Heinz Klippert weist Wege aus der Krise - GEW
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5 /06<br />
-Zeitung<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Horrortrip Schule?<br />
Foto: B. Butzke<br />
<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong> <strong>weist</strong> <strong>Wege</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Krise</strong> (S. 4-5)<br />
Tarif<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzung im<br />
öffentlichen Dienst<br />
(S. 15 - 18)
Foto: Clessienne<br />
Kolumne / Inhalt / Impressum<br />
Wer wird hier eigentlich inspiziert?<br />
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht<br />
von allen!“ Wer das Vergnügen hat, regelmäßig<br />
an diversen Sitzungen teilnehmen zu dürfen,<br />
kann die tiefe Wahrheit hinter diesem flapsigen<br />
Spruch nur bestätigen. Solche Fehler in einer<br />
Monatszeitschrift zu vermeiden, die manchmal<br />
sogar nur zweimonatlich erscheint, ist gar nicht<br />
so einfach, denn eigentlich drängt es uns danach,<br />
etwas zu all den <strong>aus</strong> <strong>GEW</strong>-Sicht wichtigen<br />
Ereignissen <strong>der</strong> vergangenen Wochen zu sagen.<br />
Zu <strong>der</strong> Tarif<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzung beispielsweise: Auch wenn nicht geräumte<br />
Straßen inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes Schnee des vergangenen<br />
Jahres ( resp. Winters ) sind, soll im Mittelteil dieser Zeitung nochmals<br />
ein Resümee des Tarifkonfliktes gezogen werden.<br />
Zum Landtagswahlergebnis beispielsweise: Tilman Boehlkau bringt es in<br />
seinem Kommentar auf <strong>der</strong> Seite nebenan auf den Nenner: Wir dürfen<br />
gespannt sein, wie sozialdemokratische Bildungspolitik pur ohne die FDP-<br />
Bremser <strong>aus</strong>sehen wird. Auch wenn die Zustimmung für das, was in den<br />
letzten Jahren <strong>aus</strong> dem Ahnen-Ministerium kam, bei den Beschäftigten<br />
im Bildungswesen lange nicht so groß war wie bei <strong>der</strong> Wählerschaft: Ein<br />
herzlicher Glückwunsch geht an die alte und neue Bildungsministerin,<br />
denn <strong>der</strong> triumphale SPD-Erfolg ist nicht nur „König Kurt“, son<strong>der</strong>n auch<br />
beträchtlich „Prinzessin Doris“ zuzuschreiben, die das Gespür für die richtigen<br />
Themen zur rechten Zeit bewiesen hat. Wer sieht, wie <strong>der</strong> CDU-<br />
Bildungspolitiker Josef Keller schon präventiv Amok läuft, weil er das geglie<strong>der</strong>te<br />
Schulsystem gefährdet sieht, muss froh sein, dass wir zumindest<br />
die nächsten fünf Jahren von den CDU-Gr<strong>aus</strong>amkeiten verschont bleiben,<br />
die wir <strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n kennen.<br />
Äußerst bedauerlich dagegen ist das Ausscheiden <strong>der</strong> Grünen <strong>aus</strong> dem Landtag.<br />
Das ist nicht parteipolitisch gemeint, nur rein objektiv. Bildungspolitisch<br />
waren <strong>GEW</strong> und Grüne (Oppositions-Grüne, muss man einschränkend<br />
sagen) nämlich seit viel Jahren fast eineiige Zwillinge. So gab es kaum<br />
eine Presseerklärung <strong>der</strong> Grünen, <strong>der</strong> wir nicht hun<strong>der</strong>tprozentig zustimmen<br />
konnten. Schade also, dass diese „Stimme <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> im Landtag“<br />
verstummt ist, und schade auch, dass eloquente Nachwuchspolitiker wie<br />
<strong>der</strong> bildungspolitische Sprecher <strong>der</strong> Grünen im (alten) Landtag, Niels<br />
Wiechmann, nicht mehr an exponierter Stelle agieren können.<br />
Von <strong>der</strong> „großen Politik“ in die Nie<strong>der</strong>ungen des schulischen Alltags: „Stell<br />
dir vor, die Schulinspektoren kommen, und keinen juckt das.“ Im Ernst:<br />
Kein Kollegium hat Anlass, die AQS zu fürchten, denn nur ein Bruchteil<br />
<strong>der</strong> Probleme, die die Inspektoren finden werden, hängen ursächlich von<br />
den Schulen ab. Um nicht missverstanden zu werden: Es kann nicht unser<br />
Ding sein, bei Defiziten abwehrend auf an<strong>der</strong>e zu zeigen. Wo von den<br />
Schulen verschuldete Mängel konstatiert werden, haben diese auch an <strong>der</strong>en<br />
Beseitigung zu arbeiten und werden dies auch tun.<br />
Es muss aber auch unser Ding sein, auf an<strong>der</strong>e Schuldige hinzuweisen.<br />
2<br />
Aus dem Inhalt <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Nr. 5 / 2006:<br />
Kommentar Seite 3<br />
Schulen Seiten 4 - 14<br />
Mittelteil: Tarifkonflikt 2006 Seiten 15 - 18<br />
Politische Bildung / Berufl. Bildung Seiten 19 - 20<br />
Rechtsschutz Seite 21<br />
Alter + Ruhestand Seite 22<br />
Tipps + Termine Seiten 23 - 30<br />
Kreis + Region Seite 31<br />
Zeitgeist Seite 32<br />
1. DIE GESELLSCHAFT: Kaum eine Schule kann sich ihre Kin<strong>der</strong> <strong>aus</strong>suchen.<br />
Es muss an dieser Stelle nicht wie<strong>der</strong>holt werden, wie die frühkindliche<br />
Sozialisation in einer Werte missachtenden Egomanengesellschaft<br />
<strong>aus</strong>sehen kann. Nur wenige Stichpunkte: Kaputte Familien, exzessiver Medienkonsum,<br />
Gewalt, Konsumterror, Drogen, und, und, und.<br />
2. DIE POLITIK ALLGEMEIN: Wenn für fast ein Fünftel eines Jahrganges<br />
von vorneherein feststeht, dass es nicht gebraucht wird, und die<br />
Politik nicht den Ansatz einer Lösung für diesen Skandal hat, wie sollen<br />
dann Lehrkräfte an Haupt- und Berufsschulen erfolgreich arbeiten können<br />
und nicht nur als Tranquilizer dienen?<br />
3. DIE BILDUNGSPOLITIK KONKRET: Ohne „eine Schule für alle“,<br />
die als verbindliche Ganztagseinrichtung die oben in 1. genannten Defizite<br />
zumindest ansatzweise kompensieren könnte, indem sie jeden einzelnen<br />
för<strong>der</strong>t und for<strong>der</strong>t, statt „Unpassende“ <strong>aus</strong>zusieben, bleiben alle Qualitätsprogramme<br />
und AQS - Berichte Makulatur.<br />
4. DIE SCHULVERWALTUNG: Echt ein Witz: Da sind tatsächlich Personen,<br />
die teilweise jahrzehntelang in den Bezirksregierung bzw. <strong>der</strong> ADD<br />
tätig waren, zur AQS gewechselt. Was begutachten diese nun in Kürze?<br />
Etwa die Früchte ihrer Einstellungspolitik, die gerade aktuell wie<strong>der</strong> dazu<br />
geführt hat, dass Spitzenkräfte in an<strong>der</strong>e Bundeslän<strong>der</strong> abgewan<strong>der</strong>t sind?<br />
Welch ein Hohn, von autonomen Schulen zu reden und diese „von außen“<br />
begutachten zu wollen nach dem Vorbild <strong>der</strong> PISA - Sieger, wenn sich die<br />
Schulen nicht mal ihr Personal selbst <strong>aus</strong>suchen können. Mal ganz abgesehen<br />
von <strong>der</strong> nach wie vor existierenden Regulierungswut im Bildungsministerium,<br />
die die Schulen mit Vorgaben überhäuft und sie zwingt, misslungene<br />
Reformen <strong>aus</strong> den Fe<strong>der</strong>n praxisferner Schreibtischaktivisten in<br />
die Realität umzusetzen.<br />
Stopp. Vielleicht ist die ganze Aufregung um die AQS vorerst auch umsonst.<br />
Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass die<br />
Qualitätsagentur nach den Osterferien nicht wie geplant mit <strong>der</strong> Pilotphase<br />
starten konnte. Grund: Das Verwaltungsgericht Mainz erließ eine<br />
einstweilige Anordnung, weil sich Ministerium und<br />
ADD geweigert hatten, die zuständigen Bezirksund<br />
Hauptpersonalräte bei <strong>der</strong> Personl<strong>aus</strong>wahl<br />
in <strong>der</strong> gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Weise zu beteiligen.<br />
Peinlich, peinlich.<br />
Günter Helfrich<br />
Impressum <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz (115. Jahrgang)<br />
Her<strong>aus</strong>geber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Neubrunnenstr. 8, 55116<br />
Mainz, Tel.: (0 61 31) 28988-0, Fax: (06131) 28988-80, E-mail: gew@gew-rlp.de<br />
Redaktion: Günter Helfrich (verantw.), Paul Schwarz (Stellvertr./Bildungspolitik), Ursel Karch<br />
(Gewerkschaftspolitik), Karin Helfrich (Außerschulische Bildung),<br />
Redaktionsanschrift: <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen,<br />
Tel./ Fax: (0621) 564995, e-mail: guenter.helfrich@gew-rlp.de<br />
Verlag und Anzeigen, Satz und Druck: Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433<br />
Neustadt a.d.W., Tel.: (06321) 8 03 77; Fax: (0 63 21) 8 62 17; e-mail: vpprei@aol.com, Datenübernahme<br />
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Manuskripte und Beiträge: Die in den einzelnen Beiträgen wie<strong>der</strong>gegebenen Gedanken entsprechen<br />
nicht in jedem Falle <strong>der</strong> Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Redaktion. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte o<strong>der</strong> zugemailte Daten wird keine Gewähr übernommen.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglie<strong>der</strong> jährlich Euro 18,-- incl. Porto<br />
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Im an<strong>der</strong>en Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />
Anzeigenpreisliste Nr. 12 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluss: jeweils <strong>der</strong> 1. des Vormonats.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Kommentar zum Landtagswahlergebnis<br />
An den Taten sollt ihr sie messen!<br />
Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz hat <strong>der</strong><br />
SPD ein his-torisches Ergebnis gebracht. Die <strong>GEW</strong><br />
gratuliert dem alten und neuen Ministerpräsidenten<br />
Kurt Beck zu diesem eindrucksvollen Wahlergebnis.<br />
In Zukunft kann sich die SPD in bildungspolitischen<br />
Fragen allerdings nicht mehr hinter dem Koalitionspartner<br />
„verstecken“.<br />
Unsere <strong>GEW</strong>-Zeitung 1-2/2006 machte mit <strong>der</strong><br />
Schlagzeile „Wahlkampfthema Bildungspolitik“<br />
auf und beschäftigte sich eingehend mit den Aussagen<br />
<strong>der</strong> Landtagsfraktionen, mit denen des Ministerpräsidenten<br />
und <strong>der</strong> Bildungsministerin sowie<br />
Stimmen von SchülerInnen und LehrerInnen.<br />
Grundlage hierfür waren unsere „Mainzer Thesen“,<br />
die <strong>der</strong> Landesvorstand im November 2005<br />
beschlossen und verabschiedet hatte.<br />
Die SPD-Landtagsfraktion - und das möchte ich noch einmal<br />
in Erinnerung rufen - hat zur These 1 „Bildungswege<br />
öffnen - Chancengleichheit herstellen“ folgendes <strong>aus</strong>geführt:<br />
„Leistungsfähigkeit und Chancengleichheit sind für uns kein<br />
Gegensatz, ganz im Gegenteil. Wir wollen möglichst viele<br />
junge Menschen zu einem guten Schulabschluss führen und<br />
ihnen qualifizierte berufliche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
bieten und das unabhängig von sozialer Herkunft<br />
und Einkommen...<br />
Wir haben das geglie<strong>der</strong>te Schulsystem erfolgreich um Regionale<br />
Schulen, Duale Oberschulen und Integrierte Gesamtschulen<br />
ergänzt, dort wo Eltern für ihre Kin<strong>der</strong> ein längeres<br />
gemeinsames Lernen wünschen. Diesen Weg wollen wir fortsetzen...<br />
Wir werden Schulen mit schwierigem sozialen Umfeld und<br />
insbeson<strong>der</strong>e Hauptschulen weiterhin gezielt för<strong>der</strong>n, die<br />
Schulsozialarbeit verstärken, unsere Anstrengungen zur<br />
sprachlichen Integration noch intensivieren und das Angebot<br />
an Schwerpunktschulen zum gemeinsamen Unterricht<br />
von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behin<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>aus</strong>bauen.“<br />
Gut so! Nun müssen den Worten aber auch Taten folgen,<br />
denn Rheinland-Pfalz gehört immer noch zu den Bundeslän<strong>der</strong>n,<br />
die die höchste Quote von SitzenbleiberInnen auf<strong>weist</strong>,<br />
in denen die Durchlässigkeit zwischen den Schularten<br />
am geringsten ist (nach oben, nicht nach unten) und wo<br />
immer noch <strong>der</strong> Schulbesuch einer weiterführenden Schule<br />
beson<strong>der</strong>s stark von <strong>der</strong> sozialen Herkunft <strong>der</strong> SchülerInnen<br />
abhängig ist. Das wollen und können wir nicht akzeptieren<br />
- deshalb heißt die Kern<strong>aus</strong>sage in unseren „Mainzer Thesen“:<br />
„Vorrangig muss die erhebliche Ungleichheit <strong>der</strong> Bildungschancen<br />
abgebaut werden.“<br />
Rheinland-Pfalz ist in <strong>der</strong> Schulpolitik viele <strong>Wege</strong> gegangen:<br />
Einführung <strong>der</strong> Vollen Halbtagsschulen, <strong>der</strong> Regionalen Schulen,<br />
<strong>der</strong> Dualen Oberschulen, <strong>der</strong> Hochbegabtenschulen und<br />
Ausbau <strong>der</strong> Integrierten Gesamtschulen. Rheinland-Pfalz ist<br />
dabei das Land des größten Nebeneinan<strong>der</strong>s verschiedener<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Kommentar<br />
Schultypen geworden. Klarer, gerechter und Ressourcen schonen<strong>der</strong><br />
angesichts <strong>der</strong> demographischen Entwicklung wäre<br />
jetzt <strong>der</strong> Schritt hin zum „Gemeinsamen längeren Lernen<br />
in einer Schule für Alle“ Die bei zurückgehenden Schülerzahlen<br />
freiwerdenden Mittel könnten dann zielgerichtet in<br />
die individuelle För<strong>der</strong>ung schwächerer, aber auch guter<br />
SchülerInnen fließen. Hier sollte die Landesregierung bedenken,<br />
dass selbst eher als konservativ einzustufende Wirtschaftsverbände<br />
und Institute mittlerweile die Zersplitterung unseres<br />
Schulsystems und die frühe „Auslese“ unserer SchülerInnen<br />
nicht mehr als zeitgemäß ansehen („Das dreigliedrige<br />
Schulsystem gehört in den Abfalleimer <strong>der</strong> Geschichte.“, so<br />
z. B. <strong>der</strong> Präsident des Münchner Ifo-Instituts in <strong>der</strong> Wirtschaftswoche<br />
Nr. 11 vom 13.03.2006.)<br />
Ein weiterer Schwerpunkt in unseren „Mainzer Thesen“ ist<br />
die These 6 „Qualifizierte Berufs<strong>aus</strong>bildung für alle - Arbeitgeber<br />
und Staat sind in <strong>der</strong> Pflicht, verstärkt Verantwortung<br />
dafür zu übernehmen“.<br />
Die SPD führte u. a. dazu <strong>aus</strong>: „Es ist das Ziel <strong>der</strong> Landesregierung,<br />
dass junge Menschen in Rheinland-Pfalz zuversichtlich<br />
in ihre berufliche und private Zukunft blicken können...“<br />
Das neue Ausbildungsjahr steht unmittelbar bevor. Es kann<br />
und darf nicht sein, dass das Angebot an betrieblichen Ausbildungsstellen<br />
weiter sinkt, denn die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplatzsuchenden<br />
nimmt weiter zu (geburtenstarke Jahrgänge<br />
drängen jetzt auf den Ausbildungsmarkt).<br />
Wir werden die SPD an ihre Aussage erinnern und wir erwarten<br />
von <strong>der</strong> neuen Landesregierung, dass sie die Arbeitgeber<br />
an ihre Verantwortung gegenüber den Ausbildungsplatzsuchenden<br />
nicht nur erinnert, son<strong>der</strong>n in die Pflicht<br />
nimmt.<br />
Die „Mainzer Thesen“ und die Aussagen <strong>der</strong> SPD-Landtagsfraktion<br />
hierzu werden <strong>der</strong> Gradmesser für die <strong>GEW</strong><br />
Rheinland-Pfalz sein, an <strong>der</strong> wir die Bildungspolitik <strong>der</strong><br />
neuen Landesregierung messen werden.<br />
Die <strong>GEW</strong> ist zum kritisch-konstruktiven Dialog bereit - die<br />
neue Landesregierung muss diesen Dialog aber auch gegenüber<br />
den Beschäftigten in allen Bildungseinrichtungen sowie<br />
den Jugendlichen in Rheinland-Pfalz mit perspektivischem<br />
Blick honorieren.<br />
Bei den Beschäftigten kann nicht immer mehr Belastungen<br />
zum Nulltarif das Gebot <strong>der</strong> Stunde sein, son<strong>der</strong>n die Schaffung<br />
von guten Rahmenbedingungen - und daran werden<br />
wir immer wie<strong>der</strong> erinnern.<br />
Tilman Boehlkau<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
3
Schulen<br />
Horrortrip Schule?<br />
<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong> <strong>weist</strong> in seinem neuen Buch <strong>Wege</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Krise</strong><br />
- Von Dr. Paul Schwarz -<br />
„Ich muss eine Unmenge Erziehungsarbeit leisten, muss Stoff<br />
vermitteln, muss psychologisch tätig werden und, und, und ...<br />
Ich fühle mich grenzenlos <strong>aus</strong>gelastet, und immer noch<br />
kommt etwas dazu“ - „Lange Konferenzen, Projekte aller Art,<br />
eine überbordende Bürokratie und ein atemberauben<strong>der</strong> Aktionismus<br />
<strong>der</strong> Führungskräfte. Der Unterricht ist zur wichtigsten<br />
Nebensache in <strong>der</strong> Schule geworden“ - Stimmen von<br />
Lehrkräften <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Schulpraxis. Die Schule ist für viele Lehrerinnen<br />
und Lehrer zum Horrortrip geworden, viele sind<br />
überfor<strong>der</strong>t und <strong>aus</strong>gebrannt.<br />
4<br />
Wie Uwe Schaarschmidt, Psychologe an <strong>der</strong> Universität<br />
Potsdam, in seiner Belastungsstudie nach<strong>weist</strong>, haben 60<br />
Prozent <strong>der</strong> bundesdeutschen Lehrkräfte mit erheblichen<br />
emotionalen und gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.<br />
Knapp 30 Prozent <strong>der</strong> deutschen Schulpädagogen<br />
sind <strong>aus</strong>gebrannt, nur 17 Prozent kommen mit den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Berufs gut zurecht. „Der Anteil <strong>der</strong> vorzeitigen<br />
Dienstunfähigkeit an den jährlichen Ruhestandseintritten<br />
liegt in dieser Berufsgruppe seit Jahren zwischen<br />
50 und 60 Prozent“, bestätigt <strong>der</strong> Kölner Sozialmediziner<br />
Andreas Weber. Zwei Drittel ihrer Patienten,<br />
so eine Psychologin, seien mittlerweile Lehrerinnen und<br />
Lehrer.<br />
Beson<strong>der</strong>s die aktuellen Reformprozesse setzen <strong>der</strong> Lehrerschaft<br />
gewaltig zu. „Was mich stört“, sagt eine Lehrerin<br />
<strong>aus</strong> einer Hauptschule in Ludwigshafen, „sind die<br />
vielen offenen B<strong>aus</strong>tellen, die politischen Schnellschüsse<br />
nach PISA ohne rechtes Konzept und ohne konkrete<br />
Hilfe“. Unter dem Motto „Vom Input zum Output“ sollen<br />
höchst anspruchsvolle Bildungsstandards und Bildungspläne<br />
realisiert werden. „Vorne werden die Schaufenster<br />
ständig neu dekoriert, aber in den Hinterzimmern<br />
bleibt alles beim alten“, so Schulreformer <strong>Heinz</strong><br />
<strong>Klippert</strong> auf <strong>der</strong> Bildungsmesse in Hannover.<br />
Mit den Reformprozessen einher geht die Verän<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Lehrerrolle. Lehrkräfte sind längst nicht mehr nur<br />
Wissensvermittler und Erzieher im althergebrachten<br />
Sinn, son<strong>der</strong>n müssen immer häufiger auch als Sozialarbeiter<br />
und Familienhelfer, Animateur und Therapeut,<br />
Medienexperte und Lernorganisatoren, Lernmo<strong>der</strong>atoren<br />
und Lernberater tätig werden. Diese und an<strong>der</strong>e<br />
Vorgaben und Auflagen führen bei Teilen <strong>der</strong> Lehrerschaft<br />
lediglich zu handfesten Versagensängsten, nicht<br />
aber zur tatkräftigen Innovationstätigkeit, zumal die gängige<br />
Lehrer<strong>aus</strong>bildung auf dieses Rollenszenario überhaupt<br />
nicht vorbereitet.<br />
Ein Dauerbrenner in Sachen Lehrerbelastung sind die<br />
verschlechterten Arbeitsumstände in den Schulen. Seit<br />
Jahren gibt es gravierende Einschnitte durch die Bildungspolitik.<br />
Das beginnt bei <strong>der</strong> sukzessiven Verlängerung<br />
<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit und reicht über die Anhebung <strong>der</strong><br />
Klassenmesszahlen bis hin zu finanziellen Kürzungen im<br />
privaten wie im schulischen Bereich. Wie <strong>der</strong> Bildungsbericht<br />
des Jahres 2003 bestätigt, liegt die durchschnittliche<br />
wöchentliche Arbeitszeit von Lehrern deutlich über<br />
<strong>der</strong> vieler an<strong>der</strong>en Berufsgruppen. Berücksichtigt man<br />
die vergleichsweise langen Ferienzeiten, bleiben immer<br />
noch Arbeitszeitwerte, die um o<strong>der</strong> über 40 Stunden pro<br />
Woche liegen.<br />
Eine zentrale Bürde <strong>der</strong> Lehrerschaft sind die großen<br />
Klassen. Während die faktische Klassenstärke in Finnland<br />
und in den erfolgreichen PISA - Län<strong>der</strong>n nie selten<br />
über 24 hin<strong>aus</strong>reichen, bewegen sie sich in <strong>der</strong> deutschen<br />
Prima- und Sekundarschule deutlich darüber. Schülerzahlen<br />
von 28 bis 30 sind inzwischen fast zur Regel<br />
geworden.<br />
Viele Kin<strong>der</strong> sind verhaltensgestört und<br />
verweigern die Arbeit<br />
Eine weitere Belastungsquelle für Lehrerinnen und Lehrer<br />
sind die vielen verhaltensgestörten Kin<strong>der</strong> in den Klassen.<br />
„Immer mehr Schüler tendieren nachweislich dazu,<br />
im Unterricht mehr o<strong>der</strong> weniger destruktiv zu agieren,<br />
verweigern die Arbeit, sind hyperaktiv, unkonzentriert,<br />
desinteressiert und passiv“, beobachtet <strong>der</strong> Psychiater<br />
Andreas Hillert, <strong>der</strong> am Chiemsee <strong>aus</strong>gebrannte Erzieher<br />
betreut..<br />
Die Überlastung <strong>der</strong> Lehrkräfte ist auch deshalb vorprogrammiert,<br />
so <strong>Klippert</strong> in seinem soeben erschienenen<br />
Buch „Lehrerentlastung“, weil <strong>der</strong> Umgang mit Heterogenität<br />
stark vernachlässigt wird. Dazu zähle beispielsweise<br />
auch die Rolle stärkerer Schüler als Helfer und<br />
Miterzieher, eine Ressource, auf die im normalen Unterricht<br />
kaum zurückgegriffen wird. „Der Nachhilfelehrer<br />
Schüler lernt bei seiner Unterstützungsarbeit fachlich in<br />
<strong>der</strong> Regel zwar nichts Neues, wohl aber steigert er aufgrund<br />
<strong>der</strong> vielfältigen Fragen und Erklärungsversuche<br />
sowohl die eigene fachliche Souveränität als auch solche<br />
persönlichen Kompetenzen wie Selbstvertrauen und<br />
Selbstwertgefühl, Eigeninitiative und Problemlösungstoleranz,<br />
Kommunikationsfähigkeit und Sozialkompetenz,<br />
Ausdauer und Frustrationstoleranz - Kompetenzen also,<br />
die im Zeitalter <strong>der</strong> neuen Bildungsstandards wichtiger<br />
und perspektivreicher sind als all das träge Wissen, auf<br />
das traditionell so viel Wert gelegt wird.“ Aber wo, fragt<br />
<strong>Klippert</strong>, wird <strong>der</strong> Umgang mit Heterogenität in <strong>der</strong><br />
Lehrer<strong>aus</strong>bildung gelernt, wo die vielzitierte „individuelle<br />
För<strong>der</strong>ung“ <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>?<br />
Ein weiteres Belastungsmoment ist nach <strong>Klippert</strong> die<br />
mangelnde Teamfähigkeit und Teambereitschaft in den<br />
Lehrerkollegien. Lehrerkooperation sei für viele Lehrkräfte<br />
ein sehr fragwürdiges Mode- und Reizwort, das auf<br />
soziale Gängelung und Gleichschaltung, auf subtile Kontrolle<br />
und vor<strong>der</strong>gründige Maßregelung <strong>der</strong> „Unbefugten“<br />
hin<strong>weist</strong>.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Gezielte Schülerqualifizierung entlastet<br />
Was also tun? Schuldzuweisungen helfen nicht weiter.<br />
<strong>Klippert</strong>: „Entlastung für Lehrerinnen und Lehrer kommt<br />
nach allem, was <strong>der</strong>zeit abzusehen ist, so schnell nicht<br />
von oben, son<strong>der</strong>n wird wohl vor allem an <strong>der</strong> innerschulischen<br />
Basis ersonnen und erkämpft werden müssen“.<br />
Hier setzt das neue Buch des Landauer Schulreformers<br />
an. Es zeigt <strong>Wege</strong> und „Strategien zur wirksamen<br />
Arbeitserleichterung in Schule und Unterricht“ auf.<br />
Mehr als drei Viertel des 288seitigen Werks widmet <strong>Klippert</strong><br />
„bewährten Entlastungsansätzen und -verfahren“ auf<br />
mehreren Aktionsfel<strong>der</strong>n: verbessertes Selbstmanagement,<br />
gezielte Schülerqualifizierung, verstärkte Lehrerkooperation,<br />
intelligentes Schulmanagement und offensive Eltern-<br />
und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist ein Vorzug des Buches,<br />
dass es mehr als 76 Seiten ganzseitige Arbeitsblätter<br />
und Checklisten zur persönlichen Vertiefung und Konkretisierung<br />
<strong>der</strong> skizzierten Entlastungsstrategien enthält,<br />
z.B. <strong>aus</strong>gearbeitete Lernspiralen um einen Lehrervortrag,<br />
um Sachtexte, zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Recherche- und Präsentationsfähigkeit.<br />
<strong>Klippert</strong>s Standardsatz „Die Lehrer arbeiten zu viel, die<br />
Schüler zu wenig“ begründet im wesentlichen die Überbeanspruchung<br />
<strong>der</strong> Lehrpersonen. In dem Maße aber,<br />
wie es Lehrkräften gelingt, die Schüler zum selbsttätigen<br />
und kooperativen Lernen zu qualifizieren, treten Entlastungseffekte<br />
ein. Selbstständigkeit, Selbstdisziplin und<br />
Selbststeuerung <strong>der</strong> Schüler hängen entscheidend davon<br />
ab, ob tragfähige Lernkompetenzen vorhanden sind. „Je<br />
versierter die Schüler ihr Lernen zu managen verstehen<br />
und je geübter sie in methodischer, kommunikativer und<br />
kooperativer Hinsicht sind, desto weniger brauchen sie<br />
Unterstützung und/o<strong>der</strong> Beaufsichtigung ihrer Lehrkräfte<br />
und desto mehr tragen sie zu <strong>der</strong>en Entlastung bei.“<br />
Konsequente Unterrichtsentwicklung und<br />
Methodenschulung erleichtern die Lehrerarbeit<br />
Dies belegen auch entsprechende Evaluationen <strong>aus</strong> den<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n zum <strong>Klippert</strong>schen Reformmodell, das<br />
mittlerweile in mehr als 500 bundesdeutschen Schulen<br />
systematisch umgesetzt wird. 88 Prozent <strong>der</strong> befragten<br />
Lehrkräfte kommen beispielsweise in Rheinland-Pfalz in<br />
ihrer Schlussbilanz zum Ergebnis, die Schüler seien infolge<br />
<strong>der</strong> konsequenten Methodenschulung selbständiger<br />
und zielstrebiger geworden, 53 Prozent konstatieren<br />
für sich eine zunehmende Entlastung im Unterricht.<br />
Begründet wird die sich abzeichnende Entlastungswirkung<br />
vor allem dadurch, dass die Schüler <strong>der</strong> trainierten<br />
Klassen selbständiger und methodenversierter zu lernen<br />
verstehen. So geben 90 Prozent <strong>der</strong> befragten rheinlandpfälzischen<br />
Lehrkräfte zu erkennen, dass die Schüler besser<br />
in <strong>der</strong> Lage seien, effektiver und regelgebundener in<br />
Gruppen zu arbeiten als vor <strong>der</strong> Reform. Und sogar 91<br />
Prozent meinen, dass die trainierten Schüler ein deutliches<br />
Plus hätten, wenn es darum gehe, selbstbewusst vor<br />
<strong>der</strong> Klasse zu reden und zu argumentieren. Als entlastungsför<strong>der</strong>nd<br />
stufen die befragten Lehrkräfte ferner die<br />
<strong>aus</strong>geprägte Teamarbeit <strong>der</strong> Lehrerschaft im Rahmen <strong>der</strong><br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
pädagogischen Schulentwicklung ein. 76 Prozent sind<br />
<strong>der</strong> Ansicht, die <strong>aus</strong>geprägten Teamaktivitäten <strong>der</strong> Lehrkräfte<br />
stärkten den Einzelnen und för<strong>der</strong>ten den Zusammenhalt<br />
im Kollegium. Auch die Befunde in Nordrhein-Westfalen<br />
unterstreichen, dass konsequente Unterrichtsentwicklung<br />
und Methodenschulung viel versprechende<br />
Entlastungsperspektiven für Lehrerinnen und<br />
Lehrer eröffnen.<br />
Freilich ist es für <strong>Klippert</strong> angesichts <strong>der</strong> vielfältigen<br />
Aufgaben und Belastungen <strong>der</strong> Lehrkräfte eine Illusion,<br />
allein auf die Selbstheilung <strong>der</strong> Schulen zu setzen. „Erfolgreiche<br />
Bildungssysteme, das lernen wir von den erfolgreichen<br />
PISA-Staaten, setzen eben nicht nur Standards,<br />
sie entwickeln gleichzeitig wirksame Rückmeldeund<br />
Unterstützungssysteme“. Unterstützungssysteme in<br />
Gestalt von Schulentwicklungsberatern, Unterrichtsentwicklern,<br />
Methodentrainern, Prozessmo<strong>der</strong>atoren, Supervisoren,<br />
Coaches, Lernberatern, Sozialpädagogen,<br />
Evaluationssachverständigen etc. Auch Bücher wie dieses,<br />
die sich nicht auf <strong>der</strong> Metaebene tummeln, son<strong>der</strong>n<br />
sehr konkrete Hilfe für den Unterricht bieten, <strong>der</strong> eben<br />
doch nicht die wichtigste Nebensache in <strong>der</strong> Schule ist.<br />
<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong>, Lehrerentlastung. Strategien zur wirksamen<br />
Arbeitserleichterung in Schule und Unterricht.<br />
Beltz-Verlag 2006, 25,90 Euro<br />
Lehrer für alle<br />
Schulen<br />
<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong><br />
stellt Strategien<br />
zur wirksamen<br />
Arbeitsbelastung<br />
von Lehrkräften<br />
vor.<br />
Foto: B. Butzke<br />
Weltweit wird 100 Millionen Kin<strong>der</strong>n das Recht auf Bildung vorenthalten.<br />
Seit sechs Jahren arbeiten NGOs und Gewerkschaften in einer globalen Bildungskampagne<br />
zusammen, damit das Milleniumziel <strong>der</strong> UN, bis 2015 allen<br />
Kin<strong>der</strong>n zumindest den Besuch <strong>der</strong> Grundschule zu ermöglichen, kein leeres<br />
Versprechen bleibt. Die diesjährige Aktionswoche <strong>der</strong> Bildungskampagne vom<br />
24. bis 26. April stand unter dem Motto „Lehrer für alle“. Zu den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> Bildungskampagne gehören in Deutschland neben <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> unter<br />
an<strong>der</strong>em die Kin<strong>der</strong>nothilfe, Care International, Oxfam Deutschland sowie<br />
World Vision. Schirmherrin <strong>der</strong> Kampagne ist Gesine Schwan, Präsidentin<br />
<strong>der</strong> Europa Universität Viadrina.<br />
www.bildungskampagne.org<br />
5
Schulen<br />
Die Schule von morgen<br />
Schleicher: Lehrpläne verän<strong>der</strong>n und Lehrerbildung reformieren reicht nicht<br />
6<br />
„Der Blick über den Tellerrand ins Ausland tut dem deutschen<br />
Schulsystem gut. Das schlechte Abschneiden <strong>der</strong><br />
Schülerinnen und Schüler bei internationalen Leistungstests<br />
und die hohe Abhängigkeit des Schulerfolgs <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> von <strong>der</strong> sozialen Herkunft <strong>der</strong> Eltern werden<br />
zunehmend auch von <strong>der</strong> Wirtschaft und in an<strong>der</strong>en<br />
Län<strong>der</strong>n mit Sorge betrachtet“, sagte Marianne Demmer,<br />
stellvertretende Bundesvorsitzende <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft, zur Eröffnung <strong>der</strong> Frankfurter<br />
<strong>GEW</strong>-Veranstaltung „Schulen in Deutschland -<br />
Schulen mit Zukunft?“. Und wer hat einen besseren<br />
Überblick über die Schulen außerhalb Deutschlands als<br />
Andreas Schleicher, PISA-Koordinator <strong>der</strong> OECD?<br />
In seinem Hauptreferat skizzierte Schleicher zunächst die<br />
Bevölkerungsentwicklung hierzulande. 2030 werde die<br />
Hälfte <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung über 65 Jahre sein.<br />
2020 müsste Deutschland jährlich eine Million Einwan<strong>der</strong>er<br />
integrieren, um die jetzige Zahl <strong>der</strong> Erwerbstätigen<br />
zu sichern. „Wie wirksam geht das deutsche Schulsystem<br />
mit diesen Problemen um?“, Wissen werde zur<br />
primären Ressource, „gemeinsam besitzen die Wissensarbeiter<br />
die entscheidenden Produktionsmittel“. Diese<br />
Erkenntnis hätten z.B. Südkorea, Japan und die nordischen<br />
Staaten Finnland und Schweden längst in ihren<br />
Schulen umgesetzt, während die Bundesrepublik noch<br />
immer beim „Weiter - So“ verharre und international<br />
immer stärker zurückfalle. „Erfolgreiche Bildungssysteme“,<br />
so Schleicher, vernetzen die Arbeit ihrer Lehrer“.<br />
Lehrer fühlten sich nicht allein gelassen und strebten eine<br />
Professionalisierung weg vom Einzelkämpfertum an. Die<br />
Schule müsse ein „attraktives Arbeitsumfeld“ bieten. In<br />
Finnland könnten Eltern ihre Kin<strong>der</strong> in jede Schule schikken.<br />
Dort betrage die Leistungsvarianz fünf Prozent, in<br />
Deutschland aber das Zehnfache. Eltern hätten wachsende<br />
Erwartungen an die Schule, die weit über das kognitive<br />
Lernen hin<strong>aus</strong>gingen. Es gelte, den Status quo zu<br />
überwinden. Schulbürokraten und ihre Interessengruppen<br />
wi<strong>der</strong>stünden dem Wandel. Um Qualität und Chancengerechtigkeit<br />
zu sichern, müsse die Investition<br />
steigen und die kritische OECD-Schwelle verlassen. Im<br />
Status quo behalte Schule ihren Charakter als Verwaltungseinheit,<br />
„die Wissen durch traditionellen Unterricht<br />
vermittelt“. Lebensbegleitendes Lernen werde zur Norm.<br />
In einem Szenario, das erfolgreich in die Zukunft geht,<br />
sei Schule ein „soziales Zentrum <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft<br />
ohne soziale Fragmentierung“. Eine systemische<br />
Verän<strong>der</strong>ung weg von <strong>der</strong> Dreigliedrigkeit müsse auch<br />
das Leben in die Schule tragen, wenn Schülerinnen und<br />
Schüler darauf vorbereitet werden sollen, d.h. „wir brauchen<br />
neben <strong>der</strong> Lehrerprofessionalität weitere Professionen<br />
im Raum Schule“. Den Lehrplan zu verän<strong>der</strong>n und<br />
die Lehrer<strong>aus</strong>bildung zu reformieren reicht nach Meinung<br />
des PISA-Koordinators nicht <strong>aus</strong>. Schwache Schulleistungen<br />
dürften nicht toleriert werden, aber entschei-<br />
dend sei es, die Anreize und die Unterstützungssysteme<br />
für Schule zu verstärken. „Ob Zentralismus im Bund o<strong>der</strong><br />
in den Bundeslän<strong>der</strong>n, ist zweitrangig. Die deutsche Bildungspolitik<br />
muss wissen, wohin die Reise geht“, sagte<br />
Schleicher. Trotz des deutschen Bildungssystems gebe es<br />
hierzulande keinen Mangel an Ideen, aber die Frage sei,<br />
wie man die Innovationen systemisch verankern könne,<br />
statt immer nur zu fragmentieren, zu selektieren und die<br />
soziale Ungleichheit zu steigern.<br />
Individuelle För<strong>der</strong>ung im geglie<strong>der</strong>ten<br />
System nicht möglich<br />
In <strong>der</strong> anschließenden Podiumsdiskussion „16 Schulsysteme<br />
- hat das Modell Deutschland Zukunft?“ äußerten<br />
sich alle Teilnehmer sehr skeptisch. Die Kin<strong>der</strong> nicht<br />
beschämen und nicht zurücklassen, for<strong>der</strong>te Alfred Harnischfeger,<br />
Schulleiter <strong>der</strong> IGS Kelsterbach in Hessen.<br />
So könne es nicht weiter gehen. Gen<strong>aus</strong>o wichtig wie<br />
die Vernetzung <strong>der</strong> Schulen, die reformbereit sind und<br />
neue <strong>Wege</strong> gehen, sei die gesellschaftliche und elterliche<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Schularbeit, „nicht ständig gegen die<br />
Schule polemisieren“. Gabriele Weindel-Güdemann <strong>aus</strong><br />
dem Landeselternbeirat Rheinland-Pfalz sprach vom<br />
notwendigen „Vertrauen in die Schule“. Ihr schwebt<br />
Schule als „soziales Zentrum“ vor. Eine „individuelle<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen“ ist nach ihrer<br />
Meinung im geglie<strong>der</strong>ten System nicht möglich, eine<br />
Auffassung, die Lothar Späth kürzlich im „Handelsblatt“<br />
vertreten hat: „Gefragt sind massive strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen:<br />
weg von einem Bildungssystem, das zu stark<br />
darauf <strong>aus</strong>gerichtet ist, überdurchschnittliche Schüler von<br />
unterdurchschnittlichen zu trennen, hin zu einem System,<br />
das individuelle Schwächen <strong>aus</strong>gleicht und Talente<br />
för<strong>der</strong>t.“<br />
Andreas Schleicher wies darauf hin, dass in erfolgreichen<br />
Schulsystemen ein einzelner Lehrer gar nicht die Möglichkeit<br />
habe, den Schüler eine Klasse wie<strong>der</strong>holen zu<br />
lassen. Sitzenbleiben sei ein mentales deutsches Muster.<br />
Lehrer und Schule müssten Probleme lösen, darin unterstützt<br />
werden und dürften Kin<strong>der</strong> nicht abschieben<br />
o<strong>der</strong> nach unten durchreichen. Wenn in Finnland nicht<br />
relativ schnell eine systemische Verän<strong>der</strong>ung erfolgt wäre,<br />
würde man dort immer noch Gummistiefel herstellen<br />
statt Hightech. In Deutschland dagegen setze man auf<br />
lange Zeiten, um etwas zu verän<strong>der</strong>n.<br />
Marianne Demmer wies in ihrem Plädoyer gegen die<br />
deutsche Selektion darauf hin, dass die Grundschule sehr<br />
heterogen sei, aber nach IGLU im oberen Drittel liege.<br />
„Wir müssen uns an guten Beispielen, etwa <strong>der</strong> skandinavischen<br />
Staaten, orientieren. Dann können wir das<br />
deutsche Schulsystem erfolgreich weiter entwickeln und<br />
den Anschluss an europäische und weltweite Standards<br />
schaffen“, betonte die Gewerkschafterin.<br />
Paul Schwarz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Bildungspotenziale <strong>aus</strong>schöpfen<br />
Im Gespräch: Dr. Andreas Schleicher, PISA-Koordinator <strong>der</strong> OECD<br />
Andreas Schleicher:<br />
Das deutscheBildungswesen<br />
setzt auf<br />
einförmigen<br />
Unterricht in<br />
leistungshomogenenLerngruppen.<br />
Foto: Schwarz<br />
Die Pisa-Studie hat dem deutschen Schulsystem miserable<br />
Noten <strong>aus</strong>gestellt. Bedeuten Ganztagsschulen einen<br />
Ausweg <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Misere?<br />
Sicherlich bieten sie gute Vor<strong>aus</strong>setzungen für bessere<br />
Bildungsleistungen, einfach indem sie mehr Raum zum<br />
Lernen schaffen, <strong>der</strong> dann genutzt werden kann sowohl<br />
um Lernschwierigkeiten und soziale Benachteiligungen<br />
besser <strong>aus</strong>zugleichen, als auch um Talente zu entdecken<br />
und zu för<strong>der</strong>n.<br />
Wie geht man in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n mit diesem Schultyp<br />
um?<br />
In den meisten <strong>der</strong> im PISA Vergleich erfolgreichen Staaten<br />
sind Schulen mit einem ganztägigen pädagogischen<br />
Auftrag ja bereits seit vielen Jahren Selbstverständlichkeit.<br />
Schulen in diesen Staaten bieten eine geeignete<br />
Kombination <strong>aus</strong> qualifiziertem Lehrpersonal, differenzierten<br />
und individualisierten Lernangeboten sowie innovativer<br />
und zeitgemäßer Ausstattung.<br />
Immerhin hat die Bundesregierung ein Milliardenprogramm<br />
zur För<strong>der</strong>ung von Ganztagsschulen aufgelegt.<br />
Das Programm bietet sicherlich eine gute Grundlage.<br />
Entscheidend für den Erfolg <strong>der</strong> Ganztagsschulen wird<br />
aber sein, dass die Infrastruktur mit guten pädagogischen<br />
Konzepten inhaltlich <strong>aus</strong>gefüllt wird. Da bleibt noch viel<br />
zu tun.<br />
Auf welche Zukunft muss sie unser Schulsystem vorbereiten?<br />
Absehbar ist z.B., dass die Zahl <strong>der</strong> Menschen im erwerbstypischen<br />
Alter in Deutschland von 40 Millionen<br />
auf 30 Millionen sinken wird. Vor diesem Hintergrund<br />
können wir uns es nicht mehr leisten, dass ein beträcht-<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Schulen<br />
licher Anteil junger Menschen, vor allem Kin<strong>der</strong> <strong>aus</strong> sozial<br />
benachteiligtem Umfeld, ihr Bildungspotenzial nicht<br />
<strong>aus</strong>schöpfen. Als Folge prognostiziert das DIW, dass<br />
Deutschland um das Jahr 2020 jährlich eine Million<br />
Migranten integrieren müsste, allein um die Größe <strong>der</strong><br />
erwerbstätigen Bevölkerung zu sichern. Erinnern wir uns<br />
hier noch einmal an die PISA - Resultate, die zeigen, wie<br />
schwer es dem deutschen Bildungssystem fällt, junge<br />
Menschen <strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en nationalen, gesellschaftlichen und<br />
sozialen Zusammenhängen zu integrieren. Weiterhin<br />
können wir davon <strong>aus</strong>gehen, dass sich die industrielle<br />
Produktion in den OECD-Staaten bis zum Jahr 2020<br />
noch einmal verdoppeln wird. Entscheiden<strong>der</strong> aber ist,<br />
dass <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> in <strong>der</strong> industriellen Produktion Beschäftigten<br />
bis dahin auf rund ein Zehntel schrumpfen<br />
wird. Den Rest werden „Wissensarbeiter“ bilden, <strong>der</strong>en<br />
„Kapital“, ihr „Wissen“, schnell veraltet. Unsere Bildungssysteme<br />
müssen diese Menschen daher nicht nur<br />
mit solidem Fachwissen <strong>aus</strong>statten, son<strong>der</strong>n in erster Linie<br />
mit <strong>der</strong> Fähigkeit und Motivation zu lebensbegleitendem<br />
Lernen. Das setzt vor<strong>aus</strong>, dass <strong>der</strong> Einzelne motiviert<br />
ist, ständig dazuzulernen, mit den erfor<strong>der</strong>lichen<br />
kognitiven und sozialen Fähigkeiten <strong>aus</strong>gestattet ist, um<br />
eigenverantwortlich zu lernen, Zugang zu geeigneten<br />
Bildungsangeboten hat und schließlich entsprechende<br />
kulturelle Anreize findet, um weiter zu lernen. Daran,<br />
nicht an <strong>der</strong> Reproduktion von Fachwissen, wird man<br />
den Erfolg zukünftiger Bildungsanstrengungen beurteilen.<br />
Was macht eine gute Schule <strong>aus</strong>?<br />
Traditionell lernen Schüler im Rahmen von Lehrplänen,<br />
die Bildungsinhalte detailliert festschreiben. Maßstab für<br />
Erfolg ist dann die Akkumulation von Fachwissen, nicht<br />
die Verankerung von anschlussfähigem Wissen und die<br />
Vermittlung von effektiven Lernstrategien. Gute Schulen<br />
dagegen orientieren sich an strategischen Bildungszielen,<br />
und ihre Lehrer setzen diese Ziele verbindlich und<br />
individuell in Lernmethoden für den einzelnen Schüler<br />
um, d.h. sie individualisieren Lernpfade und unterstützen<br />
ihre Schüler dabei, durch eigenständiges Denken und<br />
Handeln selbstständig und kooperativ zu lernen. Für all<br />
dies bieten Ganztagsschulen gute Vor<strong>aus</strong>setzungen.<br />
Traditionell benutzen wir Klassenarbeiten und Zensuren<br />
zur Kontrolle, etwa um Leistungen zu zertifizieren<br />
und den Zugang zu weiterer Bildung zu rationieren. Gute<br />
Schulen dagegen bieten mo<strong>der</strong>ne Evaluation und motivierende<br />
Leistungsrückmeldungen, die Vertrauen in<br />
Lernergebnisse schaffen und mit denen Lernpfade entwickelt<br />
und begleitet werden können.<br />
Gegenwärtig setzt das deutsche Bildungssystem auf frühe<br />
Auslese im Rahmen des dreigliedrigen Schulsystems<br />
und damit verbunden, auf einförmigen Unterricht in<br />
leistungshomogenen Lerngruppen. Gute Schulen dage-<br />
7
Schulen<br />
8<br />
gen gründen auf einem konstruktiven und individuellen<br />
Umgang mit Leistungsunterschieden und Begabungen,<br />
mit dem Ziel, Schülern durch individuelle För<strong>der</strong>ung<br />
Perspektiven für die Gestaltung ihrer eigenen Zukunft<br />
zu eröffnen.<br />
Schließlich sind Lehrer und Schulen in Deutschland oft<br />
nur die letzte <strong>aus</strong>führende Instanz eines komplexen Verwaltungsapparates.<br />
In Zukunft wird sich die Relevanz<br />
und Effizienz dieses Verwaltungsapparates, ob Kommunen,<br />
Län<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Bund, daran messen müssen, wie gut<br />
sie die Schulen bei dem Erreichen gemeinsam vereinbarter<br />
Bildungsziele unterstützen und welchen zusätzlichen<br />
Wert sie selber schöpfen, d.h. über das hin<strong>aus</strong> leisten,<br />
was die Schule als selbstständige und pädagogisch<br />
verantwortliche Einheit leisten kann.<br />
In Deutschland gibt es die verbreitete Einstellung, dass<br />
Ganztagsschulen allenfalls bessere Verwahranstalten seien.<br />
Was halten Sie dem entgegen?<br />
Wer Schulen als Verwahranstalten betrachtet, wird auch<br />
in den Ganztagsschulen nichts an<strong>der</strong>es sehen. Für viele<br />
Kin<strong>der</strong> heißt die Wirklichkeit aber heute: morgens Schule<br />
und nachmittags vor dem Fernseher, ohne dass sich irgendwo<br />
jemand mit diesen Kin<strong>der</strong>n intensiv beschäftigt.<br />
Dagegen sind Ganztagsschulen in vielen <strong>der</strong> erfolgreichen<br />
Bildungsnationen heute Zentren <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />
die die verschiedenen Lebens- und Lernwelten sinnvoll<br />
integrieren und Schüler, Eltern und Lehrer bei <strong>der</strong>en<br />
Gestaltung einbeziehen.<br />
Viele Lehrer können sich in Deutschland nur schwer damit<br />
anfreunden, in einer Ganztagsschule zu arbeiten. Wie<br />
bringt man sie dazu, die Aufgabe als Chance und Bereicherung<br />
für den eigenen Beruf zu begreifen?<br />
Der diesjährige Grundschultag an <strong>der</strong> Universität Koblenz-Landau,<br />
Abteilung Landau, stand unter dem Thema<br />
„Grundschule auf dem Weg zu einer neuen Lernkul-<br />
Das Berufsbild des Halbtagslehrers erfüllt doch viele<br />
Lehrer auch nicht, denn es heißt morgens unzureichend<br />
Zeit zu haben mit den Schülern zu lernen und nachmittags<br />
alleine vor den Korrekturen zu sitzen. Die Arbeit in<br />
<strong>der</strong> Ganztagsschule bietet die Chance nicht nur um Lehrer-Schülerbeziehungen<br />
zu stärken, son<strong>der</strong>n auch um ein<br />
Arbeitsumfeld zu schaffen, das Perspektiven für Entwicklung<br />
und Kreativität bietet. Ein Arbeitsumfeld, in dem<br />
die Schule Lernorganisation wird mit einem professionellen<br />
Management, das sich durch interne Kooperation<br />
und Kommunikation, etwa in den Fel<strong>der</strong>n strategische<br />
Planung, Qualitätsmanagement, Selbstevaluation<br />
und Weiterbildung <strong>aus</strong>zeichnet, aber auch durch Dialog<br />
nach außen mit den verschiedenen Interessengruppen,<br />
vor allem mit den Eltern. Ein Arbeitsumfeld, das sich<br />
durch mehr Differenzierung im Aufgabenbereich, bessere<br />
Karriere<strong>aus</strong>sichten, eine Stärkung <strong>der</strong> Verbindungen<br />
zu an<strong>der</strong>en Berufsfel<strong>der</strong>n, mehr Verantwortung für<br />
Lernergebnisse und bessere Unterstützungssysteme <strong>aus</strong>zeichnet.<br />
Das Gespräch<br />
führte Paul<br />
Schwarz.<br />
<strong>GEW</strong> informiert und berät auf dem Grundschultag<br />
tur“. Bereits Wochen vor Anmeldeschluss ging nichts<br />
mehr. Mehr als 700 Kolleginnen und Kollegen besuchten<br />
58 Workshops. Für Bildungsministerin Doris Ahnen<br />
ein „Indiz für die Fortbildungsbereitschaft unserer<br />
Lehrerinnen und Lehrer im Land“. Als zentrale Aufgabe<br />
in <strong>der</strong> frühkindlichen Entwicklung nannte die Ministerin<br />
die Spracharbeit und Sprachför<strong>der</strong>ung. Mit<br />
Millionen zusätzlicher Euros sollen auch Kooperationsprojekte<br />
zwischen Kin<strong>der</strong>garten und Grundschule vorangetrieben<br />
werden. Für Uni-Präsident Prof. Dr. Roman<br />
Heiligenthal findet in Landau die „innovativste<br />
Ausbildung“ Deutschlands im Fachbereich „Frühe<br />
Kindheit und Jugendalter“ statt. Der Landesvorsitzende<br />
des Grundschulverbandes Werner Lang war sichtlich<br />
stolz auf soviel Lehrerbeteiligung an <strong>der</strong> Tagung<br />
und die lobenden Worte <strong>aus</strong> dem Mund <strong>der</strong> Ministerin<br />
und des Uni-Präsidenten.<br />
psw<br />
Die <strong>GEW</strong>: Gut präsent beim Grundschultag<br />
Foto: Schwarz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Die Ganztagsschulen weiterentwickeln<br />
Großer Andrang bei Ganztagsschulkongress in Mainz<br />
- Von Dr. Gerlinde Schwarz -<br />
„Gerade<strong>aus</strong>, vor <strong>der</strong> Tankstelle den schmalen Weg nach<br />
rechts....“, freundliche Schülerinnen und Schüler des Theresianums<br />
in blauen T-Shirts leiteten die anrückende Schar <strong>der</strong><br />
Gäste zu ihrer Schule. Zum landesweiten Ganztagsschulkongress<br />
„Neues Lernen - Ganztagsschule erleben“ hatten sich<br />
nahezu 1.000 TeilnehmerInnen angemeldet.<br />
Einradfahrer <strong>der</strong><br />
Regionalen Schule<br />
Rülzheim<br />
Lehrkräfte, Eltern und außerschulische Partner konnten<br />
sich über die Entwicklung des Ausbauprogramms<br />
für Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz informieren,<br />
erlebten Schüler-AG-Arbeit vor Ort, hatten Gelegenheit<br />
in 30 Workshops Erfahrungen <strong>aus</strong>zut<strong>aus</strong>chen, sich Anregung<br />
und Rat zu holen und hörten, was führende Vertreter<br />
<strong>aus</strong> Wirtschaft und Wissenschaft <strong>aus</strong> ihrer Sicht<br />
zu Ganztagsschulen sagten. Ziel des Kongresses war, wie<br />
es Bildungsministerin Doris Ahnen im Programmheft<br />
formulierte: „Impulse für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> pädagogischen<br />
Konzepte <strong>der</strong> Ganztagsschulen“ zu geben.<br />
„Wir haben uns auf den Weg gemacht.“<br />
Die erfolgreiche Entwicklung des Ausbauprogramms für<br />
neue Ganztagsschulen stellte Bildungsministerin Doris<br />
Ahnen an den Anfang ihres Vortrags. Sie führte <strong>aus</strong>: „Vor<br />
fünf Jahren haben wir uns auf den Weg gemacht mit<br />
viel Zustimmung und mancher Skepsis.“ Sie betonte,<br />
dass mit 304 neuen Ganztagsschulen in Angebotsform,<br />
die seit 2001 in Rheinland-Pfalz gegründet wurden, eines<br />
<strong>der</strong> größten Schulentwicklungsprojekte <strong>der</strong> vergangenen<br />
Jahrzehnte auf den Weg gebracht worden sei.<br />
Nicht ohne Stolz fügte sie hinzu, dass auf Beschluss <strong>der</strong><br />
Landesregierung weitere 58 Schulen die Option erhalten<br />
hätten, zum Schuljahresbeginn 2006/2007 Ganztagsschulen<br />
errichten zu können.<br />
Ausdrücklich dankte Ahnen den LehrerInnen und Schü-<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Schulen<br />
lerInnen, „die eine ganze Menge erreicht“ hätten. Sie stellte<br />
fest, dass sich die Qualität einer Schule in je<strong>der</strong> einzelnen<br />
Schule selbst entscheide durch das Engagement <strong>der</strong><br />
Lehrkräfte, <strong>der</strong> Eltern, <strong>der</strong> außerschulischen Partner und<br />
<strong>der</strong> SchülerInnen. Die Ministerin betonte: „Die allermeisten<br />
sind zufrieden mit dem, was sie erreicht haben;<br />
sie wissen aber auch, wie es weitergeht.“<br />
Vier Gestaltungselemente <strong>der</strong> Ganztagsschule, die sie<br />
auch als Bitten verstanden wissen wollte, hob sie beson<strong>der</strong>s<br />
hervor.<br />
1. Rhythmisierung: Ministerin Ahnen räumte zwar ein,<br />
dass es additive und rhythmische Organisationsmodelle<br />
gibt, sie selbst hält aber einen rhythmisch geplanten<br />
Schultag, an dem Arbeits- und Erholungsphasen klug<br />
aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt sind, für eine Grundvor<strong>aus</strong>setzung.<br />
2. Partizipation: Lehrkräfte, Eltern, pädagogische Fachkräfte,<br />
außerschulische Partner, die SchülerInnen, alle<br />
zusammen nehmen teil an <strong>der</strong> Gestaltung von Ganztagsschule.<br />
3. Schule als Lern- und Lebensstätte: Ganztagsschule<br />
sollte auch vom Raum her kindgerecht gestaltet sein und<br />
die Bedürfnisse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> berücksichtigen, z.B. Nischen<br />
zum Zurückziehen schaffen.<br />
4. Öffnung <strong>der</strong> Schule: „Lasst das Leben rein“, heißt das<br />
Motto. Unschätzbare Kompetenzen, die Fachkräfte <strong>der</strong><br />
Musik, des Sports, des Forsts, des Handwerks haben,<br />
kommen den Schülerinnen und Schülern zugute und<br />
för<strong>der</strong>n ihre Begabungen.<br />
Die Ministerin schloss mit den Worten: „Ich hoffe, dass<br />
wir am Ende des Tages noch mehr Ideen haben, wie wir<br />
die Ganztagsschulen weiterentwickeln können.“<br />
„Ich habe auch gelernt, was sonst nicht möglich<br />
gewesen wäre.“<br />
Neun Schülerinnen und Schüler <strong>aus</strong> rheinland-pfälzischen<br />
Ganztagsschulen trafen sich mitten im Plenum in<br />
einem Halbkreis mit Bildungsministerin Doris Ahnen.<br />
Die Mo<strong>der</strong>ation hatte die Studentin Nora Weisbrod. Die<br />
Mädchen und Jungen berichteten vor allem von ihren<br />
H<strong>aus</strong>aufgaben und ihren Arbeitsgemeinschaften. Die<br />
meisten werden in <strong>der</strong> Lernzeit mit ihren H<strong>aus</strong>aufgaben<br />
fertig. Sie schätzen die Hilfe <strong>der</strong> anwesenden Lehrperson.<br />
Ein Mädchen meinte: „Die H<strong>aus</strong>aufgaben in <strong>der</strong><br />
Schule fallen mir leichter, weil ich die Lehrerin fragen<br />
kann.“ Das Anfertigen <strong>der</strong> H<strong>aus</strong>aufgabe in <strong>der</strong> Gruppe<br />
macht vielen mehr Freude als daheim allein vor den<br />
Heften zu sitzen. Ein Junge sagte: „Allein kann ich besser<br />
arbeiten, aber in <strong>der</strong> Gruppe macht es mehr Spaß.“<br />
Ein an<strong>der</strong>er Junge gab zu: „Ich habe in <strong>der</strong> Schule gelernt,<br />
bei den H<strong>aus</strong>aufgaben leise zu sein.“ Eine Reihe<br />
<strong>der</strong> übrigen GesprächsteilnehmerInnen nickte zustimmend,<br />
offenbar hatten sie das auch gelernt.<br />
9
Schulen<br />
AG Fit wie ein<br />
Floh <strong>der</strong> GrundundHauptschule<br />
Wallh<strong>aus</strong>en<br />
10<br />
Die Arbeitsgemeinschaften waren ein heißes Thema. Die<br />
jungen Leute erzählten <strong>aus</strong> Arbeitsgemeinschaft Flöten,<br />
Schülerband, Video, Schach, Basteln, Fußball u.a.m. Ein<br />
Schüler erklärte: „Ich habe auch gelernt, was sonst nicht<br />
möglich gewesen wäre: Schach, und den Mofa-Führerschein<br />
habe ich auch gemacht.“ Ein Zwölftklässer bemerkte:<br />
„Ich biete selbst für die Kleinen eine AG an:<br />
H<strong>aus</strong>aufgabenkontrolle.“ Dass die Schülerinnen und<br />
Schüler auch über das Neue Lernen in ihren Schulen<br />
nachdenken, zeigte die Aussage eines Mädchens, das<br />
unter dem Beifall <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en feststellte: „Ich habe mich<br />
durch die Ganztagsschule verbessert.“<br />
Wichtiges Thema <strong>der</strong> Diskussion waren die Wünsche<br />
<strong>der</strong> Ministerin und <strong>der</strong> jungen GesprächsteilnehmerInnen<br />
für eine Verbesserung <strong>der</strong> Ganztagsschulen.<br />
Doris Ahnen: „Ich wünsche mir, dass die Schülerinnen<br />
und Schüler gern in die Schule gehen und besser lernen,<br />
eine gute För<strong>der</strong>ung bekommen, tolle Angebote bekommen,<br />
die sie sonst nicht erhalten hätten.“<br />
Schülerinnen und Schüler: „Ich wünsche mir, dass man<br />
das Essen selbst wählen könnte.“, „....eine richtige Mensa.“,<br />
„....eine längere H<strong>aus</strong>aufgabenzeit.“<br />
„Ich wünsche mir, dass die Ganztagsschule beson<strong>der</strong>s<br />
im Sommer <strong>aus</strong> ist, z.B. um 15 Uhr. Es ist nicht so schön,<br />
kaum Zeit zu haben ins Schwimmbad zu gehen.“<br />
„Ich wünsche mir mehr Freizeit für Basket- und Fußball.“<br />
„Ich wünsche mir mehr Sportmöglichkeiten und einen<br />
Sportraum.“<br />
„Ich wünsche mir, dass die Kleinen mehr Respekt haben.“<br />
„Seht, was wir alles machen!“<br />
Farbe, Pfiff und Leben erhielt <strong>der</strong> Kongress vor allem<br />
durch die zahlreichen Schüler-AGs <strong>aus</strong> 14 Ganztagsschulen.<br />
Die Mädchen und Jungen hatten im Pädagogischen<br />
Zentrum ihre Stände aufgebaut und präsentierten zusammen<br />
mit ihren Lehrkräften und Betreuern ihre AG-<br />
Aktivitäten. Sie jonglierten und balancierten, sie turnten,<br />
tanzten und trommelten, sie klopften und bauten.<br />
Stolz und voller Eifer erklärten sie ihr Tun und präsentierten<br />
ihre Ergebnisse. Geistreich, originell und innovativ<br />
spielten die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Improvisationstheater-<br />
truppe „Fast Forward Theatre“ <strong>aus</strong> Marburg Szenen <strong>aus</strong><br />
dem Schulalltag. Die Spieler holten sich Stichworte und<br />
Anregungen <strong>aus</strong> dem Publikum und gestalteten damit<br />
<strong>aus</strong>gesprochen witzige, teilweise surreale Schulrealitäten.<br />
„Ich bin ein Fan von Ganztagsschulen...“<br />
Eggert Voscherau, stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes<br />
und Arbeitsdirektor <strong>der</strong> BASF, sprach zu dem<br />
Thema „Die Zukunftsressource Bildung <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Sicht<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft“. Das in Bildungsprozessen vermittelte<br />
und erworbene Wissen spielte im Vortrag des Wirtschaftsexperten<br />
eine bedeutende Rolle. Er setzte das Wissen an<br />
den Anfang einer K<strong>aus</strong>alkette, die zu Wohlstand und einer<br />
blühenden Zukunft führt: Wissen - Technologie -<br />
hochwertige Arbeitsplätze - Export - Wohlstand.<br />
Durch die grundlegende Bedeutung des Wissens ist für<br />
ihn die Bildung eine zentrale Zukunftsressource. Überzeugend<br />
erklärte er: „Qualifizierte Bildung und Ausbildung,<br />
das sind die Fundamente <strong>der</strong> wettbewerbsfähigen<br />
Wissensgesellschaft im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t.“ Er betonte,<br />
wenn sich in Deutschland irgendwo Investitionen lohnten,<br />
dann in <strong>der</strong> Entwicklung und Pflege <strong>der</strong> wichtigen<br />
Ressourcen Neugier, Kreativität und Wissen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
und Jugendlichen. Den in <strong>der</strong> Wirtschaft unentbehrlichen<br />
Faktor Wettbewerb bezog er auch auf die Bildung.<br />
Er bekräftigte: „Bildung steht im Wettbewerb. Keiner<br />
wartet auf uns“ und stellte fest, dass eine gute Bildung<br />
entscheidend zu guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />
beitrage. Mit Blick auf die organisatorischen und pädagogischen<br />
Konzepte von Ganztagsschulen unterstrich<br />
er: „Es ist nicht Aufgabe <strong>der</strong> Wirtschaft, diese Konzepte<br />
zu bewerten.“ Seine grundsätzliche Zustimmung jedoch<br />
war seinem Bekenntnis zu entnehmen: „Ich bin ein Fan<br />
von Ganztagsschulen, die im Wettbewerb stehen!“<br />
„Einrichtung einer Ganztagsschule - eine<br />
überfällige Entwicklung“<br />
Der Berliner Familienforscher Prof. Dr. Hans Bertram<br />
referierte über „Familie, Erziehung und Ganztagsschulen“.<br />
Er machte klar, dass wir heute nicht mehr in einer<br />
Industriegesellschaft, son<strong>der</strong>n in einer Wissensgesellschaft<br />
leben. Er analysierte die gegenwärtig praktizierten Rollen<br />
von Mann und Frau, ging auf den dramatischen<br />
Geburtenrückgang in Deutschland ein und bekräftigte,<br />
dass die Ganztagsschule durch ihre differenzierten Tagesangebote<br />
die Kin<strong>der</strong> in einer ganz beson<strong>der</strong>en Weise<br />
för<strong>der</strong>n könne.<br />
„Ein Muster des mo<strong>der</strong>nen Lebens ist <strong>der</strong> berufsorientierte<br />
Single“, konstatierte er; die jungen Männer lebten<br />
„zunehmend in zölibatären Gemeinschaften, morgens im<br />
Beruf, abends im Hotel Mama und im Kreis von Freunden.“<br />
Deutlich sagte er: „Es fehlt die Perspektive <strong>der</strong><br />
Fürsorge.“ Zur Rolle eines mo<strong>der</strong>nen Mannes gehöre es<br />
nicht, ein aktiver Vater zu sein, führte er <strong>aus</strong>. Zwar habe<br />
sich die Mithilfe <strong>der</strong> Männer im H<strong>aus</strong>halt vom Zeitaufwand<br />
her mehr als verzehnfacht, von etwa 90 Min. pro<br />
Woche in den 60er Jahren auf etwa 960 Min. pro Woche<br />
heutzutage. Doch er meinte, die männliche Rolle<br />
im H<strong>aus</strong>halt sei eigentlich immer noch eine „Hilfsrol-<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Starkes Besucherinteresse<br />
(Fotos S. 9-11:<br />
Gerlinde Schwarz)<br />
Jongleure <strong>der</strong><br />
Hauptschule<br />
Remagen<br />
le“. Aufgrund dieser Tatsache wies er <strong>der</strong> Schule die Aufgabe<br />
zu, „dass Jungen so erzogen werden, dass sie neue<br />
Kompetenzen übernehmen können“.<br />
Als wesentliche Merkmale mo<strong>der</strong>ner Frauen hob Bertram<br />
ihre starke Bildungsbeteiligung und die Integration<br />
in das Erwerbsleben hervor. Er meinte, 70% <strong>der</strong> Frauen<br />
wollten die unterschiedlichen Lebensbereiche Familie und<br />
Beruf miteinan<strong>der</strong> vereinbaren; lei<strong>der</strong> könnten sie diesen<br />
Wunsch oft nicht realisieren. Und wenn ein Elternteil<br />
für einige Zeit auf den Beruf verzichte, seien es in <strong>der</strong><br />
Regel die Frauen. Der Familienforscher gab an, dass 40%<br />
aller Paare in Deutschland zusammen pro Woche mehr<br />
als 80 Stunden und weitere 40% mehr als 100 Stunden<br />
arbeiteten.<br />
Den Geburtenrückgang in Deutschland bezeichnete Bertram<br />
als „einmalig in Europa“. Die Zahl <strong>der</strong> lebend geborenen<br />
Kin<strong>der</strong> sei in den letzten Jahren um 3% gesunken.<br />
Der Familienforscher betonte. „Heute ist das Gut ‚junge<br />
Menschen‘ knapp geworden.“ Als Konsequenz ergibt sich<br />
für ihn, „dass es auf jedes Kind ankommt“.<br />
Wesentlich für die positive Entwicklung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> sei<br />
<strong>GEW</strong>-Kommentar:<br />
Ganztagsschulen müssen echte Ganztagsschulen sein<br />
Individuelle För<strong>der</strong>ung gelingt in Ganztagsschulen mit Sicherheit<br />
besser, als in den Halbtagsschulen. Dies ist dann<br />
aber nur uneingeschränkt <strong>der</strong> Fall, wenn es sich um voll<br />
rhythmisierte Ganztagsschulen handelt und nicht um Ganztagsschulen<br />
in Angebotsform, in denen häufig <strong>der</strong> Unterricht<br />
und unterrichtsbezogene Ergänzungen ziemlich unverbunden<br />
nebeneinan<strong>der</strong> stehen.<br />
In einer internen Befragung <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz bei<br />
LehrerInnen und SchülerInnen wird nach wie vor bemängelt,<br />
dass die H<strong>aus</strong>aufgabenbetreuung nicht optimal ist und<br />
immer noch Aufenthalts- und Arbeitsräume fehlen. Dass<br />
Kin<strong>der</strong>n <strong>aus</strong> sozial schwächeren Familien finanzielle Hilfestellungen<br />
für das gemeinsame Mittagessen zur Verfügung<br />
gestellt würden, begrüßt die <strong>GEW</strong>. Niemand darf wegen seiner<br />
sozialen Herkunft vom gemeinsamen Mittagessen <strong>aus</strong>geschlossen<br />
werden, denn dann wird die soziale Verantwortung<br />
<strong>der</strong> Ganztagsschule ad absurdum geführt.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Schulen<br />
<strong>der</strong> Aufbau von stabilen Beziehungen, erklärte er; stabile<br />
Beziehungen ließen sich aber nur entwickeln, wenn<br />
die Lebensumwelt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> verlässlich sei. Bertram<br />
führte <strong>aus</strong>, dass Kin<strong>der</strong> nicht nur eine verlässliche Familie,<br />
son<strong>der</strong>n auch verlässliche Orte außerhalb <strong>der</strong> Familie<br />
bräuchten. „Die Ganztagsschule ist ein solcher verlässlicher<br />
Ort, an dem Kin<strong>der</strong> durch ein vielfältiges pädagogisches<br />
Angebot besser geför<strong>der</strong>t werden können“,<br />
bekräftigte er. Mit Bezug auf weniger leistungsstarke<br />
Kin<strong>der</strong> vertrat er die Meinung, dass die Ganztagsschule<br />
die Chance biete, gerade diese Schülerinnen und Schüler<br />
so umfassend zu för<strong>der</strong>n, wie es in <strong>der</strong> traditionellen<br />
Halbtagsschule nicht möglich gewesen wäre. Im Hinblick<br />
auf die neuen Aufgaben und die größeren Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />
die an die Schule in einer Wissensgesellschaft<br />
gestellt werden, stellte er am Ende fest: „Die Einrichtung<br />
einer Ganztagsschule ist eine überfällige Entwicklung.“<br />
Die Zusammenarbeit zwischen außerschulischen Partnern<br />
und <strong>der</strong> Jugendhilfe stellt ein wichtiges Element <strong>der</strong> Öffnung<br />
von Schule - nicht nur <strong>der</strong> Ganztagsschulen in Angebotsform<br />
- dar. Nach wie vor muss die <strong>GEW</strong> allerdings bemängeln,<br />
dass häufig befristete Verträge vergeben werden.<br />
SchülerInnen benötigen aber feste Bezugspersonen. Guter<br />
Unterricht und effektive Lernprozesse können nur gelingen,<br />
wenn nicht ständig das Personal gewechselt wird.<br />
Die Ganztagsschule in Angebotsform in Rheinland-Pfalz<br />
spielt bundespolitisch mit Sicherheit eine Vorreiterrolle. Dennoch<br />
muss an <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Stelle noch nachgebessert<br />
werden, damit ein sinnvolles Konzept auf noch mehr<br />
Akzeptanz bei allen Beteiligten stößt. Eine Verbindung zwischen<br />
dem Vormittagsunterricht und dem Nachmittagsangebot<br />
muss unbedingt sichergestellt werden, damit <strong>der</strong> individuellen<br />
För<strong>der</strong>ung schwächerer aber auch guter SchülerInnen<br />
Rechnung getragen werden kann.<br />
Tilman Boehlkau<br />
11
Schulen<br />
Übergänge zur Berufs<strong>aus</strong>bildung unter <strong>der</strong> Lupe<br />
Tagung über Bildungssituation von SchülerInnen mit Migrationshintergrund<br />
„Die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Schulen steigen. Die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />
sinkt. Wer verliert da?“ Mehmet Kilics Frage<br />
wird angesichts <strong>der</strong> aktuellen Schulsituation in Berlin und<br />
an<strong>der</strong>swo immer dringlicher. Kilic leitete die Tagung „Bildungssituation<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>aus</strong> Familien mit<br />
Migrationshintergrund“ im Pädagogischen Zentrum in Bad<br />
Kreuznach.<br />
Schülerinnen<br />
und Schüler mit<br />
Migrationshintergrund<br />
als Experten<br />
Fotos S. 12 - 14:<br />
Gerlinde Schwarz<br />
12<br />
Die Tagung war Teil einer Veranstaltungsreihe im Rahmen<br />
des BORIS GTSM-Projekts (Berufliche Orientierung<br />
mit Regionalen Initiativen zur Schulentwicklung<br />
Ganztagsschule Migranten). Ziel <strong>der</strong> Kreuznacher Veranstaltung<br />
war es, die konkrete Situation <strong>der</strong> Übergänge<br />
zwischen Schule und Berufs<strong>aus</strong>bildung unter die Lupe<br />
zu nehmen, Hürden zu erkennen und Hilfen bzw. Strategien<br />
aufzuzeigen, um die Bildungssituation <strong>der</strong> Migrantenkin<strong>der</strong><br />
zu verbessern. Gerade mit Blick auf die Vorkommnisse<br />
an <strong>der</strong> Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln<br />
wird deutlich, wie wichtig diese Tagung war und<br />
von welch großer Bedeutung das BORIS GTSM-Projekt<br />
ist.<br />
In drei <strong>der</strong> vier Arbeitsgruppen diskutierten neben Lehrerinnen,<br />
Lehrern und Ausbil<strong>der</strong>n auch Schülerinnen und<br />
Schüler <strong>aus</strong> Migrantenfamilien als Experten mit. Die<br />
Jugendlichen berichteten über ihre Erfahrungen, Probleme<br />
und Ziele. Sie sprachen über Hürden, die <strong>aus</strong> ihrer<br />
Sicht einen erfolgreichen Einstieg in die Berufs<strong>aus</strong>bildung<br />
behin<strong>der</strong>ten, und machten sich Gedanken über<br />
Möglichkeiten, diese Hin<strong>der</strong>nisse zu überwinden. Als<br />
Hürden nannten sie mangelndes Selbstwertgefühl, Zukunftsangst,<br />
unzureichende Unterstützung durch das<br />
Elternh<strong>aus</strong>, sprachliche Defizite, mangelnde Information<br />
über Berufe, fehlende Praktikumsmöglichkeiten. Im<br />
Blick auf die Schule sahen sie die Hürden in Vorurteilen<br />
und fehlen<strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Lehrkräfte sowie in <strong>der</strong><br />
mangelhaften För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> deutschen Sprache.<br />
Zur Überwindung dieser Mängel for<strong>der</strong>ten sie von den<br />
Migrantenkin<strong>der</strong>n selbst mehr Interesse, Fleiß, die Entwicklung<br />
von Eigeninitiative und Durchsetzungsvermögen.<br />
Verbesserte Sprachkenntnisse <strong>der</strong> Eltern und mehr<br />
häusliche Unterstützung hielten sie ebenfalls für notwendig.<br />
Von den Lehrerinnen und Lehrern wünschten sie<br />
sich mehr Interesse, mehr Zeit, mehr För<strong>der</strong>ung von<br />
Lese- und Sprachkompetenz. Sie for<strong>der</strong>ten eine frühzeitige,<br />
detaillierte Berufsberatung, vielfältige schulische und<br />
freiwillige Berufspraktika und die Durchführung des<br />
berufsvorbereitenden Programms „Jobfux“.<br />
Zu wenig engagiert und lustlos?<br />
Die Lehrerinnen und Lehrer <strong>der</strong> Sekundarstufe 1 und<br />
<strong>der</strong> Berufsbildenden Schulen sahen die Hürden für einen<br />
erfolgreichen Einstieg <strong>der</strong> Migrantenkin<strong>der</strong> in die<br />
Berufs<strong>aus</strong>bildung hauptsächlich in zwei Bereichen: zum<br />
einen bei den SchülerInnen und ihren Familien, zum<br />
an<strong>der</strong>en bei den Schulen. Die Lehrkräfte bemängelten<br />
das geringe Engagement und eine gewisse Lustlosigkeit<br />
<strong>der</strong> jungen Leute, die ihre Freizeit nicht selten abgekapselt<br />
in ihren vier Wänden o<strong>der</strong> in Cliquen unter ihresgleichen<br />
verbrächten. Sie betonten, dass die Eltern oft<br />
nicht in <strong>der</strong> Lage seien, ihren Kin<strong>der</strong>n zu helfen, und<br />
wiesen auf die Sprachbarriere zwischen LehrerInnen und<br />
Eltern hin. In Bezug auf die Schulen nannten sie als Hin<strong>der</strong>nisse:<br />
„Lehrern fehlt Zeit für detaillierte Berufsorientierung,<br />
fehlende Lernwerkstatt Berufsorientierung,<br />
mangelnde Koordination <strong>der</strong> Berufsfindung, fehlende<br />
Institutionalisierung des ‚Jobfux‘“.<br />
Als Hilfe zur Überwindung <strong>der</strong> Hürden schlugen die<br />
anwesenden LehrerInnen eine verbesserte Information<br />
<strong>der</strong> Eltern vor. Wenn nötig, sollten die Lehrkräfte für<br />
muttersprachlichen Unterricht in die Informationsveranstaltungen<br />
einbezogen werden. Sie empfahlen, schulintern<br />
die Eigeninitiative <strong>der</strong> Jugendlichen zu för<strong>der</strong>n,<br />
Projekte zur Stärkung des Selbstwertgefühls durchzuführen<br />
und zum Absolvieren freiwilliger Betriebspraktika zu<br />
motivieren. Sie rieten zur Einrichtung von Lernwerkstätten,<br />
zum Aufbau eines Info-Netzes, zur Kooperation<br />
von abgebenden Hauptschulen und aufnehmenden<br />
BBSen und zu Patenschaften.<br />
Sprache, Sprache, Sprache<br />
Die Ausbil<strong>der</strong> in den Betrieben, die tagtäglich mit Azubis<br />
umgehen und jährlich <strong>aus</strong> einer großen Anzahl von<br />
Bewerberinnen und Bewerbern ihre Azubis <strong>aus</strong>wählen,<br />
sind Spezialisten für Hürden, die entwe<strong>der</strong> eine Einstellung<br />
vereiteln o<strong>der</strong> einem aufgenommenen Azubi<br />
Schwierigkeiten machen. Als wesentliche Hürde bezeich-<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Tagungsleiter<br />
Mehmet Kilic<br />
im Plenum<br />
Antonia Kopaw,<br />
Muttersprache<br />
Ungarisch,<br />
Gymnasiastin<br />
auf <strong>der</strong> Oberstufe<br />
neten die anwesenden Ausbil<strong>der</strong> mangelnde Sprachkenntnisse.<br />
„Das Hauptproblem <strong>der</strong> Migrantenkin<strong>der</strong> ist<br />
sprachlicher Natur“, betonte Ausbil<strong>der</strong> Kraut von <strong>der</strong><br />
Firma Michelin in Bad Kreuznach. Desorientierung und<br />
damit verbundene Suchtprobleme nannte er als weiteres<br />
Hin<strong>der</strong>nis bei jugendlichen Migranten, allerdings nur in<br />
wenigen Fällen. Übereinstimmend bekräftigen die Ausbil<strong>der</strong>,<br />
dass die Schulabgänger „allgemein schwache Leistungen“<br />
zeigten, vor allem in <strong>der</strong> Mathematik. Sie bemängelten<br />
die schwache Ausbildung<br />
<strong>der</strong> Sozialkompetenzen Zuverlässigkeit<br />
und Pünktlichkeit und die geringe<br />
Information über die angestrebten<br />
Berufe. Kraut unterstrich:<br />
„Viele wissen gar nicht, was in dem<br />
Beruf erfor<strong>der</strong>lich ist.“<br />
Als umfassende Hilfe sahen die Ausbil<strong>der</strong><br />
den Abbau <strong>der</strong> Hürden schon<br />
vor Beginn <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung an.<br />
Ricai Simsek, Kraftfahrzeugmeister<br />
bei <strong>der</strong> Firma Simsek in Bad Kreuznach,<br />
sagte zu den SchülerInnen,<br />
LehrerInnen und den Eltern gewandt:<br />
„Schaut, dass die Hürden<br />
schon behoben sind!“ Die Ausbil<strong>der</strong><br />
for<strong>der</strong>ten Sprachför<strong>der</strong>ung schon<br />
vor Schuleintritt. Von den jungen<br />
Migranten verlangten sie mehr Lerneifer und gute Leistungen.<br />
„Die Migrantenkin<strong>der</strong> sollen versuchen besser<br />
zu sein als die deutschen“, meinte Simsek. Die Handwerksmeister<br />
wünschen von den Schulen regelmäßige<br />
Lehrer - Eltern - Kontakte, För<strong>der</strong>ung von Integration,<br />
eine stärkere Betonung von sozialen Kompetenzen, vor<br />
allem aber eine effizientere Berufsvorbereitung mit Betriebserkundungen,<br />
Praktika und Bewerbertraining.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Die fünf Zugänge zum Elternh<strong>aus</strong><br />
Die vierte Arbeitsgruppe, in <strong>der</strong> Migranteneltern zusammen<br />
mit außerschulischen Begleitern vom Internationalen<br />
Bund für Sozialarbeit und <strong>der</strong> Arbeiterwohlfahrt diskutierten,<br />
erarbeitete ein Konzept von Aktivitäten und<br />
Maßnahmen, die beim Übergang Schule - Arbeitswelt<br />
Schulen<br />
erfolgen müssten. Als Erstes stellten sie die Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Eltern bei <strong>der</strong> Begleitung und Unterstützung ihrer<br />
Kin<strong>der</strong> her<strong>aus</strong>:<br />
- Eltern haben im Normalfall ein hohes persönliches Interesse,<br />
dass <strong>der</strong> Übergang ihres Kindes ins Arbeitsleben<br />
gelingt.<br />
- Eltern kennen ihre eigenen Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Regel besser<br />
als <strong>der</strong>en Lehrerinnen und Lehrer.<br />
- Eltern können die Kin<strong>der</strong> kontinuierlich begleiten.<br />
- Eltern verfügen über authentische Erfahrungen mit <strong>der</strong><br />
Arbeitswelt.<br />
Sie verwiesen jedoch darauf, dass die Migranteneltern<br />
diese Ressource nicht allein erschließen könnten. Die<br />
Vor<strong>aus</strong>setzung für ihre unterstützende Arbeit, so betonten<br />
sie, sei die Kooperation mit und die Information<br />
durch die Schulen.<br />
In einem zweiten Arbeitsschritt überlegten sie sich <strong>Wege</strong>,<br />
wie Schule und Elternh<strong>aus</strong> zusammenkommen können.<br />
Sie stellten für die Schule fünf „Zugänge zum Elternh<strong>aus</strong>“<br />
her<strong>aus</strong>:<br />
1. Neue Formen <strong>der</strong> Kontaktaufnahme, z.B. aufsuchende<br />
Elternarbeit.<br />
2. Gezielte Einbeziehung von Schlüsselfiguren, z.B. MU-<br />
Lehrer .<br />
3. Die Schule als Ort <strong>der</strong> Begegnung, z.B. Einrichtung<br />
eines Elterncafés.<br />
4. Bewusste Beteiligung von Eltern, z.B. Migranteneltern<br />
als Experten.<br />
5. Qualifizierungsangebote für Eltern, z.B. „Mama lernt<br />
Deutsch“.<br />
Angesichts <strong>der</strong> gesellschaftlichen Brisanz des Themas<br />
kann die Hoffnung von Mehmet Kilic nur unterstützt<br />
werden, wenn er im Programmheft schreibt: „Das Ziel<br />
ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die von<br />
ihnen erarbeiteten Handlungsstrategien in ihren Kollegien<br />
vorstellen und sich für <strong>der</strong>en Umsetzung einsetzen,<br />
um dies fest in den Schulalltag zu verankern.“<br />
Gerlinde Schwarz<br />
13
Schulen<br />
„Die Sprache ist das A und O“<br />
Interview mit <strong>der</strong> türkischen Studentin Meltem Bastürk<br />
Meltem Bastürk ist Studentin <strong>der</strong> Architektur an <strong>der</strong> Uni<br />
Frankfurt/Main. Im Jahr 2005 hat sie ihr Vordiplom bestanden.<br />
Sie wurde 1981 in Bad Kreuznach geboren, hat zwei Geschwister,<br />
eine Schwester und einen Bru<strong>der</strong>. Ihre Muttersprache<br />
ist Türkisch.<br />
Meltem Bastürk,<br />
Studentin <strong>der</strong><br />
Architektur an<br />
<strong>der</strong> Uni Frankfurt<br />
14<br />
Heute sind Sie eine erfolgreiche Studentin. Hatten<br />
sie während Ihrer Schulzeit Probleme?<br />
Meltem Bastürk: Ja, ich hatte eigentlich ganz<br />
viele Probleme. Erstens war ich von den drei Geschwistern<br />
immer die schlechtere, das schwarze<br />
Schaf in <strong>der</strong> Familie. Meine Schwester war erst<br />
in <strong>der</strong> Realschule und ging dann aufs Gymnasium,<br />
mein Bru<strong>der</strong> kam direkt aufs Gymnasium.<br />
Und ich kam halt direkt in die Hauptschule. Ich<br />
habe da gemerkt, dieses Selbstbewusstsein, das<br />
kriegt man nicht auf <strong>der</strong> Hauptschule. Ich habe<br />
immer gemerkt, meine Geschwister kommen <strong>aus</strong><br />
<strong>der</strong> Schule und machen immer was, ich war immer<br />
ratz-fatz fertig mit den H<strong>aus</strong>aufgaben. Ich<br />
habe meine Einser, Zweier, Dreier bekommen und habe<br />
die zehnte Klasse gemacht.<br />
Und danach hat’s angefangen bei mir. Eigentlich wollte<br />
ich auf eine Kunstakademie. Wenn ich als Schülerin sehr<br />
gut gewesen wäre, hätte ich auf das Gymnasium auf dem<br />
Römerkastell o<strong>der</strong> in ein an<strong>der</strong>es gehen können. Das war<br />
bei mir aber lei<strong>der</strong> nicht <strong>der</strong> Fall. Ich ging dann auf das<br />
Wirtschaftsgymnasium in Bingen. Ich habe direkt gemerkt,<br />
in dieser Schule scheitere ich. Es ging gar nichts.<br />
Da ging man rein, da hat man direkt Englisch gesprochen<br />
mit <strong>der</strong> Englischlehrerin. Es gab da nicht Englisch-<br />
Deutsch, wie ich es kannte. Und Mitschriften, das kannte<br />
ich auch nicht von <strong>der</strong> Hauptschule. Drei Jahre habe ich<br />
diese Schule besucht. Das erste Jahr habe ich wie<strong>der</strong>holt,<br />
das zweite Jahr habe ich gerade so geschafft, im dritten<br />
Jahr bin ich durchgefallen. Ich habe keinen Abschluss<br />
bekommen, gar nichts. Als Schülerin denkt man da: Was<br />
mache ich jetzt mit meinem Leben?<br />
Damals habe ich mich in Mainz auf eine einjährige Fachoberschule<br />
für Kunst beworben. Dort hieß es, ohne einen<br />
Abschluss in Bingen ginge das nicht. Da wusste ich<br />
nicht, was ich machen sollte. Ich entschloss mich, noch<br />
einmal zu dieser Fachoberschule zu fahren, ich wollte<br />
mit dem Direktor sprechen. Der Direktor kannte mich<br />
noch, er war von meinen Bil<strong>der</strong>n begeistert und sagte:<br />
„Ich rufe für Sie in Wiesbaden an.“ In Wiesbaden gab es<br />
eine zweijährige Fachoberschule für Gestaltung und<br />
Kunst, an <strong>der</strong> man ein allgemeines Fachabitur machen<br />
konnte. Obwohl an dieser Schule schon die Einschreibungen<br />
und die Aufnahmeprüfungen vorbei waren, durfte<br />
ich die Prüfung nachmachen. Ich habe die Prüfung<br />
bestanden und war zwei Jahre auf dieser Schule.<br />
Danach habe ich eine P<strong>aus</strong>e eingelegt und habe bei Weltbild<br />
hier in Bad Kreuznach gearbeitet. Das ist ein Bücherladen,<br />
in dem ich als Medienverkäuferin gearbeitet<br />
habe. Einige Monate später habe ich gedacht, das kann’s<br />
nicht sein, so kann mein Leben nicht enden. Dann habe<br />
ich mich zum Studium entschlossen und mich für Architektur<br />
entschieden.<br />
Wer hat Ihnen bei Ihren Problemen geholfen?<br />
Meltem Bastürk: Bei mir war es eine große Hilfe, dass<br />
ich meine ältere Schwester hatte. Sie hat mich sehr unterstützt.<br />
Sie konnte sehr gut Deutsch, von ihr habe ich<br />
deutsch gelernt. Bei den H<strong>aus</strong>aufgaben hat sie mir geholfen.<br />
Ansonsten muss ich sagen, auf <strong>der</strong> Hauptschule,<br />
da hat niemand gesagt, wenn ihr gut seid in Kunst, dann<br />
könnt ihr das machen, o<strong>der</strong> wenn ihr gut seid in Mathe,<br />
dann könnt ihr das machen. Man musste sich selber informieren.<br />
Ich wusste ja schon von vornherein, dass ich<br />
was mit Kunst machen möchte. Und da hatte ich halt<br />
ein bisschen Glück. Der Direktor in Mainz hat mir sehr<br />
geholfen, durch ihn kam ich auf die Schule in Wiesbaden.<br />
Was sind Ihre Lebensziele?<br />
Meltem Bastürk: Eigentlich eine gute Architektin zu sein<br />
und eine gute Position zu haben. Natürlich möchte ich<br />
auch eine Familie gründen. So die ganz großen Ziele habe<br />
ich nicht. Natürlich will ich auch, dass irgendwann, irgendwas<br />
Beson<strong>der</strong>es von mir steht, hier auf dieser Erde,<br />
vielleicht ein Museum. Aber alles im normalen Rahmen,<br />
ich bin auch ein Familienmensch.<br />
Fühlen Sie sich als Muslima in diesem Land wohl?<br />
Meltem Bastürk: Ich hatte bis jetzt überhaupt keine Probleme,<br />
muss ich sagen. In den Schulen habe ich noch<br />
nie etwas mit Rassismus zu tun gehabt, und ich habe das<br />
noch nie gespürt. In den Schulen gibt es für die moslemischen<br />
Schülerinnen und Schüler noch extra Feiertage<br />
dazu. Das finde ich prima. Ich konnte die moslemischen<br />
Feiertage ganz normal einhalten. Es kamen dann natürlich<br />
Fragen, wie: „Warum fastest du?“ o<strong>der</strong> „Du darfst<br />
nicht essen, du darfst nicht trinken. Ist das nicht<br />
schlimm?“ Jedes Jahr die gleichen Fragen. Ich fand das<br />
aber überhaupt nicht schlimm.<br />
Wenn Sie einem Migrantenkind einen Rat geben könnten,<br />
was würden Sie empfehlen?<br />
Meltem Bastürk: Mein Rat ist, die Sprache zu beherrschen.<br />
Wenn man die Sprache kann, schaut niemand<br />
schief und denkt, <strong>der</strong> kann eh kein richtiges Deutsch.<br />
Man wird ernster genommen, auf jeden Fall. Das habe<br />
ich gemerkt: Die Sprache ist das A und O.<br />
Dieses Interview führte Gerlinde Schwarz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Tarifkonflikt 2006<br />
Nicht ohne die Gewerkschaften !<br />
Län<strong>der</strong> wollen Arbeitnehmerschutz <strong>aus</strong>höhlen<br />
Streiks <strong>der</strong> Beschäftigen des öffentlichen Dienstes seit Mitte Februar<br />
2006 in ganz Deutschland! Zehnt<strong>aus</strong>ende Krankenschwestern, Polizeiangestellte,<br />
Lehrkräfte und Erzieherinnen, Müllwerker, Beschäftigte in Autobahnmeistereien<br />
und an Hochschulen haben für sich und alle an<strong>der</strong>en<br />
im öffentlichen Dienst Tätigen gestreikt. Bis zum Redaktionsschluss dieser<br />
Zeitung am 25.4.06 war eine Einigung im Bereich <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> noch<br />
nicht in Sicht. Warum und für was wurde denn überhaupt gestreikt?<br />
Wie kam es zum Tarifkonflikt?<br />
2003 haben die Gewerkschaften mit Bund, Län<strong>der</strong>n und<br />
Gemeinden vereinbart, einen neuen und einfacheren<br />
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu schaffen.<br />
Während <strong>der</strong> laufenden Verhandlungen kündigten die<br />
Län<strong>der</strong> die gültigen Tarifregelungen zum Urlaubs- und<br />
Weihnachtsgeld sowie zur Arbeitszeit und verlangten von<br />
den Gewerkschaften, die in den einzelnen Län<strong>der</strong>n bereits<br />
geltenden schlechteren Regelungen <strong>der</strong> Beamtinnen<br />
und Beamten auch für die Landesangestellten zu<br />
übernehmen. Dem Motto „Länger arbeiten für weniger<br />
Geld bei verschlechterten Konditionen“ erteilten die<br />
Gewerkschaften eine Absage und verhandelten den neuen<br />
Tarifvertrag nur mit Bund und Kommunen weiter,<br />
die bereit waren, dies ohne Vorbedingungen zu tun. Die<br />
Län<strong>der</strong> verhandelten seit 2004 nicht mehr mit den Gewerkschaften.<br />
Erst nach einer Serie von Warnstreiks im<br />
Jahr 2005 in nahezu allen Bundeslän<strong>der</strong>n und dem Beginn<br />
<strong>der</strong> Streiks im Februar 2006 führten die Län<strong>der</strong><br />
erstmals im März 2006 wie<strong>der</strong> mit den Gewerkschaften<br />
Verhandlungen.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Das 18-Minuten-Märchen<br />
Es gehe nur um 18 Minuten zusätzlicher Arbeit pro Tag,<br />
das bisschen Mehrarbeit sei den Beschäftigten im öffentlichen<br />
Dienst angesichts leerer Kassen doch wohl zumutbar,<br />
behaupteten die Arbeitgeber. Die Arbeitlosen würden<br />
die streikenden Arbeitsplatzbesitzer nicht verstehen,<br />
ließ <strong>der</strong> Verhandlungsführer <strong>der</strong> Arbeitgeber, Nie<strong>der</strong>sachsens<br />
Finanzminister Möllring (CDU), im Februar verbreiten,<br />
und spielte dabei bewusst mit falschen Karten,<br />
um die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen. Denn er<br />
weiß sehr wohl: durch eine Arbeitszeitverlängerung gehen<br />
weitere heute noch vorhandene Arbeitsplätze im öffentlichen<br />
Dienst verloren, wird zusätzliche Arbeitslosigkeit<br />
geschaffen! Bei 100 angestellten Beschäftigten führt<br />
eine Arbeitzeitverlängerung von 38,5 auf 40 Stunden zum<br />
Verlust von rechnerisch vier, bei 42 Stunden gar von neun<br />
Arbeitsplätzen. Allein in Rheinland-Pfalz gibt es aber<br />
100000 Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst! Der<br />
drohende Verlust von weiteren Arbeitsplätzen ist offensichtlich<br />
und für die Gewerkschaften nicht hinnehmbar.<br />
Am 09.03. fand in<br />
Berlin eine StreikundProtestveranstaltung<br />
<strong>der</strong> <strong>GEW</strong> statt.<br />
6000 <strong>GEW</strong>lerInnen<br />
<strong>aus</strong> dem ganzen Bundesgebiet<br />
protestierten<br />
für den Erhalt des<br />
Flächentarifvertrags<br />
und den Erhalt von<br />
Arbeitsplätzen, gegen<br />
Arbeitszeitverlängerung<br />
und für volles<br />
Weihnachts- und Urlaubsgeld.<br />
An <strong>der</strong> Kundgebung<br />
nahmen 80 <strong>GEW</strong>-<br />
KollegInnen <strong>aus</strong><br />
Rheinland-Pfalz teil.<br />
Die <strong>GEW</strong> organisierte<br />
Gruppenfahrten<br />
mit dem Zug von<br />
Ludwigshafen, Mainz<br />
und Koblenz <strong>aus</strong>.<br />
15
Tarifkonflikt 2006<br />
40 streikende KollegInnen<br />
<strong>aus</strong> ganz Rheinland-Pfalz<br />
waren dabei,<br />
v.a. <strong>aus</strong> den Regionen<br />
Ludwigshafen, Landau/<br />
Südpfalz, Kaiserslautern,<br />
Grünstadt,<br />
Mainz, Sprendlingen,<br />
Trier, Neuerburg, Gerolstein,<br />
Koblenz.<br />
Die meisten Streikenden<br />
kamen <strong>aus</strong> den För<strong>der</strong>schulen<br />
und Integrierten<br />
Gesamtschulen, aber<br />
auch an einzelnen<br />
Grund- und Hauptschulen,Berufsbildenden<br />
Schulen, Gymnasien<br />
und an den Unis<br />
streikten <strong>GEW</strong>-KollegInnen.<br />
16<br />
Län<strong>der</strong>-Mehrheit will<br />
Arbeitsbedingungen diktieren<br />
In den Verhandlungen im März 2006 hat die Tarifgemeinschaft<br />
deutscher Län<strong>der</strong> (TdL) am bisherigen Kurs<br />
festgehalten. Eine Mehrheit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> wollte bislang<br />
keinen Kompromiss in diesem Tarifkonflikt - sie wollen<br />
die Bedingungen einseitig festlegen! Ein Teil <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />
will auch offensichtlich keine Tarifverträge mehr:<br />
Verhandlungsführer Möllring hat mehrfach gesagt, dass<br />
er auch ohne Tarifverträge gut leben könne. Das heißt<br />
konsequent weitergedacht: Wir brauchen keine Gewerkschaften,<br />
mit denen wir uns über Tarifverträge <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzen<br />
müssen. Wir sind schon bei den Beamten gut<br />
damit gefahren, die Arbeitsbedingungen nach <strong>der</strong> von<br />
uns definierten Finanzlage <strong>aus</strong>zurichten und einseitig<br />
festzulegen.<br />
Der Kompromissvorschlag<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaften<br />
Die Gewerkschaften ver.di, <strong>GEW</strong> und GdP hatten im<br />
März einen Lösungsvorschlag vorgelegt, <strong>der</strong> den Län<strong>der</strong>n<br />
entgegen kommen und den Weg zu einem Abschluss<br />
frei machen sollte:<br />
1. Arbeitszeit<br />
Die Arbeitszeit bleibt bei 38,5 Stunden für die Beschäftigten<br />
in den Entgeltgruppen 1 - 10 (BAT X bis BAT<br />
IVa). Die Arbeitszeit in den Entgeltgruppen 11 - 14 (BAT<br />
III bis BAT Ib) soll 39,5 Stunden und in <strong>der</strong> Entgeltgruppe<br />
15 (BAT Ia) 40 Stunden betragen.<br />
2. Jahresson<strong>der</strong>zahlung<br />
Die Jahresson<strong>der</strong>zahlung soll ebenfalls nach Entgeltgruppen<br />
gestaffelt werden:<br />
1 bis 8 95 Prozent<br />
9 bis 11 80 Prozent<br />
12 und 13 60 Prozent<br />
14 und 15 40 Prozent<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Tarifkonflikt 2006<br />
Die Arbeitgeber haben diese Vorschläge in den Wind<br />
geschlagen. All dies war ihnen zu wenig! Die TdL will<br />
offensichtlich diktieren, was verdient und wie lange gearbeitet<br />
wird. Das wi<strong>der</strong>spricht aber dem Demokratieverständnis<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaften und dem bisher geltenden<br />
gesellschaftlichen Konsens in diesem Land, dass Tarifkonflikte<br />
in einem fairen Interessen<strong>aus</strong>gleich kollektiv<br />
gelöst werden. Dass es auch an<strong>der</strong>s geht, zeigte die<br />
Haltung des Finanzministers <strong>aus</strong> Schleswig-Holstein,<br />
Stegner, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Verhandlungsführung <strong>der</strong> TdL unmissverständlich<br />
Kritik geübt hat: Diese sei nicht auf<br />
Einigung gerichtet gewesen, son<strong>der</strong>n eher darauf, so<br />
Stegner wörtlich: „Eine Einigung nicht haben zu wollen,<br />
weil man glaubt, man braucht keine Tarifverträge.“<br />
Der Schutz <strong>der</strong> Beschäftigten<br />
steht auf dem Spiel<br />
Aber den Gewerkschaften kommt es darauf an, dass ihre<br />
Mitglie<strong>der</strong> als abhängig Beschäftigte tariflich geschützt<br />
und gesichert und nicht <strong>der</strong> Willkür <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />
<strong>aus</strong>gesetzt sind. Wenn <strong>der</strong> gegenwärtige Tarifkonflikt<br />
nicht im Rahmen eines vernünftigen Verhandlungsergebnisses<br />
gelöst wird, son<strong>der</strong>n ein tarifloser Zustand für<br />
eine immer größer werdende Zahl von Beschäftigten<br />
bleibt, wenn die Schutzfunktion <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />
entfällt, gerät die bereits jetzt schon stark angegriffene<br />
soziale Balance in erhebliche Schieflage. Die Gewerkschaften<br />
des öffentlichen Dienstes sind weiter zu einer<br />
Lösung im Rahmen von Verhandlungen bereit. Dies geht<br />
jedoch nur, wenn die Tarifgemeinschaft deutscher Län<strong>der</strong><br />
auch verhandelt und nicht diktieren will. Es ist nicht<br />
zuviel verlangt, wenn die Gewerkschaften den ernsthaften<br />
Verhandlungswillen <strong>der</strong> Arbeitgeber, ihre tarifpolitische<br />
Handlungsfähigkeit und keine parteipolitisch<br />
beeinflusste Gesellschaftsideologie in Tarifverhandlungen<br />
erwarten!<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Für den 20.03. riefen<br />
<strong>GEW</strong>, GdP und ver.di ihre<br />
Mitglie<strong>der</strong> zum landesweiten<br />
Streik auf. In Mainz<br />
fand die zentrale Demo<br />
und Streikkundgebung<br />
statt. 800 Beschäftigte im<br />
öffentlichen Dienst nahmen<br />
teil. Die <strong>GEW</strong> war<br />
mit über 150 KollegInnen<br />
vertreten.<br />
Hein und Oss Kröher bildeten den musikalischen<br />
Rahmen mit Wi<strong>der</strong>standslie<strong>der</strong>n<br />
<strong>aus</strong> verschiedenen Epochen.<br />
17
Tarifkonflikt 2006<br />
Was geht das die Beamtinnen<br />
und Beamten an?<br />
Früher war es gute politische Praxis, die Tarifverträge und<br />
Gehaltsabschlüsse im öffentlichen Dienst auf die Beamtinnen<br />
und Beamten zu übertragen. Jetzt weht <strong>der</strong> Wind<br />
<strong>aus</strong> einer an<strong>der</strong>en Richtung: Vor allem die konservativ<br />
regierten Län<strong>der</strong> wollen über ein fö<strong>der</strong>alisiertes Beamtenrecht<br />
die Arbeitsbedingungen einseitig festlegen. Heute<br />
liegen die Arbeitszeiten <strong>der</strong> Staatsdiener je nach Bundesland<br />
zwischen 40 und 42 Wochenstunden, Urlaubsund<br />
Weihnachtsgeld zwischen null und 50 Prozent. Und<br />
was wird morgen sein, wenn die Tarifschranke endgültig<br />
gefällt worden ist? Sollte die hoch gelobte Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
in allen Punkten realisiert werden, fällt die bundeseinheitliche<br />
Beamtenbesoldung. Jedes Bundesland<br />
kann dann nach vermeintlicher Kassenlage die Besoldungshöhe<br />
und -struktur festlegen. Man braucht nicht<br />
viel Fantasie, um sich vorzustellen, wohin die Reise <strong>der</strong><br />
Arbeitsbedingungen <strong>der</strong> Beamtinnen und Beamten, aber<br />
auch die Absicherung <strong>der</strong> Kolleginnen und Kollegen im<br />
Ruhestand, dann gehen wird. Die gewerkschaftliche Kontrolle<br />
und Durchsetzung eines Schutzes für die Beschäftigten<br />
im Beamtenverhältnis wird bei Geltung eines bundesweiten<br />
Tarifvertrags für die Angestellten des öffentlichen<br />
Dienstes, in dem <strong>der</strong>en Arbeitsbedingungen festgelegt<br />
sind, schon schwierig genug werden, weil die<br />
Übertragung heute nicht mehr per se erfolgt. Ohne Orientierung<br />
an einem solchen Tarifvertrag werden aber<br />
für den Beamtenbereich alle Dämme und Schleusen für<br />
eine nicht absehbare Zukunft geöffnet.<br />
Deshalb gilt: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst,<br />
gleichgültig wo sie tätig sind und welchen Status sie haben,<br />
müssen sich gegenseitig aktiv unterstützen, wenn<br />
es um den Schutz und die Sicherung ihrer Arbeitsbedingungen<br />
geht. Wie heißt noch das Motto, das schon vor<br />
über 30 Jahren in <strong>der</strong> <strong>GEW</strong>-Zeitung zu lesen war? „Nur<br />
gemeinsam sind wir stark - allein machen sie dich ein!“<br />
Das gilt heute mehr denn je.<br />
Udo Küssner<br />
18<br />
Der Streik weitete sich auf weitere Regionen <strong>aus</strong>. 65 <strong>GEW</strong>-Mitglie<strong>der</strong> <strong>aus</strong> rheinland-pfälzischen Schulen<br />
waren an diesem Tag im Streik. Auch <strong>aus</strong> Kastellaun, Kirchheimbolanden, Bad Kreuznach reisten die KollegInnen<br />
nach Mainz.<br />
Die 3 Landesvorsitzenden <strong>der</strong> drei Gewerkschaften v.l.n.r.: Uwe Klemens<br />
(ver.di), Ernst Scharbach (GdP), Tilman Boehlkau (<strong>GEW</strong>)<br />
Fotos: Bernhard Clessienne und Thomas R<strong>aus</strong>ch<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Informationselite und Unterhaltungsproletariat<br />
Bundeskongress für Politische Bildung: Medien - Demokratie - Bildung<br />
„Demokratien brauchen Demokratinnen und Demokraten.<br />
Demokratien stellen höchste Anfor<strong>der</strong>ungen an ihre Bürgerinnen<br />
und Bürger, insbeson<strong>der</strong>e an ihr Wissen, ihr Urteilsvermögen,<br />
ihre Interventionskraft und ihre Partizipationsbereitschaft<br />
- und nicht zuletzt an ihre Frustrationstoleranz. Demokratie<br />
muss man leben, gestalten und manchmal auch ertragen<br />
lernen. Aus neuen Generationen wachsen nicht automatisch<br />
kundige und engagierte Bürgerinnen und Bürger<br />
heran. Deshalb braucht Demokratie politische Bildung.“ Mit<br />
diesen Worten begrüßte Rheinhold Hedtke, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Deutschen Vereinigung für politische Bildung, die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer des 10. Bundeskongresses für Politische<br />
Bildung in Mainz.<br />
Thema des diesjährigen Kongresses: „Medien - Demokratie<br />
- Bildung.“ Hochkarätige Referenten, volle Veranstaltungsräume,<br />
interessante Referate und Diskussionen;<br />
die dreitägige Veranstaltung in Mainz bot PädagogInnen<br />
und MedienvertreterInnen <strong>aus</strong> ganz Deutschland<br />
die Chance, Politik- und Medienszene hautnah kennen<br />
zu lernen und mit ihren Vertretern ins Gespräch zu kommen.<br />
In Workshops und Diskussionsrunden nahmen<br />
Teilnehmer und Experten die Zusammenhänge von<br />
Medien - Demokratie und Bildung kritisch unter die<br />
Lupe.<br />
Etwa siebeneinhalb Stunden verbringt <strong>der</strong> statistische<br />
Durchschnitts-Deutsche jeden Tag mit Medien. Morgens<br />
mit Radio und Tagesszeitung, dann im Auto o<strong>der</strong><br />
bei <strong>der</strong> Arbeit, nachmittags mit eigener CD o<strong>der</strong> im Internet<br />
und abends vor dem Fernsehen. Nie zuvor bestand<br />
ein größeres Informations- und Unterhaltungsangebot,<br />
nie zuvor stellten Medien größere Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an ihre Nutzer. „Gefragt ist hier ganz offensichtlich<br />
Medienkompetenz“, so Thomas Krüger, <strong>der</strong> Präsident<br />
<strong>der</strong> Bundeszentrale für politische Bildung. Bundestagspräsident<br />
Norbert Lammert dazu in seinem Eröffnungsvortrag:<br />
„Die Zahl <strong>der</strong>er, die durch zu viel Informationen<br />
nicht mehr informiert sind, steigt.“ Der Journalist<br />
Thomas Leif brachte mit seiner Bemerkung das Problem<br />
auf den Punkt: „Inzwischen steht in Deutschland<br />
eine Informationselite einem Unterhaltungsproletariat<br />
gegenüber.“<br />
„Wo war Merkels Mann bei <strong>der</strong> Vereidigung?“<br />
In <strong>der</strong> ersten Podiumsdiskussion diskutierten sechs Journalisten<br />
unter dem Motto „Skandalisierung - Inszenierung<br />
- Aufklärung“ die Rolle <strong>der</strong> Medien im Zeitalter<br />
<strong>der</strong> Beschleunigung. Mo<strong>der</strong>ator Thomas Leif vom Netzwerk<br />
Recherche zeigte in souveräner Weise, wie Talkrunden<br />
<strong>aus</strong>sehen können, wenn sie von kompetenten<br />
Journalisten geleitet werden. Hier hätte Frau Christiansen<br />
etwas lernen können. Seine Gesprächspartner, Peter<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Politische Bildung<br />
Frey (ZDF), Ulrich Deupmann (BamS), Bettina Gauß<br />
(taz), Ilona Wunsching (mdr) und Monika Zimmermann<br />
(Kölner Stadt-Anzeiger) kamen schnell zu Sache.<br />
Bemängelt wurde <strong>der</strong> wachsende Zeitdruck, <strong>der</strong> <strong>aus</strong>führliche<br />
und seriöse Recherche erschwere. Daneben beklagten<br />
die Teilnehmer eine Art Herdenverhalten „nicht nur<br />
bei <strong>der</strong> Themen<strong>aus</strong>wahl, son<strong>der</strong>n auch im Tonfall“. Leitmedien<br />
wie BILD o<strong>der</strong> SPIEGEL setzten die Themen,<br />
an denen auch an<strong>der</strong>e Medien nicht vorbei kämen. Selbst<br />
Bettina Gauß von <strong>der</strong> taz fand es „weltfremd“ zu glauben,<br />
einzelne Medien könnten sich diesem Themendruck<br />
entziehen. Die Tendenz <strong>der</strong> Boulevardisierung stieß nicht<br />
bei allen Teilnehmern <strong>der</strong> Runde auf Ablehnung. Peter<br />
Frey fand es „hochnäsig“, hier nur von Schmuddel-Journalismus<br />
zu sprechen. Boulevard-Journalismus dürfe jedoch<br />
in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen: „Boulevard-Themen sollen nur in den<br />
dafür vorgesehenen Mediengefäßen gesendet werden“.<br />
Das ZDF mache dies z.B. in <strong>der</strong> Sendung „Leute heute“.<br />
Ilona Wunsching dazu: „Eine gute Methode, ein breites<br />
Publikum anzusprechen, ist ein „A/B-Stück“ zu machen.<br />
Zum Beispiel kann man die Frage: „Wo war Merkels<br />
Mann bei <strong>der</strong> Vereidigung?“ als Aufhänger für einen Beitrag<br />
zum Thema Rollenverteilung Mann-Frau in <strong>der</strong><br />
Politik nutzen. Boulevard ist kein Bäh-Thema - ein boulevardesker<br />
Anklang kann die Zuschauer mitreißen und<br />
sie dadurch für ein seriöses Thema begeistern“. Die politischen<br />
Bildner im Saal nickten zustimmend, mit „A/B-<br />
Stücken“ kennen sie sich <strong>aus</strong>!<br />
Am zweiten Tag des Bundeskongresses wurde das Kongressthema<br />
in zehn Sektionen differenziert bearbeitet. Als<br />
Referenten konnten u.a. die ehemalige Gesundheitsministerin<br />
Andrea Fischer („Man kann das Privatleben auch<br />
<strong>aus</strong> den Medien her<strong>aus</strong>halten“), <strong>der</strong> SPIEGEL-Autor<br />
Jürgen Leinemann o<strong>der</strong> <strong>der</strong> SWR- Intendant Peter Voss<br />
gewonnen werden.<br />
Im <strong>der</strong> Veranstaltung „Mediatisierte Vermittlung von<br />
Politik und Geschichte“ diskutierten <strong>der</strong> Berliner Historiker<br />
Wolfgang Benz mit dem Autor und Filmemacher<br />
Eberhard Görner über den Einsatz von Dokumentar- und<br />
Spielfilmen innerhalb <strong>der</strong> politischen Bildung.<br />
Gerade Kinofilme über das Dritte Reich scheinen in<br />
Mode zu sein: „Der Untergang“, „Sophie Scholl“ , „Der<br />
neunte Tag“. Alles große Erfolge! Auch das Fernsehen<br />
produziert aufwändige Mehrteiler wie „Speer und Er“,<br />
„Hitlers Frauen“ o<strong>der</strong> zuletzt den Dokumentar-Spielfim<br />
„Dresden“. Im schulischen Politikunterricht greifen Lehrer<br />
gerne auf solche Spielfilme zurück. Ein Teilnehmer:<br />
„An<strong>der</strong>s sind Schüler kaum noch für Geschichte zu begeistern!“.<br />
19
Politische Bildung<br />
Berufliche Bildung<br />
Ausbildungsmarktsituation weiterhin dramatisch<br />
Für viele Berufsfachschüler<br />
ist<br />
die BBS nur 2.<br />
Wahl, weil ihre<br />
Ausbildungsplatzsucheerfolglos<br />
war.<br />
Foto: Butzke<br />
20<br />
Wolfgang Benz wies darauf hin, dass sich in diesen Produktionen<br />
Fiktion und Dokumentation vermischen; die<br />
Qualität <strong>der</strong> Filme sei z.T äußerst schlecht und entspreche<br />
kaum den historischen Tatsachen: „Durch das inflationäre<br />
Einbauen von Zeitzeugen wird eine Realität behauptet,<br />
die möglicherweise so nicht existiert hat“, kritisierte<br />
<strong>der</strong> Historiker. Darüber hin<strong>aus</strong> würden geschichtliche<br />
Ereignisse so personalisiert, dass <strong>der</strong> Zuschauer<br />
darüber hin<strong>aus</strong> die historischen Tatsachen nicht mehr<br />
wahrnehmen könne. So verwun<strong>der</strong>t es nicht, dass Sch<strong>aus</strong>pieler<br />
und Regisseure solcher Produktionen von Journalisten<br />
als „Experten für das Dritte Reich“ befragt werden.<br />
Steven Spielberg werde - nach seinem Film „Schindlers<br />
Liste“ - als kompetenter Holoc<strong>aus</strong>tforscher eingeschätzt,<br />
die Sch<strong>aus</strong>pielerin Julia Jentsch sollte Auskunft<br />
darüber geben, wie sich Sofie Scholl im Gestapo-Gefängnis<br />
fühlte. Bettina Schlanstein vom WDR stimmte mit<br />
Benz darin überein, dass die Zuschauer das Fiktionale<br />
oft authentischer wahrnehmen als die Realität. Aber auch<br />
im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gelte heute die Devise:<br />
„Du solltest nicht langweilen!“ Wenn das Fernse-<br />
Trotz Ausbildungspakt und Nachvermittlungsaktionen<br />
hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Rheinland-Pfalz<br />
weiter verschlechtert. Die Zahl <strong>der</strong> gemeldeten<br />
betrieblichen Ausbildungsplätze ist um ca. 6% gesunken,<br />
obwohl sich die Zahl <strong>der</strong> Bewerberinnen und<br />
Bewerber um fast 16% gegenüber dem Vorjahr erhöht<br />
hat.<br />
Der DGB-Vorsitzende Muscheid dazu: „Weniger Ausbildungsstellen,<br />
mehr Bewerberinnen und Bewerber. Die<br />
Situation auf dem rheinland-pfälzischen Ausbildungsmarkt<br />
bleibt weiterhin dramatisch. Von Oktober 2005<br />
hen die Zuschauer für die Beschäftigung mit historischen<br />
Themen gewinnen wolle, müsse man Berührungsängste<br />
gegenüber fiktionalen Elementen ablegen.<br />
Weitere Sektionen beschäftigten sich mit Themen wie<br />
„Politikinszenierung in <strong>der</strong> Mediengesellschaft“, dem<br />
Internet und neuen Formen <strong>der</strong> Kommunikation o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> „Macht <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>“. Den Abschlussvortrag des Kongresses<br />
am Samstagvormittag erlebten lei<strong>der</strong> nur wenige<br />
Teilnehmerinnen. Aufgrund starkem Schneefalls reiste<br />
<strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits<br />
frühzeitig nach H<strong>aus</strong>e und verpassten so den Hauptgast<br />
<strong>der</strong> Veranstaltung, den ehemaligen Außen- und Premierminister<br />
Ungarns, Gyula Horn.<br />
Mainz bewies sich als guter Gastgeber eines Bundeskongresses.<br />
Die Veranstaltung hatte eine hohe Qualität, bot<br />
eine Reihe interessanter Fachbeiträge und den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern viele Möglichkeiten des fachlichen<br />
Aust<strong>aus</strong>ches und <strong>der</strong> Information.<br />
Weitere Informationen zum 10. Bundeskongress unter<br />
www.bpb.de (Link: Veranstaltungen / Dokumentationen).<br />
Lucas Schmitt<br />
bis Ende März diesen Jahres wurden <strong>der</strong> Agentur für<br />
Arbeit rd. 18.000 Ausbildungsplätze gemeldet, fast 1.100<br />
weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Den offenen<br />
Ausbildungsstellen stehen aktuell rund 29.000<br />
Bewerberinnen und Bewerber gegenüber.“<br />
Die Zahl <strong>der</strong> neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge<br />
sei wie<strong>der</strong> um 5,3% gesunken; am stärksten in Kaiserslautern<br />
mit -10% und Bad Kreuznach mit -9,3%. Auch<br />
die Nachvermittlungsaktion habe den meisten Jugendlichen<br />
keinen Ausbildungsplatz gebracht. Von den insgesamt<br />
3.600 nicht vermittelten Bewerberinnen und Bewerbern<br />
Ende September 2005 seien lediglich 900 in eine<br />
betriebliche Ausbildung o<strong>der</strong> eine EQJ-Maßnahme (Einstiegsqualifizierungsjahr)<br />
vermittelt worden; 1.100 habe<br />
man in berufsvorbereitende Maßnahmen <strong>der</strong> Arbeitsagenturen<br />
o<strong>der</strong> schulische Warteschleifen verwiesen;<br />
1.600 Jugendlichen sei überhaupt kein Angebot gemacht<br />
worden.<br />
Muscheid ver<strong>weist</strong> in diesem Zusammenhang auch auf<br />
die 22.000 Schülerinnen und Schüler, die im Schuljahr<br />
2005/06 die Berufsfachschule I begonnen haben. Für<br />
viele von ihnen sei Schule nur die 2. Wahl, weil ihre<br />
Ausbildungsplatzsuche erfolglos war.<br />
„Solange nur weniger als ein Drittel aller Unternehmen<br />
in Rheinland-Pfalz <strong>aus</strong>bilden, müssen wir Instrumente<br />
finden, die Ausbildungsbereitschaft <strong>der</strong> nicht <strong>aus</strong>bildenden<br />
Unternehmen zu erhöhen“, so Muscheid.<br />
Die Lage auf dem rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt ist<br />
auch für Jugendliche unter 25 Jahren nicht entspannt.<br />
Gegenüber <strong>der</strong> allgemeinen Arbeitslosenquote von 8,9%<br />
liegt die Quote <strong>der</strong> jugendlichen Arbeitslosen bei 10,1%.<br />
pm-dgb<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Möglicherweise mehr Ruhegehalt<br />
Unterhälftige Teilzeitbeschäftigungen können als ruhegehaltsfähige<br />
Dienstzeit anerkannt werden. Mit Urteil<br />
vom 25.05.2005 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden,<br />
dass Zeiten als angestellte Lehrkraft mit unterhälftiger<br />
Wochenstundenzahl ggf. als ruhegehaltsfähige<br />
Dienstzeit anerkannt werden kann. Dies kann immer<br />
dann <strong>der</strong> Fall sein, wenn die geringere Unterrichtsstundenzahl<br />
nicht freiwillig gewählt wurde und die Arbeitskraft<br />
lückenlos und voll dem Dienstherrn zur Verfügung<br />
gestellt und auch keine Nebentätigkeiten <strong>aus</strong>geübt<br />
wurden.<br />
Alle Kolleginnen und Kollegen sollten somit bei Versetzung<br />
in den Ruhestand darauf achten, dass bei <strong>der</strong> Berechnung<br />
des Ruhegehaltes auch die unterhälftige Teilzeitarbeit<br />
im Schuldienst vor Eintritt in das Beamtenverhältnis<br />
berücksichtigt wurden. Ist dies nicht <strong>der</strong> Fall,<br />
sollte gegen den Bescheid Wi<strong>der</strong>spruch eingelegt werden.<br />
Beamtinnen und Beamte, die sich schon im Ruhestand<br />
befinden und somit einen rechtskräftigen Bescheid über<br />
die ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten haben, sollten keine<br />
Anträge stellen. Es gibt <strong>der</strong>zeit noch keine gerichtlichen<br />
Entscheidungen darüber, ob rechtskräftig gewor-<br />
Schneller ans Ziel mit dem<br />
Sparkassen-Finanzkonzept.<br />
Sicherheit, Altersvorsorge, Vermögen.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Rechtsschutz<br />
dene Bescheide entsprechend aufzuheben sind. Es sind<br />
entsprechende Rechtsstreite anhängig. Wenn darüber<br />
entschieden ist, wird an dieser Stelle weiter informiert.<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> können sich mit Fragen gerne an<br />
die <strong>GEW</strong> Rechtsschutzstelle, T: 06131/28988-21, wenden<br />
bzw. ihre Bescheide zur Prüfung übersenden.<br />
Brigitte Strubel-Mattes,<br />
Landesrechtsschutzstelle <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
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S<br />
21
Alter + Ruhestand<br />
Die <strong>GEW</strong> gratuliert …<br />
… im Juni 2006<br />
Wohnen im Alter<br />
22<br />
zum 70. Geburtstag<br />
Frau Gretel Henne<br />
05.06.1936<br />
Speyerer Str. 34 · 67256 Weisenheim<br />
Herrn Helmut Propson<br />
11.06.1936<br />
Peter-Wüst-Str. 3 · 54295 Trier<br />
Herrn Alfred Riedinger<br />
17.06.1936<br />
Rousse<strong>aus</strong>tr. 9 · 67663 Kaiserslautern<br />
Herrn Eberhard Mai<br />
27.06.1936<br />
Mittelhofer Str. 15 · 56479 Elsoff<br />
Frau Edeltraud Stift-Naethe<br />
28.06.1936<br />
Stromberger Str. 36b · 55411 Bingen<br />
zum 75. Geburtstag<br />
Frau Elinor Kürten<br />
28.06.1931<br />
Beethovenstr. 4 · 55583 Bad Münster<br />
Herrn Willi Schmiedel<br />
28.061931<br />
Lindenallee 2 · 56379 Holzappel<br />
zum 80. Geburtstag<br />
Herrn Siegfried Weisshaar<br />
12.06.1926<br />
Karolinger Str. 22 · 56626 An<strong>der</strong>nach<br />
Frau Marianne Frank<br />
27.06.1926<br />
Pfr.-Friedrich-Str. 59 · 67071 Ludwigshafen<br />
Frau Erika Haupt<br />
28.06.1926<br />
Steinfel<strong>der</strong> Str. 44-46/003 · 76887 Bad Bergzabern<br />
Damit SeniorInnen so lange wie möglich in ihren eigenen<br />
Wänden selbstständig und selbstbestimmt leben können,<br />
hat das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie<br />
und Gesundheit eine Checkliste erstellt, die dabei helfen<br />
kann, festzustellen, ob die eigene Wohnung den Bedürfnissen<br />
von Hochaltrigen entspricht. Abgefragt wird dabei,<br />
ob es in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Wohnung wichtige Infrastruktur<br />
wie Einkaufsmöglichkeit, Arzt und Apotheke sowie<br />
Bus- o<strong>der</strong> Straßenbahnhaltestellen gibt, die Wohnungsumgebung<br />
gut begehbare und beleuchtete <strong>Wege</strong> hat, das<br />
H<strong>aus</strong> einen stufenfreien Zugang, eine gut erkennbare<br />
H<strong>aus</strong>nummer und eine leicht zu öffnende Eingangstür<br />
hat. Wichtig sind auch Handläufe, ein rutschfester Bodenbelag<br />
sowie eine <strong>aus</strong>reichend lange und helle Treppenbeleuchtung.<br />
In <strong>der</strong> Wohnung soll darauf geachtet werden, dass es keine<br />
Stolperfallen gibt, überall freier Durchgang ist, alle<br />
zum 85. Geburtstag<br />
Herrn Fritz Leonhardt<br />
06.06.1921<br />
Wallstr. 43 · 66482 Zweibrücken<br />
zum 86. Geburtstag<br />
Frau Lieselotte Naumer<br />
02.06.1920<br />
Kurpfalzstr. 26 · 67435 Neustadt<br />
zum 87. Geburtstag<br />
Herrn Hans Henning<br />
21.06.1919<br />
Bgmst.-Bachmann-Str. 5 · 69483 Wald-Michelbach<br />
Frau Lieselotte Koetz<br />
10.06.1919<br />
Emil-Jacob-Weg 4 · 55543 Bad Kreuznach<br />
Frau Gertrud Thiel<br />
11.06.1919<br />
Renzstr. 14 · 67547 Worms<br />
zum 89. Geburtstag<br />
Herrn Erich Huettig<br />
07.06.1917<br />
Saarstr. 19 · 76870 Kandel<br />
zum 90. Geburtstag<br />
Frau Marianne Kleinhans<br />
10.06.1916<br />
Kapellengasse 25 / Im Schillerstift · 67071 Ludwigshafen<br />
zum 92. Geburtstag<br />
Herrn Walther Willems<br />
06.06.1914<br />
An <strong>der</strong> Bach 31 · 56429 St. Goar<br />
zum 93. Geburtstag<br />
Herrn Gustav Arzt<br />
16.03.1913<br />
Gartenstr. 47 · 66917 Wallhalben<br />
Der Landesvorstand<br />
Wohnbereiche gut beleuchtet und durch Handgriffe gesichert<br />
sind. Das Bad soll so groß sein, dass <strong>der</strong> Pflegedienst<br />
sich darin bewegen kann, eine bodengleiche Dusche<br />
und ein erhöhter Toilettensitz vorhanden sind.<br />
In <strong>der</strong> Küche sollen Schränke gut erreichbar und Sitzmöglichkeiten<br />
an den Arbeitsflächen vorhanden sein.<br />
Im Schlafzimmer ist darauf zu achten, dass ein Lichtschalter<br />
vom Bett <strong>aus</strong> erreichbar und um das Bett genügend<br />
Platz ist. Im Wohnzimmer sollten die Sitzmöbel<br />
Armstützen als Aufstehhilfe haben.<br />
Die Landesberatungsstelle „Barrierefrei Bauen und Wohnen“<br />
gibt an sieben Beratungsorten in Rheinland-Pfalz<br />
Informationen über die Möglichkeiten <strong>der</strong> altersgerechten<br />
Wohnraumanpassung. Dort ist kostenlos Rat in allen<br />
planerischen und bautechnischen Fragen, zu entstehenden<br />
Kosten und zur Finanzierung zu erhalten<br />
Quelle: „Spätlese“, Senioreninfo des Ministeriums für Arbeit,<br />
Soziales, Familie und Gesundheit.<br />
Edmund Theiß<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Büchertipps von Antje Fries<br />
Auf zu den Sternen!<br />
Eine wirklich galaktisch praktisch im Unterricht einsetzbare<br />
Weltraum-Werkstatt hat Lars Kreft für die 3. und<br />
4. Klasse zusammengestellt: Nach <strong>aus</strong>führlichem Kommentar<br />
zu den sechzehn meist mehrseitigen Werkstattangeboten<br />
darf gebastelt, gerätselt, experimentiert werden:<br />
Den Urknall dürfen die Schüler mit Butter nachmachen,<br />
eine Mondkiste zur Erklärung <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Ansichten des Erdtrabanten steht auf dem Plan, ein<br />
Modell von Erde und Mond wird vorgeschlagen. Was<br />
eine Sonnenfinsternis ist, wird praktisch erklärt, und<br />
auch Sonnenuhren, Raumfahrt, Sternbil<strong>der</strong>, Steckbriefe<br />
<strong>der</strong> Planeten und ein Planeten-Memory sind in <strong>der</strong><br />
Werkstatt enthalten. Alle Versuche und Bastelvorhaben<br />
sind gut <strong>aus</strong>zuführen, die Anleitungen verständlich und<br />
keiner <strong>der</strong> Texte ist überfrachtet mit zuviel Wissen, das<br />
sowieso keiner behält. Mit diesem Werk kann man bedenkenlos<br />
abheben: three, two, one, zero....<br />
Lars Kreft: Unterwegs im Universum. Donauwörth 2005.<br />
82 Seiten, 16,80 Euro. ISBN 3-403-04368-1<br />
Am Anfang war...<br />
... <strong>der</strong> Arbeitspass. Aber dann geht’s richtig los in Katrin<br />
Schüppels neuer Werkstatt: Schüler <strong>der</strong> Klassen 3 bis 6<br />
können hier „Fossilien“ selbst herstellen lernen, viel über<br />
Kontinentaldrift, Entstehung von Kohle, die Entwicklung<br />
des Lebens auf <strong>der</strong> Erde nachvollziehen, das Leben<br />
von Sauriern, Säugetieren, Nean<strong>der</strong>talern betrachten und<br />
sich auch über Tropfsteine, die Faltung <strong>der</strong> Erdkruste<br />
o<strong>der</strong> Pollen und Jahresringe als Klima-Anzeiger informieren.<br />
Hoch spannend!!!<br />
Katrin Schüppel: Wie unsere Erde entstanden ist. Mülheim<br />
2006. 71 Seiten, 19,50 Euro. ISBN 3-8346-0017-<br />
2<br />
Auf ins Grüne!<br />
Franz Renner ist Biologe und Umweltpädagoge und arbeitet<br />
auch an <strong>der</strong> PH Weingarten. Seine neue Bestimmungshilfe<br />
für alles, was so auf <strong>der</strong> Wiese krabbelt, ist<br />
klasse! Ich liege also auf <strong>der</strong> Wiese und kenne das Tier<br />
nicht, was da krabbelt. Schrittweise lerne ich, mit dem<br />
A5-formatigen Buch bequem auf dem Bauch im Gras<br />
liegend, wie ich es einzuordnen habe: Beine, Flügel, beson<strong>der</strong>e<br />
Merkmale, aha. Dann soll ich es zeichnen und<br />
ihm einen beschreibenden Namen geben. Wahrscheinlich<br />
finde ich es dann auch auf irgendeiner Seite, denn<br />
das schrittweise Sortieren <strong>der</strong> Merkmale des Krabbeltiers<br />
leitet zielsicher durch das Buch. Etwas zoologische<br />
Systematik am Schluss, wichtige Regeln zum Sammeln,<br />
Beobachten und Bestimmen von Insekten zu Beginn,<br />
kurzum: Das Buch ist nützlich, verständlich und übersichtlich<br />
und passt zudem in jeden Wiesenforscherrucksack.<br />
Franz Renner: Was krabbelt auf <strong>der</strong> Wiese? Donauwörth<br />
2005. 95 Seiten, 12,80 Euro. ISBN 3-403-04461-0<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Tipps + Termine<br />
Zoologie-Spiele mit Biss<br />
Gut gestaltete Kopiervorlagen bestimmen „Biologie im<br />
Spiel“ (hier Band 3, Zoologie). Zwölf Spiele mit jeweils<br />
mehreren Varianten und unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden<br />
lassen Spielerherzen höher schlagen und machen<br />
den Biologieunterricht <strong>der</strong> Sekundarstufe 1 auf jeden<br />
Fall bunter!<br />
Im Stil von „Stadt, Land, Fluss“ werden Tiernamen gesucht,<br />
tierische Redensarten sind zu erkennen, Tiergruppen<br />
müssen klassifiziert werden usw. Natürlich geht es<br />
auch darum, wer wen frisst und wer im Tierreich welche<br />
olympischen Rekorde aufstellt. Richtