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50 Lesererfahrung<br />

Die Vicky war sein Schicksal<br />

Egon Funke, geboren 1941, hat in<br />

seinem Leben schon so manches Zweirad<br />

bewegt. Er war in den 60er Jahren<br />

auf Sand- und Grasbahnen sogar international<br />

erfolgreich unterwegs. 2009<br />

war er am Nordkap, 2010 auf Gibraltar,<br />

aber hier erinnert er sich an seine erste<br />

Motorradreise...<br />

„Brennend heißer Wüstensand - fern,<br />

so fern dem Heimatland“, sicher zum<br />

fünften Mal klang Freddy Quinn’s Stimme<br />

aus der Wurlitzer Box. Ergriffen<br />

lauschten wir. Es muß ja nicht gleich<br />

die Fremdenlegion sein, nur raus wollten<br />

wir! Aus der Box gab Freddy uns<br />

Recht: „Da wo man lebt ist alles viel zu<br />

klein“. Wir, das waren der Maurer-Lehrling<br />

Friedhelm, der Elektriker-Lehrling<br />

Horst und ich, der Autoschlosserstift<br />

Egon.<br />

In „unserer“ Ecke im Niedersachsenhof<br />

in Sittensen, ließen wir unserer<br />

Fantasie hemmungslos freien Lauf.<br />

Jeder seine Coca-Cola-Flasche leer, die<br />

vierte wurde gerecht aufgeteilt („trinkt<br />

nicht so viel von dem braunen Zeug,<br />

davon wird man krank“ sagte Mama),<br />

träumten wir von der großen, weiten<br />

Welt. Aber raus – wirklich raus, dem<br />

bedauernswerten Dasein als Stift entkommen?<br />

Keine mehr – auch bei der<br />

kleinsten Gelegenheit – „in den Nacken<br />

kriegen”, nicht mehr zur Berufsschule<br />

gehen, keine Wochenberichte schreiben.<br />

„Ja wie denn?” Für uns gab es<br />

keine Möglichkeit. Dabei hatte Heinz<br />

Helfken gerade mit dem Fahrrad die<br />

Welt umrundet. Doch „Ja Mensch!“<br />

unsere heiß geliebten Mopeds – „das<br />

isses“, die bringen uns raus!<br />

Friedhelms Dürkopp Fratz, die Zündapp<br />

Combinette von Horst und meine<br />

Victoria Vicky III bringen uns bis an<br />

das Ende der Welt. Nicht nach Italien,<br />

da fuhren ja alle<br />

hin. Oma, Opa, die ganze Familie, überhaupt<br />

„alle“. Wir fahren nach Schweden,<br />

genau gegenüber von Italien. Wie<br />

die Holzfäller in den Wäldern leben, mit<br />

Braunbären ringen und mit Elchen<br />

kämpfen und nicht auf italienischen<br />

Campingplätzen faul<br />

rumliegen.<br />

Eltern rumkriegen,<br />

Urlaub einreichen, Mopeds<br />

überholen, in der<br />

Torffabrik zwei Monate<br />

lang sonntags Torf ringen,<br />

um die knappen Finanzen aufzubessern<br />

(bitter nötig bei 25 DM Ausbildungshilfe<br />

im Monat) und schon waren<br />

wir bereit, dem lockenden Ruf der Ferne<br />

zu folgen.<br />

Über Hamburg nach Lübeck, ein Abstecher<br />

nach Niendorf zu Tante Lene,<br />

um evtl. unsere Reisekasse auffüllen<br />

zu lassen, nach Flensburg, Richtung<br />

Dänemark.<br />

Schon in dem Moment, als wir unser<br />

Dorf verließen, überkam uns ein Gefühl<br />

unbeschreiblicher Freude - Freiheit -<br />

Glück. Ich weiß es heute mit fast 70<br />

Jahren nicht anders zu beschreiben.<br />

In Flensburg jedoch gab es die erste<br />

ernsthafte Herausforderung an uns.<br />

Friedhelm rutschte mitten auf einer<br />

Kreuzung auf einer Straßenbahnschiene<br />

aus. Kochtopf, Eßgeschirr, Reservekanister<br />

kollerten über das Kopfsteinpflaster<br />

– im „allerschönsten“ Platzregen.<br />

Friedhelm war sofort wieder auf<br />

den Beinen, ein Indianer kennt keinen<br />

Schmerz. Aber - ohje - an der Fratz war<br />

ein Vorderradgabelholm eingeknickt.<br />

Nun war ich gefragt, das war mein<br />

Ding! Improvisieren hatte ich von meinem<br />

Vater gelernt, ein begnadeter KFZ-<br />

Meister. Horst „besorgte“ in seiner angeborenen<br />

und stets erfolgreichen Manier,<br />

ein Stück Flacheisen von dem<br />

Zaun eines in der Nähe liegenden Parks.<br />

Bindedraht gehörte zu unserer Bord-<br />

Sittensen bei Hamburg<br />

in den 50er Jahren

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