hat das kf gefordert, es sei - Schweizerischer Gewerbeverband sgv
hat das kf gefordert, es sei - Schweizerischer Gewerbeverband sgv
hat das kf gefordert, es sei - Schweizerischer Gewerbeverband sgv
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
20<br />
FINANZEN<br />
Schweizerische Gewerbezeitung – 14. September 2012<br />
ÜBERNATIONALE STRUKTUREN – Unser Land als föderalistischer Bund<strong>es</strong>staat einzelner Kantone wird gern als Modell für eine politische<br />
– und damit auch fiskalische – Union in der Eurozone oder gar der g<strong>es</strong>amten EU angepri<strong>es</strong>en. Realität oder Hirng<strong>es</strong>pinst?<br />
Die Schweiz als Modell für Europa?<br />
Die Schweiz ist ein stark dezentralisierter<br />
Bund<strong>es</strong>staat, der zahlreiche Regierungsfunktionen<br />
an die Kantone<br />
und Gemeinden delegiert bzw. in deren<br />
Verantwortungsbereich belassen<br />
<strong>hat</strong>. Die Kantone sind für Bildung,<br />
Transport, Energieversorgung und Polizeiw<strong>es</strong>en<br />
weitgehend selbst verantwortlich.<br />
Die damit einhergehenden<br />
Infrastrukturinv<strong>es</strong>titionen und Unterhaltskosten<br />
fallen ebenfalls in hohem<br />
Mass in die Verantwortung der Kantone<br />
oder Gemeinden. Deren funktionale<br />
Bedeutung ist auch an ihrer<br />
wichtigen Rolle für die Finanzen der<br />
öffentlichen Hand abl<strong>es</strong>bar. So belaufen<br />
sich die Einnahmen der Kantone<br />
auf rund 13 Prozent d<strong>es</strong> Bruttoinlandprodukts<br />
(BIP), jene der Gemeinden<br />
auf rund sieben Prozent. Die Einnahmen<br />
d<strong>es</strong> Bund<strong>es</strong> entsprechen lediglich<br />
etwas mehr als 10 Prozent d<strong>es</strong> BIP.<br />
Unter Berücksichtigung der Sozialversicherung<strong>sei</strong>nnahmen<br />
(ein bund<strong>es</strong>staatlich<strong>es</strong><br />
Programm, <strong>das</strong> von den<br />
Kantonen verwaltet wird), die sich<br />
auf rund 9 Prozent d<strong>es</strong> BIP belaufen,<br />
betragen die bund<strong>es</strong>staatlichen Einnahmen<br />
allerdings rund die Hälfte<br />
aller Einnahmen der öffentlichen<br />
Hand. Im Vergleich dazu entspricht<br />
der aktuelle EU-Haushalt nur gerade<br />
einem Prozent d<strong>es</strong> BIP der Union.<br />
Kleiner Ausgleichmechanismus<br />
Obschon die Schweiz <strong>sei</strong>t der Annahme<br />
der ersten Bund<strong>es</strong>verfassung von<br />
1848 ein geeinter Staat ist, scheint<br />
die Solidarität zwischen den einzelnen<br />
Kantonen bemerkenswert limitiert<br />
zu <strong>sei</strong>n. Mit dem Finanzausgleich<br />
b<strong>es</strong>teht zwar ein formeller<br />
Ausgleichmechanismus, der die<br />
«strukturellen Unterschiede» zwischen<br />
den Kantonen glätten soll.<br />
2012 werden acht von 26 Kantonen<br />
Netto-Beitragszahler. Allerdings belaufen<br />
sich solche horizontalen<br />
ANZEIGE<br />
Transfers nur gerade auf 0.3 Prozent<br />
d<strong>es</strong> BIP bzw. 1,6 Milliarden Franken!<br />
Obwohl der aktuelle Finanzausgleich<br />
damit betragsmässig äusserst b<strong>es</strong>cheiden<br />
ist, erforderte <strong>sei</strong>ne Umsetzung<br />
rund 15 Jahre. Das System wurde<br />
2008 eingeführt, 17 Jahre nach<br />
dem Beginn der Reform. Kurz g<strong>es</strong>agt:<br />
Die Mitglieder d<strong>es</strong> Bund<strong>es</strong>staats<br />
Schweiz machen sich untereinander<br />
keine G<strong>es</strong>chenke.<br />
Darüber hinaus ist der Steuerwettbewerb<br />
zwischen den Kantonen ziemlich<br />
intensiv. Er kommt in der Behandlung<br />
der Privathaushalte und<br />
der Unternehmen zum Ausdruck. Die<br />
Einkommenssteuer-Grenzsätze für<br />
ein Ehepaar mit einem Einkommen<br />
von 100 000 Franken reichen von<br />
rund 18 Prozent im Kanton Zug bis<br />
zu rund 34 Prozent im Kanton Genf.<br />
Die Gemeind<strong>es</strong>teuern variieren ebenfalls<br />
substanziell. Die Kantone stehen<br />
auch hinsichtlich der Unternehmenssteuern<br />
und der Erbschaftssteuern<br />
sowie spezieller Steuerpauschalen<br />
für wohlhabende Ausländer miteinander<br />
in Konkurrenz.<br />
Der Fall Leukerbad<br />
Rund 50 Prozent der Schulden der<br />
öffentlichen Hand gehen auf <strong>das</strong><br />
Der Fortb<strong>es</strong>tand d<strong>es</strong> Euros hängt von Reformen ab, die von den Politikern in Brüssel und den Finanzexperten der Europäischen<br />
Zentralbank in Fran<strong>kf</strong>urt (Bild) umg<strong>es</strong>etzt werden. Dabei könnte die Schweiz durchaus als Vorbild dienen.<br />
Konto d<strong>es</strong> Bund<strong>es</strong>staats, während<br />
die Kantone und Gemeinden für jeweils<br />
rund 25 Prozent verantwortlich<br />
zeichnen. Der Umfang der kantonalen<br />
Schulden ist zwar ziemlich<br />
b<strong>es</strong>chränkt, auf g<strong>es</strong>amtstaatli-<br />
cher Ebene gibt <strong>es</strong> aber (trotzdem)<br />
keine expliziten Garantien für<br />
Schulden auf kantonaler oder lokaler<br />
Regierungsebene. Weder die Verfassung<br />
noch <strong>das</strong> G<strong>es</strong>etz sehen eine<br />
derartige Garantie für Verbindlichkeiten<br />
vor.<br />
Ind<strong>es</strong>sen ist bisher noch nie ein<br />
Kanton Konkurs gegangen, w<strong>es</strong>halb<br />
<strong>es</strong> keinen Präzedenzfall für die etwaige<br />
Anwendung einer Nichtbeistandsklausel<br />
(«no bailout») gibt.<br />
Allerdings legt der Konkurs der Gemeinde<br />
Leukerbad im Jahr 1998 den<br />
Schluss nahe, <strong>das</strong>s kein Beistand<br />
geleistet würde. Als di<strong>es</strong>e Gemeinde<br />
ihrem Schuldendienst nicht mehr<br />
nachkommen konnte, urteilte <strong>das</strong><br />
Bund<strong>es</strong>gericht, <strong>das</strong>s der Kanton in<br />
keiner Weise für die von Leukerbad<br />
angehäuften Schulden verantwortlich<br />
<strong>sei</strong>. Auf di<strong>es</strong>er Basis liegt der<br />
Schluss nahe, <strong>das</strong>s der Bund sehr<br />
wahrscheinlich nicht für Kantonsschulden<br />
haftbar wäre.<br />
Subventionen fli<strong>es</strong>sen<br />
Ang<strong>es</strong>ichts der scheinbar kaum<br />
existierenden Solidarität und d<strong>es</strong><br />
intensiven Steuerwettbewerbs zwischen<br />
den Kantonen mag die F<strong>es</strong>tstellung,<br />
<strong>das</strong>s die Transfermechanismen<br />
auf bund<strong>es</strong>staatlicher Ebene<br />
in der Schweiz dennoch ziemlich<br />
hoch entwickelt sind, etwas erstaunen.<br />
Doch <strong>das</strong> bereits erwähnte<br />
Ausgleichssystem zwischen den<br />
Kantonen umfasst auch «vertikale»<br />
Transfers, also Zahlungen vom Bund<br />
an die Kantone. Hierzu gehören beispielsweise<br />
die Subventionen an die<br />
Landwirtschaft. Zusammen mit den<br />
horizontalen Transferzahlungen sollen<br />
di<strong>es</strong>e die Unterschiede zwischen<br />
strukturell starken Kantonen mit höherem<br />
Einnahmenpotenzial und<br />
strukturell schwachen Kantonen<br />
glätten. 2010 beliefen sich die Agrarsubventionen<br />
auf fast 2,9 Milliarden<br />
Franken (0.5 Prozent d<strong>es</strong><br />
BIP). Doch selbst wenn man «horizontale»<br />
und «vertikale» Transfers<br />
aufaddiert, entsprechen sie höchstens<br />
1,5 Prozent d<strong>es</strong> BIP.<br />
Sozialwerke brauchen Geld<br />
Wichtiger noch als Agrarzahlungen<br />
sind möglicherweise Transfers für<br />
zentral finanzierte Sozialversicherungssysteme,<br />
die Zahlungen an arbeitslose,<br />
ältere, kranke oder invalide<br />
Menschen garantieren. Die Sozialwerke<br />
sollten grundsätzlich mit<br />
Beiträgen der Arbeitnehmer und<br />
Unternehmen finanziert werden,<br />
doch Fehlbeträge werden mit allgemeinen<br />
Steuereinnahmen durch<br />
den Bund<strong>es</strong>staat oder die Kantone<br />
gedeckt. 2011 schulterte die Zentralregierung<br />
beispielsweise 40 Pro-<br />
«VORBILD SCHWEIZ»<br />
Mögliche Lehren für die Eurozone<br />
n Die Solidarität zwischen den<br />
Mitgliedern einer auch schon lange<br />
b<strong>es</strong>tehenden Fiskalunion kann sehr<br />
b<strong>es</strong>chränkt <strong>sei</strong>n. Zwischenstaatliche<br />
Transfers können, wie der Fall der<br />
Schweizer Kantone zeigt, relativ zum<br />
BIP extrem klein <strong>sei</strong>n. Die Vereinbarung<br />
solcher Zahlungen erfordert<br />
ind<strong>es</strong> jahrelange Verhandlungen.<br />
n Breiter angelegte Transfersysteme auf<br />
nationaler Ebene scheinen ausser im<br />
Fall einer politischen Union, in der<br />
politische Parteien die Inter<strong>es</strong>sen von<br />
Inter<strong>es</strong>sensgruppen (wie Arbeitnehmenden<br />
oder Rentnern oder Pensionierten)<br />
über <strong>das</strong> g<strong>es</strong>amte Gebiet der Union<br />
hinweg vertreten, ziemlich unwahrscheinlich.<br />
Ein derartig<strong>es</strong> System würde<br />
zudem ein unionweit<strong>es</strong> B<strong>es</strong>teuerungssystem<br />
erfordern. Auch di<strong>es</strong><strong>es</strong> ist ohne<br />
eine politische Union kaum denkbar.<br />
n Eine gegen<strong>sei</strong>tige Schuldengarantie<br />
zwischen den Mitgliedstaaten ist in<br />
einer föderalistischen Fiskalunion<br />
unwahrscheinlich (ihre Nichtgewährung<br />
kann teilweise zur Haushaltsdisziplin<br />
beitragen). Di<strong>es</strong> weckt Zweifel<br />
hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit<br />
der vorg<strong>es</strong>chlagenen Einführung von<br />
Eurobonds in der Eurozone und<br />
impliziert zudem, <strong>das</strong>s hoch verschuldeten<br />
Ländern in der Eurozone auch<br />
künftig nur sehr widerwillig Unterstützung<br />
geboten werden wird.<br />
Zahlungsausfälle sind damit nicht<br />
auszuschli<strong>es</strong>sen.<br />
n Sozialstaaten brauchen wirksame<br />
fiskalische Disziplinierungsmechanismen.<br />
Weder der Markt noch die<br />
demokratische Kontrolle reichen<br />
hierfür aus. In der Verfassung verankerte<br />
Schuldenbremsen scheinen<br />
zent der G<strong>es</strong>amtzahlungen an Arbeitslose.<br />
Mit 920 Millionen beliefen<br />
sich di<strong>es</strong>e Zahlungen ind<strong>es</strong> immer<br />
noch auf weniger als 0.2<br />
Prozent d<strong>es</strong> BIP.<br />
Teure Krankenversicherung<br />
Ähnlich sieht <strong>es</strong> auch beim nationale<br />
