02.01.2013 Aufrufe

Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...

Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...

Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Thomas Schwarzer x Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

2 Armut von Frauen durch Bildungsarmut<br />

und prekäre Positionen im Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

In den Medien und auch in <strong>der</strong> Politik sind<br />

erfolgreiche Frauen in den letzten Jahren<br />

zunehmend ›sichtbarer‹. Angela Merkel als<br />

Bundeskanzlerin ist für diese Entwicklung ein<br />

beson<strong>der</strong>s deutliches Beispiel. Solche Vorbil<strong>der</strong><br />

können durch Kompetenz und selbstbewusstes<br />

Auftreten viele Frauen <strong>bei</strong> eigenen,<br />

ehrgeizigen Zielen bestärken – im Sinne von<br />

›Frauen können mehr erreichen‹. Tatsächlich<br />

nimmt die Existenz und auch die Sichtbarkeit<br />

von Frauen in Führungspositionen in den<br />

letzten Jahren teilweise deutlich zu. Diese<br />

Dynamik beschreibt die Sozialwissenschaftlerin<br />

Jutta Allmendinger als ›Frauen auf dem<br />

Sprung‹. 1<br />

Diese erfreulichen Fortschritte werden<br />

manchmal aber auch politisch missbraucht:<br />

Wenn weitergehende Gleichstellungsfor<strong>der</strong>ungen<br />

abgewehrt werden, mit dem Hinweis,<br />

›seht her, es geht doch, Frauen müssen es<br />

nur richtig anstellen‹. Ein solcher Blick allein<br />

auf den einzelnen Menschen und seinen Erfolg<br />

wird dann auch für weniger erfolgreiche Frauen<br />

zum Maßstab. Sie haben scheinbar irgendetwas<br />

›falsch gemacht‹ und kommen deshalb<br />

nicht voran o<strong>der</strong> geraten sogar in Armut.<br />

Thema sind dann nicht die weiterhin massiv<br />

ungleichen Verwirklichungschancen von Frauen<br />

und Männern, son<strong>der</strong>n ›richtiges‹ beziehungsweise<br />

›falsches‹ Verhalten.<br />

Tatsächlich aber entwickeln sich ungleiche<br />

Verwirklichungschancen aufgrund gesellschaftlicher<br />

Rahmenbedingungen und persönlicher<br />

Erfahrungen in den aufeinan<strong>der</strong> aufbauenden<br />

Lebensphasen. Bedingungen und Erfahrungen<br />

früher Lebensphasen entfalten quasi ›lebenslängliche‹<br />

Wirkungen. Prägend sind vor allem<br />

die frühen Erfahrungen in den Familien sowie<br />

in den Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.<br />

Insofern ist es ein beson<strong>der</strong>er historischer<br />

Fortschritt, dass die jungen Frauen in<br />

Deutschland am Ende <strong>der</strong> Schulphase im<br />

Durchschnitt bessere Abschlüsse erreichen als<br />

die jungen Männer. Dieser Bildungsvorsprung<br />

geht durch zentrale ›Weichenstellungen‹ in den<br />

nachfolgenden Lebensphasen <strong>bei</strong> vielen Frauen<br />

aber wie<strong>der</strong> verloren. Dazu zählt vor allem<br />

die Übergangsphase in Ausbildung und Beruf,<br />

die Phase einer möglichen Elternschaft sowie<br />

die Bedingungen, trotz Mutterschaft erwerbstätig<br />

sein zu können. An diesen ›Knotenpunkten‹<br />

im Lebenslauf kann und muss durch<br />

politische Eingriffe für eine gerechte Politik<br />

<strong>der</strong> Gleichstellung von Männern und Frauen<br />

gesorgt werden. Denn die Lebens- und<br />

Erwerbsverläufe werden in einem erheblichen<br />

Maße von den politisch gesetzten Rahmenbedingungen<br />

und den gesellschaftlichen Institutionen<br />

(Familie, Kita, Schule, Ausbildungssystem,<br />

Regelungen des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes,<br />

Recht) ›mitgesteuert‹. Sie bilden ›Leitplanken‹,<br />

die <strong>der</strong> Verwirklichung persönlicher Ziele<br />

för<strong>der</strong>lich sein können o<strong>der</strong> auch im Wege<br />

stehen. Damit Frauen ihre persönlichen Ziele<br />

in den aktuellen Auseinan<strong>der</strong>setzungen über<br />

eine gerechtere Verteilung von Macht, Geld<br />

und Ar<strong>bei</strong>t auch erreichen können, ist <strong>der</strong><br />

Blick auf die Situation <strong>der</strong> Männer erfor<strong>der</strong>lich,<br />

aber nicht hinreichend. Gerade <strong>der</strong> berufliche<br />

Erfolg von Frauen (und von Männern)<br />

ist unter den gegenwärtigen Bedingungen<br />

ebenfalls von <strong>der</strong> Umverteilung von Macht,<br />

Geld und Ar<strong>bei</strong>t zwischen Frauen abhängig.<br />

Eine notwendige Voraussetzung für den<br />

beruflichen Erfolg von Frauen (und von Männern)<br />

ist die alltägliche Entlastung von unbezahlten,<br />

schlecht bezahlten o<strong>der</strong> abgewerteten<br />

Tätigkeiten. Diese werden noch immer<br />

fast durchgängig von Frauen erledigt: Putzen,<br />

Kochen und Einkaufen sowie die Betreuung<br />

und Pflege <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Kranken und <strong>der</strong><br />

Älteren. Frauenforscherinnen verweisen auf<br />

die noch immer zumeist privat und unentgeltlich<br />

durch Frauen erbrachte Haus-, Familienund<br />

Sorgear<strong>bei</strong>t, von <strong>der</strong> auch viele (Ehe-)<br />

Männer profitieren. Durch ihre zeitlichen und<br />

emotionalen Bindungen verbleiben den Frauen<br />

erheblich weniger Zeit und Energie, sich <strong>der</strong><br />

Konkurrenz auf den Ar<strong>bei</strong>tsmärkten zu stellen.<br />

1 Vgl. Allmendinger 2008.<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!