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Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...

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42<br />

Armut und Alleinerziehen<br />

Den gelernten Beruf aufgrund <strong>der</strong> mit Familienar<strong>bei</strong>t<br />

nicht zu vereinbarenden Ar<strong>bei</strong>tszeiten<br />

nicht ausführen zu können, ist ein weiterer<br />

häufiger Grund für Erwerbslosigkeit <strong>bei</strong> Alleinerziehenden.<br />

Für das Lebensgefühl erwerbsloser Frauen<br />

spielen aber auch <strong>der</strong> Inhalt und <strong>der</strong> Ton<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Debatten eine große Rolle:<br />

›Anerkennungsverlust und Missachtung dieser<br />

Personengruppe gehören (...) nicht nur <strong>zur</strong><br />

Erfahrung <strong>der</strong> Betroffenen, son<strong>der</strong>n auch und<br />

gerade zu den Routinen des Diskurses. In<br />

Politik, Medien und im Alltag stehen Ar<strong>bei</strong>tslose<br />

im Verdacht, nicht ar<strong>bei</strong>ten zu wollen<br />

o<strong>der</strong> zu können.‹ 9<br />

In vielen öffentlichen Armutsdebatten werden<br />

diejenigen, die (noch) Ar<strong>bei</strong>t haben, gegen<br />

jene ausgespielt, die erwerbslos sind. Kürzlich<br />

konnte dies beson<strong>der</strong>s deutlich an den Diskussionen<br />

<strong>zur</strong> Neuregelung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-<br />

II-Regelsätze (Hartz IV) beobachtet werden.<br />

Eltern wurden und werden in dieser Debatte<br />

häufig dem Generalverdacht ausgesetzt, das<br />

Geld, das sie für ihre Kin<strong>der</strong> erhalten, für Alkohol<br />

und Zigaretten auszugeben. Dazu werden<br />

in den Medien Extremfälle als typische Beispiele<br />

dargestellt. Derartige Stigmatisierungen<br />

verhin<strong>der</strong>n gesellschaftliche Solidarität. Gleichzeitig<br />

wird die Selbstachtung <strong>der</strong> Betroffenen<br />

untergraben. In einem solchen gesellschaftlichen<br />

Klima ist es kaum möglich, erwerbslos<br />

und selbstbewusst zu sein. Die Stigmatisierung<br />

<strong>der</strong> Erwerbslosen basiert darauf, dass<br />

ihnen ›Misserfolge als Versagen zugerechnet<br />

werden und selbst <strong>der</strong> kompetente Umgang<br />

mit <strong>der</strong> Situation unter Missbrauchsverdacht<br />

gerät‹ 10 .<br />

9 Uske 2000: 169.<br />

10 Uske 2000: 188.<br />

11 In Deutschland gibt es insgesamt 1.311.753 Menschen, die<br />

neben ihrer Erwerbstätigkeit aufstockende Leistungen nach dem<br />

SGB II beziehen. Davon machen Frauen mit 56,2 Prozent mehr<br />

als die Hälfte aus. In Bremen beziehen 17.380 Menschen<br />

zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit Hartz IV, davon sind 55,2<br />

Prozent Frauen (Statistik <strong>der</strong> Bundesagentur für Ar<strong>bei</strong>t: Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

in Zahlen: Erwerbstätige Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Bezieher:<br />

Mai 2010).<br />

Working Poor<br />

Jene Alleinerziehende, die im vorhergehenden<br />

Abschnitt die Belastung durch Erwerbslosigkeit<br />

formuliert, findet schließlich Ar<strong>bei</strong>t unterhalb<br />

ihrer Qualifikation in einer Wäscherei.<br />

Heute ist sie Geringverdienerin und somit eine<br />

<strong>der</strong> sogenannten ›working poor‹. Sie hat zwei<br />

Töchter und ihre größte Sorge ist, ihre Kin<strong>der</strong><br />

nicht ausreichend <strong>bei</strong> <strong>der</strong>en Ausbildungen<br />

unterstützen zu können. Ihre größere Tochter<br />

strebt eine Ausbildung an, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Schulgeld<br />

gezahlt werden muss.<br />

›Auch wenn wir BAföG kriegen würden, es<br />

reicht nicht. Da habe ich wirklich Angst.<br />

Da ist wirklich meine Angstgrenze, die<br />

sich dann extrem bis <strong>zur</strong> Panik steigert.<br />

Obwohl ich eigentlich weiß, ich kann mit<br />

wenig Geld auskommen, aber das kann<br />

ich nicht selber machen. Ich kann selber<br />

nähen, ich kann selber Handwerksar<strong>bei</strong>ten<br />

machen und ich kann auch wenig essen<br />

und es einteilen auf irgendeine Art und<br />

Weise. Aber wo es einfach fehlt, fehlt es,<br />

da kann man nicht mehr jonglieren.‹<br />

Deutlich zeigt diese Schil<strong>der</strong>ung das große<br />

Engagement dieser Mutter, die Zurücknahme<br />

eigener Bedürfnisse bis hin <strong>zur</strong> eingeschränkten<br />

Nahrungsaufnahme und die Bedrohung,<br />

die in <strong>der</strong> Befürchtung liegt, ihren Kin<strong>der</strong>n<br />

nicht die gewünschte Ausbildung finanzieren<br />

zu können. Erwerbslose Alleinerziehende, wie<br />

auch alleinerziehende ›Aufstockerinnen‹ 11<br />

fühlen sich häufig doppelt stigmatisiert, als<br />

Alleinerziehende und als ›Hartz-IV-Empfängerinnen‹.<br />

Diese Stigmatisierungen können zu<br />

Rechtfertigungsdruck gegenüber <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />

Umgebung und zu einem schlechten Gewissen<br />

gegenüber den Kin<strong>der</strong>n führen.

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