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Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...

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fung des vollen Mehrwertsteuersatzes von<br />

19 Prozent auf Kin<strong>der</strong>artikel wie Windeln,<br />

Kin<strong>der</strong>nahrung und an<strong>der</strong>em.<br />

Über dem allen steht die For<strong>der</strong>ung nach<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätzen, von denen man auch leben<br />

kann. Damit folgende Erfahrung von Beate<br />

Rasch nicht übermächtig wird.<br />

›Die gesellschaftliche Einbindung, die für<br />

ein vernünftiges Leben nötig ist, bricht<br />

weg. Ich sitze zu Hause, gucke in eine<br />

wun<strong>der</strong>schöne grüne Umgebung und<br />

denke: Und was nun? Was jetzt noch? Wie<br />

geht es weiter?‹<br />

Wenn <strong>der</strong> Boden<br />

bröckelt<br />

Die Angst noch weiter ab<strong>zur</strong>utschen, bestimmt<br />

auch das augenblickliche Leben <strong>der</strong> 40-jährigen<br />

Petra K. Die regelmäßigen Leser dieses<br />

Sozialberichtes kennen sie bereits aus dem<br />

vorigen <strong>Bericht</strong>, in dem es um die Politikverdrossenheit<br />

in benachteiligten Stadtteilen ging.<br />

Petra K. lebt seit 20 Jahren in Osterholz-Tenever.<br />

Sie ist in einem Kin<strong>der</strong>heim auf dem Land<br />

groß geworden, hat allein zwei Kin<strong>der</strong> aufgezogen<br />

und als Verkäuferin und Altenpflegerin<br />

gear<strong>bei</strong>tet. Ihren letzten regulären Job hatte<br />

sie bis <strong>zur</strong> Geburt ihrer Tochter 2001. Danach<br />

folgte eine Lebenskrise, aus <strong>der</strong> sie sich langsam<br />

wie<strong>der</strong> herausgekämpft hat. Zum Zeitpunkt<br />

des letzten Gesprächs war unklar, ob ihr<br />

Ein-Euro-Job in einem Treffpunkt für Bedürftige<br />

in Tenever verlängert wird.<br />

Umso größer ist die Freude des Interviewers,<br />

die freundliche Frau ein Jahr später in<br />

dem kleinen Café wie<strong>der</strong> anzutreffen. Das<br />

Gespräch mit ihr wird komplett wie<strong>der</strong>gegeben,<br />

weil es für sich selbst spricht und jede<br />

Zwischenbemerkung überflüssig macht.<br />

LORENZEN: Als wir uns vor einem Jahr unterhalten<br />

haben, war ja noch vollkommen unklar,<br />

ob Sie Ihren Ein-Euro-Job behalten können.<br />

Wie ist es danach weitergegangen?<br />

PETRA K.: Er wurde verlängert, dafür stehe ich<br />

im nächsten Monat auf <strong>der</strong> Straße. Der Ein-<br />

Euro-Vertrag kann nicht mehr verlängert werden,<br />

weil zwei Jahre rum sind und ich einen<br />

BEZ-Vertrag vom Träger nicht bekommen<br />

habe. Und somit bin ich nächsten Monat raus<br />

hier und muss so eine komische Schule<br />

machen. Frag mich nicht, was das ist. So ein<br />

Aufbewahrungsplatz vom Ar<strong>bei</strong>tsamt.<br />

LORENZEN: Warum haben Sie keinen Vertrag<br />

bekommen?<br />

PETRA K.: Für diese BEZ-Verträge gibt es <strong>bei</strong><br />

dieser Stelle ein Mindestalter von 55. Ich<br />

bin zu jung. Fürs Leben zu alt, für die Ar<strong>bei</strong>t<br />

zu jung. Es hätte die Möglichkeit gegeben,<br />

aber es hat sich keiner darum gekümmert.<br />

Jedenfalls nicht die, die die Macht dazu<br />

gehabt hätten.<br />

LORENZEN: Wie sieht denn ab nächsten Monat<br />

Ihre soziale Situation aus?<br />

PETRA K.: Total bescheuert. Ich bin schon<br />

am Flechten eines Strickes, meine ich natürlich<br />

nicht so, aber so ungefähr geht es mir.<br />

Das Geld fehlt mir dann, es ist sowieso schon<br />

alles Mögliche gekürzt worden. Wenn ich die<br />

Schule nicht mache, wird noch mehr gekürzt,<br />

also bin ich gezwungen, die zu machen. Ich<br />

habe eigentlich dafür gekämpft, das hier<br />

weitermachen zu können. Und dann stehe ich<br />

wie<strong>der</strong> da und suche den Halt.<br />

LORENZEN: Was überwiegt, Wut, Trauer o<strong>der</strong><br />

Enttäuschung?<br />

PETRA K.: Alles drei. Man fühlt sich in den<br />

Arsch getreten. Das können Sie vielleicht nicht<br />

nachvollziehen: Hier bin ich jetzt zwei Jahre,<br />

es ist wie eine Familie. Und jetzt: pomm, aus<br />

und weg. Das ist nicht leicht zu verkraften.<br />

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