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Heinz Klippert weist Wege aus der Krise - GEW

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5 /06<br />

-Zeitung<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Horrortrip Schule?<br />

Foto: B. Butzke<br />

<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong> <strong>weist</strong> <strong>Wege</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Krise</strong> (S. 4-5)<br />

Tarif<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzung im<br />

öffentlichen Dienst<br />

(S. 15 - 18)


Foto: Clessienne<br />

Kolumne / Inhalt / Impressum<br />

Wer wird hier eigentlich inspiziert?<br />

„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht<br />

von allen!“ Wer das Vergnügen hat, regelmäßig<br />

an diversen Sitzungen teilnehmen zu dürfen,<br />

kann die tiefe Wahrheit hinter diesem flapsigen<br />

Spruch nur bestätigen. Solche Fehler in einer<br />

Monatszeitschrift zu vermeiden, die manchmal<br />

sogar nur zweimonatlich erscheint, ist gar nicht<br />

so einfach, denn eigentlich drängt es uns danach,<br />

etwas zu all den <strong>aus</strong> <strong>GEW</strong>-Sicht wichtigen<br />

Ereignissen <strong>der</strong> vergangenen Wochen zu sagen.<br />

Zu <strong>der</strong> Tarif<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzung beispielsweise: Auch wenn nicht geräumte<br />

Straßen inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes Schnee des vergangenen<br />

Jahres ( resp. Winters ) sind, soll im Mittelteil dieser Zeitung nochmals<br />

ein Resümee des Tarifkonfliktes gezogen werden.<br />

Zum Landtagswahlergebnis beispielsweise: Tilman Boehlkau bringt es in<br />

seinem Kommentar auf <strong>der</strong> Seite nebenan auf den Nenner: Wir dürfen<br />

gespannt sein, wie sozialdemokratische Bildungspolitik pur ohne die FDP-<br />

Bremser <strong>aus</strong>sehen wird. Auch wenn die Zustimmung für das, was in den<br />

letzten Jahren <strong>aus</strong> dem Ahnen-Ministerium kam, bei den Beschäftigten<br />

im Bildungswesen lange nicht so groß war wie bei <strong>der</strong> Wählerschaft: Ein<br />

herzlicher Glückwunsch geht an die alte und neue Bildungsministerin,<br />

denn <strong>der</strong> triumphale SPD-Erfolg ist nicht nur „König Kurt“, son<strong>der</strong>n auch<br />

beträchtlich „Prinzessin Doris“ zuzuschreiben, die das Gespür für die richtigen<br />

Themen zur rechten Zeit bewiesen hat. Wer sieht, wie <strong>der</strong> CDU-<br />

Bildungspolitiker Josef Keller schon präventiv Amok läuft, weil er das geglie<strong>der</strong>te<br />

Schulsystem gefährdet sieht, muss froh sein, dass wir zumindest<br />

die nächsten fünf Jahren von den CDU-Gr<strong>aus</strong>amkeiten verschont bleiben,<br />

die wir <strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n kennen.<br />

Äußerst bedauerlich dagegen ist das Ausscheiden <strong>der</strong> Grünen <strong>aus</strong> dem Landtag.<br />

Das ist nicht parteipolitisch gemeint, nur rein objektiv. Bildungspolitisch<br />

waren <strong>GEW</strong> und Grüne (Oppositions-Grüne, muss man einschränkend<br />

sagen) nämlich seit viel Jahren fast eineiige Zwillinge. So gab es kaum<br />

eine Presseerklärung <strong>der</strong> Grünen, <strong>der</strong> wir nicht hun<strong>der</strong>tprozentig zustimmen<br />

konnten. Schade also, dass diese „Stimme <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> im Landtag“<br />

verstummt ist, und schade auch, dass eloquente Nachwuchspolitiker wie<br />

<strong>der</strong> bildungspolitische Sprecher <strong>der</strong> Grünen im (alten) Landtag, Niels<br />

Wiechmann, nicht mehr an exponierter Stelle agieren können.<br />

Von <strong>der</strong> „großen Politik“ in die Nie<strong>der</strong>ungen des schulischen Alltags: „Stell<br />

dir vor, die Schulinspektoren kommen, und keinen juckt das.“ Im Ernst:<br />

Kein Kollegium hat Anlass, die AQS zu fürchten, denn nur ein Bruchteil<br />

<strong>der</strong> Probleme, die die Inspektoren finden werden, hängen ursächlich von<br />

den Schulen ab. Um nicht missverstanden zu werden: Es kann nicht unser<br />

Ding sein, bei Defiziten abwehrend auf an<strong>der</strong>e zu zeigen. Wo von den<br />

Schulen verschuldete Mängel konstatiert werden, haben diese auch an <strong>der</strong>en<br />

Beseitigung zu arbeiten und werden dies auch tun.<br />

Es muss aber auch unser Ding sein, auf an<strong>der</strong>e Schuldige hinzuweisen.<br />

2<br />

Aus dem Inhalt <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Nr. 5 / 2006:<br />

Kommentar Seite 3<br />

Schulen Seiten 4 - 14<br />

Mittelteil: Tarifkonflikt 2006 Seiten 15 - 18<br />

Politische Bildung / Berufl. Bildung Seiten 19 - 20<br />

Rechtsschutz Seite 21<br />

Alter + Ruhestand Seite 22<br />

Tipps + Termine Seiten 23 - 30<br />

Kreis + Region Seite 31<br />

Zeitgeist Seite 32<br />

1. DIE GESELLSCHAFT: Kaum eine Schule kann sich ihre Kin<strong>der</strong> <strong>aus</strong>suchen.<br />

Es muss an dieser Stelle nicht wie<strong>der</strong>holt werden, wie die frühkindliche<br />

Sozialisation in einer Werte missachtenden Egomanengesellschaft<br />

<strong>aus</strong>sehen kann. Nur wenige Stichpunkte: Kaputte Familien, exzessiver Medienkonsum,<br />

Gewalt, Konsumterror, Drogen, und, und, und.<br />

2. DIE POLITIK ALLGEMEIN: Wenn für fast ein Fünftel eines Jahrganges<br />

von vorneherein feststeht, dass es nicht gebraucht wird, und die<br />

Politik nicht den Ansatz einer Lösung für diesen Skandal hat, wie sollen<br />

dann Lehrkräfte an Haupt- und Berufsschulen erfolgreich arbeiten können<br />

und nicht nur als Tranquilizer dienen?<br />

3. DIE BILDUNGSPOLITIK KONKRET: Ohne „eine Schule für alle“,<br />

die als verbindliche Ganztagseinrichtung die oben in 1. genannten Defizite<br />

zumindest ansatzweise kompensieren könnte, indem sie jeden einzelnen<br />

för<strong>der</strong>t und for<strong>der</strong>t, statt „Unpassende“ <strong>aus</strong>zusieben, bleiben alle Qualitätsprogramme<br />

und AQS - Berichte Makulatur.<br />

4. DIE SCHULVERWALTUNG: Echt ein Witz: Da sind tatsächlich Personen,<br />

die teilweise jahrzehntelang in den Bezirksregierung bzw. <strong>der</strong> ADD<br />

tätig waren, zur AQS gewechselt. Was begutachten diese nun in Kürze?<br />

Etwa die Früchte ihrer Einstellungspolitik, die gerade aktuell wie<strong>der</strong> dazu<br />

geführt hat, dass Spitzenkräfte in an<strong>der</strong>e Bundeslän<strong>der</strong> abgewan<strong>der</strong>t sind?<br />

Welch ein Hohn, von autonomen Schulen zu reden und diese „von außen“<br />

begutachten zu wollen nach dem Vorbild <strong>der</strong> PISA - Sieger, wenn sich die<br />

Schulen nicht mal ihr Personal selbst <strong>aus</strong>suchen können. Mal ganz abgesehen<br />

von <strong>der</strong> nach wie vor existierenden Regulierungswut im Bildungsministerium,<br />

die die Schulen mit Vorgaben überhäuft und sie zwingt, misslungene<br />

Reformen <strong>aus</strong> den Fe<strong>der</strong>n praxisferner Schreibtischaktivisten in<br />

die Realität umzusetzen.<br />

Stopp. Vielleicht ist die ganze Aufregung um die AQS vorerst auch umsonst.<br />

Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass die<br />

Qualitätsagentur nach den Osterferien nicht wie geplant mit <strong>der</strong> Pilotphase<br />

starten konnte. Grund: Das Verwaltungsgericht Mainz erließ eine<br />

einstweilige Anordnung, weil sich Ministerium und<br />

ADD geweigert hatten, die zuständigen Bezirksund<br />

Hauptpersonalräte bei <strong>der</strong> Personl<strong>aus</strong>wahl<br />

in <strong>der</strong> gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Weise zu beteiligen.<br />

Peinlich, peinlich.<br />

Günter Helfrich<br />

Impressum <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz (115. Jahrgang)<br />

Her<strong>aus</strong>geber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Neubrunnenstr. 8, 55116<br />

Mainz, Tel.: (0 61 31) 28988-0, Fax: (06131) 28988-80, E-mail: gew@gew-rlp.de<br />

Redaktion: Günter Helfrich (verantw.), Paul Schwarz (Stellvertr./Bildungspolitik), Ursel Karch<br />

(Gewerkschaftspolitik), Karin Helfrich (Außerschulische Bildung),<br />

Redaktionsanschrift: <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen,<br />

Tel./ Fax: (0621) 564995, e-mail: guenter.helfrich@gew-rlp.de<br />

Verlag und Anzeigen, Satz und Druck: Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433<br />

Neustadt a.d.W., Tel.: (06321) 8 03 77; Fax: (0 63 21) 8 62 17; e-mail: vpprei@aol.com, Datenübernahme<br />

per ISDN: (0 63 21) 92 90 92 (Leonardo-SP - = 2 kanalig)<br />

Manuskripte und Beiträge: Die in den einzelnen Beiträgen wie<strong>der</strong>gegebenen Gedanken entsprechen<br />

nicht in jedem Falle <strong>der</strong> Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Redaktion. Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte o<strong>der</strong> zugemailte Daten wird keine Gewähr übernommen.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglie<strong>der</strong> jährlich Euro 18,-- incl. Porto<br />

+ MWSt. (Bestellungen nur beim Her<strong>aus</strong>geber.) Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalen<strong>der</strong>jahres.<br />

Im an<strong>der</strong>en Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />

Anzeigenpreisliste Nr. 12 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluss: jeweils <strong>der</strong> 1. des Vormonats.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Kommentar zum Landtagswahlergebnis<br />

An den Taten sollt ihr sie messen!<br />

Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz hat <strong>der</strong><br />

SPD ein his-torisches Ergebnis gebracht. Die <strong>GEW</strong><br />

gratuliert dem alten und neuen Ministerpräsidenten<br />

Kurt Beck zu diesem eindrucksvollen Wahlergebnis.<br />

In Zukunft kann sich die SPD in bildungspolitischen<br />

Fragen allerdings nicht mehr hinter dem Koalitionspartner<br />

„verstecken“.<br />

Unsere <strong>GEW</strong>-Zeitung 1-2/2006 machte mit <strong>der</strong><br />

Schlagzeile „Wahlkampfthema Bildungspolitik“<br />

auf und beschäftigte sich eingehend mit den Aussagen<br />

<strong>der</strong> Landtagsfraktionen, mit denen des Ministerpräsidenten<br />

und <strong>der</strong> Bildungsministerin sowie<br />

Stimmen von SchülerInnen und LehrerInnen.<br />

Grundlage hierfür waren unsere „Mainzer Thesen“,<br />

die <strong>der</strong> Landesvorstand im November 2005<br />

beschlossen und verabschiedet hatte.<br />

Die SPD-Landtagsfraktion - und das möchte ich noch einmal<br />

in Erinnerung rufen - hat zur These 1 „Bildungswege<br />

öffnen - Chancengleichheit herstellen“ folgendes <strong>aus</strong>geführt:<br />

„Leistungsfähigkeit und Chancengleichheit sind für uns kein<br />

Gegensatz, ganz im Gegenteil. Wir wollen möglichst viele<br />

junge Menschen zu einem guten Schulabschluss führen und<br />

ihnen qualifizierte berufliche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

bieten und das unabhängig von sozialer Herkunft<br />

und Einkommen...<br />

Wir haben das geglie<strong>der</strong>te Schulsystem erfolgreich um Regionale<br />

Schulen, Duale Oberschulen und Integrierte Gesamtschulen<br />

ergänzt, dort wo Eltern für ihre Kin<strong>der</strong> ein längeres<br />

gemeinsames Lernen wünschen. Diesen Weg wollen wir fortsetzen...<br />

Wir werden Schulen mit schwierigem sozialen Umfeld und<br />

insbeson<strong>der</strong>e Hauptschulen weiterhin gezielt för<strong>der</strong>n, die<br />

Schulsozialarbeit verstärken, unsere Anstrengungen zur<br />

sprachlichen Integration noch intensivieren und das Angebot<br />

an Schwerpunktschulen zum gemeinsamen Unterricht<br />

von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behin<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>aus</strong>bauen.“<br />

Gut so! Nun müssen den Worten aber auch Taten folgen,<br />

denn Rheinland-Pfalz gehört immer noch zu den Bundeslän<strong>der</strong>n,<br />

die die höchste Quote von SitzenbleiberInnen auf<strong>weist</strong>,<br />

in denen die Durchlässigkeit zwischen den Schularten<br />

am geringsten ist (nach oben, nicht nach unten) und wo<br />

immer noch <strong>der</strong> Schulbesuch einer weiterführenden Schule<br />

beson<strong>der</strong>s stark von <strong>der</strong> sozialen Herkunft <strong>der</strong> SchülerInnen<br />

abhängig ist. Das wollen und können wir nicht akzeptieren<br />

- deshalb heißt die Kern<strong>aus</strong>sage in unseren „Mainzer Thesen“:<br />

„Vorrangig muss die erhebliche Ungleichheit <strong>der</strong> Bildungschancen<br />

abgebaut werden.“<br />

Rheinland-Pfalz ist in <strong>der</strong> Schulpolitik viele <strong>Wege</strong> gegangen:<br />

Einführung <strong>der</strong> Vollen Halbtagsschulen, <strong>der</strong> Regionalen Schulen,<br />

<strong>der</strong> Dualen Oberschulen, <strong>der</strong> Hochbegabtenschulen und<br />

Ausbau <strong>der</strong> Integrierten Gesamtschulen. Rheinland-Pfalz ist<br />

dabei das Land des größten Nebeneinan<strong>der</strong>s verschiedener<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Kommentar<br />

Schultypen geworden. Klarer, gerechter und Ressourcen schonen<strong>der</strong><br />

angesichts <strong>der</strong> demographischen Entwicklung wäre<br />

jetzt <strong>der</strong> Schritt hin zum „Gemeinsamen längeren Lernen<br />

in einer Schule für Alle“ Die bei zurückgehenden Schülerzahlen<br />

freiwerdenden Mittel könnten dann zielgerichtet in<br />

die individuelle För<strong>der</strong>ung schwächerer, aber auch guter<br />

SchülerInnen fließen. Hier sollte die Landesregierung bedenken,<br />

dass selbst eher als konservativ einzustufende Wirtschaftsverbände<br />

und Institute mittlerweile die Zersplitterung unseres<br />

Schulsystems und die frühe „Auslese“ unserer SchülerInnen<br />

nicht mehr als zeitgemäß ansehen („Das dreigliedrige<br />

Schulsystem gehört in den Abfalleimer <strong>der</strong> Geschichte.“, so<br />

z. B. <strong>der</strong> Präsident des Münchner Ifo-Instituts in <strong>der</strong> Wirtschaftswoche<br />

Nr. 11 vom 13.03.2006.)<br />

Ein weiterer Schwerpunkt in unseren „Mainzer Thesen“ ist<br />

die These 6 „Qualifizierte Berufs<strong>aus</strong>bildung für alle - Arbeitgeber<br />

und Staat sind in <strong>der</strong> Pflicht, verstärkt Verantwortung<br />

dafür zu übernehmen“.<br />

Die SPD führte u. a. dazu <strong>aus</strong>: „Es ist das Ziel <strong>der</strong> Landesregierung,<br />

dass junge Menschen in Rheinland-Pfalz zuversichtlich<br />

in ihre berufliche und private Zukunft blicken können...“<br />

Das neue Ausbildungsjahr steht unmittelbar bevor. Es kann<br />

und darf nicht sein, dass das Angebot an betrieblichen Ausbildungsstellen<br />

weiter sinkt, denn die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplatzsuchenden<br />

nimmt weiter zu (geburtenstarke Jahrgänge<br />

drängen jetzt auf den Ausbildungsmarkt).<br />

Wir werden die SPD an ihre Aussage erinnern und wir erwarten<br />

von <strong>der</strong> neuen Landesregierung, dass sie die Arbeitgeber<br />

an ihre Verantwortung gegenüber den Ausbildungsplatzsuchenden<br />

nicht nur erinnert, son<strong>der</strong>n in die Pflicht<br />

nimmt.<br />

Die „Mainzer Thesen“ und die Aussagen <strong>der</strong> SPD-Landtagsfraktion<br />

hierzu werden <strong>der</strong> Gradmesser für die <strong>GEW</strong><br />

Rheinland-Pfalz sein, an <strong>der</strong> wir die Bildungspolitik <strong>der</strong><br />

neuen Landesregierung messen werden.<br />

Die <strong>GEW</strong> ist zum kritisch-konstruktiven Dialog bereit - die<br />

neue Landesregierung muss diesen Dialog aber auch gegenüber<br />

den Beschäftigten in allen Bildungseinrichtungen sowie<br />

den Jugendlichen in Rheinland-Pfalz mit perspektivischem<br />

Blick honorieren.<br />

Bei den Beschäftigten kann nicht immer mehr Belastungen<br />

zum Nulltarif das Gebot <strong>der</strong> Stunde sein, son<strong>der</strong>n die Schaffung<br />

von guten Rahmenbedingungen - und daran werden<br />

wir immer wie<strong>der</strong> erinnern.<br />

Tilman Boehlkau<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

3


Schulen<br />

Horrortrip Schule?<br />

<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong> <strong>weist</strong> in seinem neuen Buch <strong>Wege</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Krise</strong><br />

- Von Dr. Paul Schwarz -<br />

„Ich muss eine Unmenge Erziehungsarbeit leisten, muss Stoff<br />

vermitteln, muss psychologisch tätig werden und, und, und ...<br />

Ich fühle mich grenzenlos <strong>aus</strong>gelastet, und immer noch<br />

kommt etwas dazu“ - „Lange Konferenzen, Projekte aller Art,<br />

eine überbordende Bürokratie und ein atemberauben<strong>der</strong> Aktionismus<br />

<strong>der</strong> Führungskräfte. Der Unterricht ist zur wichtigsten<br />

Nebensache in <strong>der</strong> Schule geworden“ - Stimmen von<br />

Lehrkräften <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Schulpraxis. Die Schule ist für viele Lehrerinnen<br />

und Lehrer zum Horrortrip geworden, viele sind<br />

überfor<strong>der</strong>t und <strong>aus</strong>gebrannt.<br />

4<br />

Wie Uwe Schaarschmidt, Psychologe an <strong>der</strong> Universität<br />

Potsdam, in seiner Belastungsstudie nach<strong>weist</strong>, haben 60<br />

Prozent <strong>der</strong> bundesdeutschen Lehrkräfte mit erheblichen<br />

emotionalen und gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.<br />

Knapp 30 Prozent <strong>der</strong> deutschen Schulpädagogen<br />

sind <strong>aus</strong>gebrannt, nur 17 Prozent kommen mit den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

des Berufs gut zurecht. „Der Anteil <strong>der</strong> vorzeitigen<br />

Dienstunfähigkeit an den jährlichen Ruhestandseintritten<br />

liegt in dieser Berufsgruppe seit Jahren zwischen<br />

50 und 60 Prozent“, bestätigt <strong>der</strong> Kölner Sozialmediziner<br />

Andreas Weber. Zwei Drittel ihrer Patienten,<br />

so eine Psychologin, seien mittlerweile Lehrerinnen und<br />

Lehrer.<br />

Beson<strong>der</strong>s die aktuellen Reformprozesse setzen <strong>der</strong> Lehrerschaft<br />

gewaltig zu. „Was mich stört“, sagt eine Lehrerin<br />

<strong>aus</strong> einer Hauptschule in Ludwigshafen, „sind die<br />

vielen offenen B<strong>aus</strong>tellen, die politischen Schnellschüsse<br />

nach PISA ohne rechtes Konzept und ohne konkrete<br />

Hilfe“. Unter dem Motto „Vom Input zum Output“ sollen<br />

höchst anspruchsvolle Bildungsstandards und Bildungspläne<br />

realisiert werden. „Vorne werden die Schaufenster<br />

ständig neu dekoriert, aber in den Hinterzimmern<br />

bleibt alles beim alten“, so Schulreformer <strong>Heinz</strong><br />

<strong>Klippert</strong> auf <strong>der</strong> Bildungsmesse in Hannover.<br />

Mit den Reformprozessen einher geht die Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Lehrerrolle. Lehrkräfte sind längst nicht mehr nur<br />

Wissensvermittler und Erzieher im althergebrachten<br />

Sinn, son<strong>der</strong>n müssen immer häufiger auch als Sozialarbeiter<br />

und Familienhelfer, Animateur und Therapeut,<br />

Medienexperte und Lernorganisatoren, Lernmo<strong>der</strong>atoren<br />

und Lernberater tätig werden. Diese und an<strong>der</strong>e<br />

Vorgaben und Auflagen führen bei Teilen <strong>der</strong> Lehrerschaft<br />

lediglich zu handfesten Versagensängsten, nicht<br />

aber zur tatkräftigen Innovationstätigkeit, zumal die gängige<br />

Lehrer<strong>aus</strong>bildung auf dieses Rollenszenario überhaupt<br />

nicht vorbereitet.<br />

Ein Dauerbrenner in Sachen Lehrerbelastung sind die<br />

verschlechterten Arbeitsumstände in den Schulen. Seit<br />

Jahren gibt es gravierende Einschnitte durch die Bildungspolitik.<br />

Das beginnt bei <strong>der</strong> sukzessiven Verlängerung<br />

<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit und reicht über die Anhebung <strong>der</strong><br />

Klassenmesszahlen bis hin zu finanziellen Kürzungen im<br />

privaten wie im schulischen Bereich. Wie <strong>der</strong> Bildungsbericht<br />

des Jahres 2003 bestätigt, liegt die durchschnittliche<br />

wöchentliche Arbeitszeit von Lehrern deutlich über<br />

<strong>der</strong> vieler an<strong>der</strong>en Berufsgruppen. Berücksichtigt man<br />

die vergleichsweise langen Ferienzeiten, bleiben immer<br />

noch Arbeitszeitwerte, die um o<strong>der</strong> über 40 Stunden pro<br />

Woche liegen.<br />

Eine zentrale Bürde <strong>der</strong> Lehrerschaft sind die großen<br />

Klassen. Während die faktische Klassenstärke in Finnland<br />

und in den erfolgreichen PISA - Län<strong>der</strong>n nie selten<br />

über 24 hin<strong>aus</strong>reichen, bewegen sie sich in <strong>der</strong> deutschen<br />

Prima- und Sekundarschule deutlich darüber. Schülerzahlen<br />

von 28 bis 30 sind inzwischen fast zur Regel<br />

geworden.<br />

Viele Kin<strong>der</strong> sind verhaltensgestört und<br />

verweigern die Arbeit<br />

Eine weitere Belastungsquelle für Lehrerinnen und Lehrer<br />

sind die vielen verhaltensgestörten Kin<strong>der</strong> in den Klassen.<br />

„Immer mehr Schüler tendieren nachweislich dazu,<br />

im Unterricht mehr o<strong>der</strong> weniger destruktiv zu agieren,<br />

verweigern die Arbeit, sind hyperaktiv, unkonzentriert,<br />

desinteressiert und passiv“, beobachtet <strong>der</strong> Psychiater<br />

Andreas Hillert, <strong>der</strong> am Chiemsee <strong>aus</strong>gebrannte Erzieher<br />

betreut..<br />

Die Überlastung <strong>der</strong> Lehrkräfte ist auch deshalb vorprogrammiert,<br />

so <strong>Klippert</strong> in seinem soeben erschienenen<br />

Buch „Lehrerentlastung“, weil <strong>der</strong> Umgang mit Heterogenität<br />

stark vernachlässigt wird. Dazu zähle beispielsweise<br />

auch die Rolle stärkerer Schüler als Helfer und<br />

Miterzieher, eine Ressource, auf die im normalen Unterricht<br />

kaum zurückgegriffen wird. „Der Nachhilfelehrer<br />

Schüler lernt bei seiner Unterstützungsarbeit fachlich in<br />

<strong>der</strong> Regel zwar nichts Neues, wohl aber steigert er aufgrund<br />

<strong>der</strong> vielfältigen Fragen und Erklärungsversuche<br />

sowohl die eigene fachliche Souveränität als auch solche<br />

persönlichen Kompetenzen wie Selbstvertrauen und<br />

Selbstwertgefühl, Eigeninitiative und Problemlösungstoleranz,<br />

Kommunikationsfähigkeit und Sozialkompetenz,<br />

Ausdauer und Frustrationstoleranz - Kompetenzen also,<br />

die im Zeitalter <strong>der</strong> neuen Bildungsstandards wichtiger<br />

und perspektivreicher sind als all das träge Wissen, auf<br />

das traditionell so viel Wert gelegt wird.“ Aber wo, fragt<br />

<strong>Klippert</strong>, wird <strong>der</strong> Umgang mit Heterogenität in <strong>der</strong><br />

Lehrer<strong>aus</strong>bildung gelernt, wo die vielzitierte „individuelle<br />

För<strong>der</strong>ung“ <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>?<br />

Ein weiteres Belastungsmoment ist nach <strong>Klippert</strong> die<br />

mangelnde Teamfähigkeit und Teambereitschaft in den<br />

Lehrerkollegien. Lehrerkooperation sei für viele Lehrkräfte<br />

ein sehr fragwürdiges Mode- und Reizwort, das auf<br />

soziale Gängelung und Gleichschaltung, auf subtile Kontrolle<br />

und vor<strong>der</strong>gründige Maßregelung <strong>der</strong> „Unbefugten“<br />

hin<strong>weist</strong>.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Gezielte Schülerqualifizierung entlastet<br />

Was also tun? Schuldzuweisungen helfen nicht weiter.<br />

<strong>Klippert</strong>: „Entlastung für Lehrerinnen und Lehrer kommt<br />

nach allem, was <strong>der</strong>zeit abzusehen ist, so schnell nicht<br />

von oben, son<strong>der</strong>n wird wohl vor allem an <strong>der</strong> innerschulischen<br />

Basis ersonnen und erkämpft werden müssen“.<br />

Hier setzt das neue Buch des Landauer Schulreformers<br />

an. Es zeigt <strong>Wege</strong> und „Strategien zur wirksamen<br />

Arbeitserleichterung in Schule und Unterricht“ auf.<br />

Mehr als drei Viertel des 288seitigen Werks widmet <strong>Klippert</strong><br />

„bewährten Entlastungsansätzen und -verfahren“ auf<br />

mehreren Aktionsfel<strong>der</strong>n: verbessertes Selbstmanagement,<br />

gezielte Schülerqualifizierung, verstärkte Lehrerkooperation,<br />

intelligentes Schulmanagement und offensive Eltern-<br />

und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist ein Vorzug des Buches,<br />

dass es mehr als 76 Seiten ganzseitige Arbeitsblätter<br />

und Checklisten zur persönlichen Vertiefung und Konkretisierung<br />

<strong>der</strong> skizzierten Entlastungsstrategien enthält,<br />

z.B. <strong>aus</strong>gearbeitete Lernspiralen um einen Lehrervortrag,<br />

um Sachtexte, zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Recherche- und Präsentationsfähigkeit.<br />

<strong>Klippert</strong>s Standardsatz „Die Lehrer arbeiten zu viel, die<br />

Schüler zu wenig“ begründet im wesentlichen die Überbeanspruchung<br />

<strong>der</strong> Lehrpersonen. In dem Maße aber,<br />

wie es Lehrkräften gelingt, die Schüler zum selbsttätigen<br />

und kooperativen Lernen zu qualifizieren, treten Entlastungseffekte<br />

ein. Selbstständigkeit, Selbstdisziplin und<br />

Selbststeuerung <strong>der</strong> Schüler hängen entscheidend davon<br />

ab, ob tragfähige Lernkompetenzen vorhanden sind. „Je<br />

versierter die Schüler ihr Lernen zu managen verstehen<br />

und je geübter sie in methodischer, kommunikativer und<br />

kooperativer Hinsicht sind, desto weniger brauchen sie<br />

Unterstützung und/o<strong>der</strong> Beaufsichtigung ihrer Lehrkräfte<br />

und desto mehr tragen sie zu <strong>der</strong>en Entlastung bei.“<br />

Konsequente Unterrichtsentwicklung und<br />

Methodenschulung erleichtern die Lehrerarbeit<br />

Dies belegen auch entsprechende Evaluationen <strong>aus</strong> den<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n zum <strong>Klippert</strong>schen Reformmodell, das<br />

mittlerweile in mehr als 500 bundesdeutschen Schulen<br />

systematisch umgesetzt wird. 88 Prozent <strong>der</strong> befragten<br />

Lehrkräfte kommen beispielsweise in Rheinland-Pfalz in<br />

ihrer Schlussbilanz zum Ergebnis, die Schüler seien infolge<br />

<strong>der</strong> konsequenten Methodenschulung selbständiger<br />

und zielstrebiger geworden, 53 Prozent konstatieren<br />

für sich eine zunehmende Entlastung im Unterricht.<br />

Begründet wird die sich abzeichnende Entlastungswirkung<br />

vor allem dadurch, dass die Schüler <strong>der</strong> trainierten<br />

Klassen selbständiger und methodenversierter zu lernen<br />

verstehen. So geben 90 Prozent <strong>der</strong> befragten rheinlandpfälzischen<br />

Lehrkräfte zu erkennen, dass die Schüler besser<br />

in <strong>der</strong> Lage seien, effektiver und regelgebundener in<br />

Gruppen zu arbeiten als vor <strong>der</strong> Reform. Und sogar 91<br />

Prozent meinen, dass die trainierten Schüler ein deutliches<br />

Plus hätten, wenn es darum gehe, selbstbewusst vor<br />

<strong>der</strong> Klasse zu reden und zu argumentieren. Als entlastungsför<strong>der</strong>nd<br />

stufen die befragten Lehrkräfte ferner die<br />

<strong>aus</strong>geprägte Teamarbeit <strong>der</strong> Lehrerschaft im Rahmen <strong>der</strong><br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

pädagogischen Schulentwicklung ein. 76 Prozent sind<br />

<strong>der</strong> Ansicht, die <strong>aus</strong>geprägten Teamaktivitäten <strong>der</strong> Lehrkräfte<br />

stärkten den Einzelnen und för<strong>der</strong>ten den Zusammenhalt<br />

im Kollegium. Auch die Befunde in Nordrhein-Westfalen<br />

unterstreichen, dass konsequente Unterrichtsentwicklung<br />

und Methodenschulung viel versprechende<br />

Entlastungsperspektiven für Lehrerinnen und<br />

Lehrer eröffnen.<br />

Freilich ist es für <strong>Klippert</strong> angesichts <strong>der</strong> vielfältigen<br />

Aufgaben und Belastungen <strong>der</strong> Lehrkräfte eine Illusion,<br />

allein auf die Selbstheilung <strong>der</strong> Schulen zu setzen. „Erfolgreiche<br />

Bildungssysteme, das lernen wir von den erfolgreichen<br />

PISA-Staaten, setzen eben nicht nur Standards,<br />

sie entwickeln gleichzeitig wirksame Rückmeldeund<br />

Unterstützungssysteme“. Unterstützungssysteme in<br />

Gestalt von Schulentwicklungsberatern, Unterrichtsentwicklern,<br />

Methodentrainern, Prozessmo<strong>der</strong>atoren, Supervisoren,<br />

Coaches, Lernberatern, Sozialpädagogen,<br />

Evaluationssachverständigen etc. Auch Bücher wie dieses,<br />

die sich nicht auf <strong>der</strong> Metaebene tummeln, son<strong>der</strong>n<br />

sehr konkrete Hilfe für den Unterricht bieten, <strong>der</strong> eben<br />

doch nicht die wichtigste Nebensache in <strong>der</strong> Schule ist.<br />

<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong>, Lehrerentlastung. Strategien zur wirksamen<br />

Arbeitserleichterung in Schule und Unterricht.<br />

Beltz-Verlag 2006, 25,90 Euro<br />

Lehrer für alle<br />

Schulen<br />

<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong><br />

stellt Strategien<br />

zur wirksamen<br />

Arbeitsbelastung<br />

von Lehrkräften<br />

vor.<br />

Foto: B. Butzke<br />

Weltweit wird 100 Millionen Kin<strong>der</strong>n das Recht auf Bildung vorenthalten.<br />

Seit sechs Jahren arbeiten NGOs und Gewerkschaften in einer globalen Bildungskampagne<br />

zusammen, damit das Milleniumziel <strong>der</strong> UN, bis 2015 allen<br />

Kin<strong>der</strong>n zumindest den Besuch <strong>der</strong> Grundschule zu ermöglichen, kein leeres<br />

Versprechen bleibt. Die diesjährige Aktionswoche <strong>der</strong> Bildungskampagne vom<br />

24. bis 26. April stand unter dem Motto „Lehrer für alle“. Zu den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Bildungskampagne gehören in Deutschland neben <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> unter<br />

an<strong>der</strong>em die Kin<strong>der</strong>nothilfe, Care International, Oxfam Deutschland sowie<br />

World Vision. Schirmherrin <strong>der</strong> Kampagne ist Gesine Schwan, Präsidentin<br />

<strong>der</strong> Europa Universität Viadrina.<br />

www.bildungskampagne.org<br />

5


Schulen<br />

Die Schule von morgen<br />

Schleicher: Lehrpläne verän<strong>der</strong>n und Lehrerbildung reformieren reicht nicht<br />

6<br />

„Der Blick über den Tellerrand ins Ausland tut dem deutschen<br />

Schulsystem gut. Das schlechte Abschneiden <strong>der</strong><br />

Schülerinnen und Schüler bei internationalen Leistungstests<br />

und die hohe Abhängigkeit des Schulerfolgs <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> von <strong>der</strong> sozialen Herkunft <strong>der</strong> Eltern werden<br />

zunehmend auch von <strong>der</strong> Wirtschaft und in an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n mit Sorge betrachtet“, sagte Marianne Demmer,<br />

stellvertretende Bundesvorsitzende <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft, zur Eröffnung <strong>der</strong> Frankfurter<br />

<strong>GEW</strong>-Veranstaltung „Schulen in Deutschland -<br />

Schulen mit Zukunft?“. Und wer hat einen besseren<br />

Überblick über die Schulen außerhalb Deutschlands als<br />

Andreas Schleicher, PISA-Koordinator <strong>der</strong> OECD?<br />

In seinem Hauptreferat skizzierte Schleicher zunächst die<br />

Bevölkerungsentwicklung hierzulande. 2030 werde die<br />

Hälfte <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung über 65 Jahre sein.<br />

2020 müsste Deutschland jährlich eine Million Einwan<strong>der</strong>er<br />

integrieren, um die jetzige Zahl <strong>der</strong> Erwerbstätigen<br />

zu sichern. „Wie wirksam geht das deutsche Schulsystem<br />

mit diesen Problemen um?“, Wissen werde zur<br />

primären Ressource, „gemeinsam besitzen die Wissensarbeiter<br />

die entscheidenden Produktionsmittel“. Diese<br />

Erkenntnis hätten z.B. Südkorea, Japan und die nordischen<br />

Staaten Finnland und Schweden längst in ihren<br />

Schulen umgesetzt, während die Bundesrepublik noch<br />

immer beim „Weiter - So“ verharre und international<br />

immer stärker zurückfalle. „Erfolgreiche Bildungssysteme“,<br />

so Schleicher, vernetzen die Arbeit ihrer Lehrer“.<br />

Lehrer fühlten sich nicht allein gelassen und strebten eine<br />

Professionalisierung weg vom Einzelkämpfertum an. Die<br />

Schule müsse ein „attraktives Arbeitsumfeld“ bieten. In<br />

Finnland könnten Eltern ihre Kin<strong>der</strong> in jede Schule schikken.<br />

Dort betrage die Leistungsvarianz fünf Prozent, in<br />

Deutschland aber das Zehnfache. Eltern hätten wachsende<br />

Erwartungen an die Schule, die weit über das kognitive<br />

Lernen hin<strong>aus</strong>gingen. Es gelte, den Status quo zu<br />

überwinden. Schulbürokraten und ihre Interessengruppen<br />

wi<strong>der</strong>stünden dem Wandel. Um Qualität und Chancengerechtigkeit<br />

zu sichern, müsse die Investition<br />

steigen und die kritische OECD-Schwelle verlassen. Im<br />

Status quo behalte Schule ihren Charakter als Verwaltungseinheit,<br />

„die Wissen durch traditionellen Unterricht<br />

vermittelt“. Lebensbegleitendes Lernen werde zur Norm.<br />

In einem Szenario, das erfolgreich in die Zukunft geht,<br />

sei Schule ein „soziales Zentrum <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft<br />

ohne soziale Fragmentierung“. Eine systemische<br />

Verän<strong>der</strong>ung weg von <strong>der</strong> Dreigliedrigkeit müsse auch<br />

das Leben in die Schule tragen, wenn Schülerinnen und<br />

Schüler darauf vorbereitet werden sollen, d.h. „wir brauchen<br />

neben <strong>der</strong> Lehrerprofessionalität weitere Professionen<br />

im Raum Schule“. Den Lehrplan zu verän<strong>der</strong>n und<br />

die Lehrer<strong>aus</strong>bildung zu reformieren reicht nach Meinung<br />

des PISA-Koordinators nicht <strong>aus</strong>. Schwache Schulleistungen<br />

dürften nicht toleriert werden, aber entschei-<br />

dend sei es, die Anreize und die Unterstützungssysteme<br />

für Schule zu verstärken. „Ob Zentralismus im Bund o<strong>der</strong><br />

in den Bundeslän<strong>der</strong>n, ist zweitrangig. Die deutsche Bildungspolitik<br />

muss wissen, wohin die Reise geht“, sagte<br />

Schleicher. Trotz des deutschen Bildungssystems gebe es<br />

hierzulande keinen Mangel an Ideen, aber die Frage sei,<br />

wie man die Innovationen systemisch verankern könne,<br />

statt immer nur zu fragmentieren, zu selektieren und die<br />

soziale Ungleichheit zu steigern.<br />

Individuelle För<strong>der</strong>ung im geglie<strong>der</strong>ten<br />

System nicht möglich<br />

In <strong>der</strong> anschließenden Podiumsdiskussion „16 Schulsysteme<br />

- hat das Modell Deutschland Zukunft?“ äußerten<br />

sich alle Teilnehmer sehr skeptisch. Die Kin<strong>der</strong> nicht<br />

beschämen und nicht zurücklassen, for<strong>der</strong>te Alfred Harnischfeger,<br />

Schulleiter <strong>der</strong> IGS Kelsterbach in Hessen.<br />

So könne es nicht weiter gehen. Gen<strong>aus</strong>o wichtig wie<br />

die Vernetzung <strong>der</strong> Schulen, die reformbereit sind und<br />

neue <strong>Wege</strong> gehen, sei die gesellschaftliche und elterliche<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Schularbeit, „nicht ständig gegen die<br />

Schule polemisieren“. Gabriele Weindel-Güdemann <strong>aus</strong><br />

dem Landeselternbeirat Rheinland-Pfalz sprach vom<br />

notwendigen „Vertrauen in die Schule“. Ihr schwebt<br />

Schule als „soziales Zentrum“ vor. Eine „individuelle<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen“ ist nach ihrer<br />

Meinung im geglie<strong>der</strong>ten System nicht möglich, eine<br />

Auffassung, die Lothar Späth kürzlich im „Handelsblatt“<br />

vertreten hat: „Gefragt sind massive strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen:<br />

weg von einem Bildungssystem, das zu stark<br />

darauf <strong>aus</strong>gerichtet ist, überdurchschnittliche Schüler von<br />

unterdurchschnittlichen zu trennen, hin zu einem System,<br />

das individuelle Schwächen <strong>aus</strong>gleicht und Talente<br />

för<strong>der</strong>t.“<br />

Andreas Schleicher wies darauf hin, dass in erfolgreichen<br />

Schulsystemen ein einzelner Lehrer gar nicht die Möglichkeit<br />

habe, den Schüler eine Klasse wie<strong>der</strong>holen zu<br />

lassen. Sitzenbleiben sei ein mentales deutsches Muster.<br />

Lehrer und Schule müssten Probleme lösen, darin unterstützt<br />

werden und dürften Kin<strong>der</strong> nicht abschieben<br />

o<strong>der</strong> nach unten durchreichen. Wenn in Finnland nicht<br />

relativ schnell eine systemische Verän<strong>der</strong>ung erfolgt wäre,<br />

würde man dort immer noch Gummistiefel herstellen<br />

statt Hightech. In Deutschland dagegen setze man auf<br />

lange Zeiten, um etwas zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Marianne Demmer wies in ihrem Plädoyer gegen die<br />

deutsche Selektion darauf hin, dass die Grundschule sehr<br />

heterogen sei, aber nach IGLU im oberen Drittel liege.<br />

„Wir müssen uns an guten Beispielen, etwa <strong>der</strong> skandinavischen<br />

Staaten, orientieren. Dann können wir das<br />

deutsche Schulsystem erfolgreich weiter entwickeln und<br />

den Anschluss an europäische und weltweite Standards<br />

schaffen“, betonte die Gewerkschafterin.<br />

Paul Schwarz<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Bildungspotenziale <strong>aus</strong>schöpfen<br />

Im Gespräch: Dr. Andreas Schleicher, PISA-Koordinator <strong>der</strong> OECD<br />

Andreas Schleicher:<br />

Das deutscheBildungswesen<br />

setzt auf<br />

einförmigen<br />

Unterricht in<br />

leistungshomogenenLerngruppen.<br />

Foto: Schwarz<br />

Die Pisa-Studie hat dem deutschen Schulsystem miserable<br />

Noten <strong>aus</strong>gestellt. Bedeuten Ganztagsschulen einen<br />

Ausweg <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Misere?<br />

Sicherlich bieten sie gute Vor<strong>aus</strong>setzungen für bessere<br />

Bildungsleistungen, einfach indem sie mehr Raum zum<br />

Lernen schaffen, <strong>der</strong> dann genutzt werden kann sowohl<br />

um Lernschwierigkeiten und soziale Benachteiligungen<br />

besser <strong>aus</strong>zugleichen, als auch um Talente zu entdecken<br />

und zu för<strong>der</strong>n.<br />

Wie geht man in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n mit diesem Schultyp<br />

um?<br />

In den meisten <strong>der</strong> im PISA Vergleich erfolgreichen Staaten<br />

sind Schulen mit einem ganztägigen pädagogischen<br />

Auftrag ja bereits seit vielen Jahren Selbstverständlichkeit.<br />

Schulen in diesen Staaten bieten eine geeignete<br />

Kombination <strong>aus</strong> qualifiziertem Lehrpersonal, differenzierten<br />

und individualisierten Lernangeboten sowie innovativer<br />

und zeitgemäßer Ausstattung.<br />

Immerhin hat die Bundesregierung ein Milliardenprogramm<br />

zur För<strong>der</strong>ung von Ganztagsschulen aufgelegt.<br />

Das Programm bietet sicherlich eine gute Grundlage.<br />

Entscheidend für den Erfolg <strong>der</strong> Ganztagsschulen wird<br />

aber sein, dass die Infrastruktur mit guten pädagogischen<br />

Konzepten inhaltlich <strong>aus</strong>gefüllt wird. Da bleibt noch viel<br />

zu tun.<br />

Auf welche Zukunft muss sie unser Schulsystem vorbereiten?<br />

Absehbar ist z.B., dass die Zahl <strong>der</strong> Menschen im erwerbstypischen<br />

Alter in Deutschland von 40 Millionen<br />

auf 30 Millionen sinken wird. Vor diesem Hintergrund<br />

können wir uns es nicht mehr leisten, dass ein beträcht-<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Schulen<br />

licher Anteil junger Menschen, vor allem Kin<strong>der</strong> <strong>aus</strong> sozial<br />

benachteiligtem Umfeld, ihr Bildungspotenzial nicht<br />

<strong>aus</strong>schöpfen. Als Folge prognostiziert das DIW, dass<br />

Deutschland um das Jahr 2020 jährlich eine Million<br />

Migranten integrieren müsste, allein um die Größe <strong>der</strong><br />

erwerbstätigen Bevölkerung zu sichern. Erinnern wir uns<br />

hier noch einmal an die PISA - Resultate, die zeigen, wie<br />

schwer es dem deutschen Bildungssystem fällt, junge<br />

Menschen <strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en nationalen, gesellschaftlichen und<br />

sozialen Zusammenhängen zu integrieren. Weiterhin<br />

können wir davon <strong>aus</strong>gehen, dass sich die industrielle<br />

Produktion in den OECD-Staaten bis zum Jahr 2020<br />

noch einmal verdoppeln wird. Entscheiden<strong>der</strong> aber ist,<br />

dass <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> in <strong>der</strong> industriellen Produktion Beschäftigten<br />

bis dahin auf rund ein Zehntel schrumpfen<br />

wird. Den Rest werden „Wissensarbeiter“ bilden, <strong>der</strong>en<br />

„Kapital“, ihr „Wissen“, schnell veraltet. Unsere Bildungssysteme<br />

müssen diese Menschen daher nicht nur<br />

mit solidem Fachwissen <strong>aus</strong>statten, son<strong>der</strong>n in erster Linie<br />

mit <strong>der</strong> Fähigkeit und Motivation zu lebensbegleitendem<br />

Lernen. Das setzt vor<strong>aus</strong>, dass <strong>der</strong> Einzelne motiviert<br />

ist, ständig dazuzulernen, mit den erfor<strong>der</strong>lichen<br />

kognitiven und sozialen Fähigkeiten <strong>aus</strong>gestattet ist, um<br />

eigenverantwortlich zu lernen, Zugang zu geeigneten<br />

Bildungsangeboten hat und schließlich entsprechende<br />

kulturelle Anreize findet, um weiter zu lernen. Daran,<br />

nicht an <strong>der</strong> Reproduktion von Fachwissen, wird man<br />

den Erfolg zukünftiger Bildungsanstrengungen beurteilen.<br />

Was macht eine gute Schule <strong>aus</strong>?<br />

Traditionell lernen Schüler im Rahmen von Lehrplänen,<br />

die Bildungsinhalte detailliert festschreiben. Maßstab für<br />

Erfolg ist dann die Akkumulation von Fachwissen, nicht<br />

die Verankerung von anschlussfähigem Wissen und die<br />

Vermittlung von effektiven Lernstrategien. Gute Schulen<br />

dagegen orientieren sich an strategischen Bildungszielen,<br />

und ihre Lehrer setzen diese Ziele verbindlich und<br />

individuell in Lernmethoden für den einzelnen Schüler<br />

um, d.h. sie individualisieren Lernpfade und unterstützen<br />

ihre Schüler dabei, durch eigenständiges Denken und<br />

Handeln selbstständig und kooperativ zu lernen. Für all<br />

dies bieten Ganztagsschulen gute Vor<strong>aus</strong>setzungen.<br />

Traditionell benutzen wir Klassenarbeiten und Zensuren<br />

zur Kontrolle, etwa um Leistungen zu zertifizieren<br />

und den Zugang zu weiterer Bildung zu rationieren. Gute<br />

Schulen dagegen bieten mo<strong>der</strong>ne Evaluation und motivierende<br />

Leistungsrückmeldungen, die Vertrauen in<br />

Lernergebnisse schaffen und mit denen Lernpfade entwickelt<br />

und begleitet werden können.<br />

Gegenwärtig setzt das deutsche Bildungssystem auf frühe<br />

Auslese im Rahmen des dreigliedrigen Schulsystems<br />

und damit verbunden, auf einförmigen Unterricht in<br />

leistungshomogenen Lerngruppen. Gute Schulen dage-<br />

7


Schulen<br />

8<br />

gen gründen auf einem konstruktiven und individuellen<br />

Umgang mit Leistungsunterschieden und Begabungen,<br />

mit dem Ziel, Schülern durch individuelle För<strong>der</strong>ung<br />

Perspektiven für die Gestaltung ihrer eigenen Zukunft<br />

zu eröffnen.<br />

Schließlich sind Lehrer und Schulen in Deutschland oft<br />

nur die letzte <strong>aus</strong>führende Instanz eines komplexen Verwaltungsapparates.<br />

In Zukunft wird sich die Relevanz<br />

und Effizienz dieses Verwaltungsapparates, ob Kommunen,<br />

Län<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Bund, daran messen müssen, wie gut<br />

sie die Schulen bei dem Erreichen gemeinsam vereinbarter<br />

Bildungsziele unterstützen und welchen zusätzlichen<br />

Wert sie selber schöpfen, d.h. über das hin<strong>aus</strong> leisten,<br />

was die Schule als selbstständige und pädagogisch<br />

verantwortliche Einheit leisten kann.<br />

In Deutschland gibt es die verbreitete Einstellung, dass<br />

Ganztagsschulen allenfalls bessere Verwahranstalten seien.<br />

Was halten Sie dem entgegen?<br />

Wer Schulen als Verwahranstalten betrachtet, wird auch<br />

in den Ganztagsschulen nichts an<strong>der</strong>es sehen. Für viele<br />

Kin<strong>der</strong> heißt die Wirklichkeit aber heute: morgens Schule<br />

und nachmittags vor dem Fernseher, ohne dass sich irgendwo<br />

jemand mit diesen Kin<strong>der</strong>n intensiv beschäftigt.<br />

Dagegen sind Ganztagsschulen in vielen <strong>der</strong> erfolgreichen<br />

Bildungsnationen heute Zentren <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

die die verschiedenen Lebens- und Lernwelten sinnvoll<br />

integrieren und Schüler, Eltern und Lehrer bei <strong>der</strong>en<br />

Gestaltung einbeziehen.<br />

Viele Lehrer können sich in Deutschland nur schwer damit<br />

anfreunden, in einer Ganztagsschule zu arbeiten. Wie<br />

bringt man sie dazu, die Aufgabe als Chance und Bereicherung<br />

für den eigenen Beruf zu begreifen?<br />

Der diesjährige Grundschultag an <strong>der</strong> Universität Koblenz-Landau,<br />

Abteilung Landau, stand unter dem Thema<br />

„Grundschule auf dem Weg zu einer neuen Lernkul-<br />

Das Berufsbild des Halbtagslehrers erfüllt doch viele<br />

Lehrer auch nicht, denn es heißt morgens unzureichend<br />

Zeit zu haben mit den Schülern zu lernen und nachmittags<br />

alleine vor den Korrekturen zu sitzen. Die Arbeit in<br />

<strong>der</strong> Ganztagsschule bietet die Chance nicht nur um Lehrer-Schülerbeziehungen<br />

zu stärken, son<strong>der</strong>n auch um ein<br />

Arbeitsumfeld zu schaffen, das Perspektiven für Entwicklung<br />

und Kreativität bietet. Ein Arbeitsumfeld, in dem<br />

die Schule Lernorganisation wird mit einem professionellen<br />

Management, das sich durch interne Kooperation<br />

und Kommunikation, etwa in den Fel<strong>der</strong>n strategische<br />

Planung, Qualitätsmanagement, Selbstevaluation<br />

und Weiterbildung <strong>aus</strong>zeichnet, aber auch durch Dialog<br />

nach außen mit den verschiedenen Interessengruppen,<br />

vor allem mit den Eltern. Ein Arbeitsumfeld, das sich<br />

durch mehr Differenzierung im Aufgabenbereich, bessere<br />

Karriere<strong>aus</strong>sichten, eine Stärkung <strong>der</strong> Verbindungen<br />

zu an<strong>der</strong>en Berufsfel<strong>der</strong>n, mehr Verantwortung für<br />

Lernergebnisse und bessere Unterstützungssysteme <strong>aus</strong>zeichnet.<br />

Das Gespräch<br />

führte Paul<br />

Schwarz.<br />

<strong>GEW</strong> informiert und berät auf dem Grundschultag<br />

tur“. Bereits Wochen vor Anmeldeschluss ging nichts<br />

mehr. Mehr als 700 Kolleginnen und Kollegen besuchten<br />

58 Workshops. Für Bildungsministerin Doris Ahnen<br />

ein „Indiz für die Fortbildungsbereitschaft unserer<br />

Lehrerinnen und Lehrer im Land“. Als zentrale Aufgabe<br />

in <strong>der</strong> frühkindlichen Entwicklung nannte die Ministerin<br />

die Spracharbeit und Sprachför<strong>der</strong>ung. Mit<br />

Millionen zusätzlicher Euros sollen auch Kooperationsprojekte<br />

zwischen Kin<strong>der</strong>garten und Grundschule vorangetrieben<br />

werden. Für Uni-Präsident Prof. Dr. Roman<br />

Heiligenthal findet in Landau die „innovativste<br />

Ausbildung“ Deutschlands im Fachbereich „Frühe<br />

Kindheit und Jugendalter“ statt. Der Landesvorsitzende<br />

des Grundschulverbandes Werner Lang war sichtlich<br />

stolz auf soviel Lehrerbeteiligung an <strong>der</strong> Tagung<br />

und die lobenden Worte <strong>aus</strong> dem Mund <strong>der</strong> Ministerin<br />

und des Uni-Präsidenten.<br />

psw<br />

Die <strong>GEW</strong>: Gut präsent beim Grundschultag<br />

Foto: Schwarz<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Die Ganztagsschulen weiterentwickeln<br />

Großer Andrang bei Ganztagsschulkongress in Mainz<br />

- Von Dr. Gerlinde Schwarz -<br />

„Gerade<strong>aus</strong>, vor <strong>der</strong> Tankstelle den schmalen Weg nach<br />

rechts....“, freundliche Schülerinnen und Schüler des Theresianums<br />

in blauen T-Shirts leiteten die anrückende Schar <strong>der</strong><br />

Gäste zu ihrer Schule. Zum landesweiten Ganztagsschulkongress<br />

„Neues Lernen - Ganztagsschule erleben“ hatten sich<br />

nahezu 1.000 TeilnehmerInnen angemeldet.<br />

Einradfahrer <strong>der</strong><br />

Regionalen Schule<br />

Rülzheim<br />

Lehrkräfte, Eltern und außerschulische Partner konnten<br />

sich über die Entwicklung des Ausbauprogramms<br />

für Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz informieren,<br />

erlebten Schüler-AG-Arbeit vor Ort, hatten Gelegenheit<br />

in 30 Workshops Erfahrungen <strong>aus</strong>zut<strong>aus</strong>chen, sich Anregung<br />

und Rat zu holen und hörten, was führende Vertreter<br />

<strong>aus</strong> Wirtschaft und Wissenschaft <strong>aus</strong> ihrer Sicht<br />

zu Ganztagsschulen sagten. Ziel des Kongresses war, wie<br />

es Bildungsministerin Doris Ahnen im Programmheft<br />

formulierte: „Impulse für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Konzepte <strong>der</strong> Ganztagsschulen“ zu geben.<br />

„Wir haben uns auf den Weg gemacht.“<br />

Die erfolgreiche Entwicklung des Ausbauprogramms für<br />

neue Ganztagsschulen stellte Bildungsministerin Doris<br />

Ahnen an den Anfang ihres Vortrags. Sie führte <strong>aus</strong>: „Vor<br />

fünf Jahren haben wir uns auf den Weg gemacht mit<br />

viel Zustimmung und mancher Skepsis.“ Sie betonte,<br />

dass mit 304 neuen Ganztagsschulen in Angebotsform,<br />

die seit 2001 in Rheinland-Pfalz gegründet wurden, eines<br />

<strong>der</strong> größten Schulentwicklungsprojekte <strong>der</strong> vergangenen<br />

Jahrzehnte auf den Weg gebracht worden sei.<br />

Nicht ohne Stolz fügte sie hinzu, dass auf Beschluss <strong>der</strong><br />

Landesregierung weitere 58 Schulen die Option erhalten<br />

hätten, zum Schuljahresbeginn 2006/2007 Ganztagsschulen<br />

errichten zu können.<br />

Ausdrücklich dankte Ahnen den LehrerInnen und Schü-<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Schulen<br />

lerInnen, „die eine ganze Menge erreicht“ hätten. Sie stellte<br />

fest, dass sich die Qualität einer Schule in je<strong>der</strong> einzelnen<br />

Schule selbst entscheide durch das Engagement <strong>der</strong><br />

Lehrkräfte, <strong>der</strong> Eltern, <strong>der</strong> außerschulischen Partner und<br />

<strong>der</strong> SchülerInnen. Die Ministerin betonte: „Die allermeisten<br />

sind zufrieden mit dem, was sie erreicht haben;<br />

sie wissen aber auch, wie es weitergeht.“<br />

Vier Gestaltungselemente <strong>der</strong> Ganztagsschule, die sie<br />

auch als Bitten verstanden wissen wollte, hob sie beson<strong>der</strong>s<br />

hervor.<br />

1. Rhythmisierung: Ministerin Ahnen räumte zwar ein,<br />

dass es additive und rhythmische Organisationsmodelle<br />

gibt, sie selbst hält aber einen rhythmisch geplanten<br />

Schultag, an dem Arbeits- und Erholungsphasen klug<br />

aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt sind, für eine Grundvor<strong>aus</strong>setzung.<br />

2. Partizipation: Lehrkräfte, Eltern, pädagogische Fachkräfte,<br />

außerschulische Partner, die SchülerInnen, alle<br />

zusammen nehmen teil an <strong>der</strong> Gestaltung von Ganztagsschule.<br />

3. Schule als Lern- und Lebensstätte: Ganztagsschule<br />

sollte auch vom Raum her kindgerecht gestaltet sein und<br />

die Bedürfnisse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> berücksichtigen, z.B. Nischen<br />

zum Zurückziehen schaffen.<br />

4. Öffnung <strong>der</strong> Schule: „Lasst das Leben rein“, heißt das<br />

Motto. Unschätzbare Kompetenzen, die Fachkräfte <strong>der</strong><br />

Musik, des Sports, des Forsts, des Handwerks haben,<br />

kommen den Schülerinnen und Schülern zugute und<br />

för<strong>der</strong>n ihre Begabungen.<br />

Die Ministerin schloss mit den Worten: „Ich hoffe, dass<br />

wir am Ende des Tages noch mehr Ideen haben, wie wir<br />

die Ganztagsschulen weiterentwickeln können.“<br />

„Ich habe auch gelernt, was sonst nicht möglich<br />

gewesen wäre.“<br />

Neun Schülerinnen und Schüler <strong>aus</strong> rheinland-pfälzischen<br />

Ganztagsschulen trafen sich mitten im Plenum in<br />

einem Halbkreis mit Bildungsministerin Doris Ahnen.<br />

Die Mo<strong>der</strong>ation hatte die Studentin Nora Weisbrod. Die<br />

Mädchen und Jungen berichteten vor allem von ihren<br />

H<strong>aus</strong>aufgaben und ihren Arbeitsgemeinschaften. Die<br />

meisten werden in <strong>der</strong> Lernzeit mit ihren H<strong>aus</strong>aufgaben<br />

fertig. Sie schätzen die Hilfe <strong>der</strong> anwesenden Lehrperson.<br />

Ein Mädchen meinte: „Die H<strong>aus</strong>aufgaben in <strong>der</strong><br />

Schule fallen mir leichter, weil ich die Lehrerin fragen<br />

kann.“ Das Anfertigen <strong>der</strong> H<strong>aus</strong>aufgabe in <strong>der</strong> Gruppe<br />

macht vielen mehr Freude als daheim allein vor den<br />

Heften zu sitzen. Ein Junge sagte: „Allein kann ich besser<br />

arbeiten, aber in <strong>der</strong> Gruppe macht es mehr Spaß.“<br />

Ein an<strong>der</strong>er Junge gab zu: „Ich habe in <strong>der</strong> Schule gelernt,<br />

bei den H<strong>aus</strong>aufgaben leise zu sein.“ Eine Reihe<br />

<strong>der</strong> übrigen GesprächsteilnehmerInnen nickte zustimmend,<br />

offenbar hatten sie das auch gelernt.<br />

9


Schulen<br />

AG Fit wie ein<br />

Floh <strong>der</strong> GrundundHauptschule<br />

Wallh<strong>aus</strong>en<br />

10<br />

Die Arbeitsgemeinschaften waren ein heißes Thema. Die<br />

jungen Leute erzählten <strong>aus</strong> Arbeitsgemeinschaft Flöten,<br />

Schülerband, Video, Schach, Basteln, Fußball u.a.m. Ein<br />

Schüler erklärte: „Ich habe auch gelernt, was sonst nicht<br />

möglich gewesen wäre: Schach, und den Mofa-Führerschein<br />

habe ich auch gemacht.“ Ein Zwölftklässer bemerkte:<br />

„Ich biete selbst für die Kleinen eine AG an:<br />

H<strong>aus</strong>aufgabenkontrolle.“ Dass die Schülerinnen und<br />

Schüler auch über das Neue Lernen in ihren Schulen<br />

nachdenken, zeigte die Aussage eines Mädchens, das<br />

unter dem Beifall <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en feststellte: „Ich habe mich<br />

durch die Ganztagsschule verbessert.“<br />

Wichtiges Thema <strong>der</strong> Diskussion waren die Wünsche<br />

<strong>der</strong> Ministerin und <strong>der</strong> jungen GesprächsteilnehmerInnen<br />

für eine Verbesserung <strong>der</strong> Ganztagsschulen.<br />

Doris Ahnen: „Ich wünsche mir, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler gern in die Schule gehen und besser lernen,<br />

eine gute För<strong>der</strong>ung bekommen, tolle Angebote bekommen,<br />

die sie sonst nicht erhalten hätten.“<br />

Schülerinnen und Schüler: „Ich wünsche mir, dass man<br />

das Essen selbst wählen könnte.“, „....eine richtige Mensa.“,<br />

„....eine längere H<strong>aus</strong>aufgabenzeit.“<br />

„Ich wünsche mir, dass die Ganztagsschule beson<strong>der</strong>s<br />

im Sommer <strong>aus</strong> ist, z.B. um 15 Uhr. Es ist nicht so schön,<br />

kaum Zeit zu haben ins Schwimmbad zu gehen.“<br />

„Ich wünsche mir mehr Freizeit für Basket- und Fußball.“<br />

„Ich wünsche mir mehr Sportmöglichkeiten und einen<br />

Sportraum.“<br />

„Ich wünsche mir, dass die Kleinen mehr Respekt haben.“<br />

„Seht, was wir alles machen!“<br />

Farbe, Pfiff und Leben erhielt <strong>der</strong> Kongress vor allem<br />

durch die zahlreichen Schüler-AGs <strong>aus</strong> 14 Ganztagsschulen.<br />

Die Mädchen und Jungen hatten im Pädagogischen<br />

Zentrum ihre Stände aufgebaut und präsentierten zusammen<br />

mit ihren Lehrkräften und Betreuern ihre AG-<br />

Aktivitäten. Sie jonglierten und balancierten, sie turnten,<br />

tanzten und trommelten, sie klopften und bauten.<br />

Stolz und voller Eifer erklärten sie ihr Tun und präsentierten<br />

ihre Ergebnisse. Geistreich, originell und innovativ<br />

spielten die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Improvisationstheater-<br />

truppe „Fast Forward Theatre“ <strong>aus</strong> Marburg Szenen <strong>aus</strong><br />

dem Schulalltag. Die Spieler holten sich Stichworte und<br />

Anregungen <strong>aus</strong> dem Publikum und gestalteten damit<br />

<strong>aus</strong>gesprochen witzige, teilweise surreale Schulrealitäten.<br />

„Ich bin ein Fan von Ganztagsschulen...“<br />

Eggert Voscherau, stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes<br />

und Arbeitsdirektor <strong>der</strong> BASF, sprach zu dem<br />

Thema „Die Zukunftsressource Bildung <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Sicht<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft“. Das in Bildungsprozessen vermittelte<br />

und erworbene Wissen spielte im Vortrag des Wirtschaftsexperten<br />

eine bedeutende Rolle. Er setzte das Wissen an<br />

den Anfang einer K<strong>aus</strong>alkette, die zu Wohlstand und einer<br />

blühenden Zukunft führt: Wissen - Technologie -<br />

hochwertige Arbeitsplätze - Export - Wohlstand.<br />

Durch die grundlegende Bedeutung des Wissens ist für<br />

ihn die Bildung eine zentrale Zukunftsressource. Überzeugend<br />

erklärte er: „Qualifizierte Bildung und Ausbildung,<br />

das sind die Fundamente <strong>der</strong> wettbewerbsfähigen<br />

Wissensgesellschaft im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t.“ Er betonte,<br />

wenn sich in Deutschland irgendwo Investitionen lohnten,<br />

dann in <strong>der</strong> Entwicklung und Pflege <strong>der</strong> wichtigen<br />

Ressourcen Neugier, Kreativität und Wissen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendlichen. Den in <strong>der</strong> Wirtschaft unentbehrlichen<br />

Faktor Wettbewerb bezog er auch auf die Bildung.<br />

Er bekräftigte: „Bildung steht im Wettbewerb. Keiner<br />

wartet auf uns“ und stellte fest, dass eine gute Bildung<br />

entscheidend zu guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />

beitrage. Mit Blick auf die organisatorischen und pädagogischen<br />

Konzepte von Ganztagsschulen unterstrich<br />

er: „Es ist nicht Aufgabe <strong>der</strong> Wirtschaft, diese Konzepte<br />

zu bewerten.“ Seine grundsätzliche Zustimmung jedoch<br />

war seinem Bekenntnis zu entnehmen: „Ich bin ein Fan<br />

von Ganztagsschulen, die im Wettbewerb stehen!“<br />

„Einrichtung einer Ganztagsschule - eine<br />

überfällige Entwicklung“<br />

Der Berliner Familienforscher Prof. Dr. Hans Bertram<br />

referierte über „Familie, Erziehung und Ganztagsschulen“.<br />

Er machte klar, dass wir heute nicht mehr in einer<br />

Industriegesellschaft, son<strong>der</strong>n in einer Wissensgesellschaft<br />

leben. Er analysierte die gegenwärtig praktizierten Rollen<br />

von Mann und Frau, ging auf den dramatischen<br />

Geburtenrückgang in Deutschland ein und bekräftigte,<br />

dass die Ganztagsschule durch ihre differenzierten Tagesangebote<br />

die Kin<strong>der</strong> in einer ganz beson<strong>der</strong>en Weise<br />

för<strong>der</strong>n könne.<br />

„Ein Muster des mo<strong>der</strong>nen Lebens ist <strong>der</strong> berufsorientierte<br />

Single“, konstatierte er; die jungen Männer lebten<br />

„zunehmend in zölibatären Gemeinschaften, morgens im<br />

Beruf, abends im Hotel Mama und im Kreis von Freunden.“<br />

Deutlich sagte er: „Es fehlt die Perspektive <strong>der</strong><br />

Fürsorge.“ Zur Rolle eines mo<strong>der</strong>nen Mannes gehöre es<br />

nicht, ein aktiver Vater zu sein, führte er <strong>aus</strong>. Zwar habe<br />

sich die Mithilfe <strong>der</strong> Männer im H<strong>aus</strong>halt vom Zeitaufwand<br />

her mehr als verzehnfacht, von etwa 90 Min. pro<br />

Woche in den 60er Jahren auf etwa 960 Min. pro Woche<br />

heutzutage. Doch er meinte, die männliche Rolle<br />

im H<strong>aus</strong>halt sei eigentlich immer noch eine „Hilfsrol-<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Starkes Besucherinteresse<br />

(Fotos S. 9-11:<br />

Gerlinde Schwarz)<br />

Jongleure <strong>der</strong><br />

Hauptschule<br />

Remagen<br />

le“. Aufgrund dieser Tatsache wies er <strong>der</strong> Schule die Aufgabe<br />

zu, „dass Jungen so erzogen werden, dass sie neue<br />

Kompetenzen übernehmen können“.<br />

Als wesentliche Merkmale mo<strong>der</strong>ner Frauen hob Bertram<br />

ihre starke Bildungsbeteiligung und die Integration<br />

in das Erwerbsleben hervor. Er meinte, 70% <strong>der</strong> Frauen<br />

wollten die unterschiedlichen Lebensbereiche Familie und<br />

Beruf miteinan<strong>der</strong> vereinbaren; lei<strong>der</strong> könnten sie diesen<br />

Wunsch oft nicht realisieren. Und wenn ein Elternteil<br />

für einige Zeit auf den Beruf verzichte, seien es in <strong>der</strong><br />

Regel die Frauen. Der Familienforscher gab an, dass 40%<br />

aller Paare in Deutschland zusammen pro Woche mehr<br />

als 80 Stunden und weitere 40% mehr als 100 Stunden<br />

arbeiteten.<br />

Den Geburtenrückgang in Deutschland bezeichnete Bertram<br />

als „einmalig in Europa“. Die Zahl <strong>der</strong> lebend geborenen<br />

Kin<strong>der</strong> sei in den letzten Jahren um 3% gesunken.<br />

Der Familienforscher betonte. „Heute ist das Gut ‚junge<br />

Menschen‘ knapp geworden.“ Als Konsequenz ergibt sich<br />

für ihn, „dass es auf jedes Kind ankommt“.<br />

Wesentlich für die positive Entwicklung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> sei<br />

<strong>GEW</strong>-Kommentar:<br />

Ganztagsschulen müssen echte Ganztagsschulen sein<br />

Individuelle För<strong>der</strong>ung gelingt in Ganztagsschulen mit Sicherheit<br />

besser, als in den Halbtagsschulen. Dies ist dann<br />

aber nur uneingeschränkt <strong>der</strong> Fall, wenn es sich um voll<br />

rhythmisierte Ganztagsschulen handelt und nicht um Ganztagsschulen<br />

in Angebotsform, in denen häufig <strong>der</strong> Unterricht<br />

und unterrichtsbezogene Ergänzungen ziemlich unverbunden<br />

nebeneinan<strong>der</strong> stehen.<br />

In einer internen Befragung <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz bei<br />

LehrerInnen und SchülerInnen wird nach wie vor bemängelt,<br />

dass die H<strong>aus</strong>aufgabenbetreuung nicht optimal ist und<br />

immer noch Aufenthalts- und Arbeitsräume fehlen. Dass<br />

Kin<strong>der</strong>n <strong>aus</strong> sozial schwächeren Familien finanzielle Hilfestellungen<br />

für das gemeinsame Mittagessen zur Verfügung<br />

gestellt würden, begrüßt die <strong>GEW</strong>. Niemand darf wegen seiner<br />

sozialen Herkunft vom gemeinsamen Mittagessen <strong>aus</strong>geschlossen<br />

werden, denn dann wird die soziale Verantwortung<br />

<strong>der</strong> Ganztagsschule ad absurdum geführt.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Schulen<br />

<strong>der</strong> Aufbau von stabilen Beziehungen, erklärte er; stabile<br />

Beziehungen ließen sich aber nur entwickeln, wenn<br />

die Lebensumwelt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> verlässlich sei. Bertram<br />

führte <strong>aus</strong>, dass Kin<strong>der</strong> nicht nur eine verlässliche Familie,<br />

son<strong>der</strong>n auch verlässliche Orte außerhalb <strong>der</strong> Familie<br />

bräuchten. „Die Ganztagsschule ist ein solcher verlässlicher<br />

Ort, an dem Kin<strong>der</strong> durch ein vielfältiges pädagogisches<br />

Angebot besser geför<strong>der</strong>t werden können“,<br />

bekräftigte er. Mit Bezug auf weniger leistungsstarke<br />

Kin<strong>der</strong> vertrat er die Meinung, dass die Ganztagsschule<br />

die Chance biete, gerade diese Schülerinnen und Schüler<br />

so umfassend zu för<strong>der</strong>n, wie es in <strong>der</strong> traditionellen<br />

Halbtagsschule nicht möglich gewesen wäre. Im Hinblick<br />

auf die neuen Aufgaben und die größeren Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die an die Schule in einer Wissensgesellschaft<br />

gestellt werden, stellte er am Ende fest: „Die Einrichtung<br />

einer Ganztagsschule ist eine überfällige Entwicklung.“<br />

Die Zusammenarbeit zwischen außerschulischen Partnern<br />

und <strong>der</strong> Jugendhilfe stellt ein wichtiges Element <strong>der</strong> Öffnung<br />

von Schule - nicht nur <strong>der</strong> Ganztagsschulen in Angebotsform<br />

- dar. Nach wie vor muss die <strong>GEW</strong> allerdings bemängeln,<br />

dass häufig befristete Verträge vergeben werden.<br />

SchülerInnen benötigen aber feste Bezugspersonen. Guter<br />

Unterricht und effektive Lernprozesse können nur gelingen,<br />

wenn nicht ständig das Personal gewechselt wird.<br />

Die Ganztagsschule in Angebotsform in Rheinland-Pfalz<br />

spielt bundespolitisch mit Sicherheit eine Vorreiterrolle. Dennoch<br />

muss an <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Stelle noch nachgebessert<br />

werden, damit ein sinnvolles Konzept auf noch mehr<br />

Akzeptanz bei allen Beteiligten stößt. Eine Verbindung zwischen<br />

dem Vormittagsunterricht und dem Nachmittagsangebot<br />

muss unbedingt sichergestellt werden, damit <strong>der</strong> individuellen<br />

För<strong>der</strong>ung schwächerer aber auch guter SchülerInnen<br />

Rechnung getragen werden kann.<br />

Tilman Boehlkau<br />

11


Schulen<br />

Übergänge zur Berufs<strong>aus</strong>bildung unter <strong>der</strong> Lupe<br />

Tagung über Bildungssituation von SchülerInnen mit Migrationshintergrund<br />

„Die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Schulen steigen. Die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />

sinkt. Wer verliert da?“ Mehmet Kilics Frage<br />

wird angesichts <strong>der</strong> aktuellen Schulsituation in Berlin und<br />

an<strong>der</strong>swo immer dringlicher. Kilic leitete die Tagung „Bildungssituation<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>aus</strong> Familien mit<br />

Migrationshintergrund“ im Pädagogischen Zentrum in Bad<br />

Kreuznach.<br />

Schülerinnen<br />

und Schüler mit<br />

Migrationshintergrund<br />

als Experten<br />

Fotos S. 12 - 14:<br />

Gerlinde Schwarz<br />

12<br />

Die Tagung war Teil einer Veranstaltungsreihe im Rahmen<br />

des BORIS GTSM-Projekts (Berufliche Orientierung<br />

mit Regionalen Initiativen zur Schulentwicklung<br />

Ganztagsschule Migranten). Ziel <strong>der</strong> Kreuznacher Veranstaltung<br />

war es, die konkrete Situation <strong>der</strong> Übergänge<br />

zwischen Schule und Berufs<strong>aus</strong>bildung unter die Lupe<br />

zu nehmen, Hürden zu erkennen und Hilfen bzw. Strategien<br />

aufzuzeigen, um die Bildungssituation <strong>der</strong> Migrantenkin<strong>der</strong><br />

zu verbessern. Gerade mit Blick auf die Vorkommnisse<br />

an <strong>der</strong> Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln<br />

wird deutlich, wie wichtig diese Tagung war und<br />

von welch großer Bedeutung das BORIS GTSM-Projekt<br />

ist.<br />

In drei <strong>der</strong> vier Arbeitsgruppen diskutierten neben Lehrerinnen,<br />

Lehrern und Ausbil<strong>der</strong>n auch Schülerinnen und<br />

Schüler <strong>aus</strong> Migrantenfamilien als Experten mit. Die<br />

Jugendlichen berichteten über ihre Erfahrungen, Probleme<br />

und Ziele. Sie sprachen über Hürden, die <strong>aus</strong> ihrer<br />

Sicht einen erfolgreichen Einstieg in die Berufs<strong>aus</strong>bildung<br />

behin<strong>der</strong>ten, und machten sich Gedanken über<br />

Möglichkeiten, diese Hin<strong>der</strong>nisse zu überwinden. Als<br />

Hürden nannten sie mangelndes Selbstwertgefühl, Zukunftsangst,<br />

unzureichende Unterstützung durch das<br />

Elternh<strong>aus</strong>, sprachliche Defizite, mangelnde Information<br />

über Berufe, fehlende Praktikumsmöglichkeiten. Im<br />

Blick auf die Schule sahen sie die Hürden in Vorurteilen<br />

und fehlen<strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Lehrkräfte sowie in <strong>der</strong><br />

mangelhaften För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> deutschen Sprache.<br />

Zur Überwindung dieser Mängel for<strong>der</strong>ten sie von den<br />

Migrantenkin<strong>der</strong>n selbst mehr Interesse, Fleiß, die Entwicklung<br />

von Eigeninitiative und Durchsetzungsvermögen.<br />

Verbesserte Sprachkenntnisse <strong>der</strong> Eltern und mehr<br />

häusliche Unterstützung hielten sie ebenfalls für notwendig.<br />

Von den Lehrerinnen und Lehrern wünschten sie<br />

sich mehr Interesse, mehr Zeit, mehr För<strong>der</strong>ung von<br />

Lese- und Sprachkompetenz. Sie for<strong>der</strong>ten eine frühzeitige,<br />

detaillierte Berufsberatung, vielfältige schulische und<br />

freiwillige Berufspraktika und die Durchführung des<br />

berufsvorbereitenden Programms „Jobfux“.<br />

Zu wenig engagiert und lustlos?<br />

Die Lehrerinnen und Lehrer <strong>der</strong> Sekundarstufe 1 und<br />

<strong>der</strong> Berufsbildenden Schulen sahen die Hürden für einen<br />

erfolgreichen Einstieg <strong>der</strong> Migrantenkin<strong>der</strong> in die<br />

Berufs<strong>aus</strong>bildung hauptsächlich in zwei Bereichen: zum<br />

einen bei den SchülerInnen und ihren Familien, zum<br />

an<strong>der</strong>en bei den Schulen. Die Lehrkräfte bemängelten<br />

das geringe Engagement und eine gewisse Lustlosigkeit<br />

<strong>der</strong> jungen Leute, die ihre Freizeit nicht selten abgekapselt<br />

in ihren vier Wänden o<strong>der</strong> in Cliquen unter ihresgleichen<br />

verbrächten. Sie betonten, dass die Eltern oft<br />

nicht in <strong>der</strong> Lage seien, ihren Kin<strong>der</strong>n zu helfen, und<br />

wiesen auf die Sprachbarriere zwischen LehrerInnen und<br />

Eltern hin. In Bezug auf die Schulen nannten sie als Hin<strong>der</strong>nisse:<br />

„Lehrern fehlt Zeit für detaillierte Berufsorientierung,<br />

fehlende Lernwerkstatt Berufsorientierung,<br />

mangelnde Koordination <strong>der</strong> Berufsfindung, fehlende<br />

Institutionalisierung des ‚Jobfux‘“.<br />

Als Hilfe zur Überwindung <strong>der</strong> Hürden schlugen die<br />

anwesenden LehrerInnen eine verbesserte Information<br />

<strong>der</strong> Eltern vor. Wenn nötig, sollten die Lehrkräfte für<br />

muttersprachlichen Unterricht in die Informationsveranstaltungen<br />

einbezogen werden. Sie empfahlen, schulintern<br />

die Eigeninitiative <strong>der</strong> Jugendlichen zu för<strong>der</strong>n,<br />

Projekte zur Stärkung des Selbstwertgefühls durchzuführen<br />

und zum Absolvieren freiwilliger Betriebspraktika zu<br />

motivieren. Sie rieten zur Einrichtung von Lernwerkstätten,<br />

zum Aufbau eines Info-Netzes, zur Kooperation<br />

von abgebenden Hauptschulen und aufnehmenden<br />

BBSen und zu Patenschaften.<br />

Sprache, Sprache, Sprache<br />

Die Ausbil<strong>der</strong> in den Betrieben, die tagtäglich mit Azubis<br />

umgehen und jährlich <strong>aus</strong> einer großen Anzahl von<br />

Bewerberinnen und Bewerbern ihre Azubis <strong>aus</strong>wählen,<br />

sind Spezialisten für Hürden, die entwe<strong>der</strong> eine Einstellung<br />

vereiteln o<strong>der</strong> einem aufgenommenen Azubi<br />

Schwierigkeiten machen. Als wesentliche Hürde bezeich-<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Tagungsleiter<br />

Mehmet Kilic<br />

im Plenum<br />

Antonia Kopaw,<br />

Muttersprache<br />

Ungarisch,<br />

Gymnasiastin<br />

auf <strong>der</strong> Oberstufe<br />

neten die anwesenden Ausbil<strong>der</strong> mangelnde Sprachkenntnisse.<br />

„Das Hauptproblem <strong>der</strong> Migrantenkin<strong>der</strong> ist<br />

sprachlicher Natur“, betonte Ausbil<strong>der</strong> Kraut von <strong>der</strong><br />

Firma Michelin in Bad Kreuznach. Desorientierung und<br />

damit verbundene Suchtprobleme nannte er als weiteres<br />

Hin<strong>der</strong>nis bei jugendlichen Migranten, allerdings nur in<br />

wenigen Fällen. Übereinstimmend bekräftigen die Ausbil<strong>der</strong>,<br />

dass die Schulabgänger „allgemein schwache Leistungen“<br />

zeigten, vor allem in <strong>der</strong> Mathematik. Sie bemängelten<br />

die schwache Ausbildung<br />

<strong>der</strong> Sozialkompetenzen Zuverlässigkeit<br />

und Pünktlichkeit und die geringe<br />

Information über die angestrebten<br />

Berufe. Kraut unterstrich:<br />

„Viele wissen gar nicht, was in dem<br />

Beruf erfor<strong>der</strong>lich ist.“<br />

Als umfassende Hilfe sahen die Ausbil<strong>der</strong><br />

den Abbau <strong>der</strong> Hürden schon<br />

vor Beginn <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung an.<br />

Ricai Simsek, Kraftfahrzeugmeister<br />

bei <strong>der</strong> Firma Simsek in Bad Kreuznach,<br />

sagte zu den SchülerInnen,<br />

LehrerInnen und den Eltern gewandt:<br />

„Schaut, dass die Hürden<br />

schon behoben sind!“ Die Ausbil<strong>der</strong><br />

for<strong>der</strong>ten Sprachför<strong>der</strong>ung schon<br />

vor Schuleintritt. Von den jungen<br />

Migranten verlangten sie mehr Lerneifer und gute Leistungen.<br />

„Die Migrantenkin<strong>der</strong> sollen versuchen besser<br />

zu sein als die deutschen“, meinte Simsek. Die Handwerksmeister<br />

wünschen von den Schulen regelmäßige<br />

Lehrer - Eltern - Kontakte, För<strong>der</strong>ung von Integration,<br />

eine stärkere Betonung von sozialen Kompetenzen, vor<br />

allem aber eine effizientere Berufsvorbereitung mit Betriebserkundungen,<br />

Praktika und Bewerbertraining.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Die fünf Zugänge zum Elternh<strong>aus</strong><br />

Die vierte Arbeitsgruppe, in <strong>der</strong> Migranteneltern zusammen<br />

mit außerschulischen Begleitern vom Internationalen<br />

Bund für Sozialarbeit und <strong>der</strong> Arbeiterwohlfahrt diskutierten,<br />

erarbeitete ein Konzept von Aktivitäten und<br />

Maßnahmen, die beim Übergang Schule - Arbeitswelt<br />

Schulen<br />

erfolgen müssten. Als Erstes stellten sie die Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Eltern bei <strong>der</strong> Begleitung und Unterstützung ihrer<br />

Kin<strong>der</strong> her<strong>aus</strong>:<br />

- Eltern haben im Normalfall ein hohes persönliches Interesse,<br />

dass <strong>der</strong> Übergang ihres Kindes ins Arbeitsleben<br />

gelingt.<br />

- Eltern kennen ihre eigenen Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Regel besser<br />

als <strong>der</strong>en Lehrerinnen und Lehrer.<br />

- Eltern können die Kin<strong>der</strong> kontinuierlich begleiten.<br />

- Eltern verfügen über authentische Erfahrungen mit <strong>der</strong><br />

Arbeitswelt.<br />

Sie verwiesen jedoch darauf, dass die Migranteneltern<br />

diese Ressource nicht allein erschließen könnten. Die<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung für ihre unterstützende Arbeit, so betonten<br />

sie, sei die Kooperation mit und die Information<br />

durch die Schulen.<br />

In einem zweiten Arbeitsschritt überlegten sie sich <strong>Wege</strong>,<br />

wie Schule und Elternh<strong>aus</strong> zusammenkommen können.<br />

Sie stellten für die Schule fünf „Zugänge zum Elternh<strong>aus</strong>“<br />

her<strong>aus</strong>:<br />

1. Neue Formen <strong>der</strong> Kontaktaufnahme, z.B. aufsuchende<br />

Elternarbeit.<br />

2. Gezielte Einbeziehung von Schlüsselfiguren, z.B. MU-<br />

Lehrer .<br />

3. Die Schule als Ort <strong>der</strong> Begegnung, z.B. Einrichtung<br />

eines Elterncafés.<br />

4. Bewusste Beteiligung von Eltern, z.B. Migranteneltern<br />

als Experten.<br />

5. Qualifizierungsangebote für Eltern, z.B. „Mama lernt<br />

Deutsch“.<br />

Angesichts <strong>der</strong> gesellschaftlichen Brisanz des Themas<br />

kann die Hoffnung von Mehmet Kilic nur unterstützt<br />

werden, wenn er im Programmheft schreibt: „Das Ziel<br />

ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die von<br />

ihnen erarbeiteten Handlungsstrategien in ihren Kollegien<br />

vorstellen und sich für <strong>der</strong>en Umsetzung einsetzen,<br />

um dies fest in den Schulalltag zu verankern.“<br />

Gerlinde Schwarz<br />

13


Schulen<br />

„Die Sprache ist das A und O“<br />

Interview mit <strong>der</strong> türkischen Studentin Meltem Bastürk<br />

Meltem Bastürk ist Studentin <strong>der</strong> Architektur an <strong>der</strong> Uni<br />

Frankfurt/Main. Im Jahr 2005 hat sie ihr Vordiplom bestanden.<br />

Sie wurde 1981 in Bad Kreuznach geboren, hat zwei Geschwister,<br />

eine Schwester und einen Bru<strong>der</strong>. Ihre Muttersprache<br />

ist Türkisch.<br />

Meltem Bastürk,<br />

Studentin <strong>der</strong><br />

Architektur an<br />

<strong>der</strong> Uni Frankfurt<br />

14<br />

Heute sind Sie eine erfolgreiche Studentin. Hatten<br />

sie während Ihrer Schulzeit Probleme?<br />

Meltem Bastürk: Ja, ich hatte eigentlich ganz<br />

viele Probleme. Erstens war ich von den drei Geschwistern<br />

immer die schlechtere, das schwarze<br />

Schaf in <strong>der</strong> Familie. Meine Schwester war erst<br />

in <strong>der</strong> Realschule und ging dann aufs Gymnasium,<br />

mein Bru<strong>der</strong> kam direkt aufs Gymnasium.<br />

Und ich kam halt direkt in die Hauptschule. Ich<br />

habe da gemerkt, dieses Selbstbewusstsein, das<br />

kriegt man nicht auf <strong>der</strong> Hauptschule. Ich habe<br />

immer gemerkt, meine Geschwister kommen <strong>aus</strong><br />

<strong>der</strong> Schule und machen immer was, ich war immer<br />

ratz-fatz fertig mit den H<strong>aus</strong>aufgaben. Ich<br />

habe meine Einser, Zweier, Dreier bekommen und habe<br />

die zehnte Klasse gemacht.<br />

Und danach hat’s angefangen bei mir. Eigentlich wollte<br />

ich auf eine Kunstakademie. Wenn ich als Schülerin sehr<br />

gut gewesen wäre, hätte ich auf das Gymnasium auf dem<br />

Römerkastell o<strong>der</strong> in ein an<strong>der</strong>es gehen können. Das war<br />

bei mir aber lei<strong>der</strong> nicht <strong>der</strong> Fall. Ich ging dann auf das<br />

Wirtschaftsgymnasium in Bingen. Ich habe direkt gemerkt,<br />

in dieser Schule scheitere ich. Es ging gar nichts.<br />

Da ging man rein, da hat man direkt Englisch gesprochen<br />

mit <strong>der</strong> Englischlehrerin. Es gab da nicht Englisch-<br />

Deutsch, wie ich es kannte. Und Mitschriften, das kannte<br />

ich auch nicht von <strong>der</strong> Hauptschule. Drei Jahre habe ich<br />

diese Schule besucht. Das erste Jahr habe ich wie<strong>der</strong>holt,<br />

das zweite Jahr habe ich gerade so geschafft, im dritten<br />

Jahr bin ich durchgefallen. Ich habe keinen Abschluss<br />

bekommen, gar nichts. Als Schülerin denkt man da: Was<br />

mache ich jetzt mit meinem Leben?<br />

Damals habe ich mich in Mainz auf eine einjährige Fachoberschule<br />

für Kunst beworben. Dort hieß es, ohne einen<br />

Abschluss in Bingen ginge das nicht. Da wusste ich<br />

nicht, was ich machen sollte. Ich entschloss mich, noch<br />

einmal zu dieser Fachoberschule zu fahren, ich wollte<br />

mit dem Direktor sprechen. Der Direktor kannte mich<br />

noch, er war von meinen Bil<strong>der</strong>n begeistert und sagte:<br />

„Ich rufe für Sie in Wiesbaden an.“ In Wiesbaden gab es<br />

eine zweijährige Fachoberschule für Gestaltung und<br />

Kunst, an <strong>der</strong> man ein allgemeines Fachabitur machen<br />

konnte. Obwohl an dieser Schule schon die Einschreibungen<br />

und die Aufnahmeprüfungen vorbei waren, durfte<br />

ich die Prüfung nachmachen. Ich habe die Prüfung<br />

bestanden und war zwei Jahre auf dieser Schule.<br />

Danach habe ich eine P<strong>aus</strong>e eingelegt und habe bei Weltbild<br />

hier in Bad Kreuznach gearbeitet. Das ist ein Bücherladen,<br />

in dem ich als Medienverkäuferin gearbeitet<br />

habe. Einige Monate später habe ich gedacht, das kann’s<br />

nicht sein, so kann mein Leben nicht enden. Dann habe<br />

ich mich zum Studium entschlossen und mich für Architektur<br />

entschieden.<br />

Wer hat Ihnen bei Ihren Problemen geholfen?<br />

Meltem Bastürk: Bei mir war es eine große Hilfe, dass<br />

ich meine ältere Schwester hatte. Sie hat mich sehr unterstützt.<br />

Sie konnte sehr gut Deutsch, von ihr habe ich<br />

deutsch gelernt. Bei den H<strong>aus</strong>aufgaben hat sie mir geholfen.<br />

Ansonsten muss ich sagen, auf <strong>der</strong> Hauptschule,<br />

da hat niemand gesagt, wenn ihr gut seid in Kunst, dann<br />

könnt ihr das machen, o<strong>der</strong> wenn ihr gut seid in Mathe,<br />

dann könnt ihr das machen. Man musste sich selber informieren.<br />

Ich wusste ja schon von vornherein, dass ich<br />

was mit Kunst machen möchte. Und da hatte ich halt<br />

ein bisschen Glück. Der Direktor in Mainz hat mir sehr<br />

geholfen, durch ihn kam ich auf die Schule in Wiesbaden.<br />

Was sind Ihre Lebensziele?<br />

Meltem Bastürk: Eigentlich eine gute Architektin zu sein<br />

und eine gute Position zu haben. Natürlich möchte ich<br />

auch eine Familie gründen. So die ganz großen Ziele habe<br />

ich nicht. Natürlich will ich auch, dass irgendwann, irgendwas<br />

Beson<strong>der</strong>es von mir steht, hier auf dieser Erde,<br />

vielleicht ein Museum. Aber alles im normalen Rahmen,<br />

ich bin auch ein Familienmensch.<br />

Fühlen Sie sich als Muslima in diesem Land wohl?<br />

Meltem Bastürk: Ich hatte bis jetzt überhaupt keine Probleme,<br />

muss ich sagen. In den Schulen habe ich noch<br />

nie etwas mit Rassismus zu tun gehabt, und ich habe das<br />

noch nie gespürt. In den Schulen gibt es für die moslemischen<br />

Schülerinnen und Schüler noch extra Feiertage<br />

dazu. Das finde ich prima. Ich konnte die moslemischen<br />

Feiertage ganz normal einhalten. Es kamen dann natürlich<br />

Fragen, wie: „Warum fastest du?“ o<strong>der</strong> „Du darfst<br />

nicht essen, du darfst nicht trinken. Ist das nicht<br />

schlimm?“ Jedes Jahr die gleichen Fragen. Ich fand das<br />

aber überhaupt nicht schlimm.<br />

Wenn Sie einem Migrantenkind einen Rat geben könnten,<br />

was würden Sie empfehlen?<br />

Meltem Bastürk: Mein Rat ist, die Sprache zu beherrschen.<br />

Wenn man die Sprache kann, schaut niemand<br />

schief und denkt, <strong>der</strong> kann eh kein richtiges Deutsch.<br />

Man wird ernster genommen, auf jeden Fall. Das habe<br />

ich gemerkt: Die Sprache ist das A und O.<br />

Dieses Interview führte Gerlinde Schwarz<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Tarifkonflikt 2006<br />

Nicht ohne die Gewerkschaften !<br />

Län<strong>der</strong> wollen Arbeitnehmerschutz <strong>aus</strong>höhlen<br />

Streiks <strong>der</strong> Beschäftigen des öffentlichen Dienstes seit Mitte Februar<br />

2006 in ganz Deutschland! Zehnt<strong>aus</strong>ende Krankenschwestern, Polizeiangestellte,<br />

Lehrkräfte und Erzieherinnen, Müllwerker, Beschäftigte in Autobahnmeistereien<br />

und an Hochschulen haben für sich und alle an<strong>der</strong>en<br />

im öffentlichen Dienst Tätigen gestreikt. Bis zum Redaktionsschluss dieser<br />

Zeitung am 25.4.06 war eine Einigung im Bereich <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> noch<br />

nicht in Sicht. Warum und für was wurde denn überhaupt gestreikt?<br />

Wie kam es zum Tarifkonflikt?<br />

2003 haben die Gewerkschaften mit Bund, Län<strong>der</strong>n und<br />

Gemeinden vereinbart, einen neuen und einfacheren<br />

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu schaffen.<br />

Während <strong>der</strong> laufenden Verhandlungen kündigten die<br />

Län<strong>der</strong> die gültigen Tarifregelungen zum Urlaubs- und<br />

Weihnachtsgeld sowie zur Arbeitszeit und verlangten von<br />

den Gewerkschaften, die in den einzelnen Län<strong>der</strong>n bereits<br />

geltenden schlechteren Regelungen <strong>der</strong> Beamtinnen<br />

und Beamten auch für die Landesangestellten zu<br />

übernehmen. Dem Motto „Länger arbeiten für weniger<br />

Geld bei verschlechterten Konditionen“ erteilten die<br />

Gewerkschaften eine Absage und verhandelten den neuen<br />

Tarifvertrag nur mit Bund und Kommunen weiter,<br />

die bereit waren, dies ohne Vorbedingungen zu tun. Die<br />

Län<strong>der</strong> verhandelten seit 2004 nicht mehr mit den Gewerkschaften.<br />

Erst nach einer Serie von Warnstreiks im<br />

Jahr 2005 in nahezu allen Bundeslän<strong>der</strong>n und dem Beginn<br />

<strong>der</strong> Streiks im Februar 2006 führten die Län<strong>der</strong><br />

erstmals im März 2006 wie<strong>der</strong> mit den Gewerkschaften<br />

Verhandlungen.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Das 18-Minuten-Märchen<br />

Es gehe nur um 18 Minuten zusätzlicher Arbeit pro Tag,<br />

das bisschen Mehrarbeit sei den Beschäftigten im öffentlichen<br />

Dienst angesichts leerer Kassen doch wohl zumutbar,<br />

behaupteten die Arbeitgeber. Die Arbeitlosen würden<br />

die streikenden Arbeitsplatzbesitzer nicht verstehen,<br />

ließ <strong>der</strong> Verhandlungsführer <strong>der</strong> Arbeitgeber, Nie<strong>der</strong>sachsens<br />

Finanzminister Möllring (CDU), im Februar verbreiten,<br />

und spielte dabei bewusst mit falschen Karten,<br />

um die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen. Denn er<br />

weiß sehr wohl: durch eine Arbeitszeitverlängerung gehen<br />

weitere heute noch vorhandene Arbeitsplätze im öffentlichen<br />

Dienst verloren, wird zusätzliche Arbeitslosigkeit<br />

geschaffen! Bei 100 angestellten Beschäftigten führt<br />

eine Arbeitzeitverlängerung von 38,5 auf 40 Stunden zum<br />

Verlust von rechnerisch vier, bei 42 Stunden gar von neun<br />

Arbeitsplätzen. Allein in Rheinland-Pfalz gibt es aber<br />

100000 Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst! Der<br />

drohende Verlust von weiteren Arbeitsplätzen ist offensichtlich<br />

und für die Gewerkschaften nicht hinnehmbar.<br />

Am 09.03. fand in<br />

Berlin eine StreikundProtestveranstaltung<br />

<strong>der</strong> <strong>GEW</strong> statt.<br />

6000 <strong>GEW</strong>lerInnen<br />

<strong>aus</strong> dem ganzen Bundesgebiet<br />

protestierten<br />

für den Erhalt des<br />

Flächentarifvertrags<br />

und den Erhalt von<br />

Arbeitsplätzen, gegen<br />

Arbeitszeitverlängerung<br />

und für volles<br />

Weihnachts- und Urlaubsgeld.<br />

An <strong>der</strong> Kundgebung<br />

nahmen 80 <strong>GEW</strong>-<br />

KollegInnen <strong>aus</strong><br />

Rheinland-Pfalz teil.<br />

Die <strong>GEW</strong> organisierte<br />

Gruppenfahrten<br />

mit dem Zug von<br />

Ludwigshafen, Mainz<br />

und Koblenz <strong>aus</strong>.<br />

15


Tarifkonflikt 2006<br />

40 streikende KollegInnen<br />

<strong>aus</strong> ganz Rheinland-Pfalz<br />

waren dabei,<br />

v.a. <strong>aus</strong> den Regionen<br />

Ludwigshafen, Landau/<br />

Südpfalz, Kaiserslautern,<br />

Grünstadt,<br />

Mainz, Sprendlingen,<br />

Trier, Neuerburg, Gerolstein,<br />

Koblenz.<br />

Die meisten Streikenden<br />

kamen <strong>aus</strong> den För<strong>der</strong>schulen<br />

und Integrierten<br />

Gesamtschulen, aber<br />

auch an einzelnen<br />

Grund- und Hauptschulen,Berufsbildenden<br />

Schulen, Gymnasien<br />

und an den Unis<br />

streikten <strong>GEW</strong>-KollegInnen.<br />

16<br />

Län<strong>der</strong>-Mehrheit will<br />

Arbeitsbedingungen diktieren<br />

In den Verhandlungen im März 2006 hat die Tarifgemeinschaft<br />

deutscher Län<strong>der</strong> (TdL) am bisherigen Kurs<br />

festgehalten. Eine Mehrheit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> wollte bislang<br />

keinen Kompromiss in diesem Tarifkonflikt - sie wollen<br />

die Bedingungen einseitig festlegen! Ein Teil <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />

will auch offensichtlich keine Tarifverträge mehr:<br />

Verhandlungsführer Möllring hat mehrfach gesagt, dass<br />

er auch ohne Tarifverträge gut leben könne. Das heißt<br />

konsequent weitergedacht: Wir brauchen keine Gewerkschaften,<br />

mit denen wir uns über Tarifverträge <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzen<br />

müssen. Wir sind schon bei den Beamten gut<br />

damit gefahren, die Arbeitsbedingungen nach <strong>der</strong> von<br />

uns definierten Finanzlage <strong>aus</strong>zurichten und einseitig<br />

festzulegen.<br />

Der Kompromissvorschlag<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

Die Gewerkschaften ver.di, <strong>GEW</strong> und GdP hatten im<br />

März einen Lösungsvorschlag vorgelegt, <strong>der</strong> den Län<strong>der</strong>n<br />

entgegen kommen und den Weg zu einem Abschluss<br />

frei machen sollte:<br />

1. Arbeitszeit<br />

Die Arbeitszeit bleibt bei 38,5 Stunden für die Beschäftigten<br />

in den Entgeltgruppen 1 - 10 (BAT X bis BAT<br />

IVa). Die Arbeitszeit in den Entgeltgruppen 11 - 14 (BAT<br />

III bis BAT Ib) soll 39,5 Stunden und in <strong>der</strong> Entgeltgruppe<br />

15 (BAT Ia) 40 Stunden betragen.<br />

2. Jahresson<strong>der</strong>zahlung<br />

Die Jahresson<strong>der</strong>zahlung soll ebenfalls nach Entgeltgruppen<br />

gestaffelt werden:<br />

1 bis 8 95 Prozent<br />

9 bis 11 80 Prozent<br />

12 und 13 60 Prozent<br />

14 und 15 40 Prozent<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Tarifkonflikt 2006<br />

Die Arbeitgeber haben diese Vorschläge in den Wind<br />

geschlagen. All dies war ihnen zu wenig! Die TdL will<br />

offensichtlich diktieren, was verdient und wie lange gearbeitet<br />

wird. Das wi<strong>der</strong>spricht aber dem Demokratieverständnis<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaften und dem bisher geltenden<br />

gesellschaftlichen Konsens in diesem Land, dass Tarifkonflikte<br />

in einem fairen Interessen<strong>aus</strong>gleich kollektiv<br />

gelöst werden. Dass es auch an<strong>der</strong>s geht, zeigte die<br />

Haltung des Finanzministers <strong>aus</strong> Schleswig-Holstein,<br />

Stegner, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Verhandlungsführung <strong>der</strong> TdL unmissverständlich<br />

Kritik geübt hat: Diese sei nicht auf<br />

Einigung gerichtet gewesen, son<strong>der</strong>n eher darauf, so<br />

Stegner wörtlich: „Eine Einigung nicht haben zu wollen,<br />

weil man glaubt, man braucht keine Tarifverträge.“<br />

Der Schutz <strong>der</strong> Beschäftigten<br />

steht auf dem Spiel<br />

Aber den Gewerkschaften kommt es darauf an, dass ihre<br />

Mitglie<strong>der</strong> als abhängig Beschäftigte tariflich geschützt<br />

und gesichert und nicht <strong>der</strong> Willkür <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />

<strong>aus</strong>gesetzt sind. Wenn <strong>der</strong> gegenwärtige Tarifkonflikt<br />

nicht im Rahmen eines vernünftigen Verhandlungsergebnisses<br />

gelöst wird, son<strong>der</strong>n ein tarifloser Zustand für<br />

eine immer größer werdende Zahl von Beschäftigten<br />

bleibt, wenn die Schutzfunktion <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

entfällt, gerät die bereits jetzt schon stark angegriffene<br />

soziale Balance in erhebliche Schieflage. Die Gewerkschaften<br />

des öffentlichen Dienstes sind weiter zu einer<br />

Lösung im Rahmen von Verhandlungen bereit. Dies geht<br />

jedoch nur, wenn die Tarifgemeinschaft deutscher Län<strong>der</strong><br />

auch verhandelt und nicht diktieren will. Es ist nicht<br />

zuviel verlangt, wenn die Gewerkschaften den ernsthaften<br />

Verhandlungswillen <strong>der</strong> Arbeitgeber, ihre tarifpolitische<br />

Handlungsfähigkeit und keine parteipolitisch<br />

beeinflusste Gesellschaftsideologie in Tarifverhandlungen<br />

erwarten!<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Für den 20.03. riefen<br />

<strong>GEW</strong>, GdP und ver.di ihre<br />

Mitglie<strong>der</strong> zum landesweiten<br />

Streik auf. In Mainz<br />

fand die zentrale Demo<br />

und Streikkundgebung<br />

statt. 800 Beschäftigte im<br />

öffentlichen Dienst nahmen<br />

teil. Die <strong>GEW</strong> war<br />

mit über 150 KollegInnen<br />

vertreten.<br />

Hein und Oss Kröher bildeten den musikalischen<br />

Rahmen mit Wi<strong>der</strong>standslie<strong>der</strong>n<br />

<strong>aus</strong> verschiedenen Epochen.<br />

17


Tarifkonflikt 2006<br />

Was geht das die Beamtinnen<br />

und Beamten an?<br />

Früher war es gute politische Praxis, die Tarifverträge und<br />

Gehaltsabschlüsse im öffentlichen Dienst auf die Beamtinnen<br />

und Beamten zu übertragen. Jetzt weht <strong>der</strong> Wind<br />

<strong>aus</strong> einer an<strong>der</strong>en Richtung: Vor allem die konservativ<br />

regierten Län<strong>der</strong> wollen über ein fö<strong>der</strong>alisiertes Beamtenrecht<br />

die Arbeitsbedingungen einseitig festlegen. Heute<br />

liegen die Arbeitszeiten <strong>der</strong> Staatsdiener je nach Bundesland<br />

zwischen 40 und 42 Wochenstunden, Urlaubsund<br />

Weihnachtsgeld zwischen null und 50 Prozent. Und<br />

was wird morgen sein, wenn die Tarifschranke endgültig<br />

gefällt worden ist? Sollte die hoch gelobte Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />

in allen Punkten realisiert werden, fällt die bundeseinheitliche<br />

Beamtenbesoldung. Jedes Bundesland<br />

kann dann nach vermeintlicher Kassenlage die Besoldungshöhe<br />

und -struktur festlegen. Man braucht nicht<br />

viel Fantasie, um sich vorzustellen, wohin die Reise <strong>der</strong><br />

Arbeitsbedingungen <strong>der</strong> Beamtinnen und Beamten, aber<br />

auch die Absicherung <strong>der</strong> Kolleginnen und Kollegen im<br />

Ruhestand, dann gehen wird. Die gewerkschaftliche Kontrolle<br />

und Durchsetzung eines Schutzes für die Beschäftigten<br />

im Beamtenverhältnis wird bei Geltung eines bundesweiten<br />

Tarifvertrags für die Angestellten des öffentlichen<br />

Dienstes, in dem <strong>der</strong>en Arbeitsbedingungen festgelegt<br />

sind, schon schwierig genug werden, weil die<br />

Übertragung heute nicht mehr per se erfolgt. Ohne Orientierung<br />

an einem solchen Tarifvertrag werden aber<br />

für den Beamtenbereich alle Dämme und Schleusen für<br />

eine nicht absehbare Zukunft geöffnet.<br />

Deshalb gilt: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst,<br />

gleichgültig wo sie tätig sind und welchen Status sie haben,<br />

müssen sich gegenseitig aktiv unterstützen, wenn<br />

es um den Schutz und die Sicherung ihrer Arbeitsbedingungen<br />

geht. Wie heißt noch das Motto, das schon vor<br />

über 30 Jahren in <strong>der</strong> <strong>GEW</strong>-Zeitung zu lesen war? „Nur<br />

gemeinsam sind wir stark - allein machen sie dich ein!“<br />

Das gilt heute mehr denn je.<br />

Udo Küssner<br />

18<br />

Der Streik weitete sich auf weitere Regionen <strong>aus</strong>. 65 <strong>GEW</strong>-Mitglie<strong>der</strong> <strong>aus</strong> rheinland-pfälzischen Schulen<br />

waren an diesem Tag im Streik. Auch <strong>aus</strong> Kastellaun, Kirchheimbolanden, Bad Kreuznach reisten die KollegInnen<br />

nach Mainz.<br />

Die 3 Landesvorsitzenden <strong>der</strong> drei Gewerkschaften v.l.n.r.: Uwe Klemens<br />

(ver.di), Ernst Scharbach (GdP), Tilman Boehlkau (<strong>GEW</strong>)<br />

Fotos: Bernhard Clessienne und Thomas R<strong>aus</strong>ch<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Informationselite und Unterhaltungsproletariat<br />

Bundeskongress für Politische Bildung: Medien - Demokratie - Bildung<br />

„Demokratien brauchen Demokratinnen und Demokraten.<br />

Demokratien stellen höchste Anfor<strong>der</strong>ungen an ihre Bürgerinnen<br />

und Bürger, insbeson<strong>der</strong>e an ihr Wissen, ihr Urteilsvermögen,<br />

ihre Interventionskraft und ihre Partizipationsbereitschaft<br />

- und nicht zuletzt an ihre Frustrationstoleranz. Demokratie<br />

muss man leben, gestalten und manchmal auch ertragen<br />

lernen. Aus neuen Generationen wachsen nicht automatisch<br />

kundige und engagierte Bürgerinnen und Bürger<br />

heran. Deshalb braucht Demokratie politische Bildung.“ Mit<br />

diesen Worten begrüßte Rheinhold Hedtke, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Deutschen Vereinigung für politische Bildung, die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer des 10. Bundeskongresses für Politische<br />

Bildung in Mainz.<br />

Thema des diesjährigen Kongresses: „Medien - Demokratie<br />

- Bildung.“ Hochkarätige Referenten, volle Veranstaltungsräume,<br />

interessante Referate und Diskussionen;<br />

die dreitägige Veranstaltung in Mainz bot PädagogInnen<br />

und MedienvertreterInnen <strong>aus</strong> ganz Deutschland<br />

die Chance, Politik- und Medienszene hautnah kennen<br />

zu lernen und mit ihren Vertretern ins Gespräch zu kommen.<br />

In Workshops und Diskussionsrunden nahmen<br />

Teilnehmer und Experten die Zusammenhänge von<br />

Medien - Demokratie und Bildung kritisch unter die<br />

Lupe.<br />

Etwa siebeneinhalb Stunden verbringt <strong>der</strong> statistische<br />

Durchschnitts-Deutsche jeden Tag mit Medien. Morgens<br />

mit Radio und Tagesszeitung, dann im Auto o<strong>der</strong><br />

bei <strong>der</strong> Arbeit, nachmittags mit eigener CD o<strong>der</strong> im Internet<br />

und abends vor dem Fernsehen. Nie zuvor bestand<br />

ein größeres Informations- und Unterhaltungsangebot,<br />

nie zuvor stellten Medien größere Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an ihre Nutzer. „Gefragt ist hier ganz offensichtlich<br />

Medienkompetenz“, so Thomas Krüger, <strong>der</strong> Präsident<br />

<strong>der</strong> Bundeszentrale für politische Bildung. Bundestagspräsident<br />

Norbert Lammert dazu in seinem Eröffnungsvortrag:<br />

„Die Zahl <strong>der</strong>er, die durch zu viel Informationen<br />

nicht mehr informiert sind, steigt.“ Der Journalist<br />

Thomas Leif brachte mit seiner Bemerkung das Problem<br />

auf den Punkt: „Inzwischen steht in Deutschland<br />

eine Informationselite einem Unterhaltungsproletariat<br />

gegenüber.“<br />

„Wo war Merkels Mann bei <strong>der</strong> Vereidigung?“<br />

In <strong>der</strong> ersten Podiumsdiskussion diskutierten sechs Journalisten<br />

unter dem Motto „Skandalisierung - Inszenierung<br />

- Aufklärung“ die Rolle <strong>der</strong> Medien im Zeitalter<br />

<strong>der</strong> Beschleunigung. Mo<strong>der</strong>ator Thomas Leif vom Netzwerk<br />

Recherche zeigte in souveräner Weise, wie Talkrunden<br />

<strong>aus</strong>sehen können, wenn sie von kompetenten<br />

Journalisten geleitet werden. Hier hätte Frau Christiansen<br />

etwas lernen können. Seine Gesprächspartner, Peter<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Politische Bildung<br />

Frey (ZDF), Ulrich Deupmann (BamS), Bettina Gauß<br />

(taz), Ilona Wunsching (mdr) und Monika Zimmermann<br />

(Kölner Stadt-Anzeiger) kamen schnell zu Sache.<br />

Bemängelt wurde <strong>der</strong> wachsende Zeitdruck, <strong>der</strong> <strong>aus</strong>führliche<br />

und seriöse Recherche erschwere. Daneben beklagten<br />

die Teilnehmer eine Art Herdenverhalten „nicht nur<br />

bei <strong>der</strong> Themen<strong>aus</strong>wahl, son<strong>der</strong>n auch im Tonfall“. Leitmedien<br />

wie BILD o<strong>der</strong> SPIEGEL setzten die Themen,<br />

an denen auch an<strong>der</strong>e Medien nicht vorbei kämen. Selbst<br />

Bettina Gauß von <strong>der</strong> taz fand es „weltfremd“ zu glauben,<br />

einzelne Medien könnten sich diesem Themendruck<br />

entziehen. Die Tendenz <strong>der</strong> Boulevardisierung stieß nicht<br />

bei allen Teilnehmern <strong>der</strong> Runde auf Ablehnung. Peter<br />

Frey fand es „hochnäsig“, hier nur von Schmuddel-Journalismus<br />

zu sprechen. Boulevard-Journalismus dürfe jedoch<br />

in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht im Vor<strong>der</strong>grund<br />

stehen: „Boulevard-Themen sollen nur in den<br />

dafür vorgesehenen Mediengefäßen gesendet werden“.<br />

Das ZDF mache dies z.B. in <strong>der</strong> Sendung „Leute heute“.<br />

Ilona Wunsching dazu: „Eine gute Methode, ein breites<br />

Publikum anzusprechen, ist ein „A/B-Stück“ zu machen.<br />

Zum Beispiel kann man die Frage: „Wo war Merkels<br />

Mann bei <strong>der</strong> Vereidigung?“ als Aufhänger für einen Beitrag<br />

zum Thema Rollenverteilung Mann-Frau in <strong>der</strong><br />

Politik nutzen. Boulevard ist kein Bäh-Thema - ein boulevardesker<br />

Anklang kann die Zuschauer mitreißen und<br />

sie dadurch für ein seriöses Thema begeistern“. Die politischen<br />

Bildner im Saal nickten zustimmend, mit „A/B-<br />

Stücken“ kennen sie sich <strong>aus</strong>!<br />

Am zweiten Tag des Bundeskongresses wurde das Kongressthema<br />

in zehn Sektionen differenziert bearbeitet. Als<br />

Referenten konnten u.a. die ehemalige Gesundheitsministerin<br />

Andrea Fischer („Man kann das Privatleben auch<br />

<strong>aus</strong> den Medien her<strong>aus</strong>halten“), <strong>der</strong> SPIEGEL-Autor<br />

Jürgen Leinemann o<strong>der</strong> <strong>der</strong> SWR- Intendant Peter Voss<br />

gewonnen werden.<br />

Im <strong>der</strong> Veranstaltung „Mediatisierte Vermittlung von<br />

Politik und Geschichte“ diskutierten <strong>der</strong> Berliner Historiker<br />

Wolfgang Benz mit dem Autor und Filmemacher<br />

Eberhard Görner über den Einsatz von Dokumentar- und<br />

Spielfilmen innerhalb <strong>der</strong> politischen Bildung.<br />

Gerade Kinofilme über das Dritte Reich scheinen in<br />

Mode zu sein: „Der Untergang“, „Sophie Scholl“ , „Der<br />

neunte Tag“. Alles große Erfolge! Auch das Fernsehen<br />

produziert aufwändige Mehrteiler wie „Speer und Er“,<br />

„Hitlers Frauen“ o<strong>der</strong> zuletzt den Dokumentar-Spielfim<br />

„Dresden“. Im schulischen Politikunterricht greifen Lehrer<br />

gerne auf solche Spielfilme zurück. Ein Teilnehmer:<br />

„An<strong>der</strong>s sind Schüler kaum noch für Geschichte zu begeistern!“.<br />

19


Politische Bildung<br />

Berufliche Bildung<br />

Ausbildungsmarktsituation weiterhin dramatisch<br />

Für viele Berufsfachschüler<br />

ist<br />

die BBS nur 2.<br />

Wahl, weil ihre<br />

Ausbildungsplatzsucheerfolglos<br />

war.<br />

Foto: Butzke<br />

20<br />

Wolfgang Benz wies darauf hin, dass sich in diesen Produktionen<br />

Fiktion und Dokumentation vermischen; die<br />

Qualität <strong>der</strong> Filme sei z.T äußerst schlecht und entspreche<br />

kaum den historischen Tatsachen: „Durch das inflationäre<br />

Einbauen von Zeitzeugen wird eine Realität behauptet,<br />

die möglicherweise so nicht existiert hat“, kritisierte<br />

<strong>der</strong> Historiker. Darüber hin<strong>aus</strong> würden geschichtliche<br />

Ereignisse so personalisiert, dass <strong>der</strong> Zuschauer<br />

darüber hin<strong>aus</strong> die historischen Tatsachen nicht mehr<br />

wahrnehmen könne. So verwun<strong>der</strong>t es nicht, dass Sch<strong>aus</strong>pieler<br />

und Regisseure solcher Produktionen von Journalisten<br />

als „Experten für das Dritte Reich“ befragt werden.<br />

Steven Spielberg werde - nach seinem Film „Schindlers<br />

Liste“ - als kompetenter Holoc<strong>aus</strong>tforscher eingeschätzt,<br />

die Sch<strong>aus</strong>pielerin Julia Jentsch sollte Auskunft<br />

darüber geben, wie sich Sofie Scholl im Gestapo-Gefängnis<br />

fühlte. Bettina Schlanstein vom WDR stimmte mit<br />

Benz darin überein, dass die Zuschauer das Fiktionale<br />

oft authentischer wahrnehmen als die Realität. Aber auch<br />

im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gelte heute die Devise:<br />

„Du solltest nicht langweilen!“ Wenn das Fernse-<br />

Trotz Ausbildungspakt und Nachvermittlungsaktionen<br />

hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Rheinland-Pfalz<br />

weiter verschlechtert. Die Zahl <strong>der</strong> gemeldeten<br />

betrieblichen Ausbildungsplätze ist um ca. 6% gesunken,<br />

obwohl sich die Zahl <strong>der</strong> Bewerberinnen und<br />

Bewerber um fast 16% gegenüber dem Vorjahr erhöht<br />

hat.<br />

Der DGB-Vorsitzende Muscheid dazu: „Weniger Ausbildungsstellen,<br />

mehr Bewerberinnen und Bewerber. Die<br />

Situation auf dem rheinland-pfälzischen Ausbildungsmarkt<br />

bleibt weiterhin dramatisch. Von Oktober 2005<br />

hen die Zuschauer für die Beschäftigung mit historischen<br />

Themen gewinnen wolle, müsse man Berührungsängste<br />

gegenüber fiktionalen Elementen ablegen.<br />

Weitere Sektionen beschäftigten sich mit Themen wie<br />

„Politikinszenierung in <strong>der</strong> Mediengesellschaft“, dem<br />

Internet und neuen Formen <strong>der</strong> Kommunikation o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> „Macht <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>“. Den Abschlussvortrag des Kongresses<br />

am Samstagvormittag erlebten lei<strong>der</strong> nur wenige<br />

Teilnehmerinnen. Aufgrund starkem Schneefalls reiste<br />

<strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits<br />

frühzeitig nach H<strong>aus</strong>e und verpassten so den Hauptgast<br />

<strong>der</strong> Veranstaltung, den ehemaligen Außen- und Premierminister<br />

Ungarns, Gyula Horn.<br />

Mainz bewies sich als guter Gastgeber eines Bundeskongresses.<br />

Die Veranstaltung hatte eine hohe Qualität, bot<br />

eine Reihe interessanter Fachbeiträge und den Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern viele Möglichkeiten des fachlichen<br />

Aust<strong>aus</strong>ches und <strong>der</strong> Information.<br />

Weitere Informationen zum 10. Bundeskongress unter<br />

www.bpb.de (Link: Veranstaltungen / Dokumentationen).<br />

Lucas Schmitt<br />

bis Ende März diesen Jahres wurden <strong>der</strong> Agentur für<br />

Arbeit rd. 18.000 Ausbildungsplätze gemeldet, fast 1.100<br />

weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Den offenen<br />

Ausbildungsstellen stehen aktuell rund 29.000<br />

Bewerberinnen und Bewerber gegenüber.“<br />

Die Zahl <strong>der</strong> neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge<br />

sei wie<strong>der</strong> um 5,3% gesunken; am stärksten in Kaiserslautern<br />

mit -10% und Bad Kreuznach mit -9,3%. Auch<br />

die Nachvermittlungsaktion habe den meisten Jugendlichen<br />

keinen Ausbildungsplatz gebracht. Von den insgesamt<br />

3.600 nicht vermittelten Bewerberinnen und Bewerbern<br />

Ende September 2005 seien lediglich 900 in eine<br />

betriebliche Ausbildung o<strong>der</strong> eine EQJ-Maßnahme (Einstiegsqualifizierungsjahr)<br />

vermittelt worden; 1.100 habe<br />

man in berufsvorbereitende Maßnahmen <strong>der</strong> Arbeitsagenturen<br />

o<strong>der</strong> schulische Warteschleifen verwiesen;<br />

1.600 Jugendlichen sei überhaupt kein Angebot gemacht<br />

worden.<br />

Muscheid ver<strong>weist</strong> in diesem Zusammenhang auch auf<br />

die 22.000 Schülerinnen und Schüler, die im Schuljahr<br />

2005/06 die Berufsfachschule I begonnen haben. Für<br />

viele von ihnen sei Schule nur die 2. Wahl, weil ihre<br />

Ausbildungsplatzsuche erfolglos war.<br />

„Solange nur weniger als ein Drittel aller Unternehmen<br />

in Rheinland-Pfalz <strong>aus</strong>bilden, müssen wir Instrumente<br />

finden, die Ausbildungsbereitschaft <strong>der</strong> nicht <strong>aus</strong>bildenden<br />

Unternehmen zu erhöhen“, so Muscheid.<br />

Die Lage auf dem rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt ist<br />

auch für Jugendliche unter 25 Jahren nicht entspannt.<br />

Gegenüber <strong>der</strong> allgemeinen Arbeitslosenquote von 8,9%<br />

liegt die Quote <strong>der</strong> jugendlichen Arbeitslosen bei 10,1%.<br />

pm-dgb<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Möglicherweise mehr Ruhegehalt<br />

Unterhälftige Teilzeitbeschäftigungen können als ruhegehaltsfähige<br />

Dienstzeit anerkannt werden. Mit Urteil<br />

vom 25.05.2005 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden,<br />

dass Zeiten als angestellte Lehrkraft mit unterhälftiger<br />

Wochenstundenzahl ggf. als ruhegehaltsfähige<br />

Dienstzeit anerkannt werden kann. Dies kann immer<br />

dann <strong>der</strong> Fall sein, wenn die geringere Unterrichtsstundenzahl<br />

nicht freiwillig gewählt wurde und die Arbeitskraft<br />

lückenlos und voll dem Dienstherrn zur Verfügung<br />

gestellt und auch keine Nebentätigkeiten <strong>aus</strong>geübt<br />

wurden.<br />

Alle Kolleginnen und Kollegen sollten somit bei Versetzung<br />

in den Ruhestand darauf achten, dass bei <strong>der</strong> Berechnung<br />

des Ruhegehaltes auch die unterhälftige Teilzeitarbeit<br />

im Schuldienst vor Eintritt in das Beamtenverhältnis<br />

berücksichtigt wurden. Ist dies nicht <strong>der</strong> Fall,<br />

sollte gegen den Bescheid Wi<strong>der</strong>spruch eingelegt werden.<br />

Beamtinnen und Beamte, die sich schon im Ruhestand<br />

befinden und somit einen rechtskräftigen Bescheid über<br />

die ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten haben, sollten keine<br />

Anträge stellen. Es gibt <strong>der</strong>zeit noch keine gerichtlichen<br />

Entscheidungen darüber, ob rechtskräftig gewor-<br />

Schneller ans Ziel mit dem<br />

Sparkassen-Finanzkonzept.<br />

Sicherheit, Altersvorsorge, Vermögen.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Rechtsschutz<br />

dene Bescheide entsprechend aufzuheben sind. Es sind<br />

entsprechende Rechtsstreite anhängig. Wenn darüber<br />

entschieden ist, wird an dieser Stelle weiter informiert.<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> können sich mit Fragen gerne an<br />

die <strong>GEW</strong> Rechtsschutzstelle, T: 06131/28988-21, wenden<br />

bzw. ihre Bescheide zur Prüfung übersenden.<br />

Brigitte Strubel-Mattes,<br />

Landesrechtsschutzstelle <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

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Ihr Ziel. Mehr dazu in Ihrer Geschäftsstelle und unter www.sparkasse.de. Wenn’s um Geld geht – Sparkasse.<br />

S<br />

21


Alter + Ruhestand<br />

Die <strong>GEW</strong> gratuliert …<br />

… im Juni 2006<br />

Wohnen im Alter<br />

22<br />

zum 70. Geburtstag<br />

Frau Gretel Henne<br />

05.06.1936<br />

Speyerer Str. 34 · 67256 Weisenheim<br />

Herrn Helmut Propson<br />

11.06.1936<br />

Peter-Wüst-Str. 3 · 54295 Trier<br />

Herrn Alfred Riedinger<br />

17.06.1936<br />

Rousse<strong>aus</strong>tr. 9 · 67663 Kaiserslautern<br />

Herrn Eberhard Mai<br />

27.06.1936<br />

Mittelhofer Str. 15 · 56479 Elsoff<br />

Frau Edeltraud Stift-Naethe<br />

28.06.1936<br />

Stromberger Str. 36b · 55411 Bingen<br />

zum 75. Geburtstag<br />

Frau Elinor Kürten<br />

28.06.1931<br />

Beethovenstr. 4 · 55583 Bad Münster<br />

Herrn Willi Schmiedel<br />

28.061931<br />

Lindenallee 2 · 56379 Holzappel<br />

zum 80. Geburtstag<br />

Herrn Siegfried Weisshaar<br />

12.06.1926<br />

Karolinger Str. 22 · 56626 An<strong>der</strong>nach<br />

Frau Marianne Frank<br />

27.06.1926<br />

Pfr.-Friedrich-Str. 59 · 67071 Ludwigshafen<br />

Frau Erika Haupt<br />

28.06.1926<br />

Steinfel<strong>der</strong> Str. 44-46/003 · 76887 Bad Bergzabern<br />

Damit SeniorInnen so lange wie möglich in ihren eigenen<br />

Wänden selbstständig und selbstbestimmt leben können,<br />

hat das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie<br />

und Gesundheit eine Checkliste erstellt, die dabei helfen<br />

kann, festzustellen, ob die eigene Wohnung den Bedürfnissen<br />

von Hochaltrigen entspricht. Abgefragt wird dabei,<br />

ob es in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Wohnung wichtige Infrastruktur<br />

wie Einkaufsmöglichkeit, Arzt und Apotheke sowie<br />

Bus- o<strong>der</strong> Straßenbahnhaltestellen gibt, die Wohnungsumgebung<br />

gut begehbare und beleuchtete <strong>Wege</strong> hat, das<br />

H<strong>aus</strong> einen stufenfreien Zugang, eine gut erkennbare<br />

H<strong>aus</strong>nummer und eine leicht zu öffnende Eingangstür<br />

hat. Wichtig sind auch Handläufe, ein rutschfester Bodenbelag<br />

sowie eine <strong>aus</strong>reichend lange und helle Treppenbeleuchtung.<br />

In <strong>der</strong> Wohnung soll darauf geachtet werden, dass es keine<br />

Stolperfallen gibt, überall freier Durchgang ist, alle<br />

zum 85. Geburtstag<br />

Herrn Fritz Leonhardt<br />

06.06.1921<br />

Wallstr. 43 · 66482 Zweibrücken<br />

zum 86. Geburtstag<br />

Frau Lieselotte Naumer<br />

02.06.1920<br />

Kurpfalzstr. 26 · 67435 Neustadt<br />

zum 87. Geburtstag<br />

Herrn Hans Henning<br />

21.06.1919<br />

Bgmst.-Bachmann-Str. 5 · 69483 Wald-Michelbach<br />

Frau Lieselotte Koetz<br />

10.06.1919<br />

Emil-Jacob-Weg 4 · 55543 Bad Kreuznach<br />

Frau Gertrud Thiel<br />

11.06.1919<br />

Renzstr. 14 · 67547 Worms<br />

zum 89. Geburtstag<br />

Herrn Erich Huettig<br />

07.06.1917<br />

Saarstr. 19 · 76870 Kandel<br />

zum 90. Geburtstag<br />

Frau Marianne Kleinhans<br />

10.06.1916<br />

Kapellengasse 25 / Im Schillerstift · 67071 Ludwigshafen<br />

zum 92. Geburtstag<br />

Herrn Walther Willems<br />

06.06.1914<br />

An <strong>der</strong> Bach 31 · 56429 St. Goar<br />

zum 93. Geburtstag<br />

Herrn Gustav Arzt<br />

16.03.1913<br />

Gartenstr. 47 · 66917 Wallhalben<br />

Der Landesvorstand<br />

Wohnbereiche gut beleuchtet und durch Handgriffe gesichert<br />

sind. Das Bad soll so groß sein, dass <strong>der</strong> Pflegedienst<br />

sich darin bewegen kann, eine bodengleiche Dusche<br />

und ein erhöhter Toilettensitz vorhanden sind.<br />

In <strong>der</strong> Küche sollen Schränke gut erreichbar und Sitzmöglichkeiten<br />

an den Arbeitsflächen vorhanden sein.<br />

Im Schlafzimmer ist darauf zu achten, dass ein Lichtschalter<br />

vom Bett <strong>aus</strong> erreichbar und um das Bett genügend<br />

Platz ist. Im Wohnzimmer sollten die Sitzmöbel<br />

Armstützen als Aufstehhilfe haben.<br />

Die Landesberatungsstelle „Barrierefrei Bauen und Wohnen“<br />

gibt an sieben Beratungsorten in Rheinland-Pfalz<br />

Informationen über die Möglichkeiten <strong>der</strong> altersgerechten<br />

Wohnraumanpassung. Dort ist kostenlos Rat in allen<br />

planerischen und bautechnischen Fragen, zu entstehenden<br />

Kosten und zur Finanzierung zu erhalten<br />

Quelle: „Spätlese“, Senioreninfo des Ministeriums für Arbeit,<br />

Soziales, Familie und Gesundheit.<br />

Edmund Theiß<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Büchertipps von Antje Fries<br />

Auf zu den Sternen!<br />

Eine wirklich galaktisch praktisch im Unterricht einsetzbare<br />

Weltraum-Werkstatt hat Lars Kreft für die 3. und<br />

4. Klasse zusammengestellt: Nach <strong>aus</strong>führlichem Kommentar<br />

zu den sechzehn meist mehrseitigen Werkstattangeboten<br />

darf gebastelt, gerätselt, experimentiert werden:<br />

Den Urknall dürfen die Schüler mit Butter nachmachen,<br />

eine Mondkiste zur Erklärung <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Ansichten des Erdtrabanten steht auf dem Plan, ein<br />

Modell von Erde und Mond wird vorgeschlagen. Was<br />

eine Sonnenfinsternis ist, wird praktisch erklärt, und<br />

auch Sonnenuhren, Raumfahrt, Sternbil<strong>der</strong>, Steckbriefe<br />

<strong>der</strong> Planeten und ein Planeten-Memory sind in <strong>der</strong><br />

Werkstatt enthalten. Alle Versuche und Bastelvorhaben<br />

sind gut <strong>aus</strong>zuführen, die Anleitungen verständlich und<br />

keiner <strong>der</strong> Texte ist überfrachtet mit zuviel Wissen, das<br />

sowieso keiner behält. Mit diesem Werk kann man bedenkenlos<br />

abheben: three, two, one, zero....<br />

Lars Kreft: Unterwegs im Universum. Donauwörth 2005.<br />

82 Seiten, 16,80 Euro. ISBN 3-403-04368-1<br />

Am Anfang war...<br />

... <strong>der</strong> Arbeitspass. Aber dann geht’s richtig los in Katrin<br />

Schüppels neuer Werkstatt: Schüler <strong>der</strong> Klassen 3 bis 6<br />

können hier „Fossilien“ selbst herstellen lernen, viel über<br />

Kontinentaldrift, Entstehung von Kohle, die Entwicklung<br />

des Lebens auf <strong>der</strong> Erde nachvollziehen, das Leben<br />

von Sauriern, Säugetieren, Nean<strong>der</strong>talern betrachten und<br />

sich auch über Tropfsteine, die Faltung <strong>der</strong> Erdkruste<br />

o<strong>der</strong> Pollen und Jahresringe als Klima-Anzeiger informieren.<br />

Hoch spannend!!!<br />

Katrin Schüppel: Wie unsere Erde entstanden ist. Mülheim<br />

2006. 71 Seiten, 19,50 Euro. ISBN 3-8346-0017-<br />

2<br />

Auf ins Grüne!<br />

Franz Renner ist Biologe und Umweltpädagoge und arbeitet<br />

auch an <strong>der</strong> PH Weingarten. Seine neue Bestimmungshilfe<br />

für alles, was so auf <strong>der</strong> Wiese krabbelt, ist<br />

klasse! Ich liege also auf <strong>der</strong> Wiese und kenne das Tier<br />

nicht, was da krabbelt. Schrittweise lerne ich, mit dem<br />

A5-formatigen Buch bequem auf dem Bauch im Gras<br />

liegend, wie ich es einzuordnen habe: Beine, Flügel, beson<strong>der</strong>e<br />

Merkmale, aha. Dann soll ich es zeichnen und<br />

ihm einen beschreibenden Namen geben. Wahrscheinlich<br />

finde ich es dann auch auf irgendeiner Seite, denn<br />

das schrittweise Sortieren <strong>der</strong> Merkmale des Krabbeltiers<br />

leitet zielsicher durch das Buch. Etwas zoologische<br />

Systematik am Schluss, wichtige Regeln zum Sammeln,<br />

Beobachten und Bestimmen von Insekten zu Beginn,<br />

kurzum: Das Buch ist nützlich, verständlich und übersichtlich<br />

und passt zudem in jeden Wiesenforscherrucksack.<br />

Franz Renner: Was krabbelt auf <strong>der</strong> Wiese? Donauwörth<br />

2005. 95 Seiten, 12,80 Euro. ISBN 3-403-04461-0<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Tipps + Termine<br />

Zoologie-Spiele mit Biss<br />

Gut gestaltete Kopiervorlagen bestimmen „Biologie im<br />

Spiel“ (hier Band 3, Zoologie). Zwölf Spiele mit jeweils<br />

mehreren Varianten und unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden<br />

lassen Spielerherzen höher schlagen und machen<br />

den Biologieunterricht <strong>der</strong> Sekundarstufe 1 auf jeden<br />

Fall bunter!<br />

Im Stil von „Stadt, Land, Fluss“ werden Tiernamen gesucht,<br />

tierische Redensarten sind zu erkennen, Tiergruppen<br />

müssen klassifiziert werden usw. Natürlich geht es<br />

auch darum, wer wen frisst und wer im Tierreich welche<br />

olympischen Rekorde aufstellt. Richtig gut wird das Buch<br />

im hinteren Teil: Wie geht <strong>der</strong> Mensch mit dem Tier<br />

um? Wie nutzt er es? Da kann im Spiel alles vom therapeutischen<br />

Reiten bis zum Schweinebraten vorkommen.<br />

Und bei „Ein Herz für Tiere?“ kommen gen<strong>aus</strong>o kritische<br />

Töne. Politisch brisant wird’s gar beim Rollenspiel<br />

vom Wachtelkönig: Verschiedene Rollen werden vergeben<br />

(Umweltschützer, Wohnungssuchen<strong>der</strong>, Stadtentwicklungsplaner,<br />

Parteifunktionäre) und mit jeweils passenden<br />

Hintergrundinfos versorgt, um ein Rollenspiel<br />

zu füllen und für Themen dieser Art vor <strong>der</strong> eigenen<br />

H<strong>aus</strong>tür zu sensibilisieren.<br />

Friedhelm Heitmann/Dorle Roleff-Scholz: Biologie im<br />

Spiel. Band 3: Zoologie. Donauwörth 2005. 93 Seiten,<br />

19,80 Euro. ISBN 3-403-04372-X<br />

Fit durch den Tag<br />

101 Fitmachspiele für Kopf und Körper bietet Almuth<br />

Bartl in ihrem neuen Buch „Fit & schlau in <strong>der</strong> Grundschule“<br />

an. Mit einfachen Materialien, guten Erklärungen<br />

und lustiger Illustration zu je<strong>der</strong> Erklärung machen<br />

die Spielchen allesamt Spaß. Dabei geht es nicht bloß<br />

um Zwischendurch-Hampelmänner im Klassenzimmer,<br />

son<strong>der</strong>n um eine gute Mischung <strong>aus</strong> körperlichen und<br />

geistigen Anfor<strong>der</strong>ungen, bei denen immer <strong>der</strong> Teamgeist<br />

wichtig ist. Der Klassenverband soll als Ort erlebt<br />

werden, <strong>der</strong> mit Spaß verbunden ist und „Heimat“ bietet,<br />

meint die Autorin, und dieses Ziel dürfte ohne großen<br />

Aufwand mit den täglichen Spielangeboten erreicht<br />

werden.<br />

Almuth Bartl: Fit & schlau in <strong>der</strong> Grundschule. Offenburg<br />

2005. 111 Seiten, 14,80 Euro. ISBN 3-619-01850-<br />

2<br />

Gezieltes Training<br />

Für den Einzelunterricht wie auch für Gruppen o<strong>der</strong><br />

Klassen <strong>der</strong> Stufen 3 bis 6 eignet sich Rainer Iwanskys<br />

„Rechtschreiben o.k. - trotz LRS“. Das Programm zur<br />

gezielten För<strong>der</strong>ung beginnt mit zahlreichen Bobachtungskriterien:<br />

Hat <strong>der</strong> LRS-Schüler Rechts-Links-Richtungsprobleme?<br />

Welche Fehlerschwerpunkte hat er beim<br />

Lesen, Schreiben, Abschreiben? Danach geht’s ans Basistraining,<br />

den Grundlehrgang für Kin<strong>der</strong>, wie sie sich<br />

selbst schon beim Schreiben kontrollieren können. Fehlerprotokollbögen<br />

erleichtern den Einstieg ins Detail,<br />

bevor sechzig (!) Stundenentwürfe zu den verschiedensten<br />

Rechtschreibproblemen zu lesen sind. Zum Teil<br />

bauen die Stunden auch aufeinan<strong>der</strong> auf. Insgesamt ist<br />

23


Tipps + Termine<br />

24<br />

das Buch mit 50 Euro zwar richtig teuer, dafür ist es aber<br />

auch ein gutes Handbuch mit fast 170 Kopiervorlagen,<br />

und die praktische Ringbindung garantiert das Überleben<br />

auch bei intensiver Nutzung am Kopierer im Lehrerzimmer.<br />

Rainer Iwansky: Rechtschreiben o.k. - trotz LRS. Offenburg<br />

2001. 196 Seiten, 50 Euro. ISBN 3-619-01490-6<br />

Ticken die noch richtig?<br />

Diese Frage bekommt Peer Wüschner als Pädagoge häufig<br />

von Eltern gestellt, wenn es um <strong>der</strong>en pubertierende<br />

Sprösslinge geht. Und so berichtet er von aktuellen Ergebnissen<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Hirnforschung, die die sich stark verän<strong>der</strong>nde<br />

Persönlichkeit eines Jugendlichen belegen.<br />

Wenn das Warum geklärt ist, geht es an die Hilfe für die<br />

Eltern: Beispiele zeigen, welche Grenzverletzungen es<br />

geben kann und was sie bedeuten. Damit Vater und<br />

Mutter nicht mehr machtlos zusehen müssen, bekommen<br />

sie vom Autor Methoden vorgeschlagen, um ihre<br />

Kin<strong>der</strong> zu unterstützen, zum Beispiel die „Wun<strong>der</strong>waffe<br />

Punktebogen“.<br />

Wüschner möchte die für alle Beteiligten nervenaufreibende<br />

Phase <strong>der</strong> Pubertät als ein „großartiges, einzigartiges<br />

Abenteuer und eine <strong>der</strong> intensivsten Phasen des<br />

menschlichen Lebens und Lernens“ vermitteln. Ob er<br />

damit durch alle elterlichen Seufzer dringt?<br />

Peer Wüschner: Grenzerfahrung Pubertät. Neues Überlebenstraining<br />

für Eltern. Frankfurt 2005. 216 Seiten,<br />

13,90 Euro. ISBN 3-8218-5614-9<br />

DUDEN-Hilfen für die Sek. 1<br />

Für das 5. bis 10. Schuljahr (in Realschule, Gymnasium,<br />

Gesamtschule) gedacht sind die 150 Diktate, die<br />

sich gezielt Fehlerschwerpunkte vornehmen und vielerlei<br />

Übungen am Rande anbieten. Die Merkkästen mit<br />

dem Rechtschreib- o<strong>der</strong> Grammatik-Thema vor jedem<br />

Diktat sind absolut praktisch, und die Texte an sich beinhalten<br />

abwechslungsreiche Themen.<br />

Für Klasse 5 bis 8 bietet <strong>der</strong> Band „Aufsatz/Bericht“<br />

umfangreiche Hilfs- und Lernangebote inklusive Merksätzen<br />

und Lerntipps. Völlig miserable Texte gilt es zu<br />

verbessern, Wortfeldarbeit steht an etc. Das Werk ist<br />

ebenso ansprechend und übersichtlich gestaltet wie „Aufsatz/Inhaltsangabe“<br />

für die Klassen 7 bis 10, wo nicht<br />

nur richtiges Textverständnis und sicheres Formulieren<br />

geübt werden, son<strong>der</strong>n dies auch noch mit Hilfe <strong>aus</strong>gewählter<br />

literarischer Texte geschieht: Neben Homer sind<br />

etwa Schiller o<strong>der</strong> Dürrenmatt zu finden. Ein anschauliches<br />

und hilfreiches Schülerbuch!<br />

DUDEN: 150 Diktate. Regeln und Texte zum Üben. 160<br />

Seiten, 9,95 Euro. ISBN 13-978-3-411-72311-9<br />

DUDEN: Aufsatz/Bericht. Berichte entwerfen und verfassen.<br />

112 Seiten, 9,95 Euro. ISBN 13-978-3-411-<br />

05733-7<br />

DUDEN: Aufsatz/Inhaltsangabe. Von <strong>der</strong> Textglie<strong>der</strong>ung<br />

bis zur fertigen Inhaltsangabe. 112 Seiten, 9,95 Euro.<br />

ISBN 13-978-3-411-05802-0<br />

Sachrechnen mit Vergnügen<br />

Spaßige Vorlagen zum Sachrechnen von Anfang an legen<br />

Angelika und Dieter Rehm vor: Bei Erzählbil<strong>der</strong>n<br />

ist gutes Beobachten erfor<strong>der</strong>lich, die Aufgaben dar<strong>aus</strong><br />

entstehen von ganz allein.<br />

Es gibt viele Sprechanlässe, und die Themen kommen<br />

jeweils <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Erfahrungswelt <strong>der</strong> Schulkin<strong>der</strong>. Nach<br />

grundlegenden Einführungen kommen später komplexere<br />

Auffor<strong>der</strong>ungen in ganz schlichter (und daher so<br />

guter!) Verpackung.<br />

Wenn es um den Zahlenraum 10 geht, ist allerdings fraglich,<br />

ob man im Lesen schon so weit ist, dass alle mitkommen.<br />

Aber ansonsten werden die rechnerischen Ausflüge<br />

in Zoo und Zirkus, zum Einkaufen o<strong>der</strong> zum Weihnachtsmann<br />

keine Probleme bereiten, son<strong>der</strong>n eindeutig<br />

zum Mitrechnen motivieren.<br />

Angelika Rehm / Dieter Rehm: Sachrechnen mit Bil<strong>der</strong>n<br />

und Geschichten. Kopiervorlagen für die 1. und 2. Klasse.<br />

Donauwörth 2005. 92 Seiten, 14,80 Euro. ISBN 3-<br />

403-04371-1<br />

Dreifach fit<br />

„Mein Grundwissen“ ist für das 3. und 4. Schuljahr neu<br />

erschienen und behandelt farblich getrennt die Fächer<br />

Deutsch, Mathematik und Englisch. Die Themen<strong>aus</strong>wahl<br />

orientiert sich an den Lehrplänen und bietet vielerlei<br />

Übungen an. In Deutsch geht es um Rechtschreibung,<br />

Grammatik, Erzählen, Texte schreiben und Lesen. In<br />

Mathematik findet man die Kapitel Rechnen, Sachrechnen,<br />

Geometrie und Größen. Im Fach Englisch sind die<br />

wichtigsten Themen für Sprachanfänger (z.B. family,<br />

clothes, food) im Buch enthalten. Lösungen komplettieren<br />

jeden <strong>der</strong> drei Teile. Zudem gibt es Tests, mit denen<br />

man sein Wissen selbst überprüfen kann.<br />

Kl<strong>aus</strong> Metzger (Hrsg.): Mein Grundwissen 3./4. Klasse.<br />

Berlin 2006. 244 Seiten, 12,95 Euro. ISBN 3-589-<br />

22174-7<br />

Weltwissen Sachunterricht<br />

Mitten im Experimentier-Boom ist passend eine neue<br />

Zeitschrift entstanden: „Mitten im Luftmeer“ heißt die<br />

allererste Ausgabe von „Weltwissen Sachunterricht“, in<br />

<strong>der</strong> Fachfrau Donata Elschenbroich das Editorial schreibt.<br />

Vom Vorschulalter bis ins 6. Schuljahr werden Kin<strong>der</strong><br />

mit Ideen beliefert, wie sie zum Thema Luft forschen<br />

können: Die Kita-Kin<strong>der</strong> experimentieren mit Luft, die<br />

Erstklässler mit heißer Luft und einem Taucher in <strong>der</strong><br />

Flasche. Ab Klasse 3 geht es um Luftdruck und Luftzug,<br />

bei den noch Größeren dann um die Luftpumpe und<br />

Luftkissenfahrzeuge.<br />

Die ersten 31 Karten zu einer Experimentierkartei liegen<br />

dem Heft handfest kartoniert bei. Eine Vielzahl an<br />

Kopiervorlagen, Arbeitsblättern, erklärenden Fotos und<br />

Zeichnungen veranschaulichen die einzelnen Themen,<br />

und für den Lehrer gibt es unter <strong>der</strong> Rubrik „Wissen“<br />

nicht nur fachwissenschaftlich interessante Dinge zu lesen,<br />

son<strong>der</strong>n auch angenehm gestaltete Seiten mit vielen<br />

Fotos und „Merkkästen“. Lehrplanbezüge und -einblikke,<br />

außerschulische Lernorte zum Thema und passende<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Rezensionen runden das Angebot für die Pädagogen ab.<br />

Neben <strong>der</strong> prominenten Editorial-Verfasserin haben an<br />

dieser Ausgabe zahlreiche Fachleute (wie „Experimente-<br />

Päpstin“ Gisela Lück) mitgearbeitet, aber auch ReferendarInnen<br />

und Lehrkräfte kommen mit ebenso praxisnahen<br />

Artikeln zu Wort.<br />

„Hoffentlich gefällt Ihnen das Heft - wir sind schon ein<br />

wenig stolz darauf...“ schrieb <strong>der</strong> Verlag, und das zu<br />

Recht! Es geht zwar <strong>aus</strong>schließlich um heiße Luft und es<br />

wird auch viel Wind gemacht, aber Luft, das haben wir<br />

nun gelernt, ist nicht nichts, son<strong>der</strong>n absolut bemerkenswert.<br />

Wie diese neue Zeitschrift!<br />

Zeitschrift Weltwissen Sachunterricht. Braunschweig. 4x<br />

jährlich. Einführungspreis 26 Euro/Jahr, später 38 Euro.<br />

Handbuch für Erzieherinnen und Erzieher<br />

Her<strong>aus</strong>geber Raimund Pousset berichtet, er träume seit<br />

über dreißig Jahren von einem Handbuch für Erzieherinnen<br />

und Erzieher. Wie gut, wenn manche Menschen<br />

ihre Träume realisieren!<br />

Das Beltz-Handbuch ist nicht nur zur Examensvorbereitung<br />

geeignet, son<strong>der</strong>n dient auch als umfassendes<br />

Nachschlagewerk in <strong>der</strong> täglichen Praxis. 84 Fachleute<br />

haben 163 Artikel zu aktuellen Schlüsselbegriffen von<br />

Früh-, Hort- und Heimpädagogik verfasst, die kompakt<br />

und ohne Fachchinesisch gut lesbar sind. Übersichtliche<br />

Struktur des Buches und Literaturangaben zum Vertiefen<br />

des Themas nach jedem Artikel machen es zu einem<br />

Muss in jedem Kita-Regal!<br />

Raimund Pousset (Hrsg.): Beltz-Handbuch für Erzieherinnen<br />

und Erzieher. Weinheim 2006. 512 Seiten, 39,90<br />

Euro. ISBN 3-407-56277-2<br />

Vernetzt besser arbeiten<br />

„Hilfe suchen - Hilfe finden“ ist ein über<strong>aus</strong> passen<strong>der</strong><br />

Untertitel, den das neue Buch <strong>der</strong> beiden Landauer Professoren<br />

Herbert Günther und Hanns Petillon trägt:<br />

„Netzwerk Grundschule“ geht auf pädagogische und didaktische<br />

Hilfsangebote zu Logopädie, Drogenberatung<br />

o<strong>der</strong> Gewaltprävention ebenso ein wie auf klassische<br />

Hilfsinstitutionen wie Erziehungsberatung o<strong>der</strong> Jugendamt.<br />

Auch die mögliche Zusammenarbeit mit Ärzten<br />

wird beschrieben. Fort- und Weiterbildung, Unterrichtsgestaltung<br />

und Fragen von Diagnostik und För<strong>der</strong>ung<br />

bilden weitere Schwerpunkte des Buches. In jeden <strong>der</strong><br />

Bereiche bekommt <strong>der</strong> Leser einen guten Einblick und<br />

schließlich einen Überblick, welche Hilfe in welchem<br />

konkreten Fall passend wäre, denn die Möglichkeiten<br />

und Grenzen <strong>der</strong> verschiedenen Institutionen werden<br />

detailliert angesprochen. Fälle <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Praxis beschreiben<br />

beispielhaft das mögliche Vorgehen.<br />

Viele kompetente Autoren haben die Artikel im Buch<br />

geschrieben, und es wäre schön gewesen, über ihre Qualifikationen<br />

o<strong>der</strong> Beweggründe jeweils ein, zwei Sätze<br />

zu lesen, aber in <strong>der</strong> Gänze än<strong>der</strong>t dies nichts an <strong>der</strong><br />

Nützlichkeit dieser neuen Publikation!<br />

Herbert Günther/Hanns Petillon (Hrsg.): Netzwerk<br />

Grundschule. Weinheim 2006. 224 Seiten, 19,90 Euro.<br />

ISBN 3-407-25412-1<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Roter Faden<br />

Autor Günther Hoegg ist Jurist und Pädagoge und lehrt<br />

Schulrecht an <strong>der</strong> Uni Oldenburg. Da lag es nahe, dass<br />

er nun versucht hat, einen „roten Faden des deutschen<br />

Schulrechts“ zu spinnen, also ein für alle Bundeslän<strong>der</strong><br />

gültiges Werk.<br />

Sein Ziel, den Leser erkennen zu lassen, dass sich „sein<br />

pädagogischer Spielraum durch die Kenntnis des Schulrechts“<br />

erweitert, erreicht Hoegg mühelos: Neben juristischem<br />

Grundwissen geht es um Rechte des Lehrers,<br />

Datenschutz und Urheberrecht, Eltern, Schüler, Leistungsbewertung,<br />

das Kollegium, die Schulleitung und<br />

die Schulaufsicht. Das Schulrecht ist nicht systematisch<br />

dargestellt, son<strong>der</strong>n konkrete Probleme <strong>aus</strong> dem Schulalltag<br />

werden behandelt. Der Autor kann und will hier<br />

nicht genaue Lösungen vorgeben, son<strong>der</strong>n dem Lehrer<br />

ein „Multitool“ auf den Tisch legen, das für die kleinen<br />

Reparaturen des Alltags reicht. Und das tut es!<br />

Zudem sind selbst die Stellen des juristischen Grundwissens,<br />

die Hoegg als unvermeidbar, aber lei<strong>der</strong> trokken<br />

ankündigt, spannend zu lesen. Auch (o<strong>der</strong> gerade?)<br />

nach vielen Dienstjahren äußerst aufschlussreich und<br />

bislang fehlend in <strong>der</strong> Bibliothek <strong>der</strong> Grundschule!<br />

Günther Hoegg: Schulrecht. Weinheim 2006. 192 Seiten,<br />

22,90 Euro. ISBN 3-407-25411-3<br />

Lesepeter<br />

Im April 2006 erhielt den LesePeter das Bil<strong>der</strong>buch:<br />

René Mettler, Die Natur ganz nah und weit weg, <strong>aus</strong><br />

dem Französischen von Leonie Jakobsen, Carlsen, Hamburg<br />

2006, 40 Seiten /geb./ 14,00 €<br />

Das großformatige Bil<strong>der</strong>buch zoomt sich Seite für Seite<br />

<strong>aus</strong> einem Detail (Kirschen am Baum) bis in die Buchmitte<br />

(Landschaft <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Luft) und wie<strong>der</strong> hinein, so dass<br />

das erste Bild sehr ähnlich ist dem letzten (rote Himbeeren).<br />

Dabei geht <strong>der</strong> Blick <strong>aus</strong> einer gestalten in eine Naturlandschaft.<br />

Tolle Rot-Grün Kontraste!<br />

Im Mai 2006 erhält den LesePeter das Kin<strong>der</strong>buch:<br />

Dagmar H. Mueller, Die Hälfte des Himmels gehört<br />

Bo, Illustrationen von Michael Bayer, Thienemann Verlag,<br />

Stuttgart 2006, 220 Seiten / 12,90 €<br />

Nach <strong>der</strong> Beerdigung steigt ein Luftballon mit einem Zettel<br />

in die Luft: „Am 16. Dezember starb mein kleiner Bru<strong>der</strong>.<br />

Er war erst sechs Jahre alt. Aber er war <strong>der</strong> beste Bru<strong>der</strong>,<br />

den man nur haben kann. Ich wünschte, ihr hättet<br />

ihn gekannt.“ Martha erzählt die anrührende Geschichte,<br />

wie Bo sich „die Hälfte des Himmels“ erobert und die Familie<br />

damit fertig wird.<br />

Tipps + Termine<br />

25


Tipps + Termine<br />

Hilfe für die Wahl des Studiengangs GmbH. Das Online-Beratungstool integriert alle Pha-<br />

Frauen aller Län<strong>der</strong> vereinigt euch!<br />

26<br />

Das entscheidende Plus bei <strong>der</strong> persönlichen Studienund<br />

Lebensplanung bietet die Ruhr-Universität Bochum<br />

seit dem 1. April 2006 im Internet an: Dort gibt es das<br />

„Online-Beratungstool“ <strong>der</strong> RUB, das an deutschen<br />

Universitäten bislang einzigartig ist. Es geht weit über<br />

eine reine Studien- o<strong>der</strong> Berufsberatung hin<strong>aus</strong>. Studieninteressierte<br />

bekommen umfassende und maßgeschnei<strong>der</strong>te<br />

Empfehlungen für ihre individuelle Karriere. Entwickelt<br />

haben das Beratungstool Psychologen <strong>der</strong> RUB<br />

um Prof. Dr. Heinrich Wottawa und die Firma eligo<br />

Ein Verband für Migrantinnen wurde Anfang März im<br />

Rahmen einer dreitägigen Migrantinnenkonferenz in<br />

Köln gegründet. „Die Konferenz beschäftigte sich speziell<br />

mit <strong>der</strong> Situation von Migrantinnen. Ziel <strong>der</strong> Konferenz<br />

war es, Strukturen zu schaffen, die die Lebenssituation<br />

von Frauen <strong>aus</strong>ländischer Herkunft verbessern und<br />

ihre Integration in allen Lebensbereichen för<strong>der</strong>n können.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Diskussion haben wir beschlossen,<br />

einen Migrantinnenverband als unabhängige Frauenorganisation<br />

zu gründen“, erläutert Sidar Demirdögen die<br />

sen <strong>der</strong> eigenen Lebensplanung und stellt bereits frühzeitig<br />

die Weichen in die richtige Richtung. In drei Stufen<br />

hilft das Tool, die Fragen zu beantworten: Was will<br />

ich werden? Mit welchem Studienfach kann ich meine<br />

Ziele erreichen? Und was kann ich konkret an <strong>der</strong> Uni<br />

Bochum studieren, um diesen Weg einzuschlagen? So<br />

bekommen die Studieninteressierten in den drei Modulen<br />

- mein Berufsweg, mein Studiengang, meine Uni -<br />

mehr als eine maßgeschnei<strong>der</strong>te Empfehlung für ein geeignetes<br />

Studium. Das Beratungstool ist abrufbar unter<br />

www.rub.de/beratungstool<br />

pm<br />

Gründung des Verbandes. „Migrantinnen haben ähnliche<br />

Probleme wie an<strong>der</strong>e Frauen auch. Doch aufgrund<br />

<strong>der</strong> Migration gibt es auch spezifische Konflikte. Für uns<br />

war es daher wichtig, selbst aktiv zu werden. Der Verband<br />

wird bei seiner Arbeit von den speziellen Problemen<br />

<strong>aus</strong>gehen, die Migrantinnen haben“, so Sidar Demirdögen<br />

weiter. „Dabei möchten wir uns nicht abspalten<br />

von an<strong>der</strong>en Organisationen. Wir möchten vielmehr<br />

Bindeglied sein, wir möchten Brücken bauen“, erklärt<br />

sie. Bisher konnte <strong>der</strong> Verband einige Aktivitäten durchführen,<br />

wie etwa einen dreimonatigen EDV-Grundlagenkurs<br />

für Migrantinnen.<br />

Näheres zum Verband auf: www.migrantinnen.org<br />

und bei Sidar Demirdögen: sidard@gmx.de<br />

Fundgrube Vertretungsstunden liegt nun in einer neuen Ausgabe vor. Unterrichtende<br />

Zwischen dem Blick auf den Vertretungsplan und <strong>der</strong><br />

Vertretungsstunde bleibt in <strong>der</strong> Regel keine Zeit für eine<br />

<strong>aus</strong>führliche Unterrichtsvorbereitung. Was also tun mit<br />

30 fremden Schülern? In dieser Situation bewährt sich<br />

die Fundgrube Vertretungsstunden. Der Klassiker <strong>aus</strong><br />

dem Cornelsen Verlag wurde komplett überarbeitet und<br />

BAföG <strong>aus</strong>rechnen<br />

SchülerInnen und StudentInnen können jetzt schon vor<br />

dem Ausfüllen eines BAföG-Antrages <strong>aus</strong>rechnen, wie<br />

viel För<strong>der</strong>ung sie vermutlich erhalten werden. Die Arbeitskammer<br />

des Saarlandes hat die aktualisierte Broschüre<br />

„Finanzielle För<strong>der</strong>ung für Schüler und Studenten<br />

- Erläuterungen zum BAföG“ als Online-Version ins<br />

Image <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

Das Image <strong>der</strong> Gewerkschaften bei jungen Menschen ist<br />

besser als vermutet. Das zeigt eine repräsentative Umfrage<br />

des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag <strong>der</strong><br />

Zeitschrift Neon. Welche dieser Organisationen halten<br />

Sie für glaubwürdig? Das wollten die Meinungsforscher<br />

von den 18- bis 30-Jährigen wissen. Am meisten Vertrauen<br />

haben die Befragten zu Greenpeace (52 %). Die<br />

Gewerkschaften erreichten immerhin mit 23 Prozent den<br />

zweiten Platz, dicht gefolgt von den Kirchen (22 %),<br />

aber weit vor den Parteien (7 %).<br />

aller Fächer und Schulformen <strong>der</strong> Sek. I finden hier mehr<br />

als 200 Anregungen, Spiele, Rätsel und Materialien für<br />

einfallsreichen und entspannten Vertretungsunterricht.<br />

pm<br />

Michael Gressmann: Fundgrube Vertretungsstunden<br />

Cornelsen Verlag Scriptor, 2005, 240 Seiten, kartoniert<br />

Euro (D) 16,95, ISBN 3-589-22175-5<br />

Netz gestellt. Im Angebot enthalten sind Rechenbeispiele,<br />

die Adressen aller Anlaufstellen sowie Links zu allen<br />

Gesetzestexten rund ums BAföG.<br />

www.arbeitskammer.de<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Bildung sichtbar machen<br />

In nahezu allen Bildungsplänen für Kin<strong>der</strong>tagesstätten<br />

wird verlangt, Bildung zu beobachten und zu dokumentieren.<br />

Wie kann das geschehen? Wie kann man Bildung<br />

sichtbar machen?<br />

Ein Team von Autorinnen und Autoren <strong>aus</strong> dem »Gesprächskreis<br />

Bildungsbuch« <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> ist dieser Frage<br />

nachgegangen: Bernhard Eibeck skizziert den Werdegang<br />

<strong>der</strong> Bildungsbuch-Idee und markiert sechs Leitsätze. Das<br />

Bildungsbuch soll das Lern-Buch des Kindes sein, Ressourcen<br />

för<strong>der</strong>n und Perspektiven eröffnen, Transparenz<br />

im Team schaffen, die Beziehungen zu den Eltern verbessern,<br />

die Kompetenzen <strong>der</strong> Erzieherinnen stärken und<br />

gute Vor<strong>aus</strong>setzungen für den Übergang in die Schule<br />

schaffen.<br />

Norbert Huhn und Kornelia Schnei<strong>der</strong> erkunden die<br />

Interessen von Kin<strong>der</strong>n am Dokumentieren und plädieren<br />

dafür, Bildung im Dialog mit Kin<strong>der</strong>n sichtbar zu<br />

Schwule Lehrer:<br />

Pfingsten im Waldschlösschen!<br />

Jedes Jahr treffen sich schwule Lehrer <strong>aus</strong> allen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

zu Pfingsten im Waldschlösschen bei Göttingen.<br />

Zum 27. Mal (!) organisieren die Kollegen <strong>der</strong> AG<br />

Homosexuelle Lehrer <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Berlin zusammen mit<br />

an<strong>der</strong>en Kollegen <strong>aus</strong> dem ganzen Bundesgebiet und <strong>der</strong><br />

Akademie Waldschlösschen ein Fortbildungswochenende<br />

mit vielfältigen Workshops und Seminaren für alle,<br />

vom schwulen Lehramtsstudenten bis zum Kollegen mit<br />

langjähriger Berufserfahrung. So ist <strong>der</strong> Erfahrungs<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch<br />

<strong>der</strong> ungefähr 80 Teilnehmer in Kleingruppen<br />

unter dem Motto: „<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Schule geplau<strong>der</strong>t“, ein immer<br />

wie<strong>der</strong>kehren<strong>der</strong> fester Bestandteil, bei dem je<strong>der</strong><br />

in angenehm entspannter Atmosphäre über seine Situation<br />

an <strong>der</strong> Schule berichten kann. Für viele eines <strong>der</strong><br />

spannendsten und wichtigsten Angebote, denn noch<br />

immer hat nicht je<strong>der</strong> Kollege eine schwule Gewerkschaftsgruppe<br />

in seiner Nähe, bei <strong>der</strong> er regelmäßigen<br />

Aust<strong>aus</strong>ch findet! Außerdem sind in diesem Jahr geplant:<br />

Kollegiale Praxisberatung. Sexualerziehung - immer das<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Tipps + Termine<br />

machen. Der Alltag erscheint uns oft unspektakulär, routiniert<br />

und ist doch gleichzeitig unverwechselbar einmalig<br />

und augenblicklich.<br />

Vier Momentaufnahmen von Gesine Kulcke <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

zeigen Kita-Teams, die sich auf den Weg gemacht<br />

haben, Bildungsspuren von Kin<strong>der</strong>n festzuhalten.<br />

Strukturelle und konzeptionelle Vor<strong>aus</strong>setzungen für<br />

Fachkräfte und Träger stehen im Mittelpunkt des Beitrages<br />

von André Dupuis.<br />

Roger Prott klärt die rechtliche Situation, in die Dokumentationen<br />

eingebettet sind und spürt offenen Fragen<br />

nach, die das Bildungsbuch von an<strong>der</strong>en Dokumentationsformen<br />

unterscheiden. - Dieses Buch for<strong>der</strong>t Sie auf,<br />

am Experiment Bildung teilzunehmen.<br />

Bildung sichtbar machen - Von <strong>der</strong> Dokumentation zum<br />

Bildungsbuch, 142 Seiten mit vielen Fotos, ISBN 3-<br />

937785-41-8, 14,90 Euro<br />

Für <strong>GEW</strong>-Mitglie<strong>der</strong> zum Son<strong>der</strong>preis von 5 Euro zzgl.<br />

Versandkosten erhältlich bei juhi@gew.de o<strong>der</strong> Fax: 069/<br />

78973103<br />

Gleiche? Homosexualität<br />

im Bil<strong>der</strong>buch, Umgang<br />

mit Migranten. Zum aktuellen<br />

Stand <strong>der</strong> Schwulen<br />

Lehrergruppen in den<br />

Landesverbänden <strong>der</strong><br />

<strong>GEW</strong> Bundeslän<strong>der</strong>n. Kollegiale Fallbesprechung u. v.<br />

m. Das anspruchsvolle Tagungsprogramm (siehe auch<br />

www.schwulelehrer.de) wird durch ein nicht weniger<br />

niveauvolles Rahmenprogramm abgerundet.<br />

Rechtzeitige Anmeldungen sind dringend empfohlen:<br />

www.waldschloesschen.org o<strong>der</strong> direkt an:<br />

Akademie Waldschlösschen, 37130 Reinh<strong>aus</strong>en bei Göttingen,<br />

Telefon 0 55 92 92 77-0, Telefax 92 77-77,<br />

info@waldschloesschen.org.<br />

Guido Mayus, Ulf Höpfner,<br />

AG Homosexuelle Lehrer, <strong>GEW</strong> Berlin<br />

27


Tipps + Termine<br />

Im Netz gegen Rechts<br />

28<br />

Beim Wettbewerb „Im Netz gegen Rechts - Arbeitswelt<br />

aktiv!“ werden Online-Materialien jedwe<strong>der</strong> Art gesucht,<br />

die dazu ermuntern, gegen Rechts und für Gleichberechtigung<br />

aktiv zu werden. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise<br />

um Projekte handeln, die viel Zeit und<br />

großes technisches Know-how erfor<strong>der</strong>n. Wichtig ist vielmehr,<br />

dass ein kreativer Zugang zu <strong>der</strong> Problematik gefunden<br />

wurde. Es kann sich um ein einfaches Compu-<br />

1.000 Traumjobs an einem Tag<br />

Vorstellungen von ihrem Traumberuf haben viele Jugendliche<br />

– doch nur <strong>der</strong> wirkliche Arbeitsalltag gibt<br />

Schülern die Chance, sich in <strong>der</strong> Ausbildungsvielfalt zu<br />

orientieren.<br />

Aus diesem Grunde rufen das Deutsche Kin<strong>der</strong>hilfswerk<br />

und die DBV-Winterthur mittelständische Unternehmen<br />

dazu auf, SchülerInnen in den Herbstferien 2006<br />

Forum Politische Bildung<br />

Das Seminarprogramm Politische Bildung des DGB-Bildungswerks<br />

für 2006 ist erschienen. Über 100 Seminare<br />

zu den Themenbereichen Gesellschaft, Wirtschaft, Europa,<br />

Migration, Arbeitswelt und Computer werden angeboten.<br />

Außerdem sind weitere Seminare in Zusammenarbeit<br />

mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund<br />

Arbeitszeugnisse verstehen<br />

Die Gewerkschaft ver.di hat eine Service-Hotline eingerichtet,<br />

über die auch Nicht-Mitglie<strong>der</strong> zum Thema Arbeitszeugnis<br />

beraten werden. Unter <strong>der</strong> Nummer 01802/<br />

938 46 47 geben Fachleute <strong>der</strong> Gewerkschaft Auskunft<br />

über die verdeckte Bedeutung von Formulierungen und<br />

e-quali für benachteiligte Jugendliche<br />

Manche Jugendliche benötigen für einen erfolgreichen<br />

Start in Ausbildung und Beruf beson<strong>der</strong>e Unterstützung.<br />

Wie sich Chancen und Potenziale von E-Learning zu<br />

ihrer För<strong>der</strong>ung und Qualifizierung nutzen lassen, zeigen<br />

ein Praxisleitfaden und die beigefügte CD-ROM <strong>aus</strong><br />

dem Universum Verlag.<br />

Basis ist das Projekt „e-quali“, ein Teil des Programms<br />

„Kompetenzen för<strong>der</strong>n - Berufliche Qualifizierung für<br />

Zielgruppen mit beson<strong>der</strong>em För<strong>der</strong>bedarf“ des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung (BMBF), Es<br />

wurde von <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung<br />

e.V. gemeinsam mit dem Universum Verlag realisiert und<br />

setzt Standards für den Einsatz von E-Learning in <strong>der</strong><br />

Praxis <strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung.<br />

Zentrale Inhalte sind: Ziele, Durchsetzung und Ergebnisse<br />

von „e-quali“, Konzepte und Praxisanleitungen zur<br />

terspiel o<strong>der</strong> eine Animation, die zum Nachdenken anregt,<br />

handeln, um einen beson<strong>der</strong>en Bildschirmschoner,<br />

ein Logo für eine Kampagne, eine Website, die sich mit<br />

dem Thema Rassismus in <strong>der</strong> Arbeitswelt <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong><br />

setzt o<strong>der</strong> eine für das Internet aufbereitete Dokumentation<br />

von entsprechenden Aktivitäten, ein digitaler Kurzfilm,<br />

<strong>der</strong> zum Download bereitgestellt wird, und, und,<br />

und …<br />

Infos: www.gelbehand.de<br />

pm<br />

einen Tag lang ihren Berufsalltag zu zeigen. Das Ziel ist<br />

es, insgesamt 1.000 Traumjobs für einen Tag zu finden.<br />

Die Vergütung <strong>der</strong> Jugendlichen kommt dem Projekt<br />

”Eine Schultüte für jedes Kind“ des Deutschen Kin<strong>der</strong>hilfswerks<br />

zugute. Mit den Mitteln stattet die Hilfsorganisation<br />

Erstklässler mit gefüllten Schultüten <strong>aus</strong>, finanziert<br />

die Erst<strong>aus</strong>stattung und sogar eine kleine Feier.<br />

Infos und Anmeldung:<br />

www.dvb-winterthur-traumjobs.de<br />

pm<br />

(ÖGB) im Angebot, unter an<strong>der</strong>em zu den Themen<br />

Globalisierung, Rassismus und soziale Gerechtigkeit. Im<br />

Juli und August 2006 wird erneut <strong>der</strong> Hattinger Mediensommer<br />

gefeiert, <strong>der</strong> für alle Altersgruppen Kurse rund<br />

um den Computer anbietet. Die Anmeldung steht allen<br />

Interessierten unabhängig von <strong>der</strong> Mitgliedschaft in einer<br />

DGB-Gewerkschaft frei.<br />

www.dgb-bildungswerk.de<br />

vermitteln Hilfen zur Lösung konkreter Probleme. Eingesandte<br />

Arbeitszeugnisse werden innerhalb von zwei<br />

Tagen analysiert. Der Service ist für Mitglie<strong>der</strong> kostenlos,<br />

Nicht-Mitglie<strong>der</strong> zahlen 70 Euro je Beratungsstunde.<br />

Die Gebühr für Nicht-Mitglie<strong>der</strong> wird im Falle des<br />

Gewerkschaftsbeitritts erlassen.<br />

www.verdi-arbeitszeugnisberatung.de<br />

Umsetzung von E-Learning in <strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung,<br />

Entwicklung eines zielgruppengerechten<br />

Lernarrangements im Internet, Erprobung bei Einrichtungen<br />

<strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung, Perspektiven<br />

für E-Learning in <strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung,<br />

Materialsammlung für TrainerInnen und LehrerInnen<br />

auf CD-ROM.<br />

Weitere Informationen unter: www.universum.de/praxisreihe-jub<br />

pm<br />

Charlotte Höhn / Ute Meinert-Kaiser / Rolf Schiener<br />

e-quali - E-Learning für benachteiligte Jugendliche<br />

Praxisleitfaden mit CD-ROM<br />

144 Seiten, vierfarbig mit Grafiken und Fotos<br />

ISBN 3.89869-155-1, 15,80 Euro<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Stadtführungen von jungen KiezexpertInnen in Berlin<br />

alle Fotos: bloog<br />

- Lars P Mathiassen<br />

and/or<br />

larscapes.com<br />

Wenn Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und LehrerInnen<br />

zum Zweck <strong>der</strong> Wissensvermittlung<br />

zusammenkommen, dann steht im Allgemeinen<br />

außer Frage, in welche Richtung das<br />

Wissen fließen soll: vom Erwachsenen zum<br />

Heranwachsenden, vom Lehrer zum Schüler.<br />

Dabei verfügen Heranwachsende durch<strong>aus</strong><br />

über >>ExpertInnenwissen


Tipps + Termine<br />

30<br />

Bewegte Schule - bewegte Kin<strong>der</strong><br />

Dorothea Beigel<br />

Diplom-Sozialpädagogin<br />

Mens sana in corpore sano - schon im klassischen Altertum<br />

wusste man um die Bedeutung von körperlicher Fitness für<br />

die geistige Leistungsfähigkeit. Dieses Bewusstsein ist seit langem<br />

im Schwinden begriffen und droht heute, in <strong>der</strong> Atmosphäre<br />

einseitiger Leistungsorientierung des PISA - Zeitalters,<br />

vollends verloren zu gehen. Dabei ist es sehr wahrscheinlich,<br />

dass die deutschen PISA - Resultate gerade wegen <strong>der</strong><br />

Vernachlässigung von Bewegung in <strong>der</strong> Schule so schlecht<br />

<strong>aus</strong>gefallen sind. Da kann man dem verlag mo<strong>der</strong>nes lernen<br />

nur dankbar sein, dass er seine <strong>aus</strong>gezeichnete Reihe über<br />

Lernen in Bewegung nun mit einem neuen Buch <strong>der</strong> hessischen<br />

Lehrerfortbildnerin Dorothea Beigel erweitert hat:<br />

„Beweg dich, Schule!“ *)<br />

Um einer auf Lehrerseite häufigen Sorge gleich zu Beginn<br />

entgegenzutreten: Das Buch beschreibt nichts, was zusätzlich<br />

zum Unterricht zu leisten wäre. Es stellt auch keine<br />

einzige Unterrichtsmethode in Frage, son<strong>der</strong>n: „Es bemüht<br />

sich, Lernen in <strong>der</strong> Schule mit Freude und Bewegung zu<br />

verknüpfen, Konzentration und Aufmerksamkeit zu pflegen“<br />

(S. 11). Die Integration von Bewegung und Unterrichtsinhalten<br />

för<strong>der</strong>t Sinnlichkeit und Ganzheitlichkeit des<br />

Lernens, damit auch die Effizienz von Unterricht, und leistet<br />

gleichzeitig einen unschätzbaren Beitrag zur Gesundheitsför<strong>der</strong>ung.<br />

Etwa ein Viertel des Buches besteht <strong>aus</strong> kompakt und verständlich<br />

dargestellter, unverzichtbarer Theorie, die für das<br />

Unterrichten in allen Jahrgängen bedeutsam ist. Dass Wahrnehmung<br />

und Lernen zusammenhängen, ist zwar mittlerweile<br />

allgemein bekannt. Aber nicht nur Hören und Sehen<br />

sind diesbezüglich von Belang, son<strong>der</strong>n auch Tastsinn (taktiles<br />

System), Gleichgewicht (Vestibularsystem) und das Zusammenspiel<br />

von Muskeln, Sehnen und Gelenken (Propriozeption).<br />

Wenn Lehrkräfte über Grundwissen zu dieser Thematik<br />

verfügen, können Sie das Lern- und Sozialverhalten<br />

ihrer Schülerinnen und Schüler wesentlich besser erklären<br />

und angemessen darauf reagieren. Außerdem werden ihre<br />

Klassen leistungsfähiger. Beigel berichtet von einem kanadischen<br />

Experiment mit über 500 Kin<strong>der</strong>n des ersten bis sechsten<br />

Schuljahrs, bei dem eine Stunde mehr Bewegung pro<br />

Woche nicht nur die motorischen Fähigkeiten, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Fachleistungen in Mathematik und Französisch stärker<br />

steigerte als bei <strong>der</strong> Kontrollgruppe.<br />

Reifungsverzögerung in Bezug auf frühkindliche Reflexe, ein<br />

Häppchen Gehirnforschung sowie die Unterscheidung von<br />

prozeduralen und deklarativen Lernprozessen runden das<br />

Theoriekapitel ab.<br />

Die Praxis startet mit einem <strong>aus</strong>gearbeiteten Konzept für<br />

einen Elternabend (Kap. 2), denn schulische und familiäre<br />

Erziehung sollten möglichst gut aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt sein.<br />

Das umfangreichste Kapitel (Kap. 3) bietet dann auf 140<br />

Seiten eine regelrechte Schatzkiste mit rund 100 Spielen und<br />

Übungen für den Unterricht. Sie sind gekennzeichnet für<br />

den Einsatz nach Altersstufen von <strong>der</strong> Vorklasse (Schulkin<strong>der</strong>garten)<br />

bis zum 10. Schuljahr sowie entsprechend ihrer<br />

Zuordnung zu den Fächern Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen,<br />

Sach- bzw. Gesellschaftskunde o<strong>der</strong> zum fächer-<br />

übergreifenden Einsatz. Alle Spiele und Übungen sind gründlich<br />

beschrieben und teilweise bebil<strong>der</strong>t. Komplettiert wird<br />

<strong>der</strong> Praxisteil des Buches mit einem eigenen (4.) Kapitel „Bewegung<br />

und Entspannung für Lehrer“. Es vermittelt praktikable<br />

Übungen für die kleine und die große P<strong>aus</strong>e, für die<br />

Hofaufsicht und fürs Lehrerzimmer. Damit die Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Anregungen des Buches schon bald nach seiner Lektüre<br />

beginnen kann, stellt das 5. Kapitel allgemeine „Tipps zum<br />

Einstieg in das Lernen mit Bewegung“ vor. Mit Hilfe <strong>der</strong><br />

Adressen im Anhang kann sich je<strong>der</strong> Interessierte vertiefende<br />

Informationen zu <strong>aus</strong>gewählten Aspekten des Themas besorgen.<br />

„Beweg dich, Schule!“ gehört in die Hand je<strong>der</strong> Lehrerin und<br />

jedes Lehrers in Grund- und weiterführenden Schulen. Eine<br />

<strong>der</strong> zahlreichen zutreffenden Schlussfolgerungen <strong>aus</strong> PISA<br />

lautete: „Der Unterricht muss besser werden.“ Dieses Buch<br />

trägt wesentlich dazu bei. Aber am wichtigsten finde ich,<br />

dass es dazu beiträgt, Schule humaner zu machen, denn es<br />

thematisiert das menschliche Grundbedürfnis nach Bewegung<br />

und för<strong>der</strong>t das Wohlbefinden und die Gesundheit sowohl<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> als auch <strong>der</strong> Erwachsenen in Schule. Also: kaufen,<br />

lesen, umsetzen!<br />

Detlef Träbert<br />

*) Dorothea Beigel: Beweg dich, Schule!<br />

Eine „Prise Bewegung“ im täglichen Unterricht<br />

<strong>der</strong> Klassen 1-10, Dortmund<br />

(BORGMANN MEDIA), Nov. 2005,<br />

256 S., 22,80 Euro<br />

Bücherspalte<br />

<strong>GEW</strong>-Handbuch für Lehrerinnen und<br />

Lehrer 4.Auflage1998 Loseblatt<strong>aus</strong>gabe<br />

- Gesamtwerk mit Spezialordner<br />

6. überarbeitete Fassung<br />

Stand Juni 2005<br />

Das rund 1400 Seiten starke Werk enthält alle<br />

wichtigen Gesetze und Verwaltungsvorschriften<br />

für den Schulbereich in Rheinland-Pfalz.<br />

Mitglie<strong>der</strong>: Euro 23,00<br />

Nichtmitglie<strong>der</strong>: Euro 32,00 zzgl.Porto<br />

Wissenswertes für Beamtinnen und<br />

Beamte<br />

Informationen zu beamtenrechtliche Themen wie<br />

Besoldung, Arbeitszeit, Reise- und Umzugskosten,<br />

Versorgung und Beihilfe<br />

280 Seiten, Ausgabe 2005/2006<br />

2,60 Euro zzgl. Porto<br />

Bestellungen an:<br />

<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

Neubrunnenstr. 8 · 55116 Mainz<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006


Kreis Kaiserslautern<br />

Arbeitskampf öffentlicher Dienst:<br />

Solidaritätskonzert mit Savannah-Blues-Band<br />

Fotos:<br />

B. Clessienne<br />

Anfang April spielte in Otterbach die weit über die Grenzen<br />

Kaiserslauterns hin<strong>aus</strong> bekannte Sa-vannah-Blues-<br />

Band auf. Kostenlos und mit extrem hoher Qualität. Der<br />

Kreis Worms-Alzey-Frankenthal<br />

Vorstandsteam um Jörg Pfeiffer einstimmig bestätigt<br />

Bei den turnusmäßigen Neuwahlen des <strong>GEW</strong>-Kreisvorstandes<br />

Worms-Alzey-Frankenthal <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft wurden <strong>der</strong> amtierende<br />

Kreisvorsitzende, Jörg Pfeiffer mit dem Vorstandsteam<br />

Alexan<strong>der</strong> Witt und Werner Breu<strong>der</strong> einstimmig für<br />

weitere vier Jahre wie<strong>der</strong> gewählt.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong>versammlung brachte damit u.a. ihre große<br />

Zustimmung zur engagierten Öffentlichkeitsarbeit<br />

sowohl bei <strong>der</strong> Umsetzung des Schulentwicklungsplans<br />

<strong>der</strong> Stadt Worms als auch das Kämpfen um den Erhalt<br />

des Kerschensteiner Schwimmbades zum Ausdruck.<br />

In einem Einführungsreferat hatte zuvor die stellvertretende<br />

<strong>GEW</strong> Landesvorsitzende, Sybilla Hoffmann, über<br />

das neuste Projekt des Ministeriums - die so genannte<br />

AQS - informiert. Damit ist eine neue Institution ge-<br />

Studienreisen / Klassenfahrten<br />

8-Tage-Busreise z.B. nach<br />

10-Tage-Busreise z.B. nach<br />

WIEN ÜF 192,-- € SÜDENGLAND Ü 213,-- €<br />

BUDAPEST ÜF 192,-- € TOSKANA Ü 202,-- €<br />

LONDON ÜF 254,-- € SÜDFRANKREICH Ü 230,-- €<br />

PRAG<br />

PARIS<br />

ÜF 199,-- €<br />

ÜF 224,-- €<br />

(Unterbringung in<br />

Selbstversorger-<br />

ROM ÜF 238,-- €<br />

unterkünften)<br />

Alle Ausflugsfahrten inklusive.<br />

Flug- und Bahnanreise sowie an<strong>der</strong>e Ziele (z.B. Ferienparks<br />

in den Nie<strong>der</strong>landen o<strong>der</strong> Belgien) auf Anfrage möglich!<br />

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Tel: 0 23 06/7 57 55-0 · Fax: 0 23 06/7 57 55-49 · E-mail: info@rsb-kr<strong>aus</strong>e.de<br />

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<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />

Tipps + Termine / Kreis + Region<br />

Grund: Der <strong>GEW</strong>-Kreis<br />

Kaiserslautern hatte sie für<br />

ein Solidaritätskonzert engagiert.<br />

„Vielleicht kann<br />

man ja auch mal positiv und<br />

lustbetont an die Sache rangehen“,<br />

so Andreas San<strong>der</strong>,<br />

Vorstandsmitglied und<br />

Hauptorganisator des schönen<br />

Abends. „Stress, Anfeindungen<br />

und Streit haben<br />

unsere streikenden Kollegen<br />

vor Ort lei<strong>der</strong><br />

ohnehin genug.“<br />

Richtig, und da tut es gut<br />

zu wissen, dass auch nicht direkt betroffene Menschen<br />

hinter den Streikenden stehen. Eine gute Idee, umgesetzt<br />

mit einer wun<strong>der</strong>baren Band. Während Bernhard Clessienne,<br />

einer von drei Vorsitzenden des Kreisverbandes,<br />

gewohnt nett und locker die Begrüßung und Einleitung<br />

zelebrierte, hatten Manfred Bühler (ver.di) und Peter Blase-Geiger<br />

(<strong>GEW</strong>) in <strong>der</strong> P<strong>aus</strong>e Gelegenheit, dem sehr<br />

interessierten Publikum über die aktuellen Entwicklungen<br />

des Arbeitkampfes im öffentlichen Dienst zu berichten.<br />

pbg<br />

meint, die eigentlich als externe Einrichtung den Qualitätsstandard<br />

<strong>der</strong> Schulen untersuchen und sichern soll.<br />

Der <strong>GEW</strong> Kreis hat zu diesem Thema in einer geson<strong>der</strong>ten<br />

Veranstaltung unter dem Motto „Hilfe, die Schulinspektoren<br />

kommen“ Ende März informiert.<br />

In den Vorstand wurden in den weiteren Funktionen<br />

z.T. erstmals gewählt:: Ernst-Josef Bonnkirch, Britta<br />

Gröpl (Grundschulen); Margit Zobetz, Erni Kissel<br />

(Hauptschulen); Christian Diehl, Eva-Maria Apprich<br />

(Realschulen); Rudolf Blahnik (Gymnasien); Ulrike<br />

Dörr, Susanne Sommer (För<strong>der</strong>schulen) Roland Kundel,<br />

Fabian Caspary (Berufsbildende Schulen); Ute<br />

Nürnberger-Axt (Kin<strong>der</strong>tagestätten). Die Senioren werden<br />

künftig durch Volker Schärf und Reinhold Friedrich<br />

betreut; um den Bereich <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />

kümmert sich Werner Breu<strong>der</strong> (PZ Alzey).<br />

jöpf<br />

Neue Satzung<br />

Die aktuelle Fassung <strong>der</strong> Satzung <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

kann in <strong>der</strong> Landesgeschäftsstelle bei <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>verwaltung (Lotte Kolbe) angefor<strong>der</strong>t werden<br />

und ist auch im Internet (www.gew.de) auf <strong>der</strong><br />

Homepage unseres Landesverbandes nachzulesen bzw.<br />

herunter zu laden.<br />

Red.<br />

31


<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz<br />

Beilage zur E&W<br />

Schulgeist<br />

Heute im Angebot:<br />

Geflochtene<br />

Le<strong>der</strong>peitsche<br />

32<br />

„Hast du vielleicht mein T-Shirt gesehen?“, frage ich einen<br />

Kollegen in <strong>der</strong> Gymnastikhalle. Nach <strong>der</strong> wilden Tanzstunde<br />

mit meiner Klasse muss ich es irgendwo vergessen haben, als<br />

ich mit Gettoblaster, Sport- und Schultasche zurück ins<br />

Hauptgebäude gespurtet bin. Das T-Shirt muss ich unbedingt<br />

wie<strong>der</strong>haben, da ist ein Zirkusdompteur mit einem<br />

brennenden Reifen draufgestickt. Der Kollege schickt mich<br />

zum Materialschrank. Dort entdecke ich auf einer Liege einen<br />

Berg von bunten Sporthosen, T-Shirts, Fußballhemden<br />

und Turnschuhen. „Na, hast du was Passendes gefunden?“,<br />

grinst <strong>der</strong> Kollege. Ich hebe gerade ungläubig eine Tanga-<br />

Badeschnur für den frühreifen Knaben hoch. „Holt das keiner<br />

ab?“, frage ich, „da sind doch teure Sportschuhe dabei.“<br />

Nein, das holt keiner ab. Nur ganz selten kommt mal ein<br />

Schüler vorbei und sucht nach seinen Sachen. Das bestätigt<br />

mir auch <strong>der</strong> H<strong>aus</strong>meister, in dessen Kabuff Rucksäcke, Jakken,<br />

ein Fahrradsattel und ein Hamsterrad auf ihre Besitzer<br />

warten.<br />

Bürobedarf muss ich nicht privat anschaffen. In meinem<br />

Klassenraum finden sich jede Woche Bleistifte, Radiergummis,<br />

Anspitzer und Schreibblöcke. Das alles hebe ich im Pult<br />

auf und frage hin und wie<strong>der</strong>, ob jemand etwas vermisst<br />

o<strong>der</strong> brauchen kann. Ich habe eine Sammlung von Frühstücksdosen<br />

(mit und ohne Inhalt), Handschuhen und Schals.<br />

Dazu ein Badehandtuch, eine Mozart-Büste, eine Rasta-<br />

Locke mit Klettverschluss und ein Armband mit Totenkopfanhängern<br />

- falls Ihr Kind so was vermisst. Aber anscheinend<br />

kaufen viele Eltern klaglos neue Sachen, wenn die lieben<br />

Kleinen etwas „verloren“ haben. Unser Schulleiter hat<br />

auch ein nettes Sammelsurium in seinem Tresor. Unter an<strong>der</strong>em<br />

sind da zwei Ninja-Wurfsterne, ein Abwehrspray, eine<br />

polemische Kampfschrift und eine geflochtene Le<strong>der</strong>peitsche<br />

vereint. Sicher kommen eines Tages die jeweiligen Eltern und<br />

nehmen die konfiszierten Schätze ihrer Sprösslinge an sich.<br />

Nach eingehen<strong>der</strong> pädagogischer Beratung...<br />

An unserer Schule gibt es 1000 Schüler und 120 Lehrkräfte.<br />

Jede Klasse trifft sich zum gemeinsamen Unterricht nur in<br />

Musik, Kunst, in Gesellschaftskunde und Arbeitslehre. Alle<br />

übrigen Fächer werden in verschiedenen Leistungskursen unterrichtet.<br />

Dadurch wird <strong>der</strong> Klassenraum auch von an<strong>der</strong>en<br />

Gruppen mitbenutzt. Insofern lässt sich selten feststellen,<br />

<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

Neubrunnenstraße 8 · 55116 Mainz<br />

Telefon: 06131 28988-0 · Fax 06131 28988- 80<br />

E-mail: gew@gew-rlp.de<br />

wer etwas vergessen hat. Man bekommt aber auch lei<strong>der</strong><br />

nicht her<strong>aus</strong>, wer „Fuck you“ in den Tisch geritzt, wer die<br />

Grünpflanze geköpft und wer an <strong>der</strong> Schranktür geschaukelt<br />

hat, bis die Scharniere brachen. Wenn ich am Freitag<br />

gemeinsam mit meiner Klasse Schluss habe, hebe ich erst<br />

einmal das Kleingeld auf, das auf dem Fußboden verstreut<br />

liegt. Meine Schüler grinsen: Wer bückt sich schon nach Cent-<br />

Münzen? Dann räumen wir hinter <strong>der</strong> Säule im Klassenraum<br />

auf. Dort haben sich Lisa und Gülcan eine kleine<br />

Schmuddelecke eingerichtet. Mit einem alten Radio und zwei<br />

<strong>aus</strong>rangierten Kissen. Ich drücke ihnen die Plastiktüten mit<br />

ihren Schulbüchern und den Cola-Pfandflaschen in die<br />

Hand. Sie sehen wenig begeistert <strong>aus</strong>, als sie das ganze Gepäck<br />

mitnehmen sollen. Eigentlich kommen sie immer nur<br />

mit einer zierlichen Handtasche zum Unterricht. Auch ihre<br />

Klassenkameraden, denen ich die müffelnden Sportbeutel<br />

umhänge, sind indigniert, dass sie so viel schleppen sollen.<br />

Sie hatten ihre Turnutensilien im oberen Schrank versteckt,<br />

wo ich nur mühsam mit einem Stuhl rankomme. „Sportzeug<br />

muss regelmäßig gewaschen werden!“, erkläre ich kategorisch.<br />

Ganz hinten in dem Schrank hat Julia zwei Klassenarbeiten<br />

deponiert. Warum soll sie ihren Eltern damit<br />

das Wochenende ver<strong>der</strong>ben? Marvins Saxophon, eine Leihgabe<br />

<strong>der</strong> Schule, entdecke ich unter dem Lehrerpult. „Wie<br />

willst du denn zu H<strong>aus</strong>e üben?“, lächle ich zuckersüß und<br />

überreiche ihm den Instrumentenkoffer. Lenny fegt den<br />

Raum noch frei von Chips, Sonnenblumenkernen und Krümeln.<br />

Als Svenja die Tafel trocken wischen will, traue ich<br />

meinen Augen nicht. „Gibst du wohl mein T-Shirt her?!“<br />

„Ich dachte, das ist ein Putzlappen!“, mault Svenja.<br />

Viele Schüler wünschen sich die Schließfächer zurück, die es<br />

vor <strong>der</strong> Asbestsanierung unserer Anstalt gab. Da konnte man<br />

blindlings alles reinstopfen, was schwer und lästig war. Zu<br />

vielen Stunden kamen die Schüler zu spät, weil sie in ihrem<br />

überquellenden Fach erst lange nach Heftern und Büchern<br />

suchen mussten. Manchmal erfolglos, weil sie ihre Sachen<br />

auf die Schnelle im Fach eines Freundes deponiert hatten,<br />

<strong>der</strong> dann lei<strong>der</strong>, lei<strong>der</strong> krank war. Bedauerlicherweise konnte<br />

man auch keine H<strong>aus</strong>aufgaben machen, wenn man die<br />

Bücher im Schließfach „vergessen“ hatte. Ausschlaggebend<br />

aber für die Abschaffung dieser Fächer war, dass ein paar<br />

räudige Mäuse in den Schulfluren Fangen spielten. Alle Schüler<br />

mussten danach ihre Schränke <strong>aus</strong>räumen, und was<br />

sich da an alten Bananen, Salamibroten und Joghurtbechern<br />

fand, war beeindruckend. Ein Kollege berichtete sogar<br />

von einem toten Hamster. Aber das mag ich nicht glauben.<br />

Letzten Freitag habe ich auf dem Fensterbrett hinter <strong>der</strong><br />

Säule einen MP3-Player entdeckt. Bevor ich über seine weitere<br />

Verwendung (im Unterricht!) nachdenken kann, reißt<br />

ihn mir Sascha Sekundenbruchteile später <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Hand.<br />

„Oh gut, dass Sie den gefunden haben!“ Ein Wochenende<br />

ohne Schulbücher? Cool! Ohne Musik? Unvorstellbar.<br />

Gabriele Frydrych<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006

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