175 Jahre IBENA Textilwerke Beckmann GmbH

Kurzer Boom
zwischen Inflation
und Wirtschafts-
krise
AUF DEM WEG NACH EUROPA / 1925—1957
1922/23 errichtete er auf dem Gelände an der Teutonenstraße seine Fabrik, ging allerdings
bereits 1926 Pleite und wurde liquidiert. Josef Beckmann nutzte sofort die Chance, das moderne
Fabrikgebäude und vor allem das große Grundstück zu erwerben. Die alte Fabrik an der
Kreuzstraße verkaufte er 1928 an die Firma Rensing, eine kleine Weberei, die bis dahin nur zur
Miete in fremden Fabrikgebäuden gearbeitet hatte.
Angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs ver-
Fortschritte in der Webtechnik III: Geschwindigkeit
größerten viele Bocholter Betriebe in den Jahren 1927 und
und Spezialisierung im »Zeitalter der Ingenieure«
1928 ihre Fabriken – allerdings vielfach auf Pump. Nach
Die mechanischen Schützenwebstühle wurden bis zu ihrer
Inflation und Währungsreform investierten viele Unter-
Ausmusterung in den 1960er Jahre ständig verbessert. Die ernehmer
ihr Kapital lieber in produktisten
Webstühle nach 1830 konnten
ve Sachwerte. Die Bocholter Bau-
keine anspruchsvolleren Gewebe herpolizei
genehmigte alleine in den
stellen und ließen den Handwebern
Jahren 1926/27 21 Neu- oder Umbau-
zunächst noch eine Chance. Um alle
ten von Fabrikgebäuden in Bocholt.
Stoffqualitäten herstellen zu können,
Auch Beckmann vergrößerte
entwickelten Techniker und Maschi-
seine neue Fabrik in der Teutonennenbauer
im Laufe der Jahrzehnte die
straße: Er baute einen neuen, größe-
verschiedensten Maschinentypen: Es
ren Websaal und funktionierte den al-
gab Ober- und Unterschläger, je
ten Websaal zum Lager um. Vor allem
nachdem, wie der Schütze durch das
wurden aber neue Maschinen ange-
Webfach geworfen wurde. Es gab unschafft.
Rund dreihundert Webstühle
terschiedliche Techniken der Web-
mit der damals modernsten Technik, dazu moderne Vorfachbildung,
Außen- und Innentrittstühle, Trommelstühle, aber
bereitungs- und Rauhmaschinen sollten den zukünftigen
auch ständig verbesserte Jacquardmaschinen. Es gab Web-
Erfolg der Firma sichern. Nach der Fabrikgründung von
stühle mit einem oder mit mehreren Schützen und mit immer
1859 und der Betriebserweiterung von 1873 war dies für die
besseren Copswechslern. Vor allem diese Copswechsler, die der
Weberei Beckmann die größte technische Investition ihrer
Engländer James Northrop 1890 entwickelte, brachten einen
bisherigen Geschichte.
spürbaren Automatisierungsschub. Nach dem Zweiten Welt-
Bereits im Frühjahr 1926 hätte J.Beckmann Nachf.
krieg hatten die Unifil Selbstspulgeräte schließlich Schussspul-
eigentlich das 100-jährige Firmenjubiläum feiern können.
vorrichtungen, mit denen an der Webmaschine selber das Garn
Aber der Termin war ungünstig, denn die wirtschaftliche
auf die Copse gezogen wurde. Außerdem wurden die Schutz-
Situation bei Beckmann war noch zu schlecht. Niemandem
vorrichtungen gegen Fadenbrüche und gegen Unfälle mit den
war zum Feiern zumute und das Jubiläumsfest wurde erst
immer schnelleren Schützen ständig verbessert. Steigende Ge-
einmal verschoben. Nach dem Umzug in die Teutonenschwindigkeit
und die Spezialisierung der Webmaschinen bestraße
wurde 1927 die Feier zum 100-jährigen Jubiläum
stimmten die Entwicklung der Webtechnik. Die meisten
nachgeholt – am neuen Standort und in Aufbruchsstim-
Schützen-Webmaschinen bei IBENA stammten vom Viersener
mung. Der Seniorchef Josef Albert Beckmann stiftete 5000
Hersteller Lentz. Ende der 1950er Jahre wurden dann die ersten
Reichsmark für die Unterstützungskasse der Firma und je-
schützenlosen Webstühle angeschafft.
der der rund 450 Mitarbeiter erhielt Waren aus der laufenden Produktion. Mit Mut und Weitblick
hatte der junge Chef Josef Beckmann innerhalb von nur drei Jahren das Unternehmen
grundlegend modernisiert.
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