Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...
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Armut und Alleinerziehen<br />
Resümee<br />
Neben finanziellen und strukturellen Problemen<br />
tragen auch Aspekte wie mangelnde Wertschätzung<br />
und Diskriminierungen zu Armut<br />
und damit einhergehenden Einschränkungen<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> und kulturellen Teilhabe <strong>bei</strong>.<br />
Ein höherer beruflicher Status ermöglicht<br />
dagegen scheinbar einen besseren Schutz vor<br />
offen geäußerten Abwertungen.<br />
Wer aufgrund einer von <strong>der</strong> Norm abweichenden<br />
Familienform finanziell in Not ist und<br />
durch Erwerbslosigkeit o<strong>der</strong> prekäre Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisse<br />
unter existenziellen Ängsten leidet,<br />
hat es schwer, eine positive Einstellung<br />
zu eben dieser Familienform zu entwickeln.<br />
Die gesellschaftliche Anerkennung <strong>der</strong> Lebensleistungen<br />
Alleinerziehen<strong>der</strong> ist ein wesentlicher<br />
Baustein für <strong>der</strong>en Wohlbefinden. Diese<br />
Anerkennung muss sich neben Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> öffentlichen Debatte in Verbesserungen<br />
<strong>der</strong> materiellen Bedingungen und <strong>der</strong> Zugangsmöglichkeiten<br />
zum Ar<strong>bei</strong>tsmarkt nie<strong>der</strong>schlagen.<br />
Konkrete Möglichkeiten für die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> sozialstrukturellen Situation bieten<br />
sich mannigfaltig, hier seien lediglich einige<br />
mögliche Beispiele genannt:<br />
eine Kin<strong>der</strong>grundsicherung in <strong>der</strong> Höhe<br />
von 500 Euro, wie sie zum Beispiel vom<br />
Verband alleinerziehen<strong>der</strong> Mütter und<br />
Väter e.V. (VAMV) gefor<strong>der</strong>t wird;<br />
eine deutliche Anhebung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Regel-<br />
und Mietsätze;<br />
gerechtere Rentenregelungen mit stärkerer<br />
Berücksichtigung von Phasen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung;<br />
Steuerregelungen, die nicht die Ehe subventionieren,<br />
wie es in Deutschland <strong>der</strong><br />
Fall ist, son<strong>der</strong>n in denen Kin<strong>der</strong> stärker im<br />
Steuerrecht berücksichtigt werden, wie<br />
zum Beispiel in Frankreich; 21<br />
<strong>der</strong> weitere Ausbau eines qualitativ hochwertigenGanztagskin<strong>der</strong>betreuungsangebots.<br />
Armut von Alleinerziehenden ist eine Frage<br />
des elterlichen Wohlbefindens wie des Kindeswohls.<br />
Eltern wie Kin<strong>der</strong> haben ein Recht auf<br />
ein menschenwürdiges Leben. Die Verantwortung<br />
des Staates liegt darin, die Bedingungen<br />
für dessen Verwirklichung bereitzustellen. Das<br />
hat nichts mit Almosen zu tun. Vielmehr ist es<br />
eine zentrale politische Aufgabe, den Boden<br />
für eine Gesellschaft zu bereiten, die allen<br />
Familienformen ein gutes Leben ermöglicht.<br />
Dies ist auch eine Frage <strong>der</strong> Geschlechtergerechtigkeit.<br />
In den letzten Jahren wurde von den Bundesministerien<br />
für Familie sowie für Ar<strong>bei</strong>t<br />
und Soziales die Gruppe <strong>der</strong> Alleinerziehenden<br />
zunehmend in den Fokus des Interesses<br />
gerückt. Das ESF-Bundesprogramm ›Gute<br />
Ar<strong>bei</strong>t für Alleinerziehende‹ wird <strong>zur</strong>zeit auch<br />
in Bremen umgesetzt. Hier werden unter an<strong>der</strong>em<br />
ganzheitliche Beratung, Unterstützung<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach passen<strong>der</strong> Qualifizierung<br />
beziehungsweise Erwerbsar<strong>bei</strong>t und Hilfe <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> Beschaffung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
bereitgestellt. Es wird darauf zu achten<br />
sein, diese für Alleinerziehende existenziellen<br />
Angebote flächendeckend und nachhaltig<br />
zu sichern. Auch das Angebot von Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
für unter Dreijährige ist in Bremen<br />
momentan im Aufbau. Hier greifen mehrere<br />
Bausteine zusammen, die die Situation Alleinerziehen<strong>der</strong><br />
verbessern und Wege für den<br />
Ausstieg aus Armut unterstützen können.<br />
Allerdings sollten auch die Unternehmen in die<br />
Verantwortung genommen werden. Wo<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplätze fehlen, können Unterstützungsprogramme<br />
nur sehr begrenzt wirksam werden.<br />
Die Familienfreundlichkeit des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes<br />
bedarf <strong>der</strong> Verbesserung. Hier sind<br />
die zentralen Stichworte flexible Ar<strong>bei</strong>tszeiten,<br />
Reduktion von Präsenzzeiten und betriebliche<br />
Kin<strong>der</strong>betreuung mit flexiblen Öffnungszeiten.<br />
Die oben ansatzweise dargestellten unterschiedlichen<br />
Lebensgefühle Alleinerziehen<strong>der</strong><br />
zeigen, je nach strukturellen Bedingungen,<br />
persönlicher Geschichte und <strong>sozialen</strong> Netzwerken,<br />
dass das breite Spektrum von Resignation<br />
über Hoffnung bis hin <strong>zur</strong> Zufriedenheit<br />
reicht. Erstaunlich ist, wie viele Alleinerziehende<br />
ihren Kin<strong>der</strong>n trotz problematischer Rahmenbedingungen<br />
unter großem Energieeinsatz<br />
ein Aufwachsen in einer Atmosphäre <strong>der</strong> Wertschätzung<br />
ermöglichen. Respekt und gesellschaftliche<br />
Anerkennung wären die angemessenen<br />
Reaktionen.<br />
21 Vgl. Beckmann 2008: 125.