Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...
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Verantwortung ist oft aber auch ein Ansporn,<br />
das eigene Leben in die ›Hand‹ zu nehmen –<br />
was gelingen kann –, wenn es passende<br />
Unterstützungsangebote gibt. Dazu gehören<br />
vor allem zeitlich abgestimmte (Nach-) Qualifizierungen<br />
und Fortbildungen, die mit <strong>der</strong><br />
Betreuung von Kin<strong>der</strong>n abgestimmt werden<br />
können.<br />
Erschwerend ist häufig die ›Zersplitterung‹ <strong>der</strong><br />
öffentlichen Hilfen. So erhält eine junge Frau<br />
aus Bremen zum Beispiel Unterstützungsleistungen<br />
aus fünf verschiedenen Quellen:<br />
Kin<strong>der</strong>geld für den Sohn, ein kleines Ausbildungsgehalt,<br />
eine Ausbildungs<strong>bei</strong>hilfe, einen<br />
Unterhaltsvorschuss vom Amt und eine ›Aufstockung‹<br />
von <strong>der</strong> BAgIS (heute Jobcenter).<br />
Regelmäßig bereichern Interviews die Schwerpunkte<br />
unserer Sozialberichterstattung. Denn<br />
Statistik ist nicht alles. Jede/r empfindet<br />
Benachteiligung und Armut an<strong>der</strong>s und stößt<br />
an an<strong>der</strong>e Grenzen <strong>bei</strong>m Versuch, an dieser<br />
Gesellschaft teilzuhaben. Dennoch verzichten<br />
wir nicht auf Statistik. Der ›neue deutsche<br />
Aufschwung‹, <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit (fast) überall gelobt<br />
und beschrieben wird, ist keiner, <strong>der</strong> allen<br />
zugutekommt. Dies belegen insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Bremer Daten <strong>zur</strong> armen Bevölkerung, die<br />
Paul Schrö<strong>der</strong> vom Institut für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung<br />
und Jugendberufshilfe für uns<br />
gesammelt und aufbereitet hat. Im Gegensatz<br />
<strong>zur</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenzahlen,<br />
die für Deutschland insgesamt und auch in<br />
Bremen rückläufig sind, gibt es <strong>bei</strong> den<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen und<br />
-Empfängern (SGB II) relativ wenig Bewegung.<br />
Seit <strong>der</strong> Finanz- und Wirtschaftskrise stieg ihre<br />
Zahl in Bremen von November 2008 bis April<br />
2010 um nahezu 4.000 auf über 54.000 an.<br />
Bis Dezember 2010 gab es dann aber einen<br />
leichten Rückgang um knapp 2.000 Menschen.<br />
In Bremerhaven schwankt die Zahl<br />
<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
zwischen 15.000 (2009) und 15.340 (2010).<br />
Ein Vergleich <strong>der</strong> Entwicklung mit an<strong>der</strong>en<br />
deutschen Großstädten (über 400.000 Einwohner)<br />
zeigt Bremen in einer insgesamt stabilen<br />
mittleren Position. Dagegen zeigt ein Vergleich<br />
<strong>der</strong> Entwicklung in Bremerhaven mit ähnlichen<br />
deutschen Großstädten, dass sich die Seestadt<br />
in <strong>der</strong> mit Abstand schwierigsten <strong>sozialen</strong><br />
<strong>Lage</strong> befindet. Der Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
und -Empfänger pro<br />
1.000 Einwohner/innen liegt mit 202 Menschen<br />
weit höher als in Rostock, Wilhelmshaven<br />
o<strong>der</strong> Offenbach am Main.<br />
Übrigens: Von Armut (im Sinne <strong>der</strong> Hartz-<br />
Gesetze) betroffen waren in Bremen im<br />
Dezember 2010 kaum mehr Frauen (26.707)<br />
als Männer (26.091). In Bremerhaven waren<br />
es zum gleichen Zeitpunkt kaum mehr Männer<br />
(7.517) als Frauen (7.413).<br />
Womit wir wie<strong>der</strong> <strong>bei</strong> unserem Schwerpunkt<br />
angelangt wären. Dass Frauen zwar nicht im<br />
Hartz-IV-Bezug, wohl aber – wie <strong>der</strong> folgende<br />
einleitende Beitrag zeigt – insgesamt in größerem<br />
Umfang von Armut betroffen sind, dass<br />
ihre Armutsgefährdungsquote um einiges<br />
höher ist als die <strong>der</strong> Männer, hat in erster<br />
Linie mit Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten<br />
auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Verteilung<br />
von bezahlter und unbezahlter Ar<strong>bei</strong>t zu tun.<br />
Immer noch, kein Grund also, die Hände in<br />
den Schoß zu legen und darauf zu warten,<br />
dass sich diese Ungleichheiten quasi ›von<br />
allein‹ erledigen. Die For<strong>der</strong>ung nach gleicher<br />
Teilhabe für Frauen klingt ja in den 2010er<br />
Jahren <strong>bei</strong>nahe grotesk altertümlich, sie bleibt<br />
aber – lei<strong>der</strong>! – aktuell. Insofern möchten wir<br />
mit diesem <strong>Bericht</strong>, mit seinen Argumenten,<br />
seinem Blick auf den Alltag und auf Zahlen,<br />
alle unterstützen, die den fortbestehenden<br />
Ungleichheiten entgegenwirken.<br />
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