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Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...

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32<br />

Der Blick <strong>der</strong> Armutsforschung<br />

Daran zeigt sich auch, wie wichtig es ist,<br />

mehrere Aspekte zu betrachten, weil sonst<br />

alle ›über einen Kamm geschoren‹ werden. Die<br />

verschiedenen Aspekte in ihrem Zusammenhang<br />

zu betrachten, ist vor allem dann von<br />

zentraler Bedeutung, wenn positive Aspekte<br />

und Potenziale eines Menschen sichtbar<br />

werden, die für ein Überwinden von Einkommensarmut<br />

notwendig sind.<br />

THOMAS SCHWARZER: Zurück <strong>zur</strong> Armut, speziell<br />

von Frauen: Müssen <strong>bei</strong> einer Untersuchung<br />

beson<strong>der</strong>e weibliche Aspekte einbezogen<br />

werden?<br />

PETRA BUHR: Es gibt frauenspezifische Ursachen<br />

von Armut. Allerdings muss ich an dieser<br />

Stelle auch vor einem weitverbreiteten Missverständnis<br />

warnen: Mit dem Begriff ›Frauenarmut‹<br />

ist häufig die Vorstellung verbunden, dass<br />

Armut vor allem ein Problem von Frauen ist,<br />

dass die Armut weiblich ist. Wir müssen aber<br />

zwei Dinge auseinan<strong>der</strong>halten: die strukturelle<br />

Benachteiligung von Frauen in vielen gesellschaftlichen<br />

Bereichen und die tatsächliche<br />

Armutsbetroffenheit. Wird von Frauenarmut<br />

gesprochen, sind häufig die strukturellen<br />

Benachteiligungen von Frauen gemeint und<br />

weniger die tatsächliche Armutssituation. Bei<br />

alleinerziehenden Müttern sind die Armutsquoten<br />

etwa dreimal so hoch wie im Durchschnitt.<br />

Betrachtet man hingegen die Armutsquoten<br />

von Frauen und Männern, die nicht als Familien<br />

leben, liegt die Betroffenheit durch Armut nicht<br />

weit auseinan<strong>der</strong>. Obwohl Frauen überwiegend<br />

niedrigere Löhne haben als Männer, führt das<br />

nicht direkt zu einem Leben dieser Frauen in<br />

Armut. Es kommen immer zusätzliche Faktoren<br />

hinzu, wie zum Beispiel häufig die Versorgung<br />

eines Kindes. Solange Frauen für sich<br />

alleine wirtschaften o<strong>der</strong> gemeinsam mit<br />

einem Partner, führen die bestehenden strukturellen<br />

Benachteiligungen nicht unbedingt in<br />

Armut.<br />

THOMAS SCHWARZER: Sollen wir also präziser<br />

von Mütterarmut reden?<br />

PETRA BUHR: Von Frauenarmut zu sprechen ist<br />

genauso richtig, wie auch von Männerarmut zu<br />

sprechen. Mit dem Begriff Frauenarmut wird<br />

aber häufig verbunden, dass Frauen beson<strong>der</strong>s<br />

oft von Armut betroffen sind, aber so ein-<br />

fach ist das nicht. Ein Blick auf die verschiedenen<br />

<strong>sozialen</strong> Gruppen von Frauen zeigt,<br />

dass vor allem die Alleinerziehenden überdurchschnittlich<br />

häufig arm sind. Frauen sind<br />

ohne Frage in vielen gesellschaftlichen Bereichen<br />

benachteiligt, es gibt auch bestimmte<br />

weibliche Armutsrisiken, aber ich würde nicht<br />

sagen, dass Armut in erster Linie ein Frauenphänomen<br />

ist.<br />

THOMAS SCHWARZER: Spielen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Armut<br />

von Frauen also eher soziale Aspekte eine<br />

wichtige Rolle, wie zum Beispiel die Berufsqualifikation<br />

o<strong>der</strong> die Herkunft aus einem<br />

spezifischen <strong>sozialen</strong> Milieu?<br />

PETRA BUHR: Das ist auch ein Aspekt. Gerade<br />

<strong>bei</strong> den Alleinerziehenden muss stärker nach<br />

ihrer <strong>sozialen</strong> Position unterschieden werden.<br />

Eine Alleinerziehende, die zum Beispiel eine<br />

gut bezahlte Stelle im öffentlichen Dienst hat,<br />

ist sicherlich seltener von Armut betroffen,<br />

als jemand in einem typisch weiblichen Dienstleistungsjob<br />

mit einem Niedriglohn. Hinzu<br />

kommt die Frage, wie gut die institutionelle<br />

Kin<strong>der</strong>betreuung ausgebaut ist o<strong>der</strong> ob es<br />

Familienangehörige o<strong>der</strong> Freundinnen gibt, die<br />

unterstützend tätig werden. Außerdem gibt es<br />

auch noch den Unterschied zwischen städtischen<br />

und ländlichen Regionen. Auf dem Land<br />

muss man weitere Wege <strong>zur</strong> Ar<strong>bei</strong>t in Kauf<br />

nehmen und auch die Kin<strong>der</strong>betreuungsmöglichkeiten<br />

sind häufig weniger gut ausgebaut.<br />

Das gilt auch für die beträchtlichen Unterschiede<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung in Ost- und<br />

Westdeutschland. In Ostdeutschland ist die<br />

Infrastruktur <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung nach wie<br />

vor erheblich umfangreicher und die meisten<br />

Frauen sind eher bereit, auch jüngere Kin<strong>der</strong><br />

in institutionelle Betreuung zu geben. In Westdeutschland<br />

ist noch immer eine gewisse<br />

Zurückhaltung verbreitet, was die Betreuung<br />

von Kleinkin<strong>der</strong>n durch öffentliche Einrichtun-<br />

Eine Alleinerziehende, die zum Beispiel<br />

eine gut bezahlte Stelle im öffentlichen<br />

Dienst hat, ist sicherlich seltener von<br />

Armut betroffen, als jemand in einem<br />

typisch weiblichen Dienstleistungsjob<br />

mit einem Niedriglohn.

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