forschung wirkt. - Austria Innovativ
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KOMPLEXITÄT VERLANGT KOOPERATION.<br />
Internationale Kooperationen sind eine<br />
Selbstverständlichkeit in der Weltraumbranche.<br />
Denn: „Meist sind die Kosten so hoch,<br />
dass ein Land alleine nicht weit kommen<br />
würde“, sagt RUAG-Geschäftsführer Max<br />
Kowatsch. Ganz besonders gilt das natürlich<br />
für bemannte Missionen. Auch die steigende<br />
Komplexität der Technologie macht arbeitsteilige<br />
Partnerschaften zur Pflicht. „Die einfachen<br />
Dinge hat man schon alle gemacht“,<br />
bestätigt Wolfgang Baumjohann vom IWF.<br />
„Die Missionen werden gewichtsmäßig<br />
schwerer, anspruchsvoller und damit auch<br />
teurer.“<br />
Ein Beispiel: das Weltraumteleskop Hubble<br />
kostete rund 800 Millionen Dollar. Sein<br />
Nachfolger JWST (James Webb Space Telescope),<br />
der 2013 ins All geschickt werden soll,<br />
schlägt bereits mit knapp fünf Milliarden<br />
Dollar zu Buche. Auch aufstrebende Weltraumnationen<br />
wie Indien oder China bieten<br />
für Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen<br />
Chancen auf Aufträge. Dennoch<br />
verdankt die österreichische Weltraum<strong>forschung</strong><br />
ihre Stärke zu einem großen Anteil<br />
der ESA-Mitgliedschaft. Diese sichert<br />
nicht nur laufende Projekte, sondern bietet<br />
auch die Gewissheit, technisch wie wissenschaftlich<br />
im internationalen Spitzenfeld dabei<br />
zu sein. Die Mitgliedschaft kostet Österreich<br />
jährlich etwa 44 Millionen Euro. Rund<br />
ein Drittel davon fließt in das grundlagenwissenschaftliche<br />
Basisprogramm, der Rest<br />
in optionale Spezialprojekte wie das Navigationssystem<br />
Galileo oder den europäischen<br />
Weltraumbahnhof Kourou. Der Rückfluss an<br />
die nationalen Weltraumagenturen erfolgt in<br />
Form von Industrie- und Forschungsaufträgen.<br />
Laut ESA-Konvention beträgt er mindestens<br />
90 Prozent.<br />
SCHWARZSEHER ENTLARVT. Seit fast 30<br />
Jahren ist Österreich ESA-Mitglied. So lange<br />
ist auch Joanneum Research eine fixe Größe<br />
der heimischen Weltraumszene. Ein Schwerpunkt<br />
der Aktivitäten sind Satellitenkommunikation<br />
und -navigation.<br />
Für die Betreiber von Kommunikationssatelliten<br />
entwickeln die Grazer Moni toring -<br />
sys teme. Damit lassen sich Parameter wie<br />
Leistung oder Signalspektrum automatisiert<br />
überwachen. Eine Erweiterung, die in<br />
der jüngeren Vergangenheit dazugekommen<br />
ist, ist die Möglichkeit, irdische Störeinflüsse<br />
auf ein paar Kilometer genau zu<br />
lokalisieren. „Störquellen können Bodenstationen<br />
sein, die nicht mehr richtig funktionieren“,<br />
sagt Otto Koudelka vom Institut<br />
für Angewandte Systemtechnik (IAS).<br />
„Aber auch Piraten, die einen Fernsehkanal<br />
nutzen ohne zu bezahlen.“<br />
Im Auftrag der ESA hat das Institut außerdem<br />
interaktive Satellitenterminals entwickelt,<br />
die jetzt kurz vor der Kommerzialisierung<br />
stehen. Die Terminals ermöglichen<br />
von jedem Punkt der Erde aus Breitbandzugang<br />
zum Internet. Aber auch<br />
Mobilfunknetze lassen sich damit aufbauen.<br />
Erste Zielgruppe sind Firmen in Ländern<br />
mit schlecht ausgebauter Infrastruktur,<br />
zum Beispiel Südamerika. Dabei soll es sich<br />
um konkurrenzfähige Low-Cost-Produkte<br />
handeln. „Ein Terminal wird nicht mehr als<br />
300 Euro kosten“, sagt Koudelka.<br />
Einen sehr interessanten Beitrag zur<br />
Grundlagen<strong>forschung</strong> leistet das IAS gemeinsam<br />
mit der TU Graz und der belgischen<br />
Verhaert Space Systems. Dabei geht<br />
es um eine Neuauflage des klassischen Experiments<br />
von Stanley Miller und Harold<br />
Urey aus dem Jahr 1953. Den beiden Wissenschaftlern<br />
gelang es damals, aus einfachen<br />
Gasen wie Ammoniak, Methan, Wasserstoff<br />
und Wasser Aminosäuren, also die<br />
Bausteine des Lebens, zu erzeugen. Dafür<br />
setzten sie das Gasgemisch Blitzentladungen<br />
aus. Dieses Experiment haben IAS-Forscher<br />
nun nachgebaut. Es soll in naher Zu-<br />
Ionenquelle als Triebwerk<br />
Langweilig wird es nie, wenn man sich mit<br />
Martin Tajmar unterhält. Der Physiker gehört zu<br />
den wenigen Vertretern seiner Zunft, die ihr<br />
Fachgebiet zugleich allgemein verständlich<br />
und mit offensichtlicher Begeisterung erklären<br />
können. Hauptgeschäft Tajmars und seines 20köpfigen<br />
Teams in Seibersdorf sind Flüssigmetall-Ionenquellen<br />
für verschiedene Weltraumanwendungen.<br />
Ein Beispiel ist die Erdung von<br />
durch Sonnenstrahlung aufgeladenen Satelliten.<br />
Ein anderes die Ionisierung von Materialproben<br />
in Massenspektrometern.<br />
Aber auch in neuartigen Antriebssystemen, so<br />
genannten FEEP-Triebwerken (Field Emission<br />
Electric Propulsion), kommen diese Ionenquellen<br />
zum Einsatz. „Vorteil solcher Triebwerke ist,<br />
dass sie ohne jede Verzögerung ein- und abgeschaltet<br />
werden können“, erklärt Tajmar. „Dadurch<br />
lassen sich Satelliten sehr schnell ganz<br />
exakt ausbalancieren. Das geht mit chemischen<br />
Triebwerken nicht.“ Tajmars Ionenquellen<br />
nutzen Indium als Treibmittel. Sie bestehen aus<br />
einer mit Indium überzogenen Nadel, die zum<br />
Schmelzen gebracht wird. Anschließend legt<br />
man eine elektrische Spannung zwischen dem<br />
flüssigen Metall und einer darüber befindlichen<br />
Elektrode an. Dadurch werden die Ionen aus<br />
dem Indium herausbeschleunigt und produzie-<br />
��<br />
FORSCHUNG<br />
kunft auf der internationalen Raumstation<br />
ISS unter Weltraumbedingungen drei Mal<br />
durchgeführt werden. Für jeden Durchgang<br />
werden jeweils zwei gasgefüllte Edelstahlbehälter<br />
bis zu 200 Stunden lang einer<br />
Hochspannungsentladung ausgesetzt. Die<br />
Mischung enthält außerdem mit einem Eismantel<br />
umzogene Teilchen aus Siliziumoxid.<br />
Miller und Urey meinten noch, mit ihrem<br />
Experiment gezeigt zu haben, wie Leben auf<br />
der Erde entstanden sein könnte. Die Neuauflage<br />
soll hingegen zeigen, ob Aminosäuren<br />
sich in den äußeren, kalten Regionen der planetaren<br />
Staubscheiben gebildet haben könnten,<br />
aus denen sich später die Planeten formten.<br />
Die Auswertung des Experiments wird<br />
erst auf der Erde erfolgen.<br />
Dafür müssen die Gasbehälter natürlich<br />
wieder zurück gebracht werden, das soll Mitte<br />
2011 passieren. Das Projektvolumen beträgt<br />
stattliche 2,5 Millionen Euro. Langweilig<br />
wird es in den unendlichen Weiten des<br />
Alls niemals. Je weiter man in die Tiefen zu<br />
blicken vermag, desto mehr neue Fragen tauchen<br />
auf. Ganz so, wie man es sich als Wissenschaftler<br />
wünscht. k<br />
Raimund Lang<br />
ren so die Schubkraft. „Das klingt sehr einfach“,<br />
sagt Tajmar. „Aber dahinter stehen 40 Mannjahre<br />
Entwicklungsleistung.“ Immerhin muss ein<br />
solches Triebwerk 20.000 Stunden kontinuierlich<br />
und fehlerfrei funktionieren.<br />
Eingesetzt werden soll der Ionenantrieb in der<br />
ESA-Mission LISA Pathfinder, deren Start für<br />
2011 geplant ist.<br />
Foto: NASA