Pensions- und Krankenkassensystem<br />
aus. Die Beitragssätze für Erster<strong>es</strong><br />
sind im Bund<strong>es</strong>g<strong>es</strong>etz f<strong>es</strong>tg<strong>es</strong>chrieben.<br />
In Letzterem gibt <strong>es</strong> aufgrund<br />
der halbprivaten Natur der<br />
Krankenversicherung gewisse Unterschiede.<br />
Da aber die Palette der G<strong>es</strong>undheitsleistungen,<br />
die von der<br />
Grundversicherung abgedeckt werden<br />
müssen, auf bund<strong>es</strong>staatlicher<br />
Ebene f<strong>es</strong>tgelegt wird, wird effektiv<br />
auch über die Höhe der Zahlungen<br />
auf nationaler Ebene entschieden.<br />
Der Beitrag der Bund<strong>es</strong>regierung zur<br />
Krankenversicherung belief sich 2010<br />
auf rund zwei Milliarden Franken,<br />
während die übrigen zwei Milliarden<br />
durch die Kantone beig<strong>es</strong>teuert wurden,<br />
zwischen denen selbst allerdings<br />
keine Ausgleichszahlungen abgewickelt<br />
werden. Wie in anderen<br />
Ländern – insb<strong>es</strong>ondere den USA –<br />
sind die steigenden Subventionen für<br />
die (steigenden) Krankenversicherungsbeiträge<br />
ein entscheidender<br />
Faktor für die Zunahme der Staatsausgaben.<br />
Bei der staatlichen Altersvorsorge<br />
halten sich die Einnahmen<br />
und Zahlungen zurzeit zwar die Waage,<br />
allerdings dürften die Defizite infolge<br />
demografischer Faktoren unweigerlich<br />
zunehmen, wenn nicht<br />
<strong>das</strong> Pensionsalter angehoben oder<br />
die Leistungen reduziert werden.<br />
Einnahmequelle Mehrwertsteuer<br />
Ang<strong>es</strong>ichts der vertikalen Transfers<br />
und der steigenden Aufwendung für<br />
Sozialversicherungen, erstaunt <strong>es</strong><br />
nicht, <strong>das</strong>s der Bund beträchtliche<br />
R<strong>es</strong>sourcen benötigt. Seit ihrer Einführung<br />
im Jahr 1995 ist die Mehrwertsteuer<br />
(MWSt) die wichtigste<br />
Finanzierungsquelle d<strong>es</strong> Bund<strong>es</strong>. Sie<br />
zeichnet für ein Drittel der Steuereinnahmen<br />
verantwortlich. Prognostizierte<br />
Defizite in der Invalidenversicherung<br />
(IV) wurden ab Januar<br />
2011 über eine vorübergehende Erhöhung<br />
der MWSt finanziert. Sollten<br />
andere Sozialversicherungen in Finanzierungsschwierigkeitengeraten,<br />
könnte di<strong>es</strong>er Weg erneut b<strong>es</strong>chritten<br />
werden. Im Gegensatz zur<br />
EU ist die MWSt in der Schweiz allerdings<br />
in allen Kantonen gleich<br />
wirksam, aber die Politiker werden<br />
versuchen, gewisse Programme davon<br />
zu befreien. Selbst die sparsame<br />
Schweiz <strong>hat</strong> noch wenige unpopuläre<br />
Reformen in Angriff genommen, um<br />
ihre Sozialversicherungen auf eine<br />
solide, langfristig nachhaltige Basis zu<br />
stellen.<br />
n Die zentrale Beaufsichtigung und<br />
Kontrolle der Banken, um <strong>das</strong> Engagement<br />
d<strong>es</strong> öffentlichen Sektors gegenüber<br />
Bilanzrisiken zu b<strong>es</strong>chränken,<br />
scheint ein zentraler Aspekt für die<br />
Wahrung der fiskalischen und wirtschaftlichen<br />
Stabilität. Die Rettung<br />
systemrelevanter Banken ist selbst<br />
bei fehlender politischer Union<br />
wahrscheinlich. Es ist daher verständlich,<br />
<strong>das</strong>s sich die Länder der Eurozone<br />
nun auf di<strong>es</strong>en Bereich konzentrieren.<br />
MB ⁄ OA