständlichkeit.<br />
Nur ein kleiner Teil <strong>der</strong> Klienten wird von NAHlos<br />
in Ausbildung vermittelt, dafür bringen<br />
die meisten gar nicht die Voraussetzung mit,<br />
meist ist die Vermittlung in eine ungelernte<br />
Tätigkeit schon ein Erfolg. Und damit zumindest<br />
das öfter gelingt, ist es nach Ansicht <strong>der</strong><br />
NAHlos-Mitar<strong>bei</strong>ter dringend nötig, Mindestlöhne<br />
zu bezahlen.<br />
›Wenn von deinem <strong>sozialen</strong> Umfeld nicht die<br />
Werte vermittelt worden sind, dass es normal<br />
ist, wenn Papa und Mama ar<strong>bei</strong>ten, dann<br />
fragst du dich: Warum soll ich mich für 20<br />
Euro mehr anstrengen, wenn meine Bekannten<br />
sich noch mal im Bett umdrehen. Da kann<br />
man nur argumentieren, dass sie damit etwas<br />
für sich machen, mit jedem Tag die Chancen<br />
erhöhen, eine bessere Ar<strong>bei</strong>t zu bekommen‹,<br />
sagt Anja Mayer und ihr Kollege ergänzt:<br />
›Aber das bleibt abstrakt, für uns wäre es<br />
besser, wenn die Niedriglöhne angehoben<br />
werden, damit klar ist: Wenn ich mich <strong>bei</strong><br />
Rossmann an die Kasse stelle, habe ich 200<br />
Euro mehr.‹<br />
55
56 Willkommen im normalen Leben!<br />
Die neugeborenen<br />
Mütter<br />
Eine Alternative zwischen Abhängen und Billigjob<br />
sehen junge Frauen hin und wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Familiengründung. ›Das ist was Konkretes,<br />
damit ist man ja auch wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
drin‹, vollzieht Stefan Wörpel entsprechende<br />
Gedankengänge nach. Nicht <strong>bei</strong><br />
Crissy. ›Erst wenn ich meine Ziele erreicht<br />
habe, möchte ich auch ein Kind‹, sagt sie am<br />
Schluss des Gesprächs. Ein sehr vernünftiger<br />
Satz, <strong>der</strong> den Willen ausdrückt, sich das Heft<br />
des Handelns nicht mehr aus <strong>der</strong> Hand nehmen<br />
zu lassen. ›Ich möchte nicht von einem<br />
Kind aufgehalten werden.‹<br />
Es ist kein Wi<strong>der</strong>spruch zu Crissys Erkenntnissen,<br />
dass es Frauen gibt, die noch jünger<br />
als sie sind, bereits ein Kind haben und trotzdem<br />
so hoffnungsvoll in ihre berufliche<br />
Zukunft gucken wie nie zuvor in ihrem Leben.<br />
Und es ist auch kein Wi<strong>der</strong>spruch zu den Aussagen<br />
von Anne Bleyl über die Risiken alleinerziehen<strong>der</strong><br />
Mütter, dass diese jungen Frauen<br />
ihre Kin<strong>der</strong> im Moment ohne Partner aufziehen.<br />
Im Gegenteil, es ist ein Beweis dafür, wie<br />
Kin<strong>der</strong> und Ausbildung miteinan<strong>der</strong> vereinbart<br />
werden können, wenn ein paar einfache Bedingungen<br />
stimmen.<br />
Diese jungen Mütter haben sich ein Café in<br />
<strong>der</strong> Innenstadt als Treffpunkt für das Interview<br />
gewünscht. Sie haben ihre Lehrerin aus dem<br />
Projekt BeLeM (Berufliche Lebensplanung für<br />
junge Mütter) mitgebracht. Bei BeLeM können<br />
junge Mütter ihren erweiterten Hauptschulabschluss<br />
machen, während ihre Kin<strong>der</strong> nebenan<br />
in die Kita gehen.<br />
Für Klara ist heute ein beson<strong>der</strong>er Tag. Sie<br />
wird 18. Einer <strong>der</strong> ersten Geburtstage, den<br />
sie wirklich genießen kann. Sich vielleicht<br />
sogar ein paar Leckereien leisten. Das war<br />
früher nicht drin.<br />
LORENZEN: Und wie ging es Ihrer Familie finanziell?<br />
Hatten Sie alles, was Sie brauchten?<br />
KLARA: Nein. Meine Mutter hat in <strong>der</strong> Gastronomie<br />
gear<strong>bei</strong>tet, dann hat sie ihre eigene Kneipe<br />
aufgemacht und ist in Schulden und Insolvenz<br />
geraten. Da ging es uns nicht so berau-<br />
schend mit dem Geld. Ich habe nicht mehr so<br />
viel essen können und Klamotten habe ich<br />
kaum gekriegt.<br />
LORENZEN: Was heißt das, mussten Sie richtig<br />
hungern?<br />
KLARA: Mein Magen hat sich eben daran<br />
gewöhnt, nicht mehr so viel zu essen. Klar,<br />
Brot war da, aber irgendwann hatte ich auch<br />
keine Lust mehr, jeden Tag Brot zu essen.<br />
Dann ist mir <strong>der</strong> Hunger einfach vergangen.<br />
Das war so tageweise, manchmal gab es<br />
auch was Warmes. Wenn wir Einkaufen waren,<br />
hat mein Stiefvater die leckeren Sachen vor<br />
mir versteckt, dass ich die nicht essen kann.<br />
Dann ist mir alles vergangen, dann war ich<br />
einfach nur sauer und enttäuscht, dass meine<br />
Mutter sich nicht für mich eingesetzt hat.<br />
Und dann habe ich das auch gelassen.<br />
LORENZEN: Gab es denn so was wie regelmäßige<br />
Mahlzeiten?<br />
KLARA: In den letzten Jahren nicht. In meiner<br />
Kindheit hat meine Mutter darauf noch geachtet,<br />
aber seit mein Stiefvater da war, ist sie<br />
den Bach runtergegangen.<br />
LORENZEN: Konnten Sie sich denn sonst<br />
irgendetwas leisten, irgendwelche Freizeitvergnügen,<br />
mal ausgehen?<br />
KLARA: Nur Treffen mit Freunden.<br />
LORENZEN: Ging es denen ähnlich o<strong>der</strong> gab<br />
es auch Freunde, die mehr hatten als Sie?<br />
KLARA: Ja klar hatten einige mehr als ich,<br />
sogar oft. Aber das habe ich gar nicht so<br />
wahrgenommen.<br />
LORENZEN: Also haben Sie nicht beson<strong>der</strong>s<br />
darunter gelitten?<br />
KLARA: Ich fand es schon traurig, aber ich<br />
habe den Stand damals akzeptiert, ich habe<br />
das so angenommen und mich dran gewöhnt.<br />
Eine Zeit lang hatte ich aber auch eine leichte<br />
Depression, glaube ich.<br />
Die Geschichten vom Stiefvater, <strong>der</strong> den Kin<strong>der</strong>n<br />
nichts gönnt o<strong>der</strong> sogar gewalttätig wird,<br />
durchziehen diese Interviews genauso wie die<br />
von den Vätern, die sich absetzen und keinerlei<br />
Verantwortung übernehmen. Und wie die<br />
von den überfor<strong>der</strong>ten Müttern, die meist<br />
ebenfalls jung Kin<strong>der</strong> bekommen, früh heiraten,<br />
sich vom ersten Mann relativ schnell<br />
scheiden lassen, am zweiten zu lange kleben<br />
bleiben und in dem Bemühen, jedenfalls diese
Beziehung zu retten, das Wohl des Kindes völlig<br />
aus dem Blick verlieren. Diese Geschichte<br />
erzählt die 60-jährige Frau wie das 17-jährige<br />
Mädchen – die Risiken für Kin<strong>der</strong> in prekären,<br />
benachteiligten Verhältnissen scheinen sich in<br />
den letzten 50 Jahren nicht wesentlich verän<strong>der</strong>t<br />
zu haben. In den allermeisten Fällen wie<strong>der</strong>holt<br />
sich diese Geschichte immer noch in<br />
Abstufungen in <strong>der</strong> nächsten Generation. Relativ<br />
neu dürfte sein, dass ausgerechnet eine<br />
Schwangerschaft mit fünfzehn die Chance für<br />
einen Ausstieg aus diesem Teufelskreis bietet.<br />
Als Klara von ihrem Jugendfreund ungewollt<br />
schwanger wird, versucht sie in <strong>der</strong> ersten<br />
Zeit, den kleinen Sohn mithilfe <strong>der</strong> Mutter aufzuziehen.<br />
Das achte Schuljahr beendet sie<br />
noch mit dem Hauptschulabschluss, verlässt<br />
dann aber die Schule.<br />
LORENZEN: Wie habt Ihr das denn zu Hause<br />
hingekriegt?<br />
KLARA: Die erste Zeit war ich ziemlich kaputt<br />
wegen des Aufstehens und Flasche geben. Die<br />
Freizeit hat mir gefehlt. Mit diesen Einschränkungen<br />
und Herausfor<strong>der</strong>ungen bin ich erst<br />
gar nicht so klargekommen, da hat mir meine<br />
Mutter auch geholfen. Irgendwann meinte sie<br />
dann, es geht nicht, dass sie immer aufstehen<br />
muss und sich um den Kleinen kümmern soll.<br />
Aber ich war einfach fertig und hatte Augenrän<strong>der</strong><br />
bis zu meinem Mund runter. Mit meinem<br />
Stiefvater lief das immer schlechter. Er<br />
hat mich immer angeschrien und unter Druck<br />
gesetzt. Irgendwann habe ich gesagt, ich<br />
muss einen Schlussstrich ziehen und erwachsen<br />
werden.<br />
LORENZEN: Wie haben Sie denn einen Schlussstrich<br />
gezogen? Wo sind Sie hingegangen?<br />
KLARA: Als ich von zu Hause ausgezogen bin,<br />
habe ich meinen Sohn ja schon ein halbes<br />
Jahr gehabt. Ich habe zum Jugendamt gesagt,<br />
ich brauche eine Übergangspflegestelle, ich<br />
kann das so nicht weitermachen. Dann bin ich<br />
alleine in eine Wohngemeinschaft ins Steintor<br />
gegangen. Meinen Sohn habe ich natürlich<br />
wöchentlich in <strong>der</strong> Pflegefamilie besucht.<br />
Aber erst mal habe ich meine Freiheit wie<strong>der</strong><br />
genossen. Nach einem halben Jahr bin ich<br />
dann in ein Mutter-Kind-Heim eingezogen und<br />
habe meinen Sohn wie<strong>der</strong> genommen. Ohne<br />
Probleme, ich hatte ihn ja freiwillig abgege-<br />
ben. In dem Heim habe ich mich nach ein,<br />
zwei Monaten gefestigt gefühlt und mir ist<br />
ziemlich schnell klar geworden, wie es weitergehen<br />
soll. Ich muss für mich etwas tun, ich<br />
muss für meinen Sohn später ein Vorbild sein<br />
und für mich mehr erreichen, als nur Mutter<br />
zu sein und zu Hause zu hängen. Das ist nicht<br />
meine Lebensaufgabe, und dann habe ich für<br />
mich einfach beschlossen, dass ich die Schule<br />
weitermachen will. Ich hatte oft mal etwas von<br />
BeLeM gehört. Tolles Projekt dachte ich, da<br />
möchte ich mich auch gerne mal bewerben.<br />
Und dann habe ich das gemacht und wurde<br />
aufgenommen.<br />
Mit dem Vater des Kindes ist Klara schon länger<br />
nicht mehr zusammen. Finanziell sieht ihre<br />
<strong>Lage</strong> im Augenblick so aus: 520 Euro von <strong>der</strong><br />
Jugendhilfe plus Kin<strong>der</strong>geld für sie und den<br />
Sohn. Macht insgesamt rund 800 Euro. Davon<br />
gehen Strom, Kin<strong>der</strong>gruppen<strong>bei</strong>trag und Windelgeld<br />
ab. Für Essen, Kosmetik, Duschgel,<br />
Waschmittel und an<strong>der</strong>en Kleinkram gibt sie<br />
insgesamt 400 Euro aus. Meistens schafft sie<br />
es, das ganze Kin<strong>der</strong>geld <strong>zur</strong>ückzulegen: für<br />
Reparaturen o<strong>der</strong> auch mal einen Besuch <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> Schwester.<br />
LORENZEN: Gibt es auch etwas, das Sie vermissen?<br />
KLARA: Ich würde mir natürlich gern jeden<br />
Monat Klamotten kaufen, wie an<strong>der</strong>e meiner<br />
Freundinnen. Ich habe auch viele Löcher in<br />
meinen Klamotten, ich kaufe mir meistens gar<br />
keine Klamotten. Für mich kaufe ich mir nur<br />
meine Cremes und Wimperntusche, vielleicht<br />
mal ein gutes Shampoo.<br />
LORENZEN: Sie selbst hatten als Kind ja nicht<br />
viel zu essen. Achten Sie <strong>bei</strong> Ihrem Sohn<br />
darauf?<br />
KLARA: Auf jeden Fall, ich fühle mich gar nicht<br />
wohl, wenn nichts zu essen da ist. Ich möchte<br />
auch meinen Gästen was anbieten können,<br />
es muss immer etwas da sein.<br />
LORENZEN: Wie würden Sie Ihr augenblickliches<br />
Lebensgefühl beschreiben?<br />
KLARA: Ich habe ein Gefühl von ›Vermissen‹ in<br />
mir drin. Mein früheres Leben war nicht so<br />
strukturiert, ich hatte mehr Freiheiten, konnte<br />
mehr unternehmen. Ich bin viel mehr auf mich<br />
alleine gestellt, manchmal sehne ich mich<br />
57
58<br />
Willkommen im normalen Leben!<br />
nach meiner Vergangenheit und denke mir,<br />
was an<strong>der</strong>s hätte laufen können. Insgesamt<br />
bin ich aber zufrieden, dass ich mein Leben<br />
auf die Reihe gekriegt habe. Ich habe jetzt<br />
auch die Möglichkeiten, mich selber und<br />
meinen Sohn zu verpflegen, wie ich das gerne<br />
möchte. Und eigentlich bin ich schon zufrieden.<br />
LORENZEN: Fühlen Sie sich ausreichend unterstützt?<br />
KLARA: Ja, im Moment bin ich in einem guten<br />
System. Wenn ich Fragen habe o<strong>der</strong> Unterstützung<br />
brauche, habe ich immer jemanden,<br />
den ich ansprechen kann.<br />
LORENZEN: Haben Sie denn schon den Raum,<br />
neue Ziele, Pläne und Wünsche zu entwickeln?<br />
KLARA: Ja!!! Auf jeden Fall. Ich bin auf Wohnungssuche.<br />
Ich würde gerne eine Dreizimmerwohnung<br />
haben, damit ich mehr Platz<br />
habe, auch für meinen Sohn. Dann möchte ich<br />
im Sommer meinen Realschulabschluss anfangen,<br />
damit ich den auch schon mal in <strong>der</strong><br />
Tasche habe. Dann vielleicht eine Ausbildung,<br />
je nachdem, ob ich gut genug bin, mache<br />
ich auch vielleicht die Schule noch weiter.<br />
LORENZEN: Da fühlen Sie sich stark genug,<br />
das parallel mit Ihrem Kind hinzukriegen?<br />
KLARA: Auf jeden Fall. Ich stehe für mich jetzt<br />
mehr im Vor<strong>der</strong>grund. Es ist ja ein gutes<br />
Ziel, das ich mir vorgenommen habe. Das<br />
möchte ich auf jeden Fall durchsetzen, egal,<br />
was kommt. Mike und ich gehen unseren Weg.<br />
LORENZEN: Und möchten Sie noch mehr<br />
Kin<strong>der</strong>?<br />
KLARA: Jetzt erst mal nicht. Aber mit 26 o<strong>der</strong><br />
27 überlege ich mir das noch mal.<br />
LORENZEN: Falls sich demnächst eine neue<br />
Partnerschaft entwickelt, möchten Sie dann<br />
mit Ihrem Partner zusammenziehen?<br />
KLARA: Da bin ich nicht so ein Fan von. Ich<br />
möchte weiter alleine wohnen. Mit meinem<br />
Ex-Freund habe ich da schlechte Erfahrungen<br />
gemacht. Ich brauche mit meinem Sohn<br />
meinen Freiraum. Das möchte ich erst mal<br />
<strong>bei</strong>behalten.<br />
LORENZEN: Was wäre für Sie materieller<br />
Reichtum? Was möchten Sie sich mal leisten<br />
können?<br />
KLARA: Ein Auto, genug Geld zum Sparen,<br />
damit ich für meine Familie Urlaub buchen<br />
kann. Und dass ich immer was Neues kaufen<br />
kann, wenn was kaputtgeht. Und meinem Kind<br />
etwas bieten.<br />
LORENZEN: Haben Sie Angst davor, das nicht<br />
zu erreichen?<br />
KLARA: Natürlich würde ich das nicht schön<br />
finden, wenn ich nicht mehr mit meinem Geld<br />
klarkommen würde. Aber ich werde schon<br />
dafür sorgen, dass ich nicht in eine solche<br />
<strong>Lage</strong> komme.<br />
Helen hat ihrer Klassenkameradin bis jetzt<br />
aufmerksam zugehört. So ausführlich hat sie<br />
<strong>der</strong>en Geschichte noch nie gehört, sie haben<br />
sich ja auch erst seit Kurzem angefreundet.<br />
Jetzt ist sie erstaunt, wie viele Gemeinsamkeiten<br />
ihre bisherigen Lebenswege aufweisen.<br />
Der aggressive Stiefvater, die überfor<strong>der</strong>te<br />
Mutter, Vernachlässigung <strong>der</strong> Schule, Kind mit<br />
15 vom ersten Freund. Nur dass diesmal die<br />
Mutter den Auszug in die Wege leitete. ›Die<br />
wollten mich raushaben.‹ Danach ähneln sich<br />
die Geschichten wie<strong>der</strong>: Mutter-Kind-Heim<br />
und das BeLeM-Projekt erleichtern den Weg in<br />
die Selbstständigkeit, trotz manchem Verzicht<br />
kommt sie finanziell einigermaßen klar.<br />
An<strong>der</strong>s als Klara, möchte Helen nicht weiter<br />
<strong>zur</strong> Schule gehen.<br />
›Ich möchte nach dem Abschluss gleich<br />
die Ausbildung anfangen. Ich möchte auch<br />
nicht irgendwo <strong>bei</strong>m Bäcker stehen, das<br />
muss schon finanziell gut geregelt sein.<br />
Demnächst mache ich ein Praktikum als<br />
zahnmedizinische Fachangestellte. Wenn<br />
mir das gefällt, könnte ich mir das als<br />
Beruf vorstellen. O<strong>der</strong> <strong>bei</strong>m Kin<strong>der</strong>arzt.<br />
Das wäre ein Traum, dann würde ich Luftsprünge<br />
machen. Wenn ich eine Ausbildungsstelle<br />
habe, würde ich mit 18 gern<br />
ausziehen. Ich möchte meinem Sohn ein<br />
schönes Umfeld bieten, vielleicht in einem<br />
Haus, Geld verdienen und einen Mann an<br />
meiner Seite haben.‹
Für Klara und Helen scheint die frühe Mutterschaft<br />
fast <strong>der</strong> Befreiungsschlag aus einem<br />
sehr ungesunden familiären Umfeld gewesen<br />
zu sein. In dem sie sowieso nicht richtig Kind<br />
sein konnten. Dann lieber in Turbogeschwindigkeit<br />
gleich richtig erwachsen werden. Vor<br />
dem Hintergrund von <strong>Bericht</strong>en über junge<br />
Frauen in verzweifelten <strong>Lage</strong>n, die ihre Kin<strong>der</strong><br />
weggeben o<strong>der</strong> verwahrlosen lassen, muten<br />
diese Geschichten fast paradiesisch an. Was<br />
hat das mit Armut zu tun? Zeigen sie nicht<br />
einen funktionierenden Sozialstaat, <strong>der</strong> auch in<br />
Ausnahmesituationen die richtigen Instrumente<br />
<strong>zur</strong> Verfügung hat? Sie zeigen vor allem glückliche<br />
Ausnahmen, die deutlich machen, wie<br />
gezielte Hilfen und ein funktionierendes professionelles<br />
Netzwerk einen Ausstieg aus dem<br />
Teufelskreis <strong>der</strong> Armut ermöglichen können.<br />
Erst wenn solche Angebote früh und flächendeckend<br />
<strong>zur</strong> Verfügung stehen, könnte man<br />
von einem funktionierenden Sozialstaat sprechen.<br />
Solange sollten gelungene Beispiele<br />
immer als das genommen werden, was sie<br />
sind: Spitzen eines Eisberges, unter dem sich<br />
Unmengen verzweifelter Lebenslagen türmen.<br />
Auch für Klara und Helen folgt die Nagelprobe<br />
noch, wenn sie tatsächlich auf sich<br />
allein gestellt sind. Welche Ausbildungsplätze,<br />
welche Ar<strong>bei</strong>tsplätze, welche Betreuungsmöglichkeiten<br />
für ihre Kin<strong>der</strong> hält dann diese Stadt<br />
für die tapferen jungen Frauen bereit, die sich<br />
aus Abgründen ins Leben <strong>zur</strong>ückgekämpft<br />
haben?<br />
Steine im Weg<br />
Wenn Behörden<br />
ihren Job nicht<br />
richtig machen<br />
Nadia ist schon einen Schritt weiter. Auch sie<br />
hat zum Gespräch im Café Verstärkung mitgebracht.<br />
Ihre ehemalige Betreuerin aus dem<br />
Projekt Spagat, das junge Mütter nach dem<br />
Schulabschluss über Praktika da<strong>bei</strong> unterstützt,<br />
eine Ausbildungsstelle zu finden.<br />
Nadia hatte bis zum erweiterten Hauptschulabschluss<br />
eine relativ problemfreie Kindheit<br />
und Jugend. Doch dann musste sie feststellen,<br />
dass es für Mädchen, die nicht Floristin<br />
o<strong>der</strong> Friseurin werden wollen, son<strong>der</strong>n die<br />
es mit aller Macht ins Handwerk zieht, wenig<br />
Verständnis und noch weniger Ausbildungsplätze<br />
gibt.<br />
›Ich habe viele Bewerbungen geschrieben,<br />
zum Beispiel als Tischler, auf die wurde<br />
entwe<strong>der</strong> gar nicht reagiert o<strong>der</strong> die<br />
wurden sofort abgelehnt. Wenn man dann<br />
Absagen bekommt wie: ’Das ist ihrer<br />
Statur nicht zuzumuten’, die aber nur das<br />
Gesicht vom Bewerbungsfoto kennen und<br />
einen nicht mal zum Vorstellungsgespräch<br />
einladen, dann ist das schon frustrierend.<br />
Zeitweise hatte ich dann auch aufgegeben.‹<br />
Den Dreh, wie sie es nennt, kriegt auch sie<br />
durch ihr Kind, ein Wunschkind vom ersten<br />
Freund. Mit 20. Erst geht alles schief, in <strong>der</strong><br />
gemeinsamen Wohnung leben die jungen<br />
Eltern von Hartz IV und giften sich nur noch<br />
an. Das will Nadia ihrem Sohn irgendwann<br />
nicht mehr zumuten, trennt sich von ihrem<br />
Freund und nimmt das Leben in die eigenen<br />
Hände.<br />
›Der Sinneswandel kam, weil ich dem Kind<br />
ein Vorbild sein wollte, dass man im<br />
Leben etwas erreichen muss. Das war<br />
<strong>der</strong> Knackpunkt, an dem ich auf den Dreh<br />
kam, etwas zu machen. Ich hatte vom<br />
Jugendamt eine Betreuerin, die hat mir<br />
eine Tagesmutter organisiert und danach<br />
den Kin<strong>der</strong>gartenplatz. Dann nahm<br />
alles einen guten Lauf. Erst Realschulabschluss,<br />
danach das Spagat-Projekt,<br />
Praktika und jetzt <strong>der</strong> Ausbildungsplatz.<br />
Jetzt sind alle stolz auf mich, was ich als<br />
Alleinerziehende erreicht habe.‹<br />
59
60<br />
Willkommen im normalen Leben!<br />
Stolz ist Nadia auch selbst ein bisschen auf<br />
sich, vor allem weil sie jetzt in ihrem Traumberuf<br />
als Karosseriebauerin ausgebildet wird.<br />
›Man hat jeden Tag etwas Neues, das ist<br />
nicht eintönig. Nach vier Wochen Praktikum<br />
habe ich mit dem Chef über einen<br />
Ausbildungsplatz geredet. Erst war das<br />
Kind <strong>der</strong> Knackpunkt, wegen <strong>der</strong> Fehlzeiten<br />
<strong>bei</strong> Krankheiten und so weiter. Bei den<br />
meisten Ar<strong>bei</strong>tgebern fällt <strong>bei</strong>m Thema<br />
Kind die Klappe ganz zu. Aber hier hatte<br />
ich den Rückhalt <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter. Die sind<br />
<strong>der</strong> Reihe nach zum Chef gegangen und<br />
haben gesagt: Das Mädel muss hierbleiben,<br />
die lassen wir nicht mehr gehen.<br />
Da war er überstimmt. Ich hätte die ganze<br />
Halle zusammenschreien können vor<br />
Freude.‹<br />
Finanziert wird Nadia im Augenblick aus fünf<br />
verschiedenen Quellen: Ausbildungsgehalt,<br />
Ausbildungs<strong>bei</strong>hilfe, Kin<strong>der</strong>geld für den Sohn,<br />
Unterhaltsvorschuss und ein bisschen von <strong>der</strong><br />
BAgIS. Das macht insgesamt ungefähr 1.100<br />
Euro, <strong>der</strong> letzte Bescheid steht noch aus.<br />
Nach Abzug <strong>der</strong> festen Kosten bleiben für<br />
Lebensmittel und Kleidung 300 Euro übrig.<br />
›Wer weiß, was ein Kind kostet, weiß auch,<br />
dass das nicht viel ist. Ich gucke ständig<br />
nach Angeboten und kaufe auch <strong>bei</strong><br />
Klamotten nur das Günstigste vom Günstigsten.<br />
Das ist anstrengend. Es wird<br />
<strong>zur</strong> Gewohnheit, auf die teuren Sachen<br />
gar nicht zu achten. O<strong>der</strong> das Kind fragt:<br />
Mama, bekomme ich das Auto? Und<br />
ich muss Nein sagen. Das tut mir dann im<br />
Herzen weh. Was ich mir wirklich gern<br />
mal leisten würde, ist ein schönes<br />
Wochenende mit meinem Sohn an <strong>der</strong><br />
Nordsee, aber das ist finanziell überhaupt<br />
nicht möglich. Das letzte Mal ist es vier<br />
Jahre her, dass wir uns irgendwo einen<br />
schönen Tag gemacht haben. Sparen für<br />
den Führerschein ist auch nicht drin,<br />
so gern ich ihn machen würde und so<br />
sinnvoll er für meinen Beruf wäre.‹<br />
Noch mehr als über diese Einschränkungen,<br />
ärgert Nadia sich über die zusätzlichen<br />
Steine, die ihr die Ämter in den Weg rollen.<br />
Seit Anfang des Monats hat sie jede Woche<br />
einen neuen Brief von <strong>der</strong> BAgIS bekommen<br />
mit neuen Berechnungen. Zum Zeitpunkt des<br />
Gespräches, nach zwei Monaten in <strong>der</strong> Ausbildung,<br />
weiß sie immer noch nicht genau, was<br />
sie für sich und ihren Sohn bekommt. Der<br />
Grund dieses Wirrwarrs liegt nach Ansicht<br />
ihrer ehemaligen Spagat-Betreuerin Vanessa<br />
Jones in <strong>der</strong> unklaren Zuständigkeit <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
BAgIS, wo sich fünf bis sechs unterschiedliche<br />
Sachbear<strong>bei</strong>ter mit Nadia beschäftigen.<br />
›Mein Wunsch ist, dass eine Stelle zuständig<br />
wäre. Dieser Übergang vom Spagat-<br />
Projekt in die Ausbildung hinein ist<br />
unglaublich kompliziert. Ich kann mich da<br />
an einige Krisen erinnern, wo völlig unklar<br />
war, was alles noch beantragt werden<br />
muss. Es kamen falsche Bescheide mit<br />
falschen Berechnungen. Diese Unsicherheit<br />
macht es vielen schwer, sich darauf<br />
einzulassen. Wenn Nadia nicht <strong>bei</strong> uns im<br />
Projekt gewesen wäre, hätte sie vielleicht<br />
schon damals alles hingeschmissen.<br />
Die Bescheide sind für Jugendliche nicht<br />
nachvollziehbar, die müssten einfacher<br />
sein.‹<br />
Und dann ist da noch die Sache mit den<br />
Unterhaltsvorschüssen. Die bekommen die<br />
Auszubildenden, wenn die Eltern den nach<br />
dem Berufsausbildungs<strong>bei</strong>hilfegesetz (BAB)<br />
errechneten Unterhalt nicht bezahlen können.<br />
Aber erst nach einer Anhörung <strong>der</strong> Eltern,<br />
die sich über Monate hinziehen kann. In<br />
dieser Zeit wird das Geld nicht ausgezahlt, in<br />
Nadias Fall waren das über 150 Euro.<br />
›Da wird davon ausgegangen, dass sich<br />
die Jugendlichen das Geld schon irgendwo<br />
leihen können, aber das können gerade<br />
Benachteiligte eben nicht. Die müssen im<br />
schlimmsten Fall ihre Ausbildung abbrechen,<br />
weil sich die Verantwortlichen die<br />
Bälle zuspielen.‹
61<br />
x Elvis the King
62<br />
Willkommen im normalen Leben!<br />
Einmal in Fahrt, bemängelt die engagierte<br />
Pädagogin dann noch, dass es auch <strong>bei</strong> jungen<br />
Müttern in Ausbildung nur bis zum 25.<br />
Lebensjahr Kin<strong>der</strong>geld gibt. Für Mütter müsste<br />
das verlängert werden.<br />
Eine weitere Hürde für eine alleinerziehende<br />
Mutter in Ausbildung, die das Glück hat, dass<br />
ihr Kind auch nachmittags in <strong>der</strong> Kita bleiben<br />
kann, besteht in den Urlaubszeiten. Nadia<br />
hat einen gesetzlichen Urlaubsanspruch von<br />
20 Tagen. Der ist schon mit den Schließungszeiten<br />
<strong>der</strong> Kita in den Sommerferien aufgebraucht.<br />
Dann kommen aber noch die Oster-,<br />
Herbst- und Weihnachtsferien sowie außerordentliche<br />
Schließungstage dazu.<br />
Doch dadurch verliert Nadia ihre Ziele nicht<br />
aus den Augen.<br />
›Ich hoffe, dass ich vom Betrieb übernommen<br />
werde und dass es nahtlos weitergeht.<br />
Das Berufliche steht <strong>bei</strong> mir auf<br />
jeden Fall im Vor<strong>der</strong>grund. Ich bin beeindruckt,<br />
was man schaffen kann, wenn<br />
man will.‹<br />
Den letzten Satz sagt Nadia nicht so, wie ihn<br />
manche sagen, die ausdrücken wollen: Wer<br />
ar<strong>bei</strong>ten will, <strong>der</strong> kriegt auch welche. Bei<br />
Nadia schwingt das freudige Erstaunen über<br />
sich selbst mit, die sich als 12-Jährige noch<br />
als ›kleine Floristin‹ sah und heute nicht nur<br />
mit PS-starken Brummis hantiert, son<strong>der</strong>n sich<br />
auch noch liebe- und verantwortungsvoll um<br />
einen fünfjährigen Sohn kümmert.<br />
Risiko Kind –<br />
Absturz aus <strong>der</strong> Mittelschicht<br />
Alleinerziehende<br />
Mütter werden<br />
in Hartz IV gezwungen<br />
Starkes Wollen reicht nicht immer aus, um<br />
seine Ziele zu erreichen. Die Erfahrung haben<br />
die meisten <strong>der</strong> Frauen gemacht, die sich<br />
einmal in <strong>der</strong> Woche zum gemeinsamen Frühstück<br />
in den Räumen des Verbandes alleinerziehen<strong>der</strong><br />
Mütter und Väter (VAMV) in Walle<br />
treffen. Im Bremer Landesverband sind 50<br />
Frauen und drei Männer engagiert, was ungefähr<br />
dem Anteil von 90 Prozent Frauen unter<br />
allen Alleinerziehenden entspricht. Überwiegend<br />
sind es Hartz-IV-Empfängerinnen, die<br />
sich hier treffen, austauschen und ihre Interessen<br />
vertreten.<br />
›Mehr als jede zweite alleinerziehende<br />
Frau in Bremen ist abhängig von Transferleistungen<br />
nach dem SGB II. Dies ist die<br />
zweithöchste Hilfequote unter allen Bundeslän<strong>der</strong>n,<br />
signifikant höher als in den<br />
<strong>bei</strong>den Stadtstaaten Hamburg und Berlin.‹<br />
(Armuts- und Reichtumsbericht<br />
des Senats <strong>der</strong> Freien Hansestadt Bremen 2009.)<br />
So bitter diese Zahl ist, dass sie überhaupt in<br />
einem eigenständigen Kapitel des Armuts- und<br />
Reichtumsberichts auftaucht, ist ein Erfolg<br />
des Verbandes. ›Die wollten uns mit an<strong>der</strong>en<br />
Randgruppen zusammenfassen. Erst als wir<br />
protestiert haben, haben wir Alleinerziehenden<br />
ein eigenes Kapitel bekommen‹, sagt Vorstandsmitglied<br />
Petra Gabriels.<br />
Die Stimmung unter den zehn Frauen und<br />
einem Mann, die sich hier heute treffen, ist<br />
aufgewühlt. Die Vorschläge <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
<strong>zur</strong> Hartz-IV-Reform erregen die Gemüter.<br />
Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Wegfall des Elterngeldes sorgt<br />
für regen Diskussionsstoff.
JENNIFER TRONNIER: ›Es ist schändlich, auf<br />
dem Rücken <strong>der</strong> Ärmsten zu sparen.‹<br />
KARIN GLADE: ›Wenn man dann bedenkt, dass<br />
im Regelsatz für Windeln 6,13 Euro im Monat<br />
veranschlagt sind, das ist unglaublich. Damit<br />
kommt keine Mutter aus.‹<br />
PETRA GABRIELS: ›Dann kannst du wie früher<br />
den Kochtopf auf den Herd stellen und die<br />
Windeln auskochen.‹<br />
KARIN GLADE: ›Was kostet das für Energie.<br />
Also muss man das wie<strong>der</strong> <strong>bei</strong> an<strong>der</strong>en Dingen,<br />
wie Nahrung, sparen. Meine Tochter<br />
brauchte spezielle Nahrung damals, die auch<br />
extrem teuer war. Ich weiß gar nicht, wie das<br />
laufen soll, wenn so etwas passiert. Ein<br />
an<strong>der</strong>es Beispiel: Für Kin<strong>der</strong> ist <strong>bei</strong>m Mittagessen<br />
1,77 Euro eingeplant. Da kann ich mein<br />
Kind nicht gesund und vollwertig ernähren.‹<br />
ANJA LEIBING: ›In <strong>der</strong> Schule kostet das Essen<br />
für mein Kind schon zum reduzierten Tarif<br />
1,80 Euro <strong>bei</strong> Vorbestellung. Wenn meine<br />
Kin<strong>der</strong> spontan essen wollen, weil es etwas<br />
Leckeres gibt, dann zahlen sie 2,50 Euro.<br />
Und dann ist das Budget überschritten.‹<br />
PETRA GABRIELS: ›Das Elterngeld ist auch familienpolitisch<br />
ein starkes Instrument, Frauen an<br />
Männer zu binden. Die werden es sich zweimal<br />
überlegen, ob sie ihren Göttergatten verlassen,<br />
wenn sie wissen, dass sie nicht einmal<br />
Elterngeld bekommen. Ein weiterer Schritt hin<br />
zum gesellschaftlichen Stand von 1950: Die<br />
Frau gehört an den Herd.‹<br />
Die im VAMV zusammengeschlossenen Frauen<br />
haben zum großen Teil einen ökonomischen<br />
Abstieg hinter sich, sind oft aus einer gesicherten<br />
mittelschichts-orientierten Existenz als<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose in die Abhängigkeit von Transferleistungen<br />
abgestürzt. ›Durch den Status <strong>der</strong><br />
Alleinerziehenden war die Chance von vornherein<br />
gleich null. Das hat sich nicht geän<strong>der</strong>t:<br />
Je<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeber, <strong>der</strong> hört, sie haben Kin<strong>der</strong><br />
und sind allein, zieht jemand an<strong>der</strong>en vor‹,<br />
berichtet Beate Rasch.<br />
Dazu kommt <strong>der</strong> Mangel an Hortplätzen,<br />
beson<strong>der</strong>s in Zeiten, in denen auch gear<strong>bei</strong>tet<br />
wird. Für alleinerziehende Frauen, die zum Beispiel<br />
einen Job im Einzelhandel suchen, nutzen<br />
Betreuungszeiten bis 16 Uhr wenig. ›Da können<br />
sie tausendmal sagen, sie haben Großeltern und<br />
Freunde. Es stehen so viele Kin<strong>der</strong>lose Schlan-<br />
ge, die eher eingestellt werden.‹ Bis <strong>zur</strong> Einführung<br />
<strong>der</strong> Agenda 2010 bedeutete die Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />
aber noch nicht automatisch den<br />
Absturz in die Armut. Dafür ist die Geschichte<br />
von Gudrun B. ein typisches Beispiel.<br />
›Vorher war ich halbtags in <strong>der</strong> Marktforschung<br />
beschäftigt und konnte 280 Mark<br />
<strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe dazuverdienen, ohne<br />
Probleme. Dazu kam das Kin<strong>der</strong>geld, ich<br />
bin klargekommen und konnte mir sogar<br />
einen Wagen anschaffen. Und jetzt wird<br />
mir je<strong>der</strong> Cent aus dem Maul gezogen.<br />
Mit <strong>der</strong> Anrechnung von allem Möglichen<br />
werden die Leute doch in die Insolvenz<br />
getrieben. Wie schizophren ist das denn?<br />
Es ist besser, sich richtig zu verschulden<br />
und fünf Jahre den Finger hochzuhalten,<br />
als zu versuchen, den Hintern im Machbaren<br />
zu behalten.‹<br />
Gudrun B. ist Akademikerin, Mutter einer 15jährigen<br />
Tochter und seit elf Jahren alleinerziehend.<br />
Heute kann sie sich nur noch als Plasmaspen<strong>der</strong>in<br />
ein paar Euro hinzuverdienen,<br />
was nach den Reformplänen <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
auch nicht mehr möglich sein soll.<br />
›Der erste Knackpunkt kam mit dem Euro.<br />
Danach die Einführung von Hartz IV, die<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer und die<br />
hohen Energiekosten, die mir langsam<br />
das Genick brechen. Ich bin richtig krank<br />
geworden davon. Ich habe Rückenschmerzen,<br />
ich stand vor <strong>der</strong> OP. Mich hat<br />
das alles so belastet, das hat mich auch<br />
psychisch krank gemacht, ich habe<br />
Depressionen gekriegt. Ich strampele mich<br />
ab, um nicht in diese Asozialität ab<strong>zur</strong>utschen,<br />
wo ich meiner Tochter zu Weihnachten<br />
nicht mehr eine Kleinigkeit kaufen<br />
kann o<strong>der</strong> eine Nordmann-Tanne für 15<br />
Euro. Das Gefühl, darauf angewiesen zu<br />
sein, in so einer finanziellen Not zu sein,<br />
dass man sich selber nicht mehr helfen<br />
kann, das macht einen so passiv und so<br />
krank. Immerhin habe ich mich seit 27<br />
Jahren Schritt für Schritt weiterqualifiziert.<br />
63
64<br />
Willkommen im normalen Leben!<br />
Es geht ja nicht nur darum, dass es so<br />
wenig ist. Man kommt ja auch aus <strong>der</strong><br />
Kiste nicht mehr raus. Man wirtschaftet<br />
sich so runter. Angenommen, ich habe ein<br />
Vorstellungsgespräch: Ich kann nicht<br />
zum Friseur gehen, weil ich die Kohle<br />
nicht habe, ich kann mir keine adäquaten<br />
Klamotten kaufen, ich komme da abgewrackt<br />
mit uralten Schuhen an, mal<br />
drastisch ausgedrückt. Wer stellt mich<br />
dann noch ein?<br />
Dass ich jetzt 50 bin, dass die Ar<strong>bei</strong>tsmarktsituation<br />
so ist, das ist nicht mein<br />
Verschulden. Und dass sich die Agentur<br />
für Ar<strong>bei</strong>t einfach hinstellt und sagt:<br />
Ihr seid alle selbst verantwortlich, das<br />
macht mich so krank und ich bin so hilflos<br />
und ausgeliefert, das macht mich richtig<br />
zum Opfer.‹<br />
Wie die an<strong>der</strong>en Frauen hier kämpft Gudrun B.<br />
nicht nur um das ökonomische Überleben,<br />
son<strong>der</strong>n auch um ihr Selbstbewusstsein und<br />
ihre Würde, die durch die erzwungene Abhängigkeit<br />
von ignoranten Institutionen infrage<br />
gestellt werden. Eine Möglichkeit, erworbene<br />
Kompetenzen einzusetzen und sozialer Isolation<br />
zu entgehen ist für Gudrun B. die ehrenamtliche<br />
Ar<strong>bei</strong>t, zum Beispiel in <strong>der</strong> Nachbarschaftshilfe.<br />
Als sie hört, dass Aufwandsentschädigungen<br />
für solche Tätigkeiten in Zukunft<br />
auch auf den Hartz-IV-Bezug angerechnet werden<br />
sollen, mag sie das kaum glauben. ›Dann<br />
muss ich meine Ämter nie<strong>der</strong>legen, das wird<br />
mir zu teuer. Als Hartz-IV-Empfängerin kann<br />
ich also demnächst noch nicht mal mehr ein<br />
Ehrenamt leisten.‹<br />
Ein weiteres Reizthema ist die geplante Einführung<br />
<strong>der</strong> sogenannten Bildungs-Chipkarte.<br />
Zum einen reichen die vorgesehenen 20 Euro<br />
nicht annähernd aus, da <strong>bei</strong>spielsweise schon<br />
<strong>der</strong> ermäßigte Beitrag für die Musikschule<br />
20 Euro betrage. Zum an<strong>der</strong>en wird die<br />
Bildungs-Chipkarte als weiterer Schritt in die<br />
Diskriminierung gesehen. Eine Frau berichtet:<br />
›Es ist für die Kin<strong>der</strong> peinlich, mit so<br />
einem Kärtchen hinzugehen. Ich kenne<br />
das noch von früher, dass ich <strong>bei</strong>m Arzt<br />
immer den Zettel vom Sozialamt vorlegen<br />
musste und alle an<strong>der</strong>en haben ihre<br />
Krankenkassenkarte hingelegt, ich weiß,<br />
wie sich das anfühlt.‹<br />
Die Inanspruchnahme von beson<strong>der</strong>en Unterstützungen<br />
für Kin<strong>der</strong> ist schon heute vielfach<br />
mit Diskriminierungen verbunden, wie Gudrun<br />
B. berichtet:<br />
›Ich habe einen Zuschuss für die Klassenfahrt<br />
meiner Tochter beantragt, weil ich<br />
mir das nicht leisten kann. Dann wurde im<br />
Sekretariat gesagt, <strong>der</strong> Lehrer muss das<br />
ausfüllen und dann komme ich in die<br />
Klasse und überreiche das Ihrer Tochter.<br />
Ich habe gesagt: Nein, das möchte ich<br />
nicht. Sie können meine Tochter gern ins<br />
Sekretariat zitieren und es ihr da überreichen,<br />
aber nicht vor <strong>der</strong> ganzen<br />
Klasse, das möchte ich meiner Tochter<br />
nicht antun. Das ist so unsensibel.‹<br />
Mit Erfahrungen wie diesen werden alleinerziehende<br />
Mütter, die von Hartz IV abhängig sind,<br />
<strong>bei</strong>nahe täglich konfrontiert. Und sie führen zu<br />
einem Gefühl, das Karin Glade so ausdrückt:<br />
›Das macht einen fertig, wenn man seinem<br />
Kind nicht ermöglichen kann, was<br />
an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> machen können. Man hat<br />
ein permanent schlechtes Gewissen und<br />
fühlt sich permanent als Versagerin. Das<br />
bekommt man auch von außen gespiegelt.<br />
Als alleinerziehende Mutter wird man<br />
sowieso genau beobachtet, ob man alles<br />
richtig macht. Aber es hilft keiner.‹<br />
Egal, welche Teile des Reformpakets <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
noch vom Bundesrat o<strong>der</strong> vom<br />
Bundesverfassungsgericht gestoppt werden,<br />
die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Frauen und Männer vom<br />
VAMV Bremen werden sich darin nicht wie<strong>der</strong>finden:<br />
realistische Berechnung und Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Hartz-IV-Bedarfssätze; 500 Euro Grundsicherung<br />
für jedes Kind (<strong>bei</strong> Zusammenführung<br />
<strong>der</strong> bestehenden Leistungen und in Verbindung<br />
mit einem einheitlichen Steuersystem<br />
ohne Ehegattensplitting) sowie die Abschaf-
fung des vollen Mehrwertsteuersatzes von<br />
19 Prozent auf Kin<strong>der</strong>artikel wie Windeln,<br />
Kin<strong>der</strong>nahrung und an<strong>der</strong>em.<br />
Über dem allen steht die For<strong>der</strong>ung nach<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplätzen, von denen man auch leben<br />
kann. Damit folgende Erfahrung von Beate<br />
Rasch nicht übermächtig wird.<br />
›Die gesellschaftliche Einbindung, die für<br />
ein vernünftiges Leben nötig ist, bricht<br />
weg. Ich sitze zu Hause, gucke in eine<br />
wun<strong>der</strong>schöne grüne Umgebung und<br />
denke: Und was nun? Was jetzt noch? Wie<br />
geht es weiter?‹<br />
Wenn <strong>der</strong> Boden<br />
bröckelt<br />
Die Angst noch weiter ab<strong>zur</strong>utschen, bestimmt<br />
auch das augenblickliche Leben <strong>der</strong> 40-jährigen<br />
Petra K. Die regelmäßigen Leser dieses<br />
Sozialberichtes kennen sie bereits aus dem<br />
vorigen <strong>Bericht</strong>, in dem es um die Politikverdrossenheit<br />
in benachteiligten Stadtteilen ging.<br />
Petra K. lebt seit 20 Jahren in Osterholz-Tenever.<br />
Sie ist in einem Kin<strong>der</strong>heim auf dem Land<br />
groß geworden, hat allein zwei Kin<strong>der</strong> aufgezogen<br />
und als Verkäuferin und Altenpflegerin<br />
gear<strong>bei</strong>tet. Ihren letzten regulären Job hatte<br />
sie bis <strong>zur</strong> Geburt ihrer Tochter 2001. Danach<br />
folgte eine Lebenskrise, aus <strong>der</strong> sie sich langsam<br />
wie<strong>der</strong> herausgekämpft hat. Zum Zeitpunkt<br />
des letzten Gesprächs war unklar, ob ihr<br />
Ein-Euro-Job in einem Treffpunkt für Bedürftige<br />
in Tenever verlängert wird.<br />
Umso größer ist die Freude des Interviewers,<br />
die freundliche Frau ein Jahr später in<br />
dem kleinen Café wie<strong>der</strong> anzutreffen. Das<br />
Gespräch mit ihr wird komplett wie<strong>der</strong>gegeben,<br />
weil es für sich selbst spricht und jede<br />
Zwischenbemerkung überflüssig macht.<br />
LORENZEN: Als wir uns vor einem Jahr unterhalten<br />
haben, war ja noch vollkommen unklar,<br />
ob Sie Ihren Ein-Euro-Job behalten können.<br />
Wie ist es danach weitergegangen?<br />
PETRA K.: Er wurde verlängert, dafür stehe ich<br />
im nächsten Monat auf <strong>der</strong> Straße. Der Ein-<br />
Euro-Vertrag kann nicht mehr verlängert werden,<br />
weil zwei Jahre rum sind und ich einen<br />
BEZ-Vertrag vom Träger nicht bekommen<br />
habe. Und somit bin ich nächsten Monat raus<br />
hier und muss so eine komische Schule<br />
machen. Frag mich nicht, was das ist. So ein<br />
Aufbewahrungsplatz vom Ar<strong>bei</strong>tsamt.<br />
LORENZEN: Warum haben Sie keinen Vertrag<br />
bekommen?<br />
PETRA K.: Für diese BEZ-Verträge gibt es <strong>bei</strong><br />
dieser Stelle ein Mindestalter von 55. Ich<br />
bin zu jung. Fürs Leben zu alt, für die Ar<strong>bei</strong>t<br />
zu jung. Es hätte die Möglichkeit gegeben,<br />
aber es hat sich keiner darum gekümmert.<br />
Jedenfalls nicht die, die die Macht dazu<br />
gehabt hätten.<br />
LORENZEN: Wie sieht denn ab nächsten Monat<br />
Ihre soziale Situation aus?<br />
PETRA K.: Total bescheuert. Ich bin schon<br />
am Flechten eines Strickes, meine ich natürlich<br />
nicht so, aber so ungefähr geht es mir.<br />
Das Geld fehlt mir dann, es ist sowieso schon<br />
alles Mögliche gekürzt worden. Wenn ich die<br />
Schule nicht mache, wird noch mehr gekürzt,<br />
also bin ich gezwungen, die zu machen. Ich<br />
habe eigentlich dafür gekämpft, das hier<br />
weitermachen zu können. Und dann stehe ich<br />
wie<strong>der</strong> da und suche den Halt.<br />
LORENZEN: Was überwiegt, Wut, Trauer o<strong>der</strong><br />
Enttäuschung?<br />
PETRA K.: Alles drei. Man fühlt sich in den<br />
Arsch getreten. Das können Sie vielleicht nicht<br />
nachvollziehen: Hier bin ich jetzt zwei Jahre,<br />
es ist wie eine Familie. Und jetzt: pomm, aus<br />
und weg. Das ist nicht leicht zu verkraften.<br />
65
66<br />
Willkommen im normalen Leben!<br />
LORENZEN: Was wiegt denn mehr, die finanzielle<br />
Einbuße o<strong>der</strong> <strong>der</strong> menschliche Verlust?<br />
PETRA K.: Es ist <strong>bei</strong>des. Ich würde hier auch<br />
ohne Geld weiterhin ar<strong>bei</strong>ten, wegen <strong>der</strong><br />
Menschen. Aber das Geld brauche ich für<br />
meine Kin<strong>der</strong>.<br />
LORENZEN: Zwei Kin<strong>der</strong> haben Sie, wenn ich<br />
mich richtig erinnere. Ihr Sohn war gerade<br />
ausgezogen.<br />
PETRA K.: Richtig. Er hat jetzt seine Ausbildung<br />
fertig gemacht und hat einen Vertrag <strong>bei</strong> einer<br />
an<strong>der</strong>en Firma bekommen. Aber die sind jetzt<br />
mit seinen Leistungen nicht zufrieden, weil er<br />
sich an <strong>der</strong> Säge verletzt hat. Und jetzt überlegen<br />
sie, ob sie ihn nicht rausschmeißen.<br />
Meine Tochter ist in die dritte Klasse gekommen,<br />
sie kommt in <strong>der</strong> Schule gut <strong>zur</strong>echt.<br />
Bloß, es ist alles zu teuer geworden. Früher<br />
musste ich für den Hort sechs Euro bezahlen,<br />
jetzt 32 Euro. Das kann ich auch nicht mehr<br />
tragen. Und wenn ab nächsten Monat noch<br />
weniger da ist, weiß ich nicht, wie ich das<br />
noch machen soll. Dann kann ich den Hort<br />
nicht mehr finanzieren. Ich habe mir schon<br />
Hilfen geholt, aber es ist kaum noch tragbar.<br />
LORENZEN: Wie viel fällt denn weg, wenn <strong>der</strong><br />
Ein-Euro-Job weg ist?<br />
PETRA K.: Über 100 Euro.<br />
LORENZEN: Woran müssen Sie denn sparen?<br />
PETRA K.: Essen tue ich selten. Ich weiß nicht,<br />
worauf ich noch verzichten soll. Ich kann mir<br />
nicht mal Schuhe leisten, ich laufe <strong>bei</strong> diesem<br />
Wetter mit Badelatschen rum. Ich weiß wirklich<br />
nicht, wie es weitergehen soll. Ich frage<br />
mich einfach, wie soll ich diesen Winter<br />
durchkommen. Meine Tochter braucht wie<strong>der</strong><br />
Klamotten, ich kaufe mir schon gar keine<br />
mehr. Dieser Job hat mir noch ein bisschen<br />
Extra gegeben. Da hatte ich das Gefühl, ich<br />
kann mir ein bisschen erlauben und wenn es<br />
nur ein paar Socken sind.<br />
LORENZEN: Haben Sie ein Umfeld, das Sie<br />
noch etwas stützt?<br />
PETRA K.: Eigentlich nicht. Ich kämpfe ewig<br />
alleine, das habe ich Ihnen doch schon <strong>bei</strong>m<br />
letzten Interview gesagt. Ich habe nur mich,<br />
meine kleine Familie, <strong>der</strong> Rest ist nur angedockt.<br />
Solange ich hier bin, habe ich noch das<br />
Gefühl, dass man sich hilft. Aber wenn man<br />
hier raus ist, ist man raus. Wer kommt denn<br />
freiwillig noch mal her? Dann ist man nicht<br />
mehr drinnen, dann ist man draußen. Dann<br />
gehört man nicht mehr in den Kreis, son<strong>der</strong>n<br />
steht davor. Das ist kein schönes Gefühl.<br />
LORENZEN: Jetzt gucken Sie erst mal, ob es<br />
an<strong>der</strong>e Projekte gibt?<br />
PETRA K.: Klar, gucken, gucken, gucken. Und<br />
den Boden nicht verlieren. Nicht wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Gosse landen. Das will ich nicht, dafür kämpfe<br />
ich. Du weißt, du wirst fallen, aber du willst<br />
nicht. Aber <strong>der</strong> Boden bröckelt jeden Tag<br />
mehr. Die Angst kommt näher. Und mit <strong>der</strong><br />
Angst die alten Fehler.<br />
LORENZEN: Welche Fehler?<br />
PETRA K.: Dass man sich doch mal wie<strong>der</strong> was<br />
gönnt, mal ein Bierchen, nur für eine Minute<br />
mal für sich sein. Und davor habe ich Angst.<br />
Deswegen versuche ich zu kämpfen und zu<br />
kratzen. Ich will nicht in Bremen-Ost landen.<br />
Ich kämpfe um meine Existenz, um mein<br />
ganzes Leben. Und nicht nur um meine Kin<strong>der</strong>.<br />
Die kommen natürlich auch noch dazu.<br />
In <strong>der</strong> Nähe des Cafés, in dem Petra K. zum<br />
Zeitpunkt des Interviews jeden Morgen den<br />
Kaffee an Leute ausschenkt, die noch ärmer<br />
sind als sie selbst, liegt <strong>der</strong> Frauengesundheitstreff<br />
Tenever. Hier können sich bedürftige<br />
Frauen mit gesundheitlichen Problemen niedrigschwellig<br />
beraten lassen. Außerdem bietet<br />
die Einrichtung, die vor kurzem 20 Jahre alt<br />
wurde, kostengünstige Freizeitangebote an.<br />
Dazu kommen Alphabetisierungs- und weiterführende<br />
Deutschkurse.<br />
Die Leiterin Jutta Flerlage hat am Telefon<br />
erzählt, dass die meisten Besucherinnen<br />
Migrantinnen sind. Sie wüsste nicht, ob sie<br />
darunter Frauen finden würde, die bereit<br />
seien, über ihre Lebenssituation zu sprechen.<br />
Und dann noch mit einem Mann. Mit <strong>der</strong> Zusage,<br />
selbst <strong>bei</strong> den Gesprächen da<strong>bei</strong> zu sein,<br />
kann sie schließlich drei Frauen überreden.<br />
Zuerst kommt die 40-jährige Canan F., die<br />
in <strong>der</strong> Türkei aufgewachsen ist und seit 25<br />
Jahren in Deutschland lebt. Zehn Kin<strong>der</strong> hat<br />
sie auf die Welt gebracht, die jetzt zwischen 6<br />
und 21 Jahre alt sind und alle noch zu Hause<br />
leben. In einer Vierzimmerwohnung. Canan F.<br />
hatte we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Türkei noch in Deutschland<br />
Schulunterricht. Jetzt geht sie zweimal in<br />
<strong>der</strong> Woche zum Deutschkurs und kann sich<br />
fremden Interviewern verständlich machen.
Ihr ganzer Körper sei kaputt, erzählt sie.<br />
Nieren, Rücken und Kopf tun weh. Für das<br />
Rückentraining soll sie 25 Euro bezahlen. Das<br />
bezahlt ihr die AOK genauso wenig wie die<br />
Kur, die sie beantragt hat. Für die Kur reichen<br />
ihre Deutschkenntnisse angeblich noch nicht<br />
aus.<br />
Ihr Mann ist ar<strong>bei</strong>tslos und <strong>der</strong> Älteste hat<br />
auch noch keine Ar<strong>bei</strong>t. Das Geld reicht hinten<br />
und vorne nicht. Die Kleidung ist nur vom billigsten,<br />
Computer und Fahrrad für die Kin<strong>der</strong> –<br />
Fehlanzeige. Die Frage danach, was sie sich<br />
denn selbst gern mal leisten würde, versteht<br />
sie nicht. Das liegt nicht am Sprach-, son<strong>der</strong>n<br />
am Rollenverständnis. Ar<strong>bei</strong>t für ihren Mann<br />
und die Söhne, das ist das, was sie sich<br />
wünscht. Die Töchter kämen klar.<br />
Jutta Flerlage kennt etliche ähnlich gelagerte<br />
Lebenssituationen.<br />
›Oft kommen Fragen, warum haben diese<br />
Frauen so viele Kin<strong>der</strong>? Das ist <strong>der</strong> einzige<br />
Reichtum, den sie erlangen können,<br />
und es hat da, wo sie herkommen, kulturell<br />
einen hohen Stellenwert. An<strong>der</strong>erseits<br />
bekommen sie aber auch keine Verhütungsmittel<br />
finanziert. Wenn sie mit<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II auskommen müssen,<br />
wird oft an <strong>der</strong> Pille gespart. Die Männer<br />
sind noch wesentlich stärker in ihren alten<br />
Rollen und kulturellen Vorstellungen verhaftet.<br />
Und die Frauen übernehmen nicht<br />
nur Haushalt, Kin<strong>der</strong>, Gesundheitsvorsorge,<br />
son<strong>der</strong>n sie müssen sich dann auch<br />
noch verantwortlich fühlen, dass Geld<br />
reinkommt und dass sie sich beruflich<br />
orientieren. Sie lernen meist als Letzte<br />
Deutsch, weil sie sich vorher um alles<br />
an<strong>der</strong>e kümmern müssen. Einige fangen<br />
nach zehn o<strong>der</strong> fünfzehn Jahren damit an.<br />
Aber es muss auch etwas getan werden,<br />
dass die Männer Jobs finden können und<br />
so bezahlt werden, dass sie und ihre<br />
Familien davon leben können. Das ist das<br />
A und O.‹<br />
Die nächste Besucherin steckt ebenfalls in<br />
einer verzwickten Situation. Rania L. kam vor<br />
18 Jahren als Bürgerkriegsflüchtling aus dem<br />
Libanon mit ihrem Mann nach Deutschland.<br />
Sie hat drei Kin<strong>der</strong> hier geboren, ist aber<br />
immer noch lediglich geduldet. Das heißt:<br />
ständige Unsicherheit, 30 Prozent weniger als<br />
Hartz IV, Ar<strong>bei</strong>tsverbot. Ein Rechtsanwalt versucht<br />
gerade, für sie und ihren Mann einen<br />
Aufenthaltstitel zu erwirken.<br />
900 Euro bekommt die fünfköpfige Familie<br />
im Monat, davon gehen 150 Euro Strom und<br />
50 Euro Telefon ab. Bleiben 700 Euro zum<br />
Leben. Nicht mal einen Ein-Euro-Job darf die<br />
35-Jährige annehmen. Vor Kurzem hat sie<br />
ihren Schmuck verkauft, um den Führerschein<br />
zu machen. Nun hat das Amt ihr verboten, die<br />
Fahrschule weiter zu besuchen. Ohne Pass<br />
keinen Führerschein und selbst das Geld für<br />
die Anzahlung ist futsch. Das findet sie so<br />
absurd, dass sie fast darüber lachen muss.<br />
Im Moment besucht Rania L. den kostenfreien<br />
Deutsch-Kurs und hat in kurzer Zeit große<br />
Fortschritte gemacht.<br />
›Heute war ich schon im Internet-Café,<br />
habe eine E-Mail geschrieben. Bin so viele<br />
Jahre hier und frage mich: Warum habe<br />
ich es vorher nicht gelernt? Habe immer<br />
mit meinen Bekannten zusammengehockt<br />
und Kaffee getrunken. Ich war jung, das<br />
war falsch. Jetzt fragen mich meine<br />
Kin<strong>der</strong>: Was ist das und das? Und ich kann<br />
ihnen nicht helfen. Jede Woche zwei<br />
Wörter, das reicht für mich. Die Kin<strong>der</strong><br />
können aus dem Kin<strong>der</strong>garten Deutsch,<br />
langsam lerne ich von ihnen.‹<br />
Bald werden ihre Kin<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> die einzigen<br />
Lehrer von Rania L. sein, befürchtet Jutta<br />
Flerlage.<br />
›Den kostenlosen Kurs kann sie nur ein<br />
Jahr besuchen. Wenn sie im Duldungsstatus<br />
ist, kriegt sie keine BAM-För<strong>der</strong>ung<br />
für einen weiteren Sprachkurs. Integrationsför<strong>der</strong>ung<br />
gibt es nur mit einem<br />
Aufenthaltstitel.‹<br />
67
68<br />
Willkommen im normalen Leben!<br />
Die Beraterin kennt einige Fälle, in denen Frauen<br />
den Unterricht wie<strong>der</strong> abgebrochen haben,<br />
weil sie keine För<strong>der</strong>ung mehr erhielten und<br />
sich jedes Schulbuch und Heft vom Essen<br />
absparen mussten.<br />
Bevor die letzte Interviewpartnerin kommt,<br />
bleibt noch Zeit für einen kleinen Spaziergang<br />
durch Tenever. Auf den ersten Blick mögen<br />
die hohen Häuser und steinernen Passagen<br />
abweisend wirken. Wer aber Zugang bekommt<br />
zu den öffentlichen Einrichtungen dieses<br />
Stadtteils, ob sie nun Ar<strong>bei</strong>tslosenzentrum,<br />
Mütterzentrum, Frauengesundheit, Café<br />
Abseits o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s heißen, <strong>der</strong> staunt über<br />
die gute Vernetzung und die solidarische<br />
Haltung untereinan<strong>der</strong>.<br />
Vermisst:<br />
Das ganz normale Leben<br />
Eine<br />
Ar<strong>bei</strong>terinnenbiografie<br />
›Mal treffen mit Frauen, n’ Wort schnacken,<br />
was unternehmen‹ – deshalb kommt die 60jährige<br />
Gertrud T. regelmäßig zum Gesundheitstreff.<br />
Ganz aus Hemelingen, weil es dort<br />
so etwas nicht gibt. In <strong>der</strong> Glocke war sie<br />
schon von hier aus und in <strong>der</strong> Kammerphilharmonie.<br />
An Kultur war in <strong>der</strong> Kindheit nicht zu denken.<br />
Notunterkünfte, Baracken am Jakobsberg,<br />
viel Alkohol in <strong>der</strong> Luft und Gewalt. Die<br />
Geschichte vom Stiefvater. Ständige Angst ins<br />
Heim zu kommen, wie die eine Schwester. Mit<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schwester bis 16 in einem Bett<br />
geschlafen. Die ist heute <strong>bei</strong>m Interview auch<br />
mit da<strong>bei</strong>: ›Die Hochzeitsnacht haben wir zu<br />
dritt verbracht‹, erinnert sie sich.<br />
›Wir haben nichts vermisst, weil wir nichts<br />
hatten‹, sagt Gertrud T. über den materiellen<br />
Mangel. Was sie wirklich vermisst hat, sind<br />
Liebe und Zuwendung, noch heute hat sie<br />
Schwierigkeiten, Nähe und Vertrauen zuzulassen.<br />
Wohl gefühlt hat sie sich nur in <strong>der</strong> Schule.<br />
Hier strengt sie sich an, weil sie Angst hat,<br />
wie die Schwester in <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>schule zu landen.<br />
Zur Realschule darf sie nicht. Es heißt:<br />
›Wir sind eine Ar<strong>bei</strong>terfamilie, du brauchst<br />
kein Englisch.‹ Statt Schnei<strong>der</strong>in zu lernen,<br />
wie sie es sich gewünscht hat, landet sie in<br />
<strong>der</strong> Metall-Fabrik.<br />
Erstes Kind mit 18, <strong>der</strong> Vater kommt noch<br />
während <strong>der</strong> Schwangerschaft abhanden. Um<br />
das Kind nicht zwischen den ›Versoffenen‹<br />
aufwachsen zu lassen, wendet sich die junge<br />
Frau ans Jugendamt und bekommt tatsächlich<br />
eine eigene Wohnung, Sozialhilfe und Unterstützung<br />
von einer Fürsorgerin. ›Ich bin dem<br />
deutschen Staat immer noch dankbar, dass<br />
ich mein Kind selbst großziehen konnte.‹<br />
Irgendwann lernt sie einen neuen Mann kennen,<br />
bekommt mit ihm einen Sohn. Der neue<br />
Partner, mit dem sie nicht zusammenzieht,<br />
hat eine Gaststätte, bietet bescheidenen<br />
Wohlstand. Campingplat<strong>zur</strong>laube. ›Komm mal<br />
Mäuschen, brauchst jetzt nicht kochen, wir<br />
fahren mal für drei Tage nach Holland.‹ Da<br />
kommt man auf den Geschmack. Zwölf Jahre<br />
geht das gut. Als <strong>der</strong> Mann sie während einer<br />
erneuten Schwangerschaft betrügt, macht sie<br />
Schluss. ›Ohne mich landest du in <strong>der</strong> Gosse‹,<br />
ruft er noch hinterher, doch den Gefallen tut<br />
sie ihm nicht. Sie macht eine Umschulung <strong>zur</strong><br />
Industrieelektronikerin und findet nach langem<br />
Hin und Her sogar eine Stelle. Nach fünf<br />
Jahren wird die Firma stillgelegt. Seitdem<br />
bekommt sie Hartz IV und geht neben<strong>bei</strong> noch<br />
putzen. Die Kin<strong>der</strong> sind ausgezogen und vor<br />
zwei Jahren hat sie sich eine neue kleine Zweizimmerwohnung<br />
genommen. Zwischendurch<br />
lassen sie die massiven Probleme ihrer<br />
Ursprungsfamilie nie ganz los, was zu Nervenzusammenbrüchen<br />
und psychischer Erkrankung<br />
führte.<br />
›Wenn ich meine Schwester nicht hätte,<br />
würde ich nicht klarkommen‹, sagt sie. ›Ich<br />
leiste mir ab und zu ein Paar neue Schuhe. Ich<br />
ziehe alles gern gebraucht an, aber Schuhe<br />
nicht, das geht mit meinen Füßen auch nicht,<br />
da habe ich vor ein paar Monaten eine OP<br />
gehabt.‹ Regelmäßiges Kochen gibt es <strong>bei</strong> ihr<br />
auch nicht, hin und wie<strong>der</strong> ein Paket Nudeln<br />
mit Ketchup. Zur Hemelinger Tafel geht sie<br />
nicht mehr, seit sie wegen einer Unverträglichkeit<br />
mal ein paar Joghurts abgelehnt hat und<br />
gesagt bekam: ›Dann kriegen Sie auch nichts<br />
an<strong>der</strong>es.‹ Nun sei sie stur, sagt sie, dann<br />
lieber weiter Nudeln.
69<br />
x Küche aufklaren
70<br />
Willkommen im normalen Leben!<br />
LORENZEN: Und was vermissen Sie am<br />
meisten?<br />
GERTRUD T.: Das ganz normale Leben halt. Mal<br />
ins Schwimmbad gehen, Kurse machen, ich<br />
wollte gerne Spanisch lernen, damit man<br />
geistig nicht ganz so runterkommt, geht nicht.<br />
Kleinigkeiten vermisst man, mal ins Kino<br />
gehen, <strong>bei</strong> 7 Euro Eintritt muss man sich das<br />
überlegen. Auch wenn wir hier etwas machen,<br />
frage ich vorher immer schon: Was kostet<br />
das, das ist für mich vorher ganz wichtig,<br />
nicht dass ich dastehe und die wollen plötzlich<br />
20 Euro haben. Man muss ja auch lernen zu<br />
betteln. Für mich ist das schon wie<strong>der</strong> Betteln.<br />
Verrückt, vor allem wenn man älter wird.<br />
Wer möchte das schon gern? Keiner.<br />
LORENZEN: Was für Gefühle haben Sie, wenn<br />
Sie darüber nachdenken?<br />
GERTRUD T.: Darüber darf man nicht nachdenken.<br />
Das habe ich mir durch zwei Kuren<br />
abgewöhnt.<br />
LORENZEN: Wie empfinden Sie die augenblickliche<br />
Diskussion über Hartz-IV-Empfänger?<br />
GERTRUD T.: Furchtbar. Dass man Leuten, die<br />
30 Jahre gear<strong>bei</strong>tet und was geschafft haben,<br />
alles anrechnet, finde ich nicht in Ordnung.<br />
Die kann man nicht auf eine Stufe stellen mit<br />
Leuten, die grad aus <strong>der</strong> Schule kommen o<strong>der</strong><br />
grad ihre Lehre beendet haben. Die können<br />
vielleicht auch nichts dafür, dass sie keine<br />
Ar<strong>bei</strong>t haben. Aber das geht nicht, 50-Jährige<br />
mit 20-Jährigen zu vergleichen, mit dem gleichen<br />
Geld, da kriege ich einen dicken Hals.<br />
Und wenn die dann jemanden mit 55 in einen<br />
Ein-Euro-Job schicken o<strong>der</strong> in Ar<strong>bei</strong>t von <strong>der</strong><br />
Leihfirma für 800 Euro, finde ich das deprimierend.<br />
Damit kann man doch keine Familie<br />
ernähren. Wer ar<strong>bei</strong>tet, soll so viel verdienen,<br />
dass er seine Familie ernährt. Ich kann Leute<br />
verstehen, die sagen: ›Was soll ich für 700<br />
Euro ar<strong>bei</strong>ten? Ich zahle 500 Euro Miete und<br />
habe zwei Kin<strong>der</strong>. Und muss jeden Monat <strong>bei</strong>m<br />
Amt meine Abrechnung vorlegen.‹ Verstehen<br />
kann ich die auch. Ich habe die Hoffnung aufgegeben,<br />
dass ich noch mal Ar<strong>bei</strong>t kriege.<br />
Obwohl ich schwer behin<strong>der</strong>t bin, wollen sie<br />
immer noch, dass ich mich bewerbe. Gut,<br />
mache ich das eben.<br />
Willkommen im Leben<br />
Der Skandal<br />
als Regelfall<br />
Hier endet dieser kleine Streifzug durch Orte<br />
in Bremen, an denen sich Frauen treffen, die<br />
in <strong>der</strong> jetzigen Phase ihres Lebens mit vielen<br />
Sorgen zu kämpfen haben, die – nicht nur,<br />
aber zum allergrößten Teil – ihrer <strong>sozialen</strong><br />
<strong>Lage</strong> entspringen. Die einen kennen diese Verhältnisse<br />
von früh auf, haben das nie an<strong>der</strong>s<br />
erlebt, die an<strong>der</strong>en hätten sich bis vor Kurzem<br />
nicht träumen lassen, einmal mit dem Thema<br />
›Armut‹ in Verbindung gebracht zu werden. Die<br />
einen geben sich selbst die Schuld an ihrer<br />
jetzigen Situation, die an<strong>der</strong>en begreifen sie<br />
auch als Ergebnis politischer Entscheidungen.<br />
Die einen träumen von einem erfüllten Leben<br />
in gesicherter Existenz, die an<strong>der</strong>en von ein<br />
paar Tagen Erholung an <strong>der</strong> Nordsee. Aber<br />
alle kämpfen jeden Tag darum, das Stück<br />
an Autonomie und Selbstentscheidung, über<br />
das sie noch verfügen, zu erhalten und zu<br />
erweitern. ›Ich strampele mich ab, um meinen<br />
Hintern im Machbaren zu halten‹, lautet ein<br />
Kernsatz aus den aufgezeichneten Interviews.<br />
So unterschiedlich die skizzierten Biografien<br />
und Lebensperspektiven sind, ein paar<br />
verallgemeinernde Gedanken lassen sich ihnen<br />
dennoch entnehmen.<br />
Mit <strong>der</strong> Agenda 2010 sind zahlreiche<br />
Frauen in die Armut gedrängt worden, die bis<br />
dahin noch Anschluss an den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />
gehalten hatten und über verschiedene Formen<br />
gesellschaftlichen Engagements sozial<br />
integriert waren. Dies betrifft vor allem jüngere<br />
Frauen und alleinerziehende Frauen mit<br />
einer guten Ausbildung.<br />
Mit den bestehenden Hartz-IV-Bedarfssätzen<br />
kann niemand auskommen, <strong>der</strong> etwas an<strong>der</strong>es<br />
vom Leben möchte, als nicht zu verhungern.<br />
Da<strong>bei</strong> ist es beson<strong>der</strong>s erschreckend, wie<br />
bereits Kin<strong>der</strong> stigmatisiert werden und von<br />
<strong>der</strong> gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen<br />
werden. Daran wird die sogenannte Chipkarte<br />
in ihrer <strong>der</strong>zeit geplanten Form nichts<br />
än<strong>der</strong>n.
Der größte Wunsch fast aller befragten Frauen<br />
ist es, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.<br />
Eine wirkliche Lösung <strong>der</strong> Probleme kann<br />
lediglich über eine Bereitstellung akzeptabler<br />
Ar<strong>bei</strong>ts- und Ausbildungsplätze sowie durch<br />
ausreichende Kin<strong>der</strong>betreuungsangebote und<br />
gezielte soziale Unterstützung erfolgen. Derartige<br />
Unterstützungsleistungen müssen jedoch<br />
an die jeweils unterschiedlichen Lebenslagen<br />
angepasst sein.<br />
Für junge Frauen und Mütter, die sich aus<br />
prekären Lebenssituationen freistrampeln,<br />
sind individuelle Betreuungs- und Hilfsangebote<br />
als Brücke in ein selbstständiges<br />
Leben ausgesprochen wichtig. Die positiven<br />
Impulse dieser Aufbruchsphase müssen<br />
gestützt und stabilisiert werden, damit die<br />
jungen Frauen die sich ihnen bietenden<br />
Möglichkeiten auf dem Ausbildungs- und<br />
Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nutzen und nicht in alte<br />
Muster und Abhängigkeiten <strong>zur</strong>ückgezogen<br />
werden.<br />
Alleinerziehende Frauen in <strong>der</strong> Mitte des<br />
Lebens, die aufgrund fehlen<strong>der</strong> Betreuungsmöglichkeiten<br />
für ihre Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> durch<br />
Diskriminierungen von Ar<strong>bei</strong>tgebern für längere<br />
Zeit aus dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt herausgefallen<br />
sind, befinden sich häufig an <strong>der</strong><br />
Schwelle zum <strong>sozialen</strong> Abstieg. Solange sie<br />
ihre ganze Kraft dafür benötigen, ›den<br />
Hintern im Machbaren zu halten‹, das heißt,<br />
für sich selbst und für ihre Kin<strong>der</strong> das<br />
Allernötigste zu organisieren, schwindet die<br />
Kraft für einen Neuanfang immer weiter.<br />
Hier müssten Türen wie<strong>der</strong> geöffnet werden.<br />
Zum Beispiel über Teilzeitbeschäftigungen<br />
o<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>maßnahmen, die<br />
nicht auf den Hartz-IV-Bezug angerechnet<br />
werden.<br />
Älteren Frauen, die ein langes, beschwerliches<br />
Ar<strong>bei</strong>tsleben hinter sich haben, entwe<strong>der</strong><br />
im Beruf, in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung, in<br />
<strong>der</strong> Pflege älterer Familienmitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />
in allen drei Bereichen, steht es schlicht<br />
und einfach zu, sich davon zu erholen und<br />
etwas für sich selbst zu tun. Das betrifft<br />
auch jene Frauen, die bereits eine Rente<br />
beziehen, die jedoch lediglich für das<br />
Notwendigste reicht und nicht für einen<br />
gesicherten Ruhestand.<br />
An einigen Stellen ist in den Interviews die<br />
›innere Mauer‹ deutlich geworden, welche die<br />
befragten Frauen vom ›normalen‹ Leben<br />
trennt. Zum Beispiel in <strong>der</strong> Aussage: ›Die<br />
gesellschaftliche Einbindung, die für ein vernünftiges<br />
Leben nötig ist, bricht weg. Ich sitze<br />
zu Hause, gucke in eine wun<strong>der</strong>schöne grüne<br />
Umgebung und denke: Und was nun? Was jetzt<br />
noch? Wie geht es weiter?‹ Diese Mauer nimmt<br />
jede <strong>der</strong> Frauen an einer an<strong>der</strong>en Stelle wahr,<br />
weil sie durch die vorherigen Lebenserfahrungen<br />
beeinflusst wird. Wer von früh auf nichts<br />
an<strong>der</strong>es kennt als Verzicht, fühlt diese Grenze<br />
woan<strong>der</strong>s als jemand, <strong>der</strong> aus einer relativ<br />
gesicherten Existenz in Armut abrutscht. Eine<br />
Frau, die sich nie über ihre berufliche Entwicklung<br />
definiert hat, son<strong>der</strong>n über das Erziehen<br />
von Kin<strong>der</strong>n, geht mit dem Verlust beruflicher<br />
Perspektiven an<strong>der</strong>s um, als eine Frau, die<br />
viel in die eigene Ausbildung investiert hat.<br />
›Dann ist man nicht mehr drinnen, dann ist<br />
man draußen‹, sagt Petra K. und kann diese<br />
Grenze für sich ganz genau markieren. Es<br />
ist die Theke in dem Treffpunkt, in dem sie<br />
als Ein-Euro-Jobberin zum Zeitpunkt des<br />
Gesprächs Kaffee und Aufmerksamkeit an<br />
Menschen ausschenkt, die bereits ganz rausgefallen<br />
sind. Noch fühlt sie sich ›drinnen‹,<br />
aber <strong>der</strong> Verlust des Jobs würde für sie neben<br />
den finanziellen Einbußen bedeuten, aus ihrem<br />
letzten <strong>sozialen</strong> Netz herauszufallen. Für<br />
Mütter wie<strong>der</strong>um ist es doppelt belastend,<br />
wenn sie sich selbst als ausgegrenzt erleben<br />
und sehen, dass bereits ihre Kin<strong>der</strong> ähnliche<br />
Erfahrungen machen.<br />
x Die in diesem Beitrag wie<strong>der</strong>gegebenen<br />
Interviewpassagen und Beobachtungen<br />
stammen alle aus dem Herbst 2010.<br />
Die Namen sind frei erfunden – außer<br />
denen <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>terinnen und Mitar<strong>bei</strong>ter<br />
in den beschriebenen Einrichtungen.<br />
71
72<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
x Blick in eine bessere Zukunft?
Paul M. Schrö<strong>der</strong> x Bremer Institut für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung und Jugendberufshilfe<br />
6 Zahlen, Daten, Fakten <strong>zur</strong> Armut im Land Bremen<br />
65.000<br />
60.000<br />
55.000<br />
50.000<br />
45.000<br />
40.000<br />
35.000<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Abbildung 1.1:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremen revidierte Daten*<br />
52.979 53.074 53.153 53.212 53.114 53.223 53.624 54.139 54.587 54.619 54.553 54.587 54.351 54.139 53.621 53.304 52.844 52.798<br />
Juli 2009<br />
August 2009<br />
September 2009<br />
Oktober 2009<br />
November 2009<br />
* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA).<br />
pro tausend<br />
26.794 26.809 26.804 26.815 26.725 26.727 26.887 27.151 27.374 27.377 27.381 27.405 27.366 27.320 27.080 26.984 26.707 26.707<br />
26.185 26.265 26.349 26.397 26.389 26.496 26.737 26.988 27.213 27.242 27.172 27.182 26.985 26.819 26.541 26.320 26.137 26.091<br />
Dezember 2009<br />
Januar 2010<br />
Februar 2010<br />
März 2010<br />
Abbildung 1.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />
Stadt Bremen Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />
146 143 148<br />
15 bis unter<br />
65 Jahren<br />
146 138<br />
15 bis unter<br />
25 Jahren<br />
154<br />
182 178 187<br />
15 bis unter<br />
18 Jahren<br />
* Einwohner/innen Ende 2009<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Statistisches Landesamt Bremen, eigene Berechnungen.<br />
135<br />
April 2010<br />
125<br />
18 bis unter<br />
25 Jahren<br />
145<br />
Mai 2010<br />
Juni 2010<br />
158 151<br />
Juli 2010<br />
25 bis unter<br />
50 Jahren<br />
165<br />
August 2010<br />
September 2010<br />
132 143<br />
50 bis unter<br />
55 Jahren<br />
Oktober 2010<br />
122<br />
November 2010<br />
115<br />
Dezember 2010<br />
124<br />
55 bis unter<br />
65 Jahren<br />
Frauen<br />
Männer<br />
106<br />
Insgesamt<br />
Männer<br />
Frauen<br />
73
74<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Zu Abbildung 1.1:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II)<br />
Stadt Bremen<br />
Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
insgesamt 52.798 Frauen und Männer im<br />
Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II angewiesen. 1 Dies waren 0,8 Prozent<br />
(425) weniger als ein Jahr zuvor.<br />
Im April des <strong>Bericht</strong>sjahres (2010) endete<br />
<strong>der</strong> seit Ende 2008 andauernde Anstieg <strong>der</strong><br />
Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Von<br />
November 2008, dem Monat, in dem <strong>der</strong> bisher<br />
niedrigste Bestand an Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Empfängern und -Empfängerinnen seit März<br />
2005 2 ermittelt wurde (50.653), bis April 2010<br />
war die Zahl <strong>der</strong> Frauen und Männer, die auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen waren, um<br />
nahezu 4.000 (7,8 Prozent) auf 54.619 gestiegen.<br />
Die bisher größte Zahl erwerbsfähiger<br />
Hilfebedürftiger im Sinne des SGB II (Hartz IV) 3<br />
wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremen mit 56.823 im<br />
Mai 2006 registriert.<br />
Von den insgesamt 52.798 Empfängerinnen<br />
und Empfängern von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II im<br />
Dezember 2010 waren 26.707 Frauen und<br />
26.091 Männer, 0,1 Prozent (20) weniger<br />
Frauen und 1,5 Prozent (405) weniger Männer<br />
als ein Jahr zuvor.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Frauen an den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen erreichte in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen im September 2008 mit 51,3 Prozent<br />
den bisher höchsten Stand. Mit dem Anstieg<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
sank <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Frauen bis April 2010<br />
auf 50,1 Prozent. Seitdem ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Frauen wie<strong>der</strong> leicht auf 50,6 Prozent im<br />
Dezember 2010 gestiegen (Dezember 2009:<br />
50,2 Prozent).<br />
Nachrichtlich: 4 In <strong>der</strong> Stadt Bremen erhielten<br />
im Dezember 2010 insgesamt 1.507 Menschen<br />
Hilfen zum Lebensunterhalt außerhalb<br />
von Einrichtungen gemäß Kapitel 3 SGB XII<br />
(Sozialhilfe), 134 (9,8 Prozent) mehr als ein<br />
Jahr zuvor. 207 davon waren Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 18 Jahren (Dezember 2009: 190),<br />
1.255 waren 18 bis unter 65 Jahre alt<br />
(Dezember 2009: 1.131) und 45 waren 65<br />
Jahre und älter (Dezember 2009: 52). Von den<br />
1.255 Menschen im Alter von 18 bis unter 65<br />
Jahren waren 630 (50,2 Prozent; Dezember<br />
2009: 563 beziehungsweise 49,8 Prozent)<br />
Frauen.<br />
1 Hier, soweit nicht an<strong>der</strong>s vermerkt, immer revidierte Daten<br />
nach einer Wartezeit von drei Monaten.<br />
2 Der dritte Monat nach Inkrafttreten des SGB II (Hartz IV);<br />
in diesem Monat dürfte die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Empfänger/innen noch unvollständig erfasst gewesen sein.<br />
3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für<br />
Ar<strong>bei</strong>tsuchende.<br />
4 Quelle: PROSOZ Bremen, übermittelt von <strong>der</strong> Senatorin für<br />
Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene<br />
Berechnungen.
Zu Abbildung 1.2:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />
1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen<br />
Stadt Bremen<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremen 5 waren im Dezember<br />
2010 von 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 146<br />
auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Dezember<br />
2009: 147). Von 1000 Männern im entsprechenden<br />
Alter waren dies 143 (Dezember<br />
2009: 146), von 1.000 Frauen 148 (wie im<br />
Dezember 2009).<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte, die Zahl <strong>der</strong><br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000<br />
Einwohner/innen, liegt in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong><br />
25- bis unter 50-Jährigen über diesem Durchschnitt,<br />
in den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter<br />
55-Jährigen und 55- bis unter 65-Jährigen<br />
darunter.<br />
Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen, wie im Durchschnitt<br />
aller Altersgruppen, 146 von 1.000<br />
Einwohnern und Einwohnerinnen dieser Altersgruppe<br />
auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen<br />
(Dezember 2009: 150). Die altersdifferenzierte<br />
Betrachtung dieser Altersgruppe zeigt: Die<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte unter den 15- bis<br />
unter 18-Jährigen ist mit 182 (Dezember 2009:<br />
194) wesentlich höher als unter den 18- bis<br />
unter 25-Jährigen. Von 1.000 Einwohnerinnen<br />
und Einwohnern im Alter von 18 bis unter 25<br />
Jahren waren 135 (Dezember 2009: 137) auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Männer: 125;<br />
Frauen: 145). Die relativ geringe Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />
in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 18- bis<br />
unter 25-Jährigen in <strong>der</strong> Stadt Bremen (vgl.<br />
Bremerhaven) dürfte in erster Linie auf den<br />
hohen Teil von Studentinnen und Studenten in<br />
dieser Altersgruppe <strong>zur</strong>ückzuführen sein, die<br />
grundsätzlich keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II haben.<br />
In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen<br />
waren im Dezember 2010 158 von 1.000<br />
Einwohnern und Einwohnerinnen dieser Altersgruppe<br />
Empfänger/innen von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II (Dezember 2009: 162). In <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 50- bis unter 55-Jährigen waren dies 132<br />
(Dezember 2009: 127) und in <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen – die Altersgruppe<br />
mit <strong>der</strong> trotz weiterem Anstieg immer noch<br />
niedrigsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte 6 – 115<br />
(Dezember 2009: 110).<br />
In den Altersgruppen von 15 bis unter 25<br />
und von 25 bis unter 50 Jahren ist die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />
<strong>bei</strong> den Frauen noch immer<br />
höher als <strong>bei</strong> den Männern: 154 von 1.000<br />
<strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 15 bis unter 25<br />
Jahren (Männer: 138 von 1.000) und 165 von<br />
1.000 <strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 25 bis unter<br />
50 Jahren (Männer: 151 von 1.000). In den<br />
Altersgruppen von 50 bis unter 55 und 55 bis<br />
unter 65 Jahren liegt die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Dichte <strong>bei</strong> den Frauen dagegen noch immer<br />
deutlich unter <strong>der</strong> <strong>bei</strong> den Männern: 122 von<br />
1.000 <strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 50 bis unter<br />
55 Jahren (Männer: 143 von 1.000), 106<br />
von 1.000 <strong>bei</strong> den Frauen im Alter von 55 bis<br />
unter 65 Jahren (Männer: 124 von 1.000).<br />
5 Die Quoten im Dezember 2010 beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong><br />
Einwohner/innen Ende 2009. In <strong>der</strong> Stadt Bremen lebten Ende<br />
2009 insgesamt 362.576 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />
unter 65 Jahren, darunter 180.720 Frauen. Von den 362.576<br />
Einwohnerinnen und Einwohnern im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren waren 63.208 15 bis unter 25 Jahre (darunter 31.807<br />
Frauen), 196.964 25 bis unter 50 Jahre (darunter 96.337 Frauen),<br />
37.505 50 bis unter 55 Jahre (darunter 19.138 Frauen)<br />
und 64.899 55 bis unter 65 Jahre alt (darunter 33.438 Frauen).<br />
Von den 63.208 Einwohnerinnen und Einwohnern im Alter von<br />
15 bis unter 25 Jahren waren 14.780 unter 18 Jahre (darunter<br />
7.205 Frauen) und 48.428 18 Jahre und älter (darunter 24.602<br />
Frauen).<br />
6 In dieser Altersgruppe bezieht bereits ein nicht unerheblicher Teil<br />
Altersrenten/Pensionen und hat deshalb grundsätzlich keinen<br />
Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (§ 7 Abs. 4 SGB II).<br />
75
76<br />
20.000<br />
18.000<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Abbildung 2.1:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremerhaven revidierte Daten*<br />
15.154 15.051 14.982 14.892 14.875 14.958 15.084 15.212 15.324<br />
7.614<br />
7.540<br />
Juli 2009<br />
7.579<br />
7.472<br />
August 2009<br />
7.545<br />
7.437<br />
September 2009<br />
7.486<br />
7.406<br />
Oktober 2009<br />
7.466<br />
7.409<br />
November 2009<br />
* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA).<br />
7.490<br />
7.468<br />
Dezember 2009<br />
7.553<br />
7.531<br />
Januar 2010<br />
7.565<br />
7.647<br />
Februar 2010<br />
7.634<br />
7.690<br />
März 2010<br />
15.339 15.272 15.296 15.272 15.225 15.158 15.092 14.984 14.930<br />
Abbildung 2.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />
Stadt Bremerhaven Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />
pro tausend<br />
202 197 207<br />
15 bis unter<br />
65 Jahren<br />
217 203<br />
15 bis unter<br />
25 Jahren<br />
232<br />
263 267<br />
15 bis unter<br />
18 Jahren<br />
7.632<br />
7.707<br />
April 2010<br />
7.601<br />
7.671<br />
* Einwohner/innen Ende 2009<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />
259<br />
201<br />
180<br />
18 bis unter<br />
25 Jahren<br />
224<br />
Mai 2010<br />
7.614<br />
7.682<br />
Juni 2010<br />
227<br />
215<br />
7.637<br />
7.635<br />
Juli 2010<br />
25 bis unter<br />
50 Jahren<br />
240<br />
7.596<br />
7.629<br />
August 2010<br />
170<br />
7.565<br />
7.593<br />
September 2010<br />
182<br />
50 bis unter<br />
55 Jahren<br />
7.524<br />
7.568<br />
Oktober 2010<br />
158<br />
7.474<br />
7.510<br />
November 2010<br />
7.413<br />
7.517<br />
Dezember 2010<br />
142 153<br />
55 bis unter<br />
65 Jahren<br />
Frauen<br />
Männer<br />
131<br />
Insgesamt<br />
Männer<br />
Frauen
Zu Abbildung 2.1: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
(SGB II), Stadt Bremerhaven<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven waren im Dezember<br />
insgesamt 14.930 Frauen und Männer im<br />
Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II angewiesen. Dies waren 0,2 Prozent<br />
(28) weniger als ein Jahr zuvor.<br />
Im April des <strong>Bericht</strong>sjahres (2010) endete<br />
<strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.<br />
Von November 2009, dem Monat,<br />
in dem <strong>der</strong> bisher niedrigste Bestand an<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängern und -Empfängerinnen<br />
seit Februar 2005 7 ermittelt wurde<br />
(14.875), bis April 2010 war die Zahl <strong>der</strong> Frauen<br />
und Männer, die auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
angewiesen waren, um 464 (3,1 Prozent) auf<br />
15.339 gestiegen. Die bisher größte Zahl<br />
erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des<br />
SGB II (Hartz IV) 8 wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
mit 17.405 im März 2006 registriert.<br />
Von den insgesamt 14.930 Empfängerinnen<br />
und Empfängern von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II im<br />
Dezember 2010 waren 7.413 Frauen und<br />
7.517 Männer, 1,0 Prozent (77) weniger Frauen<br />
und 0,7 Prozent (49) mehr Männer als<br />
ein Jahr zuvor.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Frauen an den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
im Oktober 2008 mit 51,0 Prozent<br />
den bisher höchsten Stand erreichte, sank im<br />
<strong>Bericht</strong>sjahr (2010) erstmals seit August 2007<br />
wie<strong>der</strong> unter 50 Prozent: 49,7 Prozent<br />
(Dezember 2009: 50,1 Prozent).<br />
Nachrichtlich: 9 Im Dezember 2010 erhielten<br />
insgesamt 281 Menschen Hilfen zum Lebensunterhalt<br />
außerhalb von Einrichtungen gemäß<br />
Kapitel 3 SGB XII (Sozialhilfe), zwei weniger als<br />
ein Jahr zuvor. 35 davon waren Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 18 Jahren, 243 waren 18 bis unter<br />
65 Jahre alt und drei waren 65 Jahre und älter.<br />
Von den 243 Menschen im Alter von 18 bis<br />
unter 65 Jahren waren 111 (45,7 Prozent)<br />
Frauen.<br />
Zu Abbildung 2.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Empfänger/innen pro 1.000<br />
Einwohner/innen nach Altersgruppen,<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 10 waren im<br />
Dezember 2010 von 1.000 Einwohnerinnen<br />
und Einwohnern im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren 202 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen<br />
(wie im Dezember 2009). Von 1.000 Männern<br />
im entsprechenden Alter waren dies 197<br />
(Dezember 2009: 196), von 1.000 Frauen 207<br />
(Dezember 2009: 209).<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte, die Zahl <strong>der</strong><br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen,<br />
lag damit in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
um 39 Prozent (Dezember 2009: 38<br />
Prozent) über <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Stadt Bremen. Bei den<br />
Männern betrug die negative Abweichung 38 Prozent<br />
(Dezember 2009: 35 Prozent), <strong>bei</strong> den Frauen<br />
40 Prozent (Dezember 2009: 41 Prozent).<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte liegt in den Altersgruppen<br />
<strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen und <strong>der</strong><br />
25- bis unter 50-Jährigen über dem Durchschnitt,<br />
in den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter 55-Jährigen<br />
und 55- bis unter 65-Jährigen darunter.<br />
In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen<br />
waren 217 von 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern<br />
auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Dezember<br />
2009: 226). Die altersdifferenzierte Betrachtung<br />
dieser Altersgruppe zeigt: Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Dichte unter den 15- bis unter 18-Jährigen ist mit<br />
263 deutlich höher als unter den 18- bis unter 25-<br />
Jährigen (201). Bei den Frauen ist dieser Unterschied<br />
zwischen diesen <strong>bei</strong>den Altersgruppen deutlich<br />
geringer ausgeprägt als <strong>bei</strong> den Männern. Von<br />
1.000 Frauen im Alter von 15 bis unter 18 Jahren<br />
waren 259 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (Männer:<br />
267), von 1.000 Frauen im Alter von 18 bis<br />
unter 25 Jahren 224 (Männer: 180).<br />
In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen<br />
waren dies 227 (wie im Dezember 2009). In<br />
<strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 50- bis unter 55-Jährigen<br />
waren dies 170 (Dezember 2009: 171) und in <strong>der</strong><br />
Altersgruppe <strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen – die<br />
Altersgruppe mit <strong>der</strong> niedrigsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />
II-Dichte 11 – 142 (Dezember 2009: 134).<br />
In den Altersgruppen von 15 bis unter 25 und<br />
von 25 bis unter 50 Jahren ist die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />
<strong>bei</strong> den Frauen höher als <strong>bei</strong> den<br />
Männern: 232 von 1.000 beziehungsweise 240<br />
von 1.000 <strong>bei</strong> den Frauen, 203 von 1.000 beziehungsweise<br />
215 von 1.000 <strong>bei</strong> den Männern. In<br />
den Altersgruppen von 50 bis unter 55 und 55 bis<br />
unter 65 Jahren liegt die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />
<strong>bei</strong> den Frauen dagegen unter <strong>der</strong> <strong>bei</strong> den Männern:<br />
158 von 1.000 beziehungsweise 131 von<br />
1.000 <strong>bei</strong> den Frauen und 182 von 1.000 beziehungsweise<br />
153 von 1.000 <strong>bei</strong> den Männern.<br />
77<br />
7 Der zweite Monat nach Inkrafttreten des SGB II (Hartz IV); in diesem Monat (Februar 2005)<br />
dürfte die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen noch unvollständig erfasst<br />
gewesen sein.<br />
8 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende.<br />
9 Quelle: Open PROSOZ, übermittelt von <strong>der</strong> Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit,<br />
Jugend und Soziales.<br />
10 Die Quoten im Dezember 2010 beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong> Einwohner/innen Ende<br />
2009. In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven lebten Ende 2009 insgesamt 73.932 Einwohner/innen im<br />
Alter von 15 bis unter 65 Jahren, darunter 35.851 Frauen. Von den 73.932 Einwohnerinnen<br />
und Einwohnern im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 13.812 15 bis unter 25<br />
Jahre (darunter 6.684 Frauen), 37.254 25 bis unter 50 Jahre (darunter 17.649 Frauen),<br />
8.435 50 bis unter 55 Jahre (darunter 4.244 Frauen) und 14.431 55 bis unter 65 Jahre<br />
alt (darunter 7.274 Frauen). Von den 13.812 Einwohnerinnen und Einwohnern im Alter von<br />
15 bis unter 25 Jahren waren 3.453 unter 18 Jahre (darunter 1.635 Frauen) und 10.359<br />
18 Jahre und älter (darunter 5.049 Frauen).<br />
11 In dieser Altersgruppe bezieht bereits ein nicht unerheblicher Teil Altersrenten/Pensionen<br />
und hat deshalb grundsätzlich keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (§ 7 Abs. 4 SGB II).
78<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 1.1: Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II –<br />
Stadt Bremen<br />
revidierte Daten<br />
Dezember März Juni September Dezember<br />
2009 2010 2010 2010 2010<br />
Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 73.933 75.639 75.536 74.454 73.547<br />
Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter (Personen insgesamt)<br />
1,86 1,85 1,85 1,85 1,85<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 53.223 54.587 54.587 53.621 52.798<br />
eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,34 1,34 1,34 1,33 1,33<br />
n Männer 26.496 27.213 27.182 26.541 26.091<br />
n Frauen 26.727 27.374 27.405 27.080 26.707<br />
n Frauen (in % von eHb)<br />
Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />
50,2% 50,1% 50,2% 50,5% 50,6%<br />
15 bis unter 25 Jahren 9.494 9.845 9.909 9.550 9.243<br />
15 bis unter 25 Jahre (in % von eHb) 17,8% 18,0% 18,2% 17,8% 17,5%<br />
n Männer (15 bis unter 25) 4.481 4.657 4.694 4.493 4.337<br />
n Frauen (15 bis unter 25) 5.013 5.188 5.215 5.057 4.906<br />
n Frauen (in % von eHb 15 bis unter 25) 52,8% 52,7% 52,6% 53,0% 53,1%<br />
25 bis unter 50 Jahren 31.830 32.467 32.277 31.700 31.156<br />
25 bis unter 50 Jahre (in % von eHb) 59,8% 59,5% 59,1% 59,1% 59,0%<br />
n Männer (25 bis unter 50) 15.782 16.103 15.951 15.557 15.233<br />
n Frauen (25 bis unter 50) 16.048 16.364 16.326 16.143 15.923<br />
n Frauen (in % von eHb 25 bis unter 50) 50,4% 50,4% 50,6% 50,9% 51,1%<br />
50 bis unter 55 Jahren 4.758 4.952 4.983 4.955 4.967<br />
50 bis unter 55 Jahre (in % von eHb) 8,9% 9,1% 9,1% 9,2% 9,4%<br />
n Männer (50 bis unter 55) 2.491 2.608 2.628 2.586 2.625<br />
n Frauen (50 bis unter 55) 2.267 2.344 2.355 2.369 2.342<br />
n Frauen (in % von eHb 50 bis unter 55) 47,6% 47,3% 47,3% 47,8% 47,2%<br />
55 bis unter 65 Jahren 7.141 7.323 7.418 7.416 7.432<br />
55 bis unter 65 Jahre (in % von eHb) 13,4% 13,4% 13,6% 13,8% 14,1%<br />
n Männer (55 bis unter 65) 3.742 3.845 3.909 3.905 3.896<br />
n Frauen (55 bis unter 65) 3.399 3.478 3.509 3.511 3.536<br />
n Frauen (in % von eHb 55 bis unter 65) 47,6% 47,5% 47,3% 47,3% 47,6%<br />
1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II) und nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />
2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 1.1:<br />
Empfängerinnen und Empfänger<br />
von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
Stadt Bremen<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremen lebten im Dezember 2010<br />
insgesamt 73.547 Menschen im Alter von<br />
unter 65 Jahren in 39.789 sogenannten SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften 12 , darunter 52.798<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />
SGB II 13 . Dies waren insgesamt 386 (0,5 Prozent)<br />
Hilfebedürftige weniger als ein Jahr zuvor<br />
– 425 (0,8 Prozent) weniger erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige und 39 (0,2 Prozent) mehr nicht<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />
Im Dezember 2010 lag die Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />
hilfebedürftigen Männer 405 (1,5 Prozent),<br />
die <strong>der</strong> erwerbsfähigen hilfebedürftigen<br />
Frauen 20 (0,1 Prozent) unter dem entsprechenden<br />
Bestand ein Jahr zuvor. Der Anteil <strong>der</strong><br />
Frauen an den 52.798 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
im Dezember 2010 betrug 50,6 Prozent<br />
(Dezember 2009: 50,2 Prozent).<br />
In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong><br />
Stadt Bremen lebten im Dezember 2010 durchschnittlich<br />
1,85 Personen (Dezember 2009:<br />
1,86), davon 1,33 erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
und 0,52 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />
17,5 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
im Dezember 2010 waren 15 bis unter 25<br />
Jahre (Dezember 2009 17,8 Prozent), 59,0<br />
Prozent waren 25 bis unter 50 Jahre (Dezember<br />
2009: 59,8 Prozent), 9,4 Prozent waren 50<br />
bis unter 55 Jahre (Dezember 2009: 8,9 Prozent)<br />
und 14,1 Prozent waren 55 bis unter 65<br />
Jahre alt (Dezember 2009: 13,4 Prozent). Der<br />
Anteil <strong>der</strong> älteren erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt ist im Vergleich zum Dezember<br />
2009 weiter gestiegen. Im Dezember 2010<br />
waren 23,5 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen 50 Jahre und älter. Im Dezember<br />
2009 waren dies 22,4 Prozent. 14<br />
Der im <strong>Bericht</strong>sjahr (2010) leicht gestiegene<br />
Anteil <strong>der</strong> Frauen an den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Empfängerinnen und -Empfängern ist in <strong>der</strong><br />
Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen am<br />
höchsten. Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong><br />
Stadt Bremen 53,1 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen im Alter von 15 bis unter 25<br />
Jahren Frauen (Dezember 2009: 52,8 Prozent).<br />
Auch in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25- bis unter<br />
50-Jährigen lag <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Frauen an den<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfängern<br />
im Dezember 2010 mit 51,1 Prozent<br />
über dem Durchschnitt von 50,6 Prozent. 15<br />
In den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter 55und<br />
55- bis unter 65-Jährigen lag <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
mit 47,2 beziehungsweise 47,6 Prozent<br />
(Dezember 2010) weiterhin deutlich unter dem<br />
Anteil <strong>der</strong> Frauen an den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen insgesamt.<br />
Nachrichtlich: 57,5 Prozent <strong>der</strong> 54.587<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Juni 2010 16<br />
waren bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger 17 auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen. Von den 27.182<br />
Männern waren dies 54,2 Prozent, von den<br />
27.405 Frauen 60,7 Prozent. In <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 50- bis unter 65-Jährigen waren 71,8<br />
Prozent <strong>der</strong> 12.401 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger hilfebedürftig<br />
im Sinne des SGB II.<br />
12 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
vergleiche Tabelle 2.1.<br />
13 Neben den 52.798 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
20.749 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />
Empfänger/innen), darunter 19.823 Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />
15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />
14 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />
15 Eine differenzierte Betrachtung <strong>der</strong> Altersstruktur <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen (z.B. in Fünf-Jahres-Altersgruppen)<br />
würde vermutlich zeigen, dass <strong>der</strong> Frauenanteil insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den Altersgruppen <strong>der</strong> 25- bis unter 30- und 30- bis unter<br />
35-Jährigen noch über diesen 51,1 Prozent liegt. Die einseitige<br />
Verteilung <strong>der</strong> Betreuungspflichten für Kin<strong>der</strong> dürfte – in Verbindung<br />
mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten – <strong>der</strong><br />
wesentliche Grund dafür sein.<br />
16 Daten <strong>zur</strong> Verweildauer <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im<br />
Dezember 2010 liegen gegenwärtig noch nicht vor.<br />
17 ›Die ›bisherige Dauer‹ misst, wie lange ein Hilfebedürftiger bis<br />
zum Messzeitpunkt dem Bestand angehört‹ (Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur<br />
für Ar<strong>bei</strong>t).<br />
79
80<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 1.2: Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II –<br />
Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten<br />
Dezember März Juni September Dezember<br />
2009 2010 2010 2010 2010<br />
Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 20.779 21.200 21.121 20.988 20.690<br />
Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter (Personen insgesamt)<br />
1,91 1,90 1,89 1,88 1,88<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 14.958 15.324 15.296 15.158 14.930<br />
eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,37 1,37 1,37 1,36 1,36<br />
n Männer 7.468 7.690 7.682 7.593 7.517<br />
n Frauen 7.490 7.634 7.614 7.565 7.413<br />
n Frauen (in % von eHb)<br />
Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />
50,1% 49,8% 49,8% 49,9% 49,7%<br />
15 bis unter 25 Jahren 3.124 3.239 3.191 3.081 2.996<br />
15 bis unter 25 Jahre (in % von eHb) 20,9% 21,1% 20,9% 20,3% 20,1%<br />
n Männer (15 bis unter 25) 1.513 1.568 1.524 1.471 1.444<br />
n Frauen (15 bis unter 25) 1.611 1.671 1.667 1.610 1.552<br />
n Frauen (in % von eHb 15 bis unter 25) 51,6% 51,6% 52,2% 52,3% 51,8%<br />
25 bis unter 50 Jahren 8.456 8.624 8.617 8.575 8.450<br />
25 bis unter 50 Jahre (in % von eHb) 56,5% 56,3% 56,3% 56,6% 56,6%<br />
n Männer (25 bis unter 50) 4.173 4.285 4.299 4.269 4.213<br />
n Frauen (25 bis unter 50) 4.283 4.339 4.318 4.306 4.237<br />
n Frauen (in % von eHb 25 bis unter 50) 50,7% 50,3% 50,1% 50,2% 50,1%<br />
50 bis unter 55 Jahren 1.445 1.489 1.475 1.452 1.433<br />
50 bis unter 55 Jahre (in % von eHb) 9,7% 9,7% 9,6% 9,6% 9,6%<br />
n Männer (50 bis unter 55) 759 790 776 762 764<br />
n Frauen (50 bis unter 55) 686 699 699 690 669<br />
n Frauen (in % von eHb 50 bis unter 55) 47,5% 46,9% 47,4% 47,5% 46,7%<br />
55 bis unter 65 Jahren 1.933 1.972 2.013 2.050 2.051<br />
55 bis unter 65 Jahre (in % von eHb) 12,9% 12,9% 13,2% 13,5% 13,7%<br />
n Männer (55 bis unter 65) 1.023 1.047 1.083 1.091 1.096<br />
n Frauen (55 bis unter 65) 910 925 930 959 955<br />
n Frauen (in % von eHb 55 bis unter 65) 47,1% 46,9% 46,2% 46,8% 46,6%<br />
1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II) und nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />
2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 1.2:<br />
Empfängerinnen und Empfänger<br />
von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven lebten im Dezember<br />
2010 insgesamt 20.690 Menschen im Alter von<br />
unter 65 Jahren in 11.017 sogenannten SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften 18 , darunter 14.930<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />
SGB II. 19 Dies waren insgesamt 89 (0,4 Prozent)<br />
Hilfebedürftige weniger als ein Jahr zuvor<br />
– 28 (0,2 Prozent) weniger erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige und 61 (1,0 Prozent)<br />
weniger nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />
Im Dezember 2010 lag die Zahl <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />
hilfebedürftigen Männer 49 (0,7 Prozent)<br />
über und die <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />
hilfebedürftigen Frauen 77 (1,0 Prozent) unter<br />
dem entsprechenden Bestand ein Jahr zuvor.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Frauen an den 14.930 erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen im Dezember 2010<br />
betrug 49,7 Prozent (7.413) – 0,4 Prozentpunkte<br />
weniger als ein Jahr zuvor.<br />
In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong><br />
Stadt Bremerhaven lebten im Dezember 2010<br />
durchschnittlich 1,88 Personen (Dezember<br />
2009: 1,91), davon 1,36 erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige und 0,52 nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige.<br />
20,1 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
im Dezember 2010 waren 15 bis unter 25<br />
Jahre (Dezember 2009: 20,9 Prozent), 56,6<br />
Prozent waren 25 bis unter 50 Jahre (Dezember<br />
2009: 56,5 Prozent), 9,6 Prozent waren 50<br />
bis unter 55 Jahre (Dezember 2009: 9,7 Prozent)<br />
und 13,7 Prozent waren 55 bis unter 65<br />
Jahre alt (Dezember 2009: 12,9 Prozent). Der<br />
Anteil <strong>der</strong> älteren erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt ist im Vergleich zum Dezember<br />
2009 weiter gestiegen. Im Dezember 2010<br />
waren 23,3 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen 50 Jahre und älter. Im Dezember<br />
2009 waren dies 22,6 Prozent.<br />
Beim Vergleich mit den entsprechenden<br />
Daten für die Stadt Bremen fällt auf: Der Anteil<br />
<strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen an den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen ist auch im Dezember<br />
2010 in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven noch immer<br />
deutlich größer als in <strong>der</strong> Stadt Bremen. 20<br />
Der im Verlauf <strong>der</strong> letzten zwölf Monate<br />
(Dezember 2009 bis Dezember 2010) leicht<br />
gesunkene Anteil <strong>der</strong> Frauen an den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
und -Empfängern ist<br />
in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-Jährigen<br />
am höchsten. Im Dezember 2010 waren in<br />
<strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 51,8 Prozent <strong>der</strong><br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Alter von 15<br />
bis unter 25 Jahren Frauen (Dezember 2009:<br />
51,6 Prozent). Leicht über dem Durchschnitt<br />
lag im Dezember 2010 auch <strong>der</strong> im Verlauf des<br />
<strong>Bericht</strong>sjahres auf 50,1 Prozent gesunkene<br />
Anteil <strong>der</strong> Frauen in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 25bis<br />
unter 50-Jährigen (Dezember 2009: 50,7<br />
Prozent). 21<br />
In den Altersgruppen <strong>der</strong> 50- bis unter 55und<br />
55- bis unter 65-Jährigen lag <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
im Dezember 2010 mit 46,7 beziehungsweise<br />
46,6 Prozent deutlich unter dem Anteil <strong>der</strong><br />
Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt (Dezember 2009: 47,5 Prozent<br />
beziehungsweise 47,1 Prozent).<br />
Nachrichtlich: 60,5 Prozent <strong>der</strong> 15.296<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Juni 2010 22<br />
waren bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger 23 auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen. Von den 7.682<br />
Männern waren dies 57,5 Prozent, von den<br />
7.614 Frauen 63,6 Prozent. In <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 50- bis unter 65-Jährigen waren 72,9 Prozent<br />
<strong>der</strong> 3.488 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
bereits zwei Jahre o<strong>der</strong> länger hilfebedürftig im<br />
Sinne des SGB II.<br />
18 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
vergleiche Tabelle 2.2.<br />
19 Neben den 14.930 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
5.760 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />
Empfänger/innen), darunter 5.571 Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />
15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />
20 Vergleiche Tabelle 1.1.<br />
21 Eine differenzierte Betrachtung <strong>der</strong> Altersstruktur <strong>der</strong> Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 25- bis unter 50-Jährigen (z. B. in Fünf-Jahres-Altersgruppen)<br />
würde vermutlich zeigen, dass <strong>der</strong> Frauenanteil insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den Altersgruppen <strong>der</strong> 25- bis unter 30- und 30- bis unter<br />
35-Jährigen über diesen 50,1 Prozent liegt. Die einseitige Verteilung<br />
<strong>der</strong> Betreuungspflichten für Kin<strong>der</strong> dürfte – in Verbindung<br />
mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten – <strong>der</strong> wesentliche<br />
Grund dafür sein.<br />
22 Daten <strong>zur</strong> Verweildauer <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im<br />
Dezember 2010 liegen gegenwärtig noch nicht vor.<br />
23 Die ›bisherige Dauer‹ misst, wie lange ein Hilfebedürftiger bis<br />
zum Messzeitpunkt dem Bestand angehört (Statistik <strong>der</strong><br />
Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t).<br />
81
82<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 2.1:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremen<br />
revidierte Daten<br />
Dezember März Juni September Dezember<br />
2009 2010 2010 2010 2010<br />
Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />
davon (BG = 100%)<br />
39.826 40.815 40.801 40.260 39.789<br />
n mit einer Person 1<br />
23.005 23.648 23.697 23.404 23.158<br />
n mit einer Person 1 (in % von BG) 57,8% 57,9% 58,1% 58,1% 58,2%<br />
n mit zwei Personen 2<br />
7.496 7.680 7.643 7.576 7.490<br />
n mit zwei Personen 2 (in % von BG) 18,8% 18,8% 18,7% 18,8% 18,8%<br />
n mit drei Personen 2<br />
4.604 4.638 4.612 4.521 4.440<br />
n mit drei Personen 2 (in % von BG) 11,6% 11,4% 11,3% 11,2% 11,2%<br />
n mit vier Personen 2<br />
2.713 2.796 2.799 2.731 2.671<br />
n mit vier Personen 2 (in % von BG) 6,8% 6,9% 6,9% 6,8% 6,7%<br />
n mit fünf und mehr Personen 2<br />
2.008 2.053 2.050 2.028 2.030<br />
n mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 5,0% 5,0% 5,0% 5,0% 5,1%<br />
davon (BG = 100%)<br />
n mit einer/einem eHb 3<br />
29.146 29.835 29.854 29.572 29.271<br />
n mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 73,2% 73,1% 73,2% 73,5% 73,6%<br />
n mit zwei eHb 3<br />
8.362 8.616 8.582 8.409 8.305<br />
n mit zwei eHb 3 (in % von BG) 21,0% 21,1% 21,0% 20,9% 20,9%<br />
n mit drei eHb 3<br />
1.568 1.591 1.603 1.506 1.465<br />
n mit drei eHb 3 (in % von BG) 3,9% 3,9% 3,9% 3,7% 3,7%<br />
n mit vier und mehr eHb 3<br />
623 644 647 638 593<br />
n mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,6% 1,6% 1,6% 1,6% 1,5%<br />
n ohne eHb 4<br />
127 129 115 135 155<br />
n ohne eHb 4 (in % von BG) 0,3% 0,3% 0,3% 0,3% 0,4%<br />
darunter (BG = 100%)<br />
n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (BG mit Kin<strong>der</strong>n) 11.833 12.009 11.939 11.851 11.798<br />
n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (in % von BG)<br />
davon (BG mit Kin<strong>der</strong>n = 100%)<br />
29,7% 29,4% 29,3% 29,4% 29,7%<br />
n mit einem Kind 6.454 6.538 6.500 6.436 6.418<br />
n mit einem Kind (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 54,5% 54,4% 54,4% 54,3% 54,4%<br />
n mit zwei Kin<strong>der</strong>n 3.571 3.629 3.603 3.585 3.544<br />
n mit zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 30,2% 30,2% 30,2% 30,3% 30,0%<br />
n mit drei Kin<strong>der</strong>n 1.258 1.272 1.267 1.256 1.262<br />
n mit drei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 10,6% 10,6% 10,6% 10,6% 10,7%<br />
n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 550 570 569 574 574<br />
n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 4,6% 4,7% 4,8% 4,8% 4,9%<br />
1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahren) (= Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II)<br />
4 BG ohne erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n); ›eHb mit Ausschlussgrund, vor allem (alleinerziehende) Studentinnen/Studenten mit Kind,<br />
die selbst keinen Anspruch auf Alg II haben (wg. grundsätzlichem Anspruch auf BAföG), aber Anspruch auf SGB-II-Leistung für ihr Kind<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 2.1:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
Stadt Bremen<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremen wurden im Dezember<br />
2010 insgesamt 39.789 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />
im Sinne des SGB II 24 gezählt,<br />
37 (0,1 Prozent) weniger als im Dezember<br />
2009.<br />
In 58,2 Prozent (23.158) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />
lebte jeweils lediglich eine Person<br />
(Dezember 2009: 57,8 Prozent).<br />
In 18,8 Prozent (7.490) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten zwei, in 11,2 Prozent (4.440)<br />
drei, in 6,7 Prozent (2.671) vier und in 5,1<br />
Prozent (2.030) fünf und mehr Personen – in<br />
<strong>der</strong> Regel mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />
und weitere erwerbsfähige o<strong>der</strong> nicht<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige. 25<br />
73,6 Prozent (29.271) <strong>der</strong> insgesamt<br />
39.789 Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen waren Bedarfsgemeinschaften, in<br />
denen lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />
lebte (Dezember 2009: 73,2 Prozent).<br />
In den Bedarfsgemeinschaften mit einem<br />
o<strong>der</strong> einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
lebten 55,4 Prozent (29.271) <strong>der</strong> insgesamt<br />
52.798 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
(Dezember 2009: 54,8 Prozent).<br />
Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten<br />
in 20,9 Prozent (8.305) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />
Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
lebten insgesamt 16.610 beziehungsweise<br />
31,5 Prozent <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremen (Dezember<br />
2009: 21,0 Prozent <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />
beziehungsweise 31,4 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen).<br />
Drei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />
1.465 (3,7 Prozent; Dezember 2009: 3,9 Prozent),<br />
vier und mehr in 593 (1,5 Prozent;<br />
Dezember 2009: 1,6 Prozent) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />
Im Dezember 2010 lebten in 29,7 Prozent<br />
(11.798) <strong>der</strong> SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in<br />
<strong>der</strong> Stadt Bremen Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />
15 Jahren (wie im Dezember 2009).<br />
In 54,4 Prozent (6.418) dieser 11.798<br />
Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />
von unter 15 Jahren. In 30,0 Prozent (3.544)<br />
<strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n lebten<br />
zwei, in 10,7 Prozent (1.262) drei und in 4,9<br />
Prozent (574) vier und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 15 Jahren.<br />
24 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />
25 155 Bedarfsgemeinschaften waren im Dezember 2010 als<br />
Bedarfsgemeinschaften ohne eine(n) erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n)<br />
erfasst. Es handelt sich hier um Bedarfsgemeinschaften,<br />
in denen <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Erwerbsfähige keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II haben. Da<strong>bei</strong> handelt es sich nach Auskunft <strong>der</strong><br />
Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t vor allem um (alleinerziehende)<br />
Studentinnen/Studenten mit Kind(ern). Diese haben wegen<br />
eines grundsätzlichen Anspruchs auf Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
(BAföG) keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, aber gegebenenfalls<br />
Anspruch auf SGB-II-Leistungen für ihr(e) Kind(er).<br />
83
84<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 2.2:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten<br />
Dezember März Juni September Dezember<br />
2009 2010 2010 2010 2010<br />
Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />
davon (BG = 100%)<br />
10.906 11.158 11.179 11.147 11.017<br />
n mit einer Person 1<br />
6.068 6.233 6.286 6.335 6.297<br />
n mit einer Person 1 (in % von BG) 55,6% 55,9% 56,2% 56,8% 57,2%<br />
n mit zwei Personen 2<br />
2.163 2.217 2.228 2.171 2.123<br />
n mit zwei Personen 2 (in % von BG) 19,8% 19,9% 19,9% 19,5% 19,3%<br />
n mit drei Personen 2<br />
1.327 1.323 1.284 1.277 1.259<br />
n mit drei Personen 2 (in % von BG) 12,2% 11,9% 11,5% 11,5% 11,4%<br />
n mit vier Personen 2<br />
728 753 760 731 715<br />
n mit vier Personen 2 (in % von BG) 6,7% 6,7% 6,8% 6,6% 6,5%<br />
n mit fünf und mehr Personen 2<br />
620 632 621 633 623<br />
n mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 5,7% 5,7% 5,6% 5,7% 5,7%<br />
davon (BG = 100%)<br />
n mit einer/einem eHb 3<br />
7.777 7.951 8.013 8.027 7.981<br />
n mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 71,3% 71,3% 71,7% 72,0% 72,4%<br />
n mit zwei eHb 3<br />
2.418 2.473 2.428 2.422 2.339<br />
n mit zwei eHb 3 (in % von BG) 22,2% 22,2% 21,7% 21,7% 21,2%<br />
n mit drei eHb 3<br />
506 512 528 486 487<br />
n mit drei eHb 3 (in % von BG) 4,6% 4,6% 4,7% 4,4% 4,4%<br />
n mit vier und mehr eHb 3<br />
192 209 197 195 191<br />
n mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,8% 1,9% 1,8% 1,7% 1,7%<br />
n ohne eHb 4<br />
13 13 13 17 19<br />
n ohne eHb 4 (in % von BG) 0,1% 0,1% 0,1% 0,2% 0,2%<br />
darunter (BG = 100%)<br />
n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (BG mit Kin<strong>der</strong>n) 3.290 3.328 3.296 3.277 3.234<br />
n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 15 Jahren) (in % von BG)<br />
davon (BG mit Kin<strong>der</strong>n = 100%)<br />
30,2% 29,8% 29,5% 29,4% 29,4%<br />
n mit einem Kind 1.786 1.812 1.788 1.758 1.737<br />
n mit einem Kind (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 54,3% 54,4% 54,2% 53,6% 53,7%<br />
n mit zwei Kin<strong>der</strong>n 942 946 948 948 940<br />
n mit zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 28,6% 28,4% 28,8% 28,9% 29,1%<br />
n mit drei Kin<strong>der</strong>n 370 384 375 378 359<br />
n mit drei Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 11,2% 11,5% 11,4% 11,5% 11,1%<br />
n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 192 186 185 193 198<br />
n mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von BG mit Kin<strong>der</strong>n) 5,8% 5,6% 5,6% 5,9% 6,1%<br />
1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahren) (= Empfängerinnen und Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II)<br />
4 BG ohne erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n); ›eHb mit Ausschlussgrund‹, vor allem (alleinerziehende)<br />
Studentinnen/Studenten mit Kind, die selbst keinen Anspruch auf Alg II haben (wg. grundsätzlichem Anspruch auf<br />
BAföG), aber Anspruch auf SGB-II-Leistung für ihr Kind<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 2.2:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven wurden im Dezember<br />
2010 insgesamt 11.017 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />
im Sinne des SGB II 26 gezählt,<br />
111 (1,0 Prozent) mehr als im Dezember 2009.<br />
In 57,2 Prozent (6.297) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />
lebte jeweils lediglich eine Person<br />
(Dezember 2009: 55,6 Prozent).<br />
In 19,3 Prozent (2.123) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten zwei, in 11,4 Prozent (1.259)<br />
drei, in 6,5 Prozent (715) vier und in 5,7 Prozent<br />
(623) fünf und mehr Personen – in <strong>der</strong><br />
Regel mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />
und weitere erwerbsfähige o<strong>der</strong> nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige. 27<br />
72,4 Prozent (7.981) <strong>der</strong> insgesamt 11.017<br />
Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
waren Bedarfsgemeinschaften, in denen<br />
lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
o<strong>der</strong> ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger lebte<br />
(Dezember 2009: 71,3 Prozent).<br />
In den Bedarfsgemeinschaften mit einem<br />
o<strong>der</strong> einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebten<br />
53,5 Prozent (7.981) <strong>der</strong> insgesamt 14.930<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen.<br />
Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />
21,2 Prozent (2.339) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />
Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebten<br />
insgesamt 4.678 beziehungsweise 31,3 Prozent<br />
<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in <strong>der</strong><br />
Stadt Bremerhaven (Dezember 2009: 22,2 Prozent<br />
<strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften beziehungsweise<br />
32,3 Prozent <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen).<br />
Drei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in 487<br />
(4,4 Prozent; Dezember 2009: 4,6 Prozent),<br />
vier und mehr in 191 (1,7 Prozent; Dezember<br />
2009: 1,8 Prozent) <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften.<br />
Im Dezember 2010 lebten in 29,4 Prozent<br />
(3.234) <strong>der</strong> SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong><br />
Stadt Bremerhaven Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />
15 Jahren (Dezember 2009: 30,2 Prozent).<br />
In 53,7 Prozent (1.737) dieser 3.234<br />
Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />
von unter 15 Jahren. In 29,1 Prozent (940) <strong>der</strong><br />
Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n lebten zwei,<br />
in 11,1 Prozent (359) drei und in 6,1 Prozent<br />
(198) vier und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />
15 Jahren.<br />
26 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />
27 19 Bedarfsgemeinschaften waren im Dezember 2010 als<br />
Bedarfsgemeinschaften ohne eine(n) erwerbsfähige(n) Hilfebedürftige(n)<br />
erfasst. Es handelt sich hier um Bedarfsgemeinschaften,<br />
in denen <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Erwerbsfähige keinen Anspruch auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II haben. Da<strong>bei</strong> handelt es sich nach Auskunft<br />
<strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t vor allem um (alleinerziehende)<br />
Studentinnen/Studenten mit Kind(ern). Diese haben<br />
wegen eines grundsätzlichen Anspruchs auf Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
(BAföG) keinen Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, aber gegebenenfalls<br />
Anspruch auf SGB-II-Leistungen für ihr(e) Kind(er).<br />
85
86<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 3.1: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose<br />
im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremen<br />
Alg II: revidierte Daten<br />
Dezember März Juni September Dezember<br />
2009 2010 2010 2010 2010<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 53.223 54.587 54.587 53.621 52.798<br />
n Männer 26.496 27.213 27.182 26.541 26.091<br />
n Frauen 26.727 27.374 27.405 27.080 26.707<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II 22.485 23.620 23.470 23.424 22.672<br />
in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 42,2% 43,3% 43,0% 43,7% 42,9%<br />
n Männer 12.748 13.387 13.190 13.026 12.703<br />
n Männer (in % von eHb – Männer) 48,1% 49,2% 48,5% 49,1% 48,7%<br />
n Frauen 9.737 10.233 10.280 10.398 9.969<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen) 36,4% 37,4% 37,5% 38,4% 37,3%<br />
eHb – 15 bis unter 25 Jahren 9.494 9.845 9.909 9.550 9.243<br />
n Männer (15 bis unter 25) 4.481 4.657 4.694 4.493 4.337<br />
n Frauen (15 bis unter 25) 5.013 5.188 5.215 5.057 4.906<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – unter 25 Jahren 1.761 1.926 1.910 1.836 1.823<br />
in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahren 18,5% 19,6% 19,3% 19,2% 19,7%<br />
n Männer (15 bis unter 25) 1.018 1.099 1.066 1.014 1.041<br />
n Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 22,7% 23,6% 22,7% 22,6% 24,0%<br />
n Frauen (15 bis unter 25) 743 827 844 822 782<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 14,8% 15,9% 16,2% 16,3% 15,9%<br />
eHb – 25 bis unter 55 Jahren 36.588 37.419 37.260 36.655 36.123<br />
n Männer (25 bis unter 55) 18.273 18.711 18.579 18.143 17.858<br />
n Frauen (25 bis unter 55) 18.315 18.708 18.681 18.512 18.265<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahren 18.604 19.444 19.189 19.190 18.403<br />
in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahren 50,8% 52,0% 51,5% 52,4% 50,9%<br />
n Männer (25 bis unter 55) 10.595 11.076 10.820 10.703 10.310<br />
n Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 58,0% 59,2% 58,2% 59,0% 57,7%<br />
n Frauen (25 bis unter 55) 8.009 8.368 8.369 8.487 8.093<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 43,7% 44,7% 44,8% 45,8% 44,3%<br />
eHb – 55 bis unter 65 Jahren 7.141 7.323 7.418 7.416 7.432<br />
n Männer (55 bis unter 65) 3.742 3.845 3.909 3.905 3.896<br />
n Frauen (55 bis unter 65) 3.399 3.478 3.509 3.511 3.536<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahren 2.120 2.250 2.371 2.398 2.446<br />
in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahren 29,7% 30,7% 32,0% 32,3% 32,9%<br />
n Männer (55 bis unter 65) 1.135 1.212 1.304 1.309 1.352<br />
n Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 30,3% 31,5% 33,4% 33,5% 34,7%<br />
n Frauen (55 bis unter 65) 985 1.038 1.067 1.089 1.094<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 29,0% 29,8% 30,4% 31,0% 30,9%<br />
1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 3.1:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />
registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />
Stadt Bremen<br />
Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
0,8 Prozent (425) weniger Frauen und<br />
Männer auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen als<br />
ein Jahr zuvor. Im entsprechenden Zeitraum<br />
stieg die Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosen im Rechtskreis<br />
SGB II um 0,8 Prozent (187).<br />
Von den 52.798 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
und -Empfängern waren 42,9 Prozent<br />
(22.672) als Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />
registriert 28 (Dezember 2009: 42,2 Prozent).<br />
Demnach waren 30.126 (57,1 Prozent)<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen nicht<br />
ar<strong>bei</strong>tslos beziehungsweise nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose<br />
registriert, 612 (2,0 Prozent) weniger als<br />
ein Jahr zuvor. Die Gründe für die Zuordnung<br />
von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängern und -Empfängerinnen<br />
zum Status ›nicht ar<strong>bei</strong>tslos‹ sind<br />
im Wesentlichen: Schulbesuch, Erwerbstätigkeit<br />
von mindestens 15 Wochenstunden, Teilnahme<br />
an einer Maßnahme <strong>zur</strong> ›Einglie<strong>der</strong>ung<br />
in Ar<strong>bei</strong>t‹ o<strong>der</strong> ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen<br />
<strong>der</strong> Betreuung von Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> pflegebedürftigen<br />
Angehörigen.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslos registrierten<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt differiert<br />
alters-, geschlechtsspezifisch und auch<br />
zwischen den Stadtteilen erheblich.<br />
Im Dezember 2010 waren 48,7 Prozent <strong>der</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger (männlich), aber<br />
nur 37,3 Prozent <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
als Ar<strong>bei</strong>tslose registriert. 29 Die<br />
erheblich niedrigere Quote <strong>bei</strong> den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
dürfte im Wesentlichen<br />
auf die ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen<br />
<strong>der</strong> Betreuung von (kleinen) Kin<strong>der</strong>n <strong>zur</strong>ückzuführen<br />
sein. 30<br />
In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-<br />
Jährigen waren lediglich 19,7 Prozent <strong>der</strong><br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als Ar<strong>bei</strong>tslose<br />
im Rechtskreis SGB II registriert: 24,0 Prozent<br />
<strong>der</strong> männlichen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
und lediglich 15,9 Prozent <strong>der</strong> weiblichen<br />
(Dezember 2009: 22,7 Prozent Männer; 14,8<br />
Prozent Frauen).<br />
Die höchste Quote (Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosen<br />
im Rechtskreis SGB II an den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen) wurde für die Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 25- bis unter 55-Jährigen errechnet. Sie<br />
betrug im Dezember 2010 50,9 Prozent <strong>bei</strong><br />
den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dieser<br />
Altersgruppe insgesamt (Dezember 2009:<br />
50,8 Prozent). Von den Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Empfängern (männlich) dieser Altersgruppe<br />
waren 57,7 Prozent registriert (Dezember<br />
2009: 58,0 Prozent), von den Ar<strong>bei</strong>tslosen-<br />
geld-II-Empfängerinnen lediglich 44,3 Prozent<br />
(Dezember 2009: 43,7 Prozent).<br />
Eine sehr niedrige, im <strong>Bericht</strong>sjahr (2010)<br />
aber leicht gestiegene Quote wurde für die<br />
Altersgruppe <strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen<br />
ermittelt: nur 32,9 Prozent (Dezember 2009:<br />
29,7 Prozent). Männer: 34,7 Prozent (Dezember<br />
2009: 30,3 Prozent); Frauen: 30,9 Prozent<br />
(Dezember 2009: 29,0 Prozent). 31<br />
In den Bremer Stadtteilen reicht <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslos registrierten erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen an den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen insgesamt, <strong>bei</strong> einem Durchschnitt<br />
von 42,6 Prozent im September 2010 32<br />
von 52,0 Prozent im Stadtteil Mitte bis lediglich<br />
35,0 Prozent im Stadtteil Osterholz und<br />
33,1 Prozent im Stadtteil Vahr. 33<br />
28 Spätere integrierte Auswertungen zeigen: Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />
liegt mit 42,2 Prozent unter dieser Quote. Die Gründe für diese Abweichungen:<br />
zeitverzögert erfasste Rechtskreiswechsel und kurzzeitige Leistungsunterbrechungen.<br />
Als Ar<strong>bei</strong>t suchend galten im Dezember 2010 70,7 Prozent (37.353) <strong>der</strong><br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t;<br />
eigene Berechnungen.<br />
29 Diese geschlechtsspezifischen Quoten beziehen sich auf die registrierten<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosen im Rechtskreis SGB II und die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Die<br />
spätere integrierte Auswertung zu Leistungsbezug und registrierter Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremen ergab, dass im Dezember 2010 von den männlichen<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 48,2 Prozent und von den weiblichen erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen lediglich 36,4 Prozent als Ar<strong>bei</strong>tslose registriert waren.<br />
Als Ar<strong>bei</strong>t suchend galten im Dezember 2010 77,5 Prozent (20.215) <strong>der</strong> männlichen<br />
und 64,2 Prozent (17.138) <strong>der</strong> weiblichen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; eigene Berechnungen.<br />
30 Die ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen <strong>der</strong> Betreuung von Kin<strong>der</strong>n sollte jedoch in<br />
<strong>der</strong> Regel nur dann gegeben sein, wenn die Kin<strong>der</strong> noch nicht das dritte Lebensjahr<br />
vollendet haben. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II sollen die zuständigen<br />
kommunalen Träger darauf hinwirken, ›dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig<br />
ein Platz <strong>zur</strong> Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird, ...‹. Dies wird<br />
vermutlich oft so interpretiert, dass diese Plätze erst dann angeboten werden,<br />
wenn erwerbsfähige Erziehende einen Ar<strong>bei</strong>tsplatz in Aussicht haben.<br />
31 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 <strong>der</strong> Verweis auf § 428 SGB III in § 65<br />
Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und ältere erwerbsfähige ar<strong>bei</strong>tslose<br />
Hilfebedürftige wegen eingeschränkter Verfügbarkeit nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose zu<br />
registrieren. Für Neufälle im Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 <strong>der</strong><br />
Absatz 2 im neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige Hilfebedürftige,<br />
die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf<br />
Monaten Leistungen <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende bezogen haben,<br />
ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten<br />
worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums für die Dauer des jeweiligen<br />
Leistungsbezugs nicht als ar<strong>bei</strong>tslos.‹ Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen 1.018 erwerbsfähige Hilfebedürftige im Alter von über 58 Jahren auf<br />
Grundlage von § 53a Abs. 2 SGB II nicht als ar<strong>bei</strong>tslos registriert (Dezember<br />
2009: 701). Datenquelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t, Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in<br />
Zahlen, Kreisreport 31.03.<strong>2011</strong>.<br />
32 Die Daten für Dezember 2010 lagen <strong>bei</strong> Redaktionsschluss noch nicht vor.<br />
Zur durchschnittlichen Quote von 42,6 Prozent im September 2010<br />
(im Vergleich zu 43,7 Prozent in <strong>der</strong> Tabelle 3.1) vgl. Fußnote 28.<br />
33 Ohne Stadtteil Häfen.<br />
87
88<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 3.2: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose<br />
im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremerhaven<br />
Alg II: revidierte Daten<br />
Dezember März Juni September Dezember<br />
2009 2010 2010 2010 2010<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 14.958 15.324 15.296 15.158 14.930<br />
n Männer 7.468 7.690 7.682 7.593 7.517<br />
n Frauen 7.490 7.634 7.614 7.565 7.413<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II 6.807 7.352 7.594 7.788 7.963<br />
in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 45,5% 48,0% 49,6% 51,4% 53,3%<br />
n Männer 3.703 4.154 4.240 4.303 4.418<br />
n Männer (in % von eHb – Männer) 49,6% 54,0% 55,2% 56,7% 58,8%<br />
n Frauen 3.104 3.198 3.354 3.485 3.545<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen) 41,4% 41,9% 44,1% 46,1% 47,8%<br />
eHb – 15 bis unter 25 Jahren 3.124 3.239 3.191 3.081 2.996<br />
n Männer (15 bis unter 25) 1.513 1.568 1.524 1.471 1.444<br />
n Frauen (15 bis unter 25) 1.611 1.671 1.667 1.610 1.552<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – unter 25 Jahren 674 734 683 748 746<br />
in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahren 21,6% 22,7% 21,4% 24,3% 24,9%<br />
n Männer (15 bis unter 25) 389 435 381 415 417<br />
n Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 25,7% 27,7% 25,0% 28,2% 28,9%<br />
n Frauen (15 bis unter 25) 285 299 302 333 329<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 17,7% 17,9% 18,1% 20,7% 21,2%<br />
eHb – 25 bis unter 55 Jahren 9.901 10.113 10.092 10.027 9.883<br />
n Männer (25 bis unter 55) 4.932 5.075 5.075 5.031 4.977<br />
n Frauen (25 bis unter 55) 4.969 5.038 5.017 4.996 4.906<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahren 5.515 5.977 6.202 6.289 6.380<br />
in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahren 55,7% 59,1% 61,5% 62,7% 64,6%<br />
n Männer (25 bis unter 55) 2.993 3.357 3.461 3.469 3.531<br />
n Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 60,7% 66,1% 68,2% 69,0% 70,9%<br />
n Frauen (25 bis unter 55) 2.522 2.620 2.741 2.820 2.849<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 50,8% 52,0% 54,6% 56,4% 58,1%<br />
eHb – 55 bis unter 65 Jahren 1.933 1.972 2.013 2.050 2.051<br />
n Männer (55 bis unter 65) 1.023 1.047 1.083 1.091 1.096<br />
n Frauen (55 bis unter 65) 910 925 930 959 955<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahren 618 641 709 751 837<br />
in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahren 32,0% 32,5% 35,2% 36,6% 40,8%<br />
n Männer (55 bis unter 65) 321 362 398 419 470<br />
n Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 31,4% 34,6% 36,7% 38,4% 42,9%<br />
n Frauen (55 bis unter 65) 297 279 311 332 367<br />
n Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 32,6% 30,2% 33,4% 34,6% 38,4%<br />
1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 3.2:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />
registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
0,2 Prozent (28) weniger Frauen und<br />
Männer auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen als<br />
ein Jahr zuvor. Im entsprechenden Zeitraum<br />
stieg die Zahl <strong>der</strong> im Rechtskreis SGB II<br />
registrierten Ar<strong>bei</strong>tslosen um 17,0 Prozent<br />
(1.156)!<br />
Von den 14.930 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
und -Empfängern waren 53,3 Prozent<br />
(7.963) als Ar<strong>bei</strong>tslose im Rechtskreis SGB II<br />
registriert, 7,8 Prozentpunkte mehr (!) als ein<br />
Jahr zuvor (Dezember 2009: 45,5 Prozent). 34<br />
Diese Quote lag in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven um<br />
über 10 Prozentpunkte über <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Quote in <strong>der</strong> Stadt Bremen (42,9 Prozent).<br />
46,7 Prozent (6.967) <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
waren nicht ar<strong>bei</strong>tslos<br />
beziehungsweise nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose<br />
registriert, 1.184 (14,5 Prozent) weniger (!)<br />
als ein Jahr zuvor. 35<br />
Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslos registrierten<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />
differiert auch in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
alters- und geschlechtsspezifisch erheblich.<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven waren im Dezember<br />
2010 58,8 Prozent <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Empfänger (männlich), aber nur 47,8 Prozent<br />
<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen als<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose registriert 36 (Dezember 2009:<br />
49,6 Prozent beziehungsweise 41,4 Prozent).<br />
In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15- bis unter 25-<br />
Jährigen waren im Dezember 2010 24,9 Prozent<br />
<strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose registriert: 28,9 Prozent Männer<br />
und lediglich 21,2 Prozent Frauen (Dezember<br />
2009: Altersgruppe insgesamt 21,6 Prozent;<br />
Männer 25,7 Prozent; Frauen 17,7 Prozent).<br />
Die höchste Quote wurde für die Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 25- bis unter 55-Jährigen errechnet.<br />
Sie betrug im Dezember 2010 64,6 Prozent<br />
<strong>bei</strong> den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dieser<br />
Altersgruppe insgesamt (Dezember 2009:<br />
55,7 Prozent): Männer 70,9 Prozent (Dezember<br />
2009: 60,7 Prozent); Frauen: 58,1<br />
Prozent (Dezember 2009: 50,8 Prozent).<br />
In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 55- bis unter 65-Jährigen<br />
betrug die Quote 40,8 Prozent (Dezember<br />
2009: 32,0 Prozent). Männer: 42,9 Prozent<br />
(Dezember 2009: 31,4 Prozent), Frauen: 38,4<br />
Prozent 37 (Dezember 2009: 32,6 Prozent).<br />
34 Spätere integrierte Auswertungen zeigen: Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt, liegt mit 50,2 Prozent unter dieser Quote. Die<br />
Gründe für diese Abweichungen: zeitverzögert erfasste Rechtskreiswechsel<br />
und kurzzeitige Leistungsunterbrechungen. Als Ar<strong>bei</strong>t<br />
suchend galten im Dezember 2010 73,6 Prozent (10.990) <strong>der</strong><br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur<br />
für Ar<strong>bei</strong>t; eigene Berechnungen.<br />
35 Zu den Gründen siehe die Anmerkungen zu Tabelle 3.1.<br />
36 Diese geschlechtsspezifischen Quoten beziehen sich auf die<br />
registrierten Ar<strong>bei</strong>tslosen im Rechtskreis SGB II und die erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen. Die spätere integrierte Auswertung zu<br />
Leistungsbezug und registrierter Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremerhaven ergab, dass im Dezember 2010 von den männlichen<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 55,6 Prozent und von den weiblichen<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lediglich 44,7 Prozent als<br />
Ar<strong>bei</strong>tslose registriert waren. Als Ar<strong>bei</strong>t suchend galten im Dezember<br />
2010 79,8 Prozent (6.000) <strong>der</strong> männlichen und 67,3 Prozent<br />
(4.990) <strong>der</strong> weiblichen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Quelle:<br />
Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; eigene Berechnungen. Zu<br />
den Gründen für die geschlechtsspezifischen Differenzen zwischen<br />
diesen Quoten (ar<strong>bei</strong>tslose beziehungsweise Ar<strong>bei</strong>t suchende<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige) siehe die Anmerkungen zu Tabelle<br />
3.1.<br />
37 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 <strong>der</strong> Verweis auf § 428<br />
SGB III in § 65 Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und ältere<br />
erwerbsfähige ar<strong>bei</strong>tslose Hilfebedürftige wegen eingeschränkter<br />
Verfügbarkeit nicht als Ar<strong>bei</strong>tslose zu registrieren. Für Neufälle im<br />
Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 <strong>der</strong> Absatz 2 im<br />
neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die<br />
nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von<br />
zwölf Monaten Leistungen <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende<br />
bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigung angeboten worden ist, gelten nach Ablauf dieses<br />
Zeitraums für die Dauer des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als<br />
ar<strong>bei</strong>tslos.‹ Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
etwa 262 erwerbsfähige Hilfebedürftige im Alter von über 58 Jahren<br />
auf Grundlage von § 53a Abs. 2 SGB II registriert (Dezember 2009:<br />
191). Datenquelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t, Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />
in Zahlen, Kreisreport 31.03.<strong>2011</strong>.<br />
89
90<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 4: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in den 15 Großstädten<br />
mit mehr als 400.000 Einwohnern und Einwohnerinnen<br />
revidierte Daten<br />
EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />
Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />
Berlin 2.366,7 438.056 444.906 443.889 437.965 431.400<br />
Bremen 362,6 53.223 54.587 54.587 53.621 52.798<br />
Dortmund 382,4 58.409 59.835 59.950 59.415 58.824<br />
Dresden 340,9 43.512 44.355 44.263 43.250 41.814<br />
Duisburg 319,6 51.195 52.215 51.994 51.030 50.118<br />
Düsseldorf 396,5 46.500 47.632 47.931 47.571 47.215<br />
Essen 374,7 58.947 59.887 59.697 58.728 58.042<br />
Frankfurt am Main 467,7 50.306 51.540 51.005 50.165 48.827<br />
Hamburg 1.210,7 142.831 145.729 144.164 141.493 138.461<br />
Hannover (Region) 740,6 86.784 89.078 88.781 87.294 85.889<br />
Köln 683,7 84.469 85.975 86.330 84.552 83.220<br />
Leipzig 344,8 61.727 62.665 62.254 61.199 59.297<br />
München 924,7 53.921 55.793 55.731 54.865 54.059<br />
Nürnberg 337,4 36.146 37.411 37.156 35.855 34.931<br />
Stuttgart 413,3 30.235 30.981 30.909 30.227 29.348<br />
EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />
Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />
Berlin 2.366,7 185 1 188 1 188 1 185 1 182 1<br />
Leipzig 344,8 179 2 182 2 181 2 178 2 172 2<br />
Duisburg 319,6 160 3 163 3 163 3 160 3 157 3<br />
Essen 374,7 157 4 160 4 159 4 157 4 155 4<br />
Dortmund 382,4 153 5 156 5 157 5 155 5 154 5<br />
Bremen 362,6 147 6 151 6 151 6 148 6 146 6<br />
Dresden 340,9 128 7 130 7 130 7 127 7 123 7<br />
Köln 683,7 124 8 126 8 126 8 124 8 122 8<br />
Düsseldorf 396,5 117 10 120 11 121 9 120 9 119 9<br />
Hannover (Region) 740,6 117 11 120 10 120 10 118 10 116 10<br />
Hamburg 1.210,7 118 9 120 9 119 11 117 11 114 11<br />
Frankfurt am Main 467,7 108 12 110 13 109 13 107 12 104 12<br />
Nürnberg 337,4 107 13 111 12 110 12 106 13 104 13<br />
Stuttgart 413,3 73 14 75 14 75 14 73 14 71 14<br />
München 924,7 58 15 60 15 60 15 59 15 58 15<br />
Deutschland 53.877,9 91 93 92 89 87<br />
Westdeutschland 43.047,9 76 78 77 75 73<br />
1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2009; Daten für Ende 2010 lagen <strong>bei</strong> Redaktionsschluss noch nicht vor)<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 4:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in<br />
den 15 Großstädten mit mehr als 400.000<br />
Einwohnern und Einwohnerinnen<br />
Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Berlin<br />
182 von 1.000 Einwohnern und Einwohnerinnen<br />
38 im Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen – die höchste<br />
Zahl im Großstadtvergleich. Die Quote <strong>der</strong><br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (pro 1.000<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren) nahm in <strong>der</strong> Stadt Berlin im Vergleich<br />
zum Dezember 2009 um 3 Prozentpunkte ab.<br />
Hinter den Städten Berlin, Leipzig, Duisburg,<br />
Essen und Dortmund belegte die Stadt Bremen<br />
im Dezember 2010 mit 146 erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen im<br />
Alter von 15 bis unter 65 Jahren Rang 6 in<br />
diesem Negativ-Ranking. 39 Die Quote lag damit<br />
einen Punkt unter <strong>der</strong> Quote im Dezember<br />
2009.<br />
Hinter <strong>der</strong> Stadt Bremen folgten auf Rang 7<br />
bis 13 die Städte Dresden (123), Köln (122),<br />
Düsseldorf (119), die Region Hannover (116),<br />
Hamburg (114) und die Städte Frankfurt am<br />
Main (104) und Nürnberg (ebenfalls 104).<br />
In diesen 13 von insgesamt 15 Großstädten<br />
lag die Quote nicht nur über dem Durchschnitt<br />
von 73 pro 1.000 in Westdeutschland, son<strong>der</strong>n<br />
auch über dem deutlich höheren Durchschnitt<br />
von 87 pro 1.000 in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland insgesamt.<br />
Auch im Dezember 2010 waren in nur zwei<br />
<strong>der</strong> 15 Großstädte weniger als 100 von 1.000<br />
Einwohnern und Einwohnerinnen im Alter von<br />
15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II<br />
angewiesen. In den Städten Stuttgart und<br />
München lag die Quote mit 71 beziehungsweise<br />
58 unter dem westdeutschen Durchschnitt<br />
von 73 pro 1.000.<br />
In <strong>der</strong> Rangfolge <strong>der</strong> 15 Großstädte hat sich<br />
im Verlauf des <strong>Bericht</strong>sjahres (2010) insgesamt<br />
nur wenig verän<strong>der</strong>t: 40 Lediglich zwischen<br />
den Städten Hamburg, Düsseldorf und Hannover<br />
(Region) än<strong>der</strong>te sich die Rangfolge, insbeson<strong>der</strong>e<br />
wegen <strong>der</strong> im Großstadtvergleich<br />
beson<strong>der</strong>s negativen Entwicklung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />
in Düsseldorf. In Düsseldorf<br />
stieg diese entgegen dem Trend im <strong>Bericht</strong>sjahr<br />
um zwei Punkte auf 119 (Rang 9 im Negativ-Ranking).<br />
38 An<strong>der</strong>s ausgedrückt: 18,2 Prozent. Die Quoten in diesem<br />
Abschnitt beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong> Einwohner/innen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2009. Da neuere<br />
Bevölkerungsdaten <strong>bei</strong> Redaktionsschluss nicht vorlagen, wurden<br />
in dieser Tabelle die entsprechenden Quoten in allen Städten bezogen<br />
auf die Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren Ende<br />
2009 berechnet.<br />
39 Dezember 2009: 147 bezogen auf die entsprechende Bevölkerung<br />
Ende 2009.<br />
40 Rangfolge berechnet auf Basis ungerundeter Quoten.<br />
91
92<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Abbildung 3: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld- und Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 100<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 1 im Vergleich <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote 2<br />
alle 15 Großstädte (>400.000 EW), Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen<br />
22 % 22<br />
21 % 21<br />
20 % 20<br />
19 % 19<br />
18 % 18<br />
17 % 17<br />
16 % 16<br />
15 % 15<br />
14 % 14<br />
13 % 13<br />
12 % 12<br />
11 % 11<br />
10 % 10<br />
9 % 9<br />
8 % 8<br />
7 % 7<br />
6 % 6<br />
5 % 5<br />
4 % 4<br />
3 % 3<br />
2 % 2<br />
1 % 1<br />
0 % 0<br />
M S HH F N H* D K HB DD E DO DU B L<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosenquote (bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen) (linke Skala)<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-Empfänger/innen (SGB III) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II/›Hartz IV‹) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />
* Region Hannover<br />
1 Ende 2009 (neuere Bevölkerungsdaten lagen <strong>bei</strong> Redaktionsschluss nicht für alle Städte vor)<br />
2 bezogen auf die abhängigen Erwerbspersonen<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Statistisches Bundesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />
Alg- und Alg-II-Empfänger/innen pro 100 EW
Zu Abbildung 3:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld- und Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Empfänger/innen pro 100 Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren im<br />
Vergleich <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote<br />
alle 15 Großstädte<br />
Der Vergleich <strong>der</strong> Zahlen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeldund<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />
100 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren mit <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote in den 15<br />
Großstädten mit mehr als 400.000 Einwohnern<br />
und Einwohnerinnen (Dezember 2010) zeigt:<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosenquote, bezogen auf alle<br />
zivilen Erwerbspersonen, reichte in den 15<br />
Großstädten von 5,3 Prozent in München bis<br />
12,9 Prozent in Leipzig (Dezember 2009: von<br />
5,8 Prozent in München bis 13,6 Prozent in<br />
Leipzig).<br />
Die Höhe <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote hat (in diesem<br />
Querschnittsvergleich) offensichtlich kaum<br />
einen Einfluss auf den Anteil <strong>der</strong> Personen mit<br />
einem Anspruch auf das <strong>bei</strong>tragsfinanzierte<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld (SGB III) an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren. Lediglich<br />
<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Personen, die auf das steuerfinanzierte<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen sind) an <strong>der</strong><br />
Bevölkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren ist<br />
in Städten mit einer höheren Ar<strong>bei</strong>tslosenquote<br />
wesentlich höher als in Städten mit einer<br />
niedrigeren Ar<strong>bei</strong>tslosenquote.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tslosen 41 Frauen und<br />
Männer mit einem Anspruch auf das <strong>bei</strong>tragsfinanzierte<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld reicht in den 15<br />
Großstädten von 1,2 Prozent <strong>der</strong> Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren in<br />
Stuttgart (Minimum) bis 1,7 Prozent in Dortmund,<br />
Duisburg und Nürnberg (Maximum in<br />
den 12 westdeutschen Großstädten) und 1,9<br />
Prozent in Dresden (Maximum aller 15 Großstädte).<br />
Dies waren deutlich weniger als ein<br />
Jahr zuvor (Dezember 2009: von 1,7 Prozent<br />
in Frankfurt am Main und Stuttgart bis 2,4 Prozent<br />
in Dresden und Nürnberg).<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremen hatten <strong>bei</strong> einer<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosenquote 42 von 10,4 Prozent (Dezember<br />
2009: 10,8 Prozent) lediglich 1,5 Prozent<br />
(Dezember 2009: 1,9 Prozent) einen Anspruch<br />
auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld (SGB III).<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
reicht dagegen von 5,8 Prozent in<br />
München bis 18,2 Prozent in Berlin (Dezember<br />
2009: von ebenfalls 5,8 Prozent in München<br />
bis 18,5 Prozent in Berlin). In <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
waren 14,6 Prozent 43 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II angewiesen (Dezember 2009: 14,7 Prozent).<br />
In allen Städten liegt diese ›Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Quote‹ im Dezember 2010 über <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote,<br />
bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen.<br />
In den Städten Berlin, Bremen,<br />
Essen und Hamburg ist diese ›Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote‹<br />
im Vergleich <strong>zur</strong> registrierten<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosenquote beson<strong>der</strong>s hoch.<br />
Der wesentlich engere Zusammenhang zwischen<br />
<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote und <strong>der</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote (Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren) als zwischen<br />
<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote und <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-Quote<br />
(Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />
Empfänger/innen gemäß SGB III an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren)<br />
zeigt: Das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld gemäß SGB III<br />
(Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>ung)<br />
hat offensichtlich keine o<strong>der</strong> kaum eine<br />
(finanziell) ausgleichende Wirkung zwischen<br />
den Städten mit einer hohen und denen mit<br />
einer niedrigen Ar<strong>bei</strong>tslosenquote. Der Ausgleich<br />
zwischen den Städten mit hoher und<br />
Städten mit niedriger Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit erfolgt<br />
nahezu ausschließlich durch das in <strong>der</strong> Regel<br />
wesentlich geringere Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, das<br />
zudem zu einem erheblichen Teil 44 von den<br />
Kommunen zu finanzieren ist. 45<br />
41 Registrierte und nicht registrierte Ar<strong>bei</strong>tslose.<br />
42 Hier immer die Ar<strong>bei</strong>tslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen.<br />
43 14,6 Prozent berechnet auf Basis <strong>der</strong> Bevölkerung Ende 2009.<br />
44 Insbeson<strong>der</strong>e die im <strong>Bericht</strong>szeitraum (2010) 77,0 Prozent <strong>der</strong><br />
Leistungen für Unterkunft und Heizung (Stuttgart: 73,0 Prozent).<br />
Siehe dazu auch die Anmerkungen zu Tabelle 9.1.<br />
45 Zur Aushöhlung <strong>der</strong> Versicherungsleistung ›Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
während Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit‹ durch die ›Hartz-Gesetzgebung‹ (insbeson<strong>der</strong>e<br />
Erstes bis Viertes Gesetz für mo<strong>der</strong>ne Dienstleistungen<br />
am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und Gesetz zu Reformen am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt) vergleiche<br />
Armutsbericht 2008, Seite 124.<br />
93
94<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 5: Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen in Bremerhaven<br />
und 11 Vergleichsstädten<br />
revidierte Daten<br />
EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
Bremerhaven und 20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />
11 Vergleichsstädte in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />
Bottrop 77,1 8.276 8.578 8.493 8.544 8.447<br />
Bremerhaven 73,9 14.958 15.324 15.296 15.158 14.930<br />
Darmstadt 97,7 8.833 8.894 8.728 8.619 8.287<br />
Gera 64,8 11.209 11.427 11.208 10.844 10.467<br />
Heilbronn 80,4 6.416 6.734 6.572 6.310 6.094<br />
Offenbach am Main 80,2 12.586 13.017 12.981 12.596 12.262<br />
Oldenburg (Oldb.) 110,7 13.210 13.434 13.417 13.139 12.784<br />
Osnabrück 111,1 11.957 12.393 12.318 12.236 12.101<br />
Regensburg 92,7 7.183 7.459 7.165 6.807 6.567<br />
Rostock 134,4 23.398 24.021 23.516 22.971 22.692<br />
Wilhelmshaven 52,1 8.379 8.704 8.583 8.407 8.316<br />
Wolfsburg 77,2 6.069 6.319 6.400 6.154 5.908<br />
EW 15-64 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
Bremerhaven und 20091 12/2009 03/2010 06/2010 09/2010 12/2010<br />
11 Vergleichsstädte in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />
Bremerhaven 73,9 202 1 207 1 207 1 205 1 202 1<br />
Rostock 134,4 174 2 179 2 175 2 171 2 169 2<br />
Gera 64,8 173 3 176 3 173 3 167 3 162 3<br />
Wilhelmshaven 52,1 161 4 167 4 165 4 161 4 160 4<br />
Offenbach am Main 80,2 157 5 162 5 162 5 157 5 153 5<br />
Oldenburg (Oldb.) 110,7 119 6 121 6 121 6 119 6 115 6<br />
Bottrop 77,1 107 8 111 8 110 8 111 7 110 7<br />
Osnabrück 111,1 108 7 112 7 111 7 110 8 109 8<br />
Darmstadt 97,7 90 9 91 9 89 9 88 9 85 9<br />
Wolfsburg 77,2 79 11 82 11 83 10 80 10 77 10<br />
Heilbronn 80,4 80 10 84 10 82 11 78 11 76 11<br />
Regensburg 92,7 78 12 80 12 77 12 73 12 71 12<br />
Deutschland 53.877,9 91 93 92 89 87<br />
Westdeutschland 43.047,9 76 78 77 75 73<br />
1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2009; Daten für Ende 2010 lagen <strong>bei</strong> Radaktionsschluss noch nicht vor)<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 5:<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
und 11 Vergleichsstädten 46<br />
Der Vergleich <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
pro 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Dichte) in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven und den 11<br />
Vergleichsstädten (Dezember 2010) zeigt:<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremerhaven war im Dezember 2010 mit 202<br />
(von 1.000 Einwohnern und Einwohnerinnen)<br />
nach zwischenzeitlichem Anstieg auf 207 im<br />
März und Juni 2010 wie<strong>der</strong> genauso hoch wie<br />
im Dezember 2009 und weiterhin die <strong>bei</strong><br />
weitem höchste dieser 12 Vergleichsstädte. 47<br />
Auch in den Vergleichsmonaten März, Juni und<br />
September 2010 war die Stadt Bremerhaven<br />
die Stadt mit den meisten erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen im<br />
Alter von 15 bis unter 65 Jahren.<br />
Hinter <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven belegten die<br />
Städte Rostock (169), Gera (162), Wilhelmshaven<br />
(160) und Offenbach am Main (153) Rang 2<br />
bis 5. Der Abstand zwischen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven und diesen<br />
Städten hat sich im <strong>Bericht</strong>sjahr zum Teil<br />
deutlich vergrößert, denn, an<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong><br />
Stadt Bremerhaven, ist die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Dichte in diesen Städten im <strong>Bericht</strong>sjahr gesunken.<br />
Mit deutlichem Abstand zu den genannten<br />
fünf Städten mit <strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />
II-Dichte folgen die Städte Oldenburg (115),<br />
Bottrop (110) und Osnabrück (109). In vier <strong>der</strong><br />
11 Vergleichsstädte waren weniger als 100 von<br />
1.000 Einwohnern und Einwohnerinnen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II angewiesen: Darmstadt (85), Wolfsburg<br />
(77), Heilbronn (76) und Regensburg (71).<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte lag im Dezember<br />
2010 in vier Vergleichsstädten unter dem Bundesdurchschnitt<br />
von 87 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängern<br />
und -Empfängerinnen pro 1.000 Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren. In nur einer dieser Vergleichsstädte, in<br />
Regensburg, lag die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Dichte<br />
im Dezember 2010 unter dem Durchschnitt von<br />
73 pro 1.000 in Westdeutschland.<br />
Die Rangfolge dieser 12 Städte hat sich im<br />
<strong>Bericht</strong>sjahr kaum verän<strong>der</strong>t: Lediglich Rang 7<br />
und 8 (Bottrop und Osnabrück) und Rang 10<br />
und 11 (Wolfsburg und Heilbronn) tauschten<br />
den Rang, wo<strong>bei</strong> die Städte Bottrop und Wolfsburg<br />
in diesem Negativ-Ranking um einen Rang<br />
aufstiegen.<br />
46 Als Vergleichsstädte wurden hier die sogenannten Benchmark-<br />
Städte <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven übernommen. Die elf Städte wurden<br />
vom Magistrat nach zwei Kriterien ausgewählt: a) Städte mit ähnlichen<br />
Bevölkerungszahlen wie Bremerhaven, die eine zentralörtliche<br />
Funktion erfüllen (Bottrop, Darmstadt, Gera, Heilbronn, Oldenburg,<br />
Osnabrück, Offenbach am Main, Regensburg, Wolfsburg) und<br />
b) Küstenstädte, die aufgrund ihrer Küstenrandlage für Bremerhaven-Vergleiche<br />
von Bedeutung sind, wo<strong>bei</strong> die Bevölkerungszahl<br />
nachrangig ist (Rostock, Wilhelmshaven). Eine Prüfung, ob sich<br />
diese Städte tatsächlich für den Vergleich <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-<br />
Dichte eignen, wurde nicht vorgenommen.<br />
47 An<strong>der</strong>s ausgedrückt: 20,2 Prozent. Die Quoten in diesem<br />
Abschnitt beziehen sich auf die Zahl <strong>der</strong> Einwohner/innen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2009. Da neuere<br />
Bevölkerungsdaten <strong>bei</strong> Redaktionsschluss nicht vorlagen, wurden<br />
in dieser Tabelle die entsprechenden Quoten in allen Städten<br />
bezogen auf die Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
Ende 2009 berechnet.<br />
95
96<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 6: Kin<strong>der</strong> und an<strong>der</strong>e nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten<br />
Dezember März Juni September Dezember<br />
Stadt Bremen 2009 2010 2010 2010 2010<br />
Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 20.710 21.052 20.949 20.833 20.749<br />
nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />
davon (nEf)<br />
0,52 0,52 0,51 0,52 0,52<br />
15 Jahre und älter 2<br />
925 925 938 931 926<br />
15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />
darunter<br />
4,5% 4,4% 4,5% 4,5% 4,5%<br />
n Frauen (15 Jahre und älter) 504 503 501 496 494<br />
n Frauen (in % von nEf - 15 Jahre und älter) 54,5% 54,4% 53,4% 53,3% 53,3%<br />
Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren 19.785 20.127 20.011 19.902 19.823<br />
unter 15 Jahren (in % von nEf) 95,5% 95,6% 95,5% 95,5% 95,5%<br />
Kin<strong>der</strong> (unter 15 Jahren) pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />
0,50 0,49 0,49 0,49 0,50<br />
n einem Kind 6.454 6.538 6.500 6.436 6.418<br />
n einem Kind (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 32,6% 32,5% 32,5% 32,3% 32,4%<br />
n zwei Kin<strong>der</strong>n 7.142 7.258 7.206 7.170 7.088<br />
n zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 36,1% 36,1% 36,0% 36,0% 35,8%<br />
n drei Kin<strong>der</strong>n 3.774 3.816 3.801 3.768 3.786<br />
n drei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 19,1% 19,0% 19,0% 18,9% 19,1%<br />
n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 2.415 2.515 2.504 2.528 2.531<br />
n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 12,2% 12,5% 12,5% 12,7% 12,8%<br />
Dez. März Juni Sept. Dez.<br />
Stadt Bremerhaven 2009 2010 2010 2010 2010<br />
Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 5.821 5.876 5.825 5.830 5.760<br />
nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />
davon (nEf)<br />
0,53 0,53 0,52 0,52 0,52<br />
15 Jahre und älter 2<br />
180 189 189 179 189<br />
15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />
darunter<br />
3,1% 3,2% 3,2% 3,1% 3,3%<br />
n Frauen (15 Jahre und älter) 92 106 106 104 111<br />
n Frauen (in % von nEf – 15 Jahre und älter) 51,1% 56,1% 56,1% 58,1% 58,7%<br />
Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren 5.641 5.687 5.636 5.651 5.571<br />
unter 15 Jahren (in % von nEf) 96,9% 96,8% 96,8% 96,9% 96,7%<br />
Kin<strong>der</strong> (unter 15 Jahren) pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />
0,52 0,51 0,50 0,51 0,51<br />
n einem Kind 1.786 1.812 1.788 1.758 1.737<br />
n einem Kind (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 31,7% 31,9% 31,7% 31,1% 31,2%<br />
n zwei Kin<strong>der</strong>n 1.884 1.892 1.896 1.896 1.880<br />
n zwei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 33,4% 33,3% 33,6% 33,6% 33,7%<br />
n drei Kin<strong>der</strong>n 1.110 1.152 1.125 1.134 1.077<br />
n drei Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 19,7% 20,3% 20,0% 20,1% 19,3%<br />
n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n 861 831 827 863 877<br />
n vier und mehr Kin<strong>der</strong>n (in % von Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren) 15,3% 14,6% 14,7% 15,3% 15,7%<br />
1 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von SozialgeldI)<br />
2 ermittelt aus nEf insgesamt und nEf im Alter von unter 15 Jahren (kleinere Abweichungen von den BA-Daten möglich)<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 6:<br />
Kin<strong>der</strong> und an<strong>der</strong>e nicht<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen<br />
In den 39.789 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremen im Dezember 2010 lebten<br />
mit den 52.798 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
insgesamt 20.749 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />
39 (0,2 Prozent) mehr als ein<br />
Jahr zuvor.<br />
Ein insgesamt nur sehr kleiner Teil <strong>der</strong> nicht<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen war älter als<br />
15 Jahre. In <strong>der</strong> Stadt Bremen waren dies im<br />
Dezember 2010 insgesamt 926 (4,5 Prozent),<br />
darunter weiterhin überdurchschnittlich viele<br />
Frauen (53,3 Prozent).<br />
Der weit überwiegende Teil <strong>der</strong> nicht<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kin<strong>der</strong> im<br />
Alter von unter 15 Jahren: 19.823 beziehungsweise<br />
95,5 Prozent <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen. Dies waren 38 (0,2 Prozent)<br />
mehr als im Dezember 2009.<br />
32,4 Prozent (6.418) dieser Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 15 Jahren lebten im Dezember 2010<br />
in Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />
15 Jahren, 35,8 Prozent (7.088) in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren.<br />
19,1 Prozent (3.786) dieser Kin<strong>der</strong> lebten in<br />
Bedarfsgemeinschaften mit drei und 12,8<br />
Prozent (2.531) in Bedarfsgemeinschaften mit<br />
vier und mehr Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 15<br />
Jahren. 48<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit weniger als drei Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />
unter 15 Jahren ist in <strong>der</strong> Stadt Bremen im Vorjahresvergleich<br />
(Dezember 2009 – Dezember<br />
2010) um 0,7 Prozent (90) auf 13.506 gesunken,<br />
die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit drei und mehr Kin<strong>der</strong>n ist um 2,1<br />
Prozent (128) auf 6.317 (31,9 Prozent<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften)<br />
gestiegen.<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Im Dezember 2010 lebten in den 11.017<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremerhaven mit den 14.930 erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
insgesamt 5.760 nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />
61 (1,0 Prozent)<br />
weniger als ein Jahr zuvor.<br />
Nur ein sehr kleiner Teil <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen war älter als 15 Jahre.<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven waren dies im<br />
Dezember 2010 insgesamt lediglich 189<br />
(3,3 Prozent), darunter 58,7 Prozent Frauen.<br />
Der weit überwiegende Teil <strong>der</strong> nicht<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kin<strong>der</strong> im<br />
Alter von unter 15 Jahren: 5.571 beziehungsweise<br />
96,7 Prozent <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen. Dies waren 70 (1,2 Prozent)<br />
weniger als ein Jahr zuvor.<br />
31,2 Prozent (1.737) dieser Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 15 Jahren lebten im Dezember 2010<br />
in Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />
15 Jahren, 33,7 Prozent (1.880) in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 15 Jahren.<br />
19,3 Prozent (1.077) dieser Kin<strong>der</strong> lebten<br />
in Bedarfsgemeinschaften mit drei und 15,7<br />
Prozent (877) in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit vier und mehr Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter<br />
15 Jahren. 49<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit weniger als drei Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />
unter 15 Jahren hat in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
im Vorjahresvergleich (Dezember 2009 –<br />
Dezember 2010) um 1,4 Prozent (53) auf<br />
3.617 abgenommen, die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in<br />
Bedarfsgemeinschaften mit drei und mehr<br />
Kin<strong>der</strong>n um 0,9 Prozent (17) auf 1.954 (35,1<br />
Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren in SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften). 50<br />
48 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />
49 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />
50 Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />
97
98<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 7: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 18 Jahren<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Dezember 2010 – revidierte Daten<br />
Bremen Bremerhaven<br />
Bedarfsgemeinschaften (BG) insgesamt<br />
darunter<br />
39.789 11.017<br />
Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) 5.731 1.560<br />
mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) (in % von BG insgesamt)<br />
darunter<br />
Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n<br />
14,4% 14,2%<br />
n mit einem Kind unter 18 Jahren 2.252 632<br />
in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 39,3% 40,5%<br />
n mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 1.965 501<br />
in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 34,3% 32,1%<br />
n mit drei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 943 264<br />
in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 16,5% 16,9%<br />
n mit vier Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 381 101<br />
in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 6,6% 6,5%<br />
n mit fünf und mehr Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 190 62<br />
in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n 3,3% 4,0%<br />
Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) 7.351 2.058<br />
n mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren) (in % von BG insgesamt)<br />
darunter<br />
Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n (unter 18 Jahren)<br />
18,5% 18,7%<br />
n mit einem Kind unter 18 Jahren 1<br />
4.492 1.207<br />
in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 61,1% 58,6%<br />
n mit zwei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 2.009 578<br />
in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 27,3% 28,1%<br />
n mit drei Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 600 174<br />
in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 8,2% 8,5%<br />
n mit vier Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 181 72<br />
in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 2,5% 3,5%<br />
n mit fünf und mehr Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 69 27<br />
in % von Alleinerziehenden mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 0,9% 1,3%<br />
Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren<br />
darunter<br />
22.921 6.509<br />
n in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong> 2<br />
11.408 3.318<br />
in % von Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren 49,8% 51,0%<br />
1 darunter 12 (Bremen) bzw. 3 (Bremerhaven) Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren<br />
2 die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong> wurde aus <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> BG mit ein, zwei, drei, vier, fünf<br />
und mehr Kin<strong>der</strong>n und den (wenigen) Alleinerziehenden im Alter von unter 18 Jahren ermittelt, (siehe Fußnote 1),<br />
<strong>bei</strong> den BG mit fünf und mehr Kin<strong>der</strong>n wurden durchschnittlich 5,25 Kin<strong>der</strong> unterstellt<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 7:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n<br />
im Alter von unter 18 Jahren<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen<br />
Von den 39.789 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
im Dezember 2010 waren 5.731 (14,4<br />
Prozent) Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 18<br />
Jahren (Dezember 2009: 5.843) und 7.351<br />
(18,5 Prozent) Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n im<br />
Alter von unter 18 Jahren (Dezember 2009:<br />
7.303).<br />
In diesen insgesamt 13.082 Bedarfsgemeinschaften<br />
beziehungsweise 32,9 Prozent <strong>der</strong><br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />
(Dezember 2009: 33,0 Prozent) lebten 22.921<br />
Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren, davon<br />
11.408 (49,8 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />
Alleinerziehen<strong>der</strong>. 51 Ein Jahr zuvor, im<br />
Dezember 2009, lebten 23.090 Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />
darunter etwa 11.410 (49,4 Prozent)<br />
in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong>.<br />
Von den 5.731 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen<br />
Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kin<strong>der</strong>n unter 18 Jahren<br />
hatten 39,3 Prozent (2.252) ein Kind, 34,3 Prozent<br />
(1.965) zwei Kin<strong>der</strong>, 16,5 Prozent (943)<br />
drei Kin<strong>der</strong>, 6,6 Prozent (381) vier Kin<strong>der</strong> und<br />
3,3 Prozent (190) fünf und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit diesen 5.731 auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />
beziehungsweise Lebensgemeinschaften etwa<br />
2,01 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft (Dezember<br />
2009: 2,00).<br />
Von den 7.351 Alleinerziehenden hatten<br />
61,1 Prozent (4.492) ein Kind, 27,3 Prozent<br />
(2.009) zwei Kin<strong>der</strong>, 8,2 Prozent (600) drei, 2,5<br />
Prozent (181) vier und 0,9 Prozent (69) fünf<br />
und mehr Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit den 7.351 auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Alleinerziehenden<br />
etwa 1,55 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft<br />
– deutlich weniger als <strong>bei</strong> den Ehepaaren<br />
beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 18 Jahren<br />
(Dezember 2009: 1,56).<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Von den 11.017 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
im Dezember 2010 waren 1.560 (14,2<br />
Prozent) Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter<br />
18 Jahren (Dezember 2009: 1.622) und 2.058<br />
(18,7 Prozent) Alleinerziehende mit Kin<strong>der</strong>n im<br />
Alter von unter 18 Jahren (Dezember 2009:<br />
2.075).<br />
In diesen insgesamt 3.618 Bedarfsgemeinschaften<br />
beziehungsweise 32,8 Prozent <strong>der</strong><br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />
(Dezember 2009: 33,9 Prozent) lebten 6.509<br />
Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren, davon<br />
3.318 (51,0 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />
Alleinerziehen<strong>der</strong>. 52 Ein Jahr zuvor, im Dezember<br />
2009, lebten 6.566 Kin<strong>der</strong> im Alter von<br />
unter 18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />
darunter etwa 3.342 (50,9 Prozent) in<br />
Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehen<strong>der</strong>.<br />
Von den 1.560 auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen<br />
Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
hatten 40,5 Prozent (632) ein<br />
Kind, 32,1 Prozent (501) zwei Kin<strong>der</strong>, 16,9<br />
Prozent (264) drei Kin<strong>der</strong>, 6,5 Prozent (101)<br />
vier Kin<strong>der</strong> und 4,0 Prozent (62) fünf und mehr<br />
Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit diesen 1.560 auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />
beziehungsweise Lebensgemeinschaften etwa<br />
2,05 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft (Dezember<br />
2009: 2,06).<br />
Von den 2.058 Alleinerziehenden hatten<br />
58,6 Prozent (1.207) ein Kind, 28,1 Prozent<br />
(578) zwei Kin<strong>der</strong>, 8,5 Prozent (174) drei, 3,5<br />
Prozent (72) vier und 1,3 Prozent (27) fünf und<br />
mehr Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit den 2.058 auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesenen Alleinerziehenden<br />
1,61 Kin<strong>der</strong> pro Bedarfsgemeinschaft –<br />
deutlich weniger als <strong>bei</strong> den Ehepaaren beziehungsweise<br />
Lebensgemeinschaften mit Kin<strong>der</strong>n<br />
im Alter von unter 18 Jahren (Dezember 2009:<br />
ebenfalls 1,61).<br />
51 Neben diesen 22.921 Kin<strong>der</strong>n in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten noch 207 (Dezember 2009: 190) Kin<strong>der</strong> im Alter von unter<br />
18 Jahren in SGB-XII-Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb<br />
von Einrichtungen).<br />
52 Neben diesen 6.509 Kin<strong>der</strong>n in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten noch 35 Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 18 Jahren in SGB-XII-<br />
Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen);<br />
Dezember 2009: 40.<br />
99
100<br />
550<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Abbildung 4: Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />
im Alter von unter 15 Jahren pro 1.000 Kin<strong>der</strong> im entsprechenden Alter* –<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Dezember 2010 (revidierte Daten)<br />
pro tausend<br />
332<br />
unter<br />
3 Jahren<br />
Stadt Bremen<br />
335<br />
3 bis unter<br />
7 Jahren<br />
7 bis unter<br />
15 Jahren<br />
* Einwohner/innen Ende 2009<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />
258<br />
292<br />
unter 15 Jahren<br />
insgesamt<br />
434<br />
unter<br />
3 Jahren<br />
Stadt Bremerhaven<br />
421<br />
3 bis unter<br />
7 Jahren<br />
329<br />
7 bis unter<br />
15 Jahren<br />
372<br />
unter<br />
15 Jahren<br />
insgesamt
Zu Abbildung 4:<br />
Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />
im Alter von unter 15 Jahren pro 1.000<br />
Kin<strong>der</strong> im entsprechenden Alter<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen<br />
Im Dezember 2010 lebten in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
292 von 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter<br />
15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(Dezember 2009: 291). Zur Erinnerung: Ende<br />
2004, dem letzten Jahr vor Inkrafttreten des<br />
SGB II, lebten in <strong>der</strong> Stadt Bremen 206 von<br />
1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter unter 15 Jahren in Familien<br />
(Haushalten), die auf Sozialhilfe angewiesen<br />
waren. 53<br />
Die Quote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
nimmt in <strong>der</strong> Stadt Bremen erst<br />
mit Erreichen des Schulalters deutlich ab. Von<br />
jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 3 Jahren<br />
lebten 332 (Dezember 2009: 335), von<br />
jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von 3 bis unter<br />
7 Jahren lebten 335 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(Dezember 2009: 328). Von jeweils<br />
1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von 7 bis unter 15 Jahren<br />
traf dies für 258 Kin<strong>der</strong> zu (Dezember<br />
2009: ebenfalls 258).<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven lebten im Dezember<br />
2010 372 von 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />
unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(Dezember 2009: 377). Zur Erinnerung:<br />
Ende 2004, dem letzten Jahr vor Inkrafttreten<br />
des SGB II, lebten in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
287 von 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter unter 15 Jahren<br />
in Familien (Haushalten), die auf Sozialhilfe<br />
angewiesen waren. 54<br />
Die Quote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
nimmt mit zunehmendem Alter ab.<br />
Von jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von unter 3<br />
Jahren lebten 434 (Dezember 2009: 447), von<br />
jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von 3 bis unter<br />
7 Jahren 421 (Dezember 2009: ebenfalls 421)<br />
und von jeweils 1.000 Kin<strong>der</strong>n im Alter von<br />
7 bis unter 15 Jahren 329 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(Dezember 2009: 333).<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 15<br />
Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften lag in<br />
<strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 27,6 Prozent (nicht Prozentpunkte)<br />
über dem entsprechenden Anteil<br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremen (Dezember 2009: 29,4<br />
Prozent).<br />
Die Quote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Alter von unter 15<br />
Jahren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven (37,2 Prozent)<br />
war die höchste Quote im Kreisvergleich<br />
(Dezember 2010), vor <strong>der</strong> Landeshauptstadt<br />
Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) mit 35,4<br />
Prozent und <strong>der</strong> Bundeshauptstadt Berlin mit<br />
35,2 Prozent. 55<br />
53 Vgl. Armutsbericht 2005, S. 117 und Tabelle 2.2/2004 (S. 96).<br />
Inwieweit Ende 2004 Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfänger/innen mit Kin<strong>der</strong>n<br />
im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />
Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb<br />
von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht bekannt.<br />
Die Kin<strong>der</strong> von Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfängerinnen und -empfängern,<br />
die Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in <strong>der</strong><br />
Zahl <strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />
54 Vgl. Armutsbericht 2005, S. 118 und Tabelle 2.3/2004 (S. 98).<br />
Inwieweit Ende 2004 Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfänger/innen mit Kin<strong>der</strong>n<br />
im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />
Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb<br />
von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht bekannt.<br />
Die Kin<strong>der</strong> von Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfeempfängerinnen und -empfängern,<br />
die Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in <strong>der</strong><br />
Zahl <strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />
55 Quoten berechnet auf Basis <strong>der</strong> Bevölkerung im Alter von unter<br />
15 Jahren Ende 2009.<br />
101
102<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 8.1: Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahren)<br />
an <strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremen<br />
September 2010<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 2 unter 15 Jahren 3<br />
Stadt / Stadtteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />
Stadt Bremen insgesamt<br />
darunter Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />
14,8% 14,6% 15,0% 29,3%<br />
1<br />
11 Stadtteil Mitte 14,1% 15,5% 12,4% 25,8%<br />
21 Stadtteil Neustadt 13,2% 13,9% 12,3% 26,8%<br />
213 Neustadt 10,0% 10,4% 9,5% 21,5%<br />
215 Gartenstadt Süd 15,9% 13,4% 18,3% 37,3%<br />
23 Stadtteil Obervieland 12,6% 11,4% 13,8% 26,7%<br />
231 Habenhausen 2,6% . . 6,0%<br />
233 Kattenturm 23,5% 21,2% 25,6% 46,6%<br />
24 Stadtteil Huchting 19,5% 17,4% 21,4% 39,5%<br />
244 Grolland 3,6% . . 5,5%<br />
25 Stadtteil Woltmershausen 17,6% 17,3% 17,8% 32,9%<br />
251 Woltmershausen 19,1% . . 36,3%<br />
252 Rablinghausen 11,8% . . 20,3%<br />
31 Stadtteil Östliche Vorstadt 10,0% 11,6% 8,5% 17,1%<br />
32 Stadtteil Schwachhausen 4,5% 4,7% 4,3% 7,4%<br />
33 Stadtteil Vahr 22,3% 19,7% 24,5% 45,9%<br />
331 Gartenstadt Vahr 12,3% 11,3% 13,1% 27,0%<br />
332 Neue Vahr Nord 27,4% 23,7% 30,7% 54,3%<br />
34 Stadtteil Horn-Lehe 6,3% 6,1% 6,5% 13,2%<br />
351 Borgfeld 4<br />
2,2% . . 2,5%<br />
361 Oberneuland 4<br />
3,5% . . 3,1%<br />
37 Stadtteil Osterholz 20,7% 19,5% 21,8% 40,0%<br />
373 Tenever 34,3% 31,2% 37,2% 54,0%<br />
374 Osterholz 5,2% . . 8,8%<br />
38 Stadtteil Hemelingen 14,0% 14,1% 13,9% 26,6%<br />
383 Hemelingen 21,1% 20,6% 21,3% 36,3%<br />
384 Arbergen 7,4% 7,0% 7,9% 17,2%<br />
42 Stadtteil Findorff 10,8% 11,2% 10,3% 18,7%<br />
43 Stadtteil Walle 18,4% 18,8% 17,9% 34,6%<br />
44 Stadtteil Gröpelingen 27,5% 26,1% 28,9% 49,2%<br />
441 Lindenhof 25,3% 24,7% 25,9% 40,4%<br />
442 Gröpelingen 32,9% 30,4% 35,0% 55,9%<br />
51 Stadtteil Burglesum 14,4% 13,6% 15,0% 28,7%<br />
513 Burgdamm 20,9% 18,9% 22,7% 38,8%<br />
515 St. Magnus 6,4% . . 12,3%<br />
52 Stadtteil Vegesack 16,9% 16,2% 17,5% 32,8%<br />
522 Grohn 18,7% 17,9% 19,4% 42,6%<br />
523 Schönebeck 10,1% 9,0% 11,1% 22,7%<br />
53 Stadtteil Blumenthal 19,1% 18,0% 20,0% 33,9%<br />
531 Blumenthal 23,4% 22,8% 23,7% 37,6%<br />
533 Lüssum-Bockhorn 21,8% 20,3% 23,3% 38,5%<br />
535 Rekum 6,4% . . 12,0%<br />
Maximum (Ortsteile) 34,3% 31,2% 37,2% 55,9%<br />
Minimum (Ortsteile) 2,2% . . 2,5%<br />
1 ohne Stadtteil Häfen und ohne die Ortsteile Blockland, Seehausen und Strom<br />
2 Bevölkerung im entsprechenden Alter (15 bis unter 65 Jahren bzw. unter 15 Jahren) Ende 2009<br />
3 Stadt- und Ortsteildaten auf Basis <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt),<br />
Anteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in <strong>der</strong> Stadt Bremen: 95,53%<br />
4 Ortsteile, die keinem Stadtteil zugeordnet sind<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 8.1:<br />
Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
(unter 15 Jahren) an<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />
Stadt Bremen:<br />
Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />
Im September 2010 56 waren im stadtbremischen<br />
Durchschnitt 14,8 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen (erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige), 14,6 Prozent <strong>der</strong> Männer und<br />
15,0 Prozent <strong>der</strong> Frauen im entsprechenden<br />
Alter.<br />
Die entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />
Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />
Stadtteil zugeordnet sind) reichten insgesamt<br />
von 4,5 Prozent im Stadtteil Schwachhausen<br />
bis 27,5 Prozent im Stadtteil Gröpelingen. Die<br />
drei Stadtteile mit <strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote<br />
sind neben dem Stadtteil Gröpelingen<br />
(27,5 Prozent) die Stadtteile Vahr (22,3<br />
Prozent) und Osterholz (20,7 Prozent).<br />
Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />
reichten von 2,2 Prozent in Borgfeld bis 34,3<br />
Prozent in Tenever. Die drei Ortsteile mit <strong>der</strong><br />
höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote sind neben<br />
Tenever (34,3 Prozent) die Ortsteile Gröpelingen<br />
(32,9 Prozent) und Neue Vahr Nord (27,4<br />
Prozent).<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten <strong>der</strong> Frauen<br />
reichten auf Stadtteilebene von 4,3 Prozent in<br />
Schwachhausen bis 28,9 Prozent in Gröpelingen,<br />
die <strong>der</strong> Männer von 4,7 Prozent in<br />
Schwachhausen bis 26,1 Prozent in Gröpelingen.<br />
Auf Ortsteilebene reichten die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten<br />
<strong>bei</strong> den Frauen bis 57 37,2 Prozent<br />
und <strong>bei</strong> den Männern bis 31,2 Prozent in<br />
Tenever.<br />
Sozialgeld-Empfänger/innen unter 15 Jahren<br />
(nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
unter 15 Jahren)<br />
Im September 58 2010 lebten im stadtbremischen<br />
Durchschnitt 29,3 Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im<br />
Alter von unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften.<br />
Das heißt, ihre Mütter und/o<strong>der</strong><br />
Väter waren – ganz o<strong>der</strong> ergänzend – auf<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen.<br />
Die entsprechenden Quoten reichten in den<br />
Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />
Stadtteil zugeordnet sind) von 7,4 Prozent im<br />
Stadtteil Schwachhausen bis 49,2 Prozent im<br />
Stadtteil Gröpelingen. Die vier Stadtteile mit<br />
<strong>der</strong> höchsten Quote sind neben dem Stadtteil<br />
Gröpelingen (49,2 Prozent) die Stadtteile Vahr<br />
(45,9 Prozent), Osterholz (40,0 Prozent) und<br />
Huchting (39,5 Prozent).<br />
Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />
reichten von 2,5 Prozent in Borgfeld bis 55,9<br />
Prozent in Gröpelingen. Die drei Ortsteile mit<br />
<strong>der</strong> höchsten Quote sind neben Gröpelingen<br />
(55,9 Prozent) die Ortsteile Neue Vahr Nord<br />
(54,3 Prozent) und Tenever (54,0 Prozent).<br />
56 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />
lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />
57 Nur ›bis‹, denn es liegen nicht für alle Ortsteile entsprechende<br />
geschlechtsspezifisch differenzierte Daten vor. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e<br />
für Ortsteile mit niedrigen Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten.<br />
58 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />
lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />
103
104<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 8.2: Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahren)<br />
an <strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremerhaven<br />
September 2010<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 1 unter 15 Jahren 1<br />
Stadt / Stad tteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />
Stadt Bremerhaven insgesamt<br />
darunter Stadtteile und Ortsteile<br />
20,5% 19,9% 21,1% 37,8%<br />
11 Stadtteil Weddewarden 4,6% 5,2% 4,0% 5,5%<br />
12 Stadtteil Leherheide 19,5% 17,2% 21,7% 36,4%<br />
121 Königsheide 7,3% 7,8% 6,8% 11,6%<br />
122 Fehrmoor 2,7% 3,0% 2,5% 5,5%<br />
123 Leherheide-West 34,5% 29,8% 38,8% 57,7%<br />
13 Stadtteil Lehe 23,3% 23,3% 23,3% 38,2%<br />
131 Speckenbüttel 3,4% 3,2% 3,6% 5,1%<br />
132 Eckernfeld 8,9% 8,7% 9,1% 17,5%<br />
133 Twischkamp 27,5% 28,6% 26,2% 42,0%<br />
134 Goethestraße 41,5% 39,4% 44,1% 67,3%<br />
135 Klushof 29,7% 28,8% 30,6% 52,5%<br />
136 Schierholz 10,9% 11,9% 10,0% 18,7%<br />
137 Buschkämpen 5,5% 6,4% 4,6% 25,5%<br />
14 Stadtteil Mitte 20,7% 20,6% 20,8% 48,3%<br />
141 Mitte-Süd 18,7% 19,9% 17,5% 39,0%<br />
142 Mitte-Nord 21,9% 21,0% 22,9% 51,8%<br />
21 Geestemünde 24,3% 24,0% 24,6% 45,8%<br />
211 Geestemünde-Nord 15,9% 16,5% 15,3% 34,2%<br />
212 Geestendorf 26,5% 25,4% 27,6% 52,3%<br />
213 Geestemünde-Süd 21,4% 20,3% 22,6% 39,8%<br />
214 Bürgerpark 17,8% 17,7% 17,9% 35,8%<br />
215 Grünhöfe 35,4% 35,6% 35,2% 53,9%<br />
22 Stadtteil Schiffdorferdamm 4,0% 4,6% 3,5% 8,8%<br />
23 Stadtteil Surheide 3,5% 3,8% 3,1% 8,8%<br />
24 Stadtteil Wulsdorf 12,9% 12,8% 12,9% 24,1%<br />
241 Dreibergen 17,8% 17,5% 18,0% 34,3%<br />
242 Jedutenberg 8,0% 8,0% 8,0% 13,4%<br />
25 Stadtteil Fischereihafen 5,9% 6,9% 4,5% 3,5%<br />
Maximum (Ortsteile) 41,5% 39,4% 44,1% 67,3%<br />
Minimum (Ortsteile) 2,7% 3,0% 2,5% 3,5%<br />
1 Bevölkerung im entsprechenden Alter (15 bis unter 65 Jahren bzw. unter 15 Jahren) Ende 2009;<br />
Orts- und Stadtteile: Magistrat Bremerhaven; Stadt Bremerhaven insgesamt: Statistisches Landesamt Bremen<br />
2 Stadt- und Ortsteildaten auf Basis <strong>der</strong> nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt),<br />
Anteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unter 15 Jahren an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven: 96,93%<br />
Quellen: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t; Magistrat Bremerhaven; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 8.2:<br />
Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
(unter 15 Jahren) an<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />
Stadt Bremerhaven: Stadtteile und Ortsteile<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />
Im September 2010 59 waren in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremerhaven durchschnittlich 20,5 Prozent <strong>der</strong><br />
Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II angewiesen<br />
(erwerbsfähige Hilfebedürftige), 19,9 Prozent<br />
<strong>der</strong> Männer und 21,1 Prozent <strong>der</strong> Frauen im<br />
entsprechenden Alter.<br />
Die entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />
Stadtteilen reichten insgesamt von 3,5 Prozent<br />
im Stadtteil Surheide bis 24,3 Prozent im<br />
Stadtteil Geestemünde. Die vier Stadtteile mit<br />
<strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote sind<br />
neben dem Stadtteil Geestemünde (24,3 Prozent)<br />
die Stadtteile Lehe (23,3 Prozent), Mitte<br />
(20,7 Prozent) und Leherheide (19,5 Prozent).<br />
Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />
reichten von 2,7 Prozent in Fehrmoor bis 41,5<br />
Prozent im Ortsteil Goethestraße. Die drei Ortsteile<br />
mit <strong>der</strong> höchsten Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quote<br />
sind neben dem Ortsteil Goethestraße (41,5<br />
Prozent) die Ortsteile Grünhöfe (35,4 Prozent)<br />
und Leherheide-West (34,5 Prozent).<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten <strong>der</strong> Frauen<br />
reichten auf Stadtteilebene von 3,1 Prozent im<br />
Stadtteil Surheide bis 24,6 Prozent in Geestemünde,<br />
die <strong>der</strong> Männer von 3,8 Prozent<br />
in Surheide bis 24,0 Prozent in Geestemünde.<br />
Auf Ortsteilebene reichten die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Quoten<br />
<strong>bei</strong> den Frauen von 2,5 Prozent<br />
in Fehrmoor bis 44,1 Prozent im Ortsteil<br />
Goethestraße, <strong>bei</strong> den Männern von 3,0 Prozent<br />
in Fehrmoor bis 39,4 Prozent im Ortsteil<br />
Goethestraße.<br />
Sozialgeld-Empfänger/innen unter<br />
15 Jahren (nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige unter 15 Jahren)<br />
Im September 2010 60 lebten in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremerhaven 37,8 Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
von unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften.<br />
Das heißt, ihre Mütter und/o<strong>der</strong> Väter<br />
waren – ganz o<strong>der</strong> ergänzend – auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II angewiesen.<br />
Die entsprechenden Quoten reichten in den<br />
Stadtteilen von 3,5 Prozent im Stadtteil Fischereihafen<br />
bis 48,3 Prozent im Stadtteil Mitte.<br />
Die vier Stadtteile mit <strong>der</strong> höchsten Quote sind<br />
neben dem Stadtteil Mitte (48,3 Prozent) die<br />
Stadtteile Geestemünde (45,8 Prozent), Lehe<br />
(38,2 Prozent) und Leherheide (36,4 Prozent).<br />
Die entsprechenden Quoten in den Ortsbeziehungsweise<br />
Stadtteilen reichten von 3,5<br />
Prozent im Stadtteil Fischereihafen bis 67,3<br />
Prozent im Ortsteil Goethestraße. Die sechs<br />
Ortsteile mit <strong>der</strong> höchsten Quote (jeweils über<br />
50 Prozent) sind neben dem Ortsteil Goethestraße<br />
(67,3 Prozent) die Ortsteile Leherheide-<br />
West (57,7 Prozent), Grünhöfe (53,9 Prozent),<br />
Klushof (52,5 Prozent), Geestendorf (52,3 Prozent)<br />
und Mitte-Nord (51,8 Prozent).<br />
59 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />
lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />
60 Bei Redaktionsschluss lagen auf Stadtteil- und Ortsteilebene<br />
lediglich Daten bis September 2010 vor.<br />
105
106<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 9.1: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG):<br />
Bewilligte Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremen<br />
revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />
insgesamt (brutto) Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen für Unterkunft SV-Beiträge sonstige<br />
ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />
Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/<br />
Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />
- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15-<br />
2006 37,72 877 484 672 14,69 262 0,76 35 13,44 313 172 8,62 153 0,22 3<br />
2007 33,84 849 444 620 13,77 253 0,72 33 13,09 328 172 6,03 111 0,22 3<br />
2008 33,20 856 450 630 13,31 252 0,70 33 13,00 335 176 5,97 113 0,22 3<br />
2009 34,94 889 478 664 13,84 263 0,82 40 13,62 347 186 6,39 121 0,26 4<br />
2010 35,91 888 480 666 14,20 263 0,71 34 14,16 350 189 6,55 121 0,29 4<br />
Jan 2009 33,47 875 467 652 13,25 258 0,68 33 13,01 340 181 6,31 123 0,23 3<br />
Feb 2009 33,96 879 470 654 13,44 259 0,67 33 13,19 341 182 6,39 123 0,28 4<br />
Mrz 2009 34,41 884 473 658 13,58 260 0,66 32 13,39 344 184 6,44 123 0,34 5<br />
Apr 2009 34,39 879 473 656 13,60 259 0,63 31 13,40 343 184 6,45 123 0,31 4<br />
Mai 2009 34,41 878 473 655 13,62 259 0,61 30 13,44 343 185 6,46 123 0,28 4<br />
Jun 2009 34,47 878 473 655 13,60 259 0,59 29 13,52 344 185 6,47 123 0,29 4<br />
Jul 2009 35,30 892 481 666 14,11 266 0,83 41 13,81 349 188 6,33 119 0,23 3<br />
Aug 2009 36,68 926 498 691 14,40 271 1,88 92 13,79 348 187 6,35 120 0,27 4<br />
Sep 2009 35,56 895 482 669 14,16 266 0,84 40 13,95 351 189 6,36 120 0,25 3<br />
Okt 2009 35,46 891 480 666 14,11 265 0,82 40 13,93 350 189 6,37 120 0,21 3<br />
Nov 2009 35,50 893 481 668 14,11 266 0,82 40 13,95 351 189 6,39 120 0,23 3<br />
Dez 2009 35,68 896 483 670 14,13 265 0,82 40 14,05 353 190 6,42 121 0,26 3<br />
Jan 2010 35,63 889 479 664 14,13 264 0,72 35 13,99 349 188 6,54 122 0,24 3<br />
Feb 2010 35,89 886 478 663 14,31 264 0,66 32 14,03 347 187 6,58 122 0,31 4<br />
Mrz 2010 36,30 889 480 665 14,39 264 0,65 31 14,28 350 189 6,62 121 0,35 5<br />
Apr 2010 36,18 886 478 662 14,35 263 0,63 30 14,21 348 188 6,63 121 0,36 5<br />
Mai 2010 36,14 886 479 662 14,35 263 0,62 30 14,21 348 188 6,63 121 0,33 4<br />
Jun 2010 36,08 884 478 661 14,32 262 0,62 30 14,27 350 189 6,61 121 0,26 3<br />
Jul 2010 35,89 881 477 660 14,24 262 0,61 29 14,22 349 189 6,58 121 0,25 3<br />
Aug 2010 37,23 918 495 688 14,51 268 1,65 78 14,20 350 189 6,54 121 0,33 4<br />
Sep 2010 35,63 885 479 664 14,05 262 0,60 29 14,17 352 190 6,51 121 0,30 4<br />
Okt 2010 35,38 882 478 664 13,96 262 0,60 29 14,12 352 191 6,48 122 0,22 3<br />
Nov 2010 35,28 886 480 668 13,90 263 0,60 29 14,08 353 191 6,45 122 0,25 3<br />
Dez 2010 35,28 887 480 668 13,87 263 0,60 29 14,12 355 192 6,46 122 0,23 3<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.<br />
* LE = Leistungsempfänger/in (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II und Sozialgeld)<br />
** E = Empfänger/in
Zu Tabelle 9.1:<br />
Ausgaben für SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong><br />
Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />
Stadt Bremen<br />
Im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010 wurden in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen vom Bund und <strong>der</strong> Stadt Bremen zu<br />
tragende SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des<br />
Lebensunterhaltes in Höhe von durchschnittlich<br />
35,91 Millionen Euro pro Monat (brutto) bewilligt.<br />
Dies waren (nominal) 0,97 Millionen Euro<br />
pro Monat mehr als im Vorjahr (2009).<br />
Von diesen durchschnittlich 35,91 Millionen<br />
Euro entfielen 14,20 Millionen Euro (39,5 Prozent)<br />
auf das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, 0,71 Millionen<br />
Euro (2,0 Prozent) auf das Sozialgeld (jeweils<br />
ohne die Leistungen für Unterkunft und Heizung),<br />
14,16 Millionen Euro (39,4 Prozent) auf<br />
die Leistungen für Unterkunft und Heizung,<br />
6,55 Millionen Euro (18,2 Prozent) auf die<br />
Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung und 0,29 Millionen<br />
Euro (0,8 Prozent) auf die sonstigen<br />
Leistungen 61 .<br />
Der Vergleich <strong>der</strong> bewilligten SGB-II-Leistungen<br />
<strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhalts pro<br />
Bedarfsgemeinschaft, pro Leistungsempfänger/in<br />
62 beziehungsweise pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />
II-Empfänger/in in den <strong>Bericht</strong>sjahren 2009 und<br />
2010 zeigt: Die bewilligten monatlichen Leistungen<br />
pro Bedarfsgemeinschaft sanken im Vergleich<br />
zum <strong>Bericht</strong>sjahr 2009 um etwa einen<br />
Euro (0,1 Prozent) auf 888 Euro, die bewilligten<br />
monatlichen Leistungen pro Leistungsempfänger/in<br />
stiegen um etwa zwei Euro (0,4 Prozent)<br />
auf 480 Euro und die bewilligten monatlichen<br />
Leistungen pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in<br />
stiegen um ebenfalls etwa zwei Euro (0,4 Prozent)<br />
auf 666 Euro.<br />
Das bewilligte Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II pro<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in (ohne Leistungen<br />
für Unterkunft und Heizung und ohne<br />
Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung) betrug, wie im<br />
Vorjahr (2009) 263 Euro pro Monat.<br />
Die bewilligten monatlichen Leistungen für<br />
Unterkunft und Heizung stiegen pro Bedarfsgemeinschaft<br />
um etwa vier Euro 63 (1,1 Prozent)<br />
auf 350 Euro. Pro Leistungsempfänger/in stiegen<br />
diese Ausgaben um etwa drei Euro (1,6<br />
Prozent) auf 189 Euro.<br />
Von den bewilligten Leistungen im <strong>Bericht</strong>sjahr<br />
2010 hatte <strong>der</strong> Bund etwa 68,8 Prozent<br />
(24,7 Millionen Euro pro Monat) und die Stadt<br />
Bremen 31,2 Prozent (11,2 Millionen Euro pro<br />
Monat) zu tragen (2009: 70,2 Prozent beziehungsweise<br />
29,8 Prozent). 64 Der Anteil <strong>der</strong><br />
Stadt Bremen an den bewilligten Leistungen für<br />
SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes<br />
ist damit weiter gestiegen – im<br />
Wesentlichen wegen des weiter von 25,4 Prozent<br />
auf 23,0 Prozent reduzierten Anteils des<br />
Bundes an den kommunalen Leistungen für<br />
Unterkunft und Heizung.<br />
Hinweis: Die in dieser Tabelle dargestellte Entwicklung<br />
<strong>der</strong> bewilligten Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes gibt keine Auskunft<br />
über die in den Antragsverfahren anerkannten<br />
Bedarfe <strong>der</strong> SGB-II-Bedarfsgemeinschaften. Im<br />
Dezember 2010 wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremen <strong>bei</strong><br />
22.240 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (55,9<br />
Prozent <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften insgesamt)<br />
Einkommen in Höhe von insgesamt etwa 10,38<br />
Millionen Euro angerechnet, etwa 261 Euro pro<br />
Bedarfsgemeinschaft (Dezember 2009: 251<br />
Euro) beziehungsweise 467 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />
mit anrechenbarem Einkommen<br />
(Dezember 2009: 450 Euro). 65 Unter den insgesamt<br />
39.789 Bedarfsgemeinschaften waren<br />
unter an<strong>der</strong>em 14.571 (36,6 Prozent; Dezember<br />
2009: 37,0 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />
mit anrechenbarem Einkommen aus Kin<strong>der</strong>geld<br />
und 11.275 (28,3 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />
mit anrechenbarem Einkommen<br />
aus Erwerbstätigkeit (Dezember 2009: 26,8<br />
Prozent). In 2.404 (6,0 Prozent; Dezember<br />
2009: 6,8 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />
wurden Sozialleistungen angerechnet, darunter<br />
in 971 Bedarfsgemeinschaften Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
gemäß SGB III (Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>ung); Dezember<br />
2009: 1.288.<br />
61 Als sonstige Leistungen werden von <strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für<br />
Ar<strong>bei</strong>t insbeson<strong>der</strong>e die nicht von <strong>der</strong> Regelleistung umfassten kommunalen<br />
Leistungen zusammengefasst: Leistungen für Erstausstattungen für<br />
die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte, für Erstausstattungen für<br />
Bekleidung einschließlich <strong>bei</strong> Schwangerschaft und Geburt sowie für mehrtägige<br />
Klassenfahrten im Rahmen <strong>der</strong> schulrechtlichen Bestimmungen<br />
(§ 23 SGB II). Abweichung von 100 Prozent durch Rundungen bedingt.<br />
62 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />
63 Rundungsdifferenz zu den in <strong>der</strong> Tabelle genannten Leistungen, da Verän<strong>der</strong>ungen<br />
auf Basis ungerundeter Daten ermittelt wurden (3,73 Euro).<br />
64 Die Kommunen haben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Leistungen<br />
für Unterkunft und Heizung zu tragen. Der Bund beteiligt sich an diesen<br />
Leistungen gemäß § 46 Abs. 5 SGB II. Die Höhe des Bundesanteils<br />
ergibt sich aus den Absätzen 6 und 7 des § 46 SGB II. Der Bundesanteil<br />
betrug in den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im<br />
Land Bremen und 13 weiteren Län<strong>der</strong>n 31,2 Prozent dieser Ausgaben<br />
(Baden-Württemberg 2007: 35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz 2007: 41,2 Prozent).<br />
Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land Bremen und 13 weiteren<br />
Län<strong>der</strong>n auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg 2008: 32,6 Prozent;<br />
Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent). Im Jahr 2009 sank <strong>der</strong> Anteil des<br />
Bundes weiter auf 25,4 Prozent (Baden-Württemberg 2009: 29,4 Prozent;<br />
Rheinland-Pfalz 2009: 35,4 Prozent) und im Jahr 2010 auf 23,0 Prozent<br />
(Baden-Württemberg 2010: 27,0 Prozent; Rheinland-Pfalz 2010: 33,0<br />
Prozent).<br />
65 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung<br />
für Ar<strong>bei</strong>tsuchende nach SGB II, Report für Kreise und kreisfreie<br />
Städte, <strong>Bericht</strong>smonate Dezember 2009 und 2010, Nürnberg; eigene<br />
Berechnungen.<br />
107
108<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 9.2: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG):<br />
Bewilligte Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />
insgesamt (brutto) Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen für Unterkunft SV-Beiträge sonstige<br />
ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />
Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/<br />
Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />
- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15-<br />
2006 11,08 865 465 645 4,44 258 0,21 31 3,82 298 160 2,56 149 0,06 3<br />
2007 10,08 847 431 600 4,22 251 0,20 30 3,78 317 161 1,82 108 0,06 3<br />
2008 9,64 850 434 606 3,98 250 0,19 31 3,60 317 162 1,81 114 0,06 3<br />
2009 9,58 877 459 636 3,87 257 0,22 38 3,59 329 172 1,83 121 0,07 3<br />
2010 9,50 855 452 626 3,91 257 0,19 33 3,52 316 167 1,83 120 0,07 3<br />
Jan 2009 9,43 868 452 627 3,78 251 0,18 31 3,54 326 170 1,85 123 0,07 3<br />
Feb 2009 9,56 872 454 630 3,85 254 0,19 31 3,58 326 170 1,87 123 0,07 3<br />
Mrz 2009 9,67 877 457 633 3,86 253 0,18 30 3,64 330 172 1,88 123 0,11 5<br />
Apr 2009 9,62 877 459 634 3,85 254 0,17 29 3,64 332 173 1,87 123 0,09 4<br />
Mai 2009 9,50 872 457 631 3,81 253 0,16 28 3,60 330 173 1,86 123 0,07 3<br />
Jun 2009 9,47 868 455 627 3,83 253 0,15 26 3,58 328 172 1,86 123 0,05 3<br />
Jul 2009 9,66 878 461 637 3,96 261 0,22 38 3,61 329 172 1,81 119 0,06 3<br />
Aug 2009 9,98 915 478 663 4,00 266 0,52 89 3,59 329 172 1,80 119 0,07 3<br />
Sep 2009 9,54 876 459 637 3,89 260 0,22 38 3,58 329 172 1,78 119 0,07 3<br />
Okt 2009 9,48 873 458 636 3,86 259 0,22 37 3,57 329 173 1,78 119 0,05 3<br />
Nov 2009 9,52 879 461 640 3,88 261 0,21 37 3,59 331 174 1,78 120 0,06 3<br />
Dez 2009 9,52 873 458 636 3,91 261 0,22 37 3,55 325 171 1,79 120 0,05 3<br />
Jan 2010 9,44 860 451 626 3,88 257 0,17 29 3,50 319 167 1,82 121 0,06 3<br />
Feb 2010 9,53 861 453 627 3,94 259 0,17 30 3,53 318 168 1,84 121 0,06 3<br />
Mrz 2010 9,65 865 455 630 3,97 259 0,17 29 3,57 320 168 1,85 121 0,09 4<br />
Apr 2010 9,66 864 455 630 3,96 258 0,17 29 3,59 321 169 1,84 120 0,10 5<br />
Mai 2010 9,58 859 454 627 3,95 259 0,17 29 3,54 318 168 1,84 120 0,07 3<br />
Jun 2010 9,54 854 452 624 3,93 257 0,16 28 3,54 317 168 1,84 120 0,07 3<br />
Jul 2010 9,49 847 450 621 3,90 255 0,16 28 3,54 316 168 1,83 120 0,06 3<br />
Aug 2010 9,80 878 465 644 3,96 260 0,45 76 3,50 314 166 1,82 120 0,07 3<br />
Sep 2010 9,38 841 447 619 3,87 255 0,16 28 3,48 312 166 1,82 120 0,05 3<br />
Okt 2010 9,36 842 448 620 3,85 255 0,16 28 3,48 314 167 1,81 120 0,05 3<br />
Nov 2010 9,30 843 448 620 3,82 255 0,16 28 3,45 313 166 1,80 120 0,05 3<br />
Dez 2010 9,32 846 451 624 3,84 257 0,16 28 3,46 314 167 1,81 121 0,05 2<br />
Quelle: Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA); eigene Berechnungen.<br />
* LE = Leistungsempfänger/in (Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II und Sozialgeld)<br />
** E = Empfänger/in
Zu Tabelle 9.2:<br />
Ausgaben für SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong><br />
Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010 wurden in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremerhaven vom Bund und <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
zu tragende SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong><br />
Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von<br />
durchschnittlich 9,50 Millionen Euro pro Monat<br />
(brutto) bewilligt. Dies waren (nominal) 0,08<br />
Millionen Euro pro Monat weniger als im Vorjahr<br />
(2009).<br />
Von diesen durchschnittlich 9,50 Millionen<br />
Euro entfielen 3,91 Millionen Euro (41,1 Prozent)<br />
auf das Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II, 0,19 Millionen<br />
Euro (2,0 Prozent) auf das Sozialgeld (jeweils<br />
ohne die Leistungen für Unterkunft und Heizung),<br />
3,52 Millionen Euro (37,0 Prozent) auf<br />
die Leistungen für Unterkunft und Heizung,<br />
1,83 Millionen Euro (19,2 Prozent) auf die<br />
Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung und 0,07<br />
Millionen Euro (0,7 Prozent) auf die sonstigen<br />
Leistungen 66 .<br />
Der Vergleich <strong>der</strong> bewilligten SGB-II-Leistungen<br />
<strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhalts pro<br />
Bedarfsgemeinschaft, pro Leistungsempfänger/in<br />
67 beziehungsweise pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />
II-Empfänger/in in den <strong>Bericht</strong>sjahren 2009 und<br />
2010 zeigt: Die im Vorjahr (2009) deutlich<br />
gestiegenen bewilligten monatlichen Leistungen<br />
pro Bedarfsgemeinschaft sanken im Vergleich<br />
zu 2010 um etwa 22 Euro (2,5 Prozent) auf<br />
855 Euro, die bewilligten monatlichen Leistungen<br />
pro Leistungsempfänger/in um etwa sieben<br />
Euro (1,5 Prozent) auf 452 Euro und die<br />
bewilligten monatlichen Leistungen pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in<br />
um etwa zehn Euro<br />
(1,6 Prozent) auf 626 Euro.<br />
Die bewilligten monatlichen SGB-II-Leistungen<br />
<strong>zur</strong> Sicherung des Lebensunterhaltes lagen in<br />
<strong>der</strong> Stadt Bremerhaven im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010<br />
mit 626 Euro pro Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in<br />
etwa 40 Euro (6,0 Prozent) unter den<br />
entsprechenden Ausgaben in <strong>der</strong> Stadt Bremen<br />
– insbeson<strong>der</strong>e wegen <strong>der</strong> geringeren Leistungen<br />
für Unterkunft und Heizung (niedrigere<br />
Mieten).<br />
Das bewilligte Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II pro<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/in (ohne Leistungen<br />
für Unterkunft und Heizung und ohne<br />
Beiträge <strong>zur</strong> Sozialversicherung) betrug, wie<br />
im Vorjahr (2009) 257 Euro pro Monat.<br />
Die bewilligten monatlichen Leistungen für<br />
Unterkunft und Heizung sanken um etwa 12<br />
Euro 68 (3,8 Prozent) auf 316 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />
beziehungsweise um etwa fünf<br />
Euro (2,7 Prozent) auf 167 Euro pro Leistungsempfänger/in.<br />
Von den bewilligten Leistungen im <strong>Bericht</strong>sjahr 2010<br />
hatte <strong>der</strong> Bund etwa 71,3 Prozent (6,7 Millionen<br />
Euro pro Monat) und die Stadt Bremerhaven 28,7<br />
Prozent (2,8 Millionen Euro pro Monat) zu tragen<br />
(2009: 70,8 Prozent beziehungsweise 29,2 Prozent).<br />
69 Der Anteil <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven an den<br />
Ausgaben für SGB-II-Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung des<br />
Lebensunterhaltes ist damit weiter gestiegen – im<br />
Wesentlichen wegen des von 25,4 Prozent auf 23,0<br />
Prozent reduzierten Anteils des Bundes an den<br />
kommunalen Leistungen für Unterkunft und Heizung.<br />
Hinweis: Die in dieser Tabelle dargestellte Entwicklung<br />
<strong>der</strong> bewilligten für Leistungen <strong>zur</strong> Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes gibt keine Auskunft über die<br />
in den Antragsverfahren anerkannten Bedarfe <strong>der</strong><br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften. Im Dezember 2010<br />
wurde in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven <strong>bei</strong> 6.194 SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften (56,2 Prozent <strong>der</strong> Bedarfsgemeinschaften<br />
insgesamt) Einkommen in Höhe von<br />
insgesamt 2,63 Millionen Euro angerechnet, etwa<br />
238 Euro pro Bedarfsgemeinschaft (Dezember<br />
2009: 259 Euro) beziehungsweise 424 Euro pro<br />
Bedarfsgemeinschaft mit anrechenbarem Einkommen<br />
(Dezember 2009: 455 Euro). 70 Unter den insgesamt<br />
11.017 Bedarfsgemeinschaften waren unter<br />
an<strong>der</strong>em 4.001 Bedarfsgemeinschaften (36,3 Prozent;<br />
Dezember 2009: 38,6 Prozent) mit anrechenbarem<br />
Einkommen aus Kin<strong>der</strong>geld und 2.834<br />
Bedarfsgemeinschaften (25,7 Prozent) mit anrechenbarem<br />
Einkommen aus Erwerbstätigkeit<br />
(Dezember 2009: 25,9 Prozent). In 813 (7,4 Prozent;<br />
Dezember 2009: 7,8 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />
wurden Sozialleistungen angerechnet,<br />
darunter in 306 Bedarfsgemeinschaften Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
gemäß SGB III (Ar<strong>bei</strong>tsför<strong>der</strong>ung); Dezember<br />
2009: 318.<br />
109<br />
66 Als sonstige Leistungen werden von <strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t insbeson<strong>der</strong>e<br />
die nicht von <strong>der</strong> Regelleistung umfassten kommunalen Leistungen zusammengefasst:<br />
Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte, für Erstausstattungen<br />
für Bekleidung einschließlich <strong>bei</strong> Schwangerschaft und Geburt sowie für mehrtägige<br />
Klassenfahrten im Rahmen <strong>der</strong> schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 SGB II). Abweichungen<br />
<strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> Einzelbeträge von 9,50 Millionen Euro durch Rundungen bedingt.<br />
67 Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />
68 Rundungsdifferenz zu den in <strong>der</strong> Tabelle genannten Leistungen, da Verän<strong>der</strong>ungen auf Basis<br />
ungerundeter Daten ermittelt wurden (12,35 Euro).<br />
69 Die Kommunen haben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Leistungen für Unterkunft<br />
und Heizung zu tragen. Der Bund beteiligt sich an diesen Leistungen gemäß § 46 Abs. 5 SGB<br />
II. Die Höhe des Bundesanteils ergibt sich aus den Absätzen 6 und 7 des § 46 SGB II. Der<br />
Bundesanteil betrug in den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im Land<br />
Bremen und 13 weiteren Län<strong>der</strong>n 31,2 Prozent dieser Ausgaben (Baden-Württemberg 2007:<br />
35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz 2007: 41,2 Prozent). Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land<br />
Bremen und 13 weiteren Län<strong>der</strong>n auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg 2008: 32,6 Prozent;<br />
Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent). Im Jahr 2009 sank <strong>der</strong> Anteil des Bundes weiter auf<br />
25,4 Prozent (Baden-Württemberg 2009: 29,4 Prozent; Rheinland-Pfalz 2009: 35,4 Prozent)<br />
und im Jahr 2010 auf 23,0 Prozent (Baden-Württemberg 2010: 27,0 Prozent; Rheinland-Pfalz<br />
2010: 33,0 Prozent).<br />
70 Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t (BA): Statistik <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende<br />
nach SGB II, Report für Kreise und kreisfreie Städte, <strong>Bericht</strong>smonate Dezember 2009 und<br />
2010; eigene Berechnungen.
110<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 10: Grundsicherung im Alter (Kapitel 4 SGB XII)<br />
65 Jahre und älter – Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen Leistungsempfänger/innen 1<br />
insgesamt Männer Frauen<br />
absolut absolut absolut in v.H.<br />
Dezember 2006 4.306 1.370 2.936 68,2%<br />
Dezember 2007 4.846 1.661 3.185 65,7%<br />
Dezember 2008 5.232 1.850 3.382 64,6%<br />
Dezember 2009 5.348 1.945 3.403 63,6%<br />
Dezember 2010 5.531 2.047 3.484 63,0%<br />
Stadt Bremen Einwohner/innen im Alter von 65 Jahren und älter<br />
Ende 2006 113.318 45.898 67.420 59,5%<br />
Ende 2007 114.875 46.942 67.933 59,1%<br />
Ende 2008 116.321 47.988 68.333 58,7%<br />
Ende 2009 117.170 48.771 68.399 58,4%<br />
Stadt Bremen Leistungsempfänger/innen pro Einwohner/innen 65 Jahre und älter 1<br />
Dezember 2006 3,8% 3,0% 4,4%<br />
Dezember 2007 4,2% 3,5% 4,7%<br />
Dezember 2008 4,5% 3,9% 4,9%<br />
Dezember 2009 4,6% 4,0% 5,0%<br />
Dezember 2010 2<br />
4,7% 4,2% 5,1%<br />
Stadt Bremerhaven Leistungsempfänger/innen 1<br />
insgesamt Männer Frauen<br />
absolut absolut absolut in v.H.<br />
Dezember 2006 1.362 420 942 69,2%<br />
Dezember 2007 1.397 434 963 68,9%<br />
Dezember 2008 1.448 466 982 67,8%<br />
Dezember 2009 1.387 479 908 65,5%<br />
Dezember 2010 1.385 487 898 64,8%<br />
Stadt Bremerhaven Einwohner/innen im Alter von 65 Jahren und älter<br />
Ende 2006 24.924 10.314 14.610 58,6%<br />
Ende 2007 24.980 10.440 14.540 58,2%<br />
Ende 2008 25.106 10.642 14.464 57,6%<br />
Ende 2009 25.135 10.758 14.377 57,2%<br />
Stadt Bremerhaven Leistungsempfänger/innen pro Einwohner/innen 65 Jahre und älter 1<br />
Dezember 2006 5,5% 4,1% 6,4%<br />
Dezember 2007 5,6% 4,2% 6,6%<br />
Dezember 2008 5,8% 4,4% 6,8%<br />
Dezember 2009 5,5% 4,5% 6,3%<br />
Dezember 2010 2<br />
5,5% 4,5% 6,2%<br />
1 außerhalb von Einrichtungen (a.v.E.)<br />
2 berechnet auf Basis <strong>der</strong> Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter Ende 2009<br />
Quellen: Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales (Stadt Bremen: PROSOZ Bremen; Bremerhaven: Open PROSOZ<br />
Bremerhaven); Statistisches Landesamt (Bevölkerung); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 10:<br />
Grundsicherung im Alter (Kapitel 4 SGB XII)<br />
Stadt Bremen<br />
Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen 5.531 Menschen im Alter von 65 Jahren<br />
und älter auf Grundsicherung im Alter angewiesen<br />
(Leistungsempfänger/innen außerhalb<br />
von Einrichtungen). Dies entspricht einem Anteil<br />
von 4,7 Prozent an <strong>der</strong> entsprechenden Bevölkerung.<br />
63,0 Prozent (3.484) dieser Leistungsempfänger/innen<br />
waren Frauen.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> auf Grundsicherung im Alter<br />
angewiesenen Menschen ist in den letzten Jahren<br />
kontinuierlich gestiegen. Im Dezember<br />
2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremen 28,4 Prozent<br />
mehr Menschen auf Grundsicherung im Alter<br />
angewiesen als vier Jahre zuvor (Dezember<br />
2006). Der Anteil an <strong>der</strong> leicht gestiegenen<br />
Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter<br />
nahm von 3,8 Prozent auf 4,7 Prozent zu.<br />
Dieser Anstieg war <strong>bei</strong> den Männern deutlich<br />
stärker als <strong>bei</strong> den Frauen. Der Frauenanteil an<br />
den Leistungsempfängerinnen und -empfängern<br />
sank demzufolge von 68,2 Prozent im Dezember<br />
2006 auf 63,0 Prozent im Dezember<br />
2010. Der Anteil <strong>der</strong> Frauen im Alter von 65<br />
Jahren und älter, die auf Grundsicherung<br />
im Alter angewiesen waren, lag jedoch auch im<br />
Dezember 2010 mit 5,1 Prozent deutlich<br />
über dem entsprechenden Anteil <strong>der</strong> Männer<br />
(4,2 Prozent).<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Im Dezember 2010 waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven<br />
1.385 Menschen im Alter von 65<br />
Jahren und älter auf Grundsicherung im Alter<br />
angewiesen (Leistungsempfänger/innen außerhalb<br />
von Einrichtungen). Dies entspricht einem<br />
Anteil von 5,5 Prozent an <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Bevölkerung. 64,8 Prozent (898) dieser<br />
Leistungsempfänger/innen waren Frauen.<br />
An<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> Stadt Bremen ist in <strong>der</strong><br />
Stadt Bremerhaven die Zahl <strong>der</strong> Menschen, die<br />
auf Grundsicherung im Alter angewiesen waren,<br />
gemäß <strong>der</strong> vorliegenden Daten zwischen<br />
Dezember 2006 (1.362) und Dezember 2010<br />
(1.385) kaum gestiegen (+1,7 Prozent).<br />
Trotz dieser deutlichen Abweichung von <strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Stadt Bremen beobachteten Entwicklung<br />
waren in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven auch im<br />
Dezember 2010 relativ mehr Menschen im<br />
Alter von 65 Jahren und älter auf Grundsicherung<br />
im Alter angewiesen als in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen: 5,5 Prozent. Beson<strong>der</strong>s ausgeprägt<br />
ist dies <strong>bei</strong> den Frauen. Während in <strong>der</strong> Stadt<br />
Bremen im Dezember 2010 5,1 Prozent <strong>der</strong><br />
Frauen im Alter von 65 Jahren und älter auf<br />
Grundsicherung im Alter angewiesen waren,<br />
waren dies in <strong>der</strong> Stadt Bremerhaven 6,2 Prozent<br />
(Männer: 4,5 Prozent in Bremerhaven, 4,2<br />
Prozent in <strong>der</strong> Stadt Bremen).<br />
111
112
Es ist Bewegung in <strong>der</strong> Situation von Frauen in dieser Gesellschaft – die Politik hat<br />
verstanden, dass die strukturelle Benachteiligung von Frauen angegangen werden<br />
muss. Dennoch finden Frauen im Land Bremen immer noch schwer einen Ar<strong>bei</strong>tso<strong>der</strong><br />
Ausbildungsplatz, ar<strong>bei</strong>ten oft in prekären Beschäftigungsverhältnissen und sie<br />
verdienen immer noch deutlich weniger als Männer. Diesen Sollbruchstellen in <strong>der</strong><br />
weiblichen Erwerbsbiografie beziehungsweise <strong>der</strong> oft daraus folgenden Armut von<br />
Frauen hat sich die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer in ihrem neuen ›<strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong>‹<br />
gewidmet.<br />
Diese Publikation ist Teil <strong>der</strong> <strong>Lage</strong>berichterstattung, die zu unserem gesetzlichen<br />
Auftrag gehört: Vor diesem Hintergrund veröffentlichen wir jährlich drei <strong>Bericht</strong>e:<br />
das Statistische Jahrbuch, den <strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen und<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer im Lande Bremen und den <strong>Bericht</strong> <strong>zur</strong> <strong>sozialen</strong> <strong>Lage</strong> mit einem<br />
jeweiligen Jahresschwerpunkt.<br />
Die Armutsgefährdungsquote von Frauen ist um einiges höher als die <strong>der</strong> Männer.<br />
Bremen ist das Bundesland mit <strong>der</strong> – im Westen – höchsten Armutsquote. Nur knapp<br />
die Hälfte <strong>der</strong> berufstätigen Bremer Frauen hat ein klassisches Vollzeit-Ar<strong>bei</strong>tsverhältnis,<br />
das heißt, sie ar<strong>bei</strong>ten in Teilzeit, befristet o<strong>der</strong> als Minijobberin. Auch <strong>der</strong><br />
Lohnabstand zu den Männern ist mit 25 Prozent in Bremen im Großstadtvergleich<br />
sehr hoch. Dazu kommt, dass sich verfestigte Armut zum Beispiel <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong><br />
Alleinerziehenden zeigt. Im Land Bremen sind 34 Prozent aller Familienhaushalte<br />
Haushalte von Alleinerziehenden, davon sind etwa 90 Prozent <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />
Frauen.<br />
Wieso können Frauen trotz besserer Bildungsabschlüsse ihre Vorteile auf dem<br />
Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nicht angemessen umsetzen? Welche Gründe führen dazu, dass so viele<br />
Frauen in Minijobs ar<strong>bei</strong>ten? Welche Schlüsse könnte und müsste die Politik aus den<br />
Befunden ziehen? Auf diese Fragen möchten wir mit dem <strong>Bericht</strong> erste Antworten<br />
geben und <strong>der</strong> – lei<strong>der</strong> aktuell bleibenden – For<strong>der</strong>ung nach gleicher Teilhabe für<br />
Frauen noch mal Nachdruck verleihen.<br />
Eine Analyse <strong>zur</strong> Armut im Lebenslauf von Frauen, ein Interview <strong>zur</strong> Armutsforschung,<br />
eine Beschreibung <strong>der</strong> Situation von Alleinerziehenden und ein Artikel <strong>zur</strong> Normalität<br />
<strong>der</strong> Armut – das sind die Kapitel des <strong>Bericht</strong>s. Wie jedes Jahr bereiten wir im letzten<br />
Kapitel zusätzlich die statistischen Daten <strong>zur</strong> Armutsentwicklung im Land Bremen auf.<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />
Bremen<br />
›Armut von Frauen in Bremen‹