Bericht zur sozialen Lage 2011 - bei der Arbeitnehmerkammer ...
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gen angeht. Es ist zwar auch, aber nicht nur<br />
die fehlende Infrastruktur, die dazu führt,<br />
dass ein Teil <strong>der</strong> Frauen nach <strong>der</strong> Geburt<br />
eines Kindes keiner Erwerbstätigkeit mehr<br />
nachgeht. Verbreitet ist vielmehr noch die verinnerlichte<br />
Haltung, dass ein Teil <strong>der</strong> Frauen,<br />
zumindest in den ersten Jahren, ihr Kind<br />
selbst betreuen möchte.<br />
THOMAS SCHWARZER: Wir sprachen jetzt über<br />
die verschiedenen Kombinationen von Aspekten,<br />
die <strong>zur</strong> Armut von Frauen führen können.<br />
Lassen sich unter den genannten Aspekten<br />
so etwas wie die hauptsächlichen Ursachen<br />
bestimmen, also auch im Hinblick auf die<br />
von Ihnen erwähnten strukturellen Benachteiligungen<br />
von Frauen?<br />
PETRA BUHR: Ein strukturelles Problem ist die<br />
Schwierigkeit, die Lebensbereiche Ar<strong>bei</strong>t und<br />
Familie ›unter einen Hut‹ zu bekommen. In<br />
den letzten Jahren hat sich zwar ein gewisser<br />
Wandel vollzogen. Grundsätzlich ist es aber<br />
in Deutschland nach wie vor schwieriger als in<br />
an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n, eine den<br />
beruflichen Erfor<strong>der</strong>nissen und Wünschen entsprechende<br />
Kin<strong>der</strong>betreuung zu finden. Das<br />
erschwert außerdem vielen Müttern, die eine<br />
›Kin<strong>der</strong>pause‹ machen o<strong>der</strong> machen müssen,<br />
wie<strong>der</strong> in den Beruf einzusteigen.<br />
Ein weiterer Aspekt ist das bundesdeutsche<br />
Steuersystem, das nach wie vor in weiten<br />
Teilen auf das traditionelle Modell des Alleinernährers<br />
ausgerichtet ist o<strong>der</strong> auf die Frau<br />
als ›Zuverdienerin‹. Das Ehegattensplitting<br />
untergräbt weiterhin eine Erwerbsorientierung<br />
von Frauen. Das strukturelle und klimatische<br />
Umfeld in Deutschland ist nach wie vor so,<br />
dass Frauen nicht unbedingt erwerbstätig sein<br />
müssen und wenn sie es wollen, wird es ihnen<br />
eher erschwert als dass sie unterstützt<br />
werden.<br />
Dieses Modell des Alleinernährers o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Zuverdienerin funktioniert so lange, wie ein<br />
akzeptables Familienleben möglich ist. Kommt<br />
es jedoch <strong>zur</strong> Trennung o<strong>der</strong> zu einer Scheidung,<br />
fehlen entsprechende sozialstaatliche<br />
Sicherungen. Viele dieser Frauen müssen<br />
dann plötzlich finanziell nicht nur auf ›eigenen<br />
Beinen‹ stehen, son<strong>der</strong>n häufig auch mit für<br />
die Kin<strong>der</strong> aufkommen. Aus diesen Gründen<br />
sehe ich als eines <strong>der</strong> zentralen strukturellen<br />
Probleme, die Schwierigkeiten Familie und<br />
Kommt es jedoch <strong>zur</strong> Trennung<br />
o<strong>der</strong> zu einer Scheidung,<br />
fehlen entsprechende<br />
sozialstaatliche Sicherungen.<br />
Beruf zu vereinbaren. In einer solchen schwierigen<br />
Lebenssituation dann wie<strong>der</strong> in den<br />
Beruf einzusteigen o<strong>der</strong> die Ar<strong>bei</strong>tszeit auszuweiten,<br />
ist kurzfristig oft kaum möglich. Viele<br />
Frauen müssen dann erhebliche Abstriche<br />
machen, nicht allein <strong>bei</strong>m Einkommen.<br />
In Zukunft könnte sich <strong>bei</strong> diesem Thema aber<br />
einiges än<strong>der</strong>n. Durch den schon jetzt sich<br />
zeigenden Fachar<strong>bei</strong>tskräftemangel könnte<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>einstieg von Frauen zukünftig stärker<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Firmen bieten ja bereits<br />
Frauen, die vorübergehend aus dem Beruf<br />
aussteigen, Fortbildungen an. Ich könnte mir<br />
vorstellen, dass zumindest durch die Betriebe<br />
und vonseiten <strong>der</strong> Wirtschaftsverbände in<br />
Zukunft bessere Wie<strong>der</strong>einstiegschancen eröffnet<br />
werden. Profitieren werden davon aber<br />
vor allem qualifizierte und hoch qualifizierte<br />
Frauen.<br />
Qualifikationsdefizite können außerdem<br />
durch lebenslanges Lernen beziehungsweise<br />
durch bessere Fort- und Weiterbildungsprogramme<br />
speziell für Frauen in <strong>der</strong> ›Kin<strong>der</strong>phase‹<br />
verbessert werden. Mittel- und langfristig<br />
muss aber viel stärker präventiv gear<strong>bei</strong>tet<br />
werden, für bessere Ausbildungsmöglichkeiten<br />
und hinreichende Schulabschlüsse.<br />
Aspekte <strong>der</strong> Persönlichkeit (Leistungsbereitschaft,<br />
Umgangsformen usw.), die in den<br />
letzten Jahren beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Öffentlichkeit,<br />
in den Unternehmen und in <strong>der</strong> Politik stark<br />
betont werden, sind ohne Frage auch ein<br />
Aspekt unter an<strong>der</strong>en. Da sie sich aber<br />
kurz- und auch mittelfristig kaum beeinflussen<br />
lassen, sollten sie weniger im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen.<br />
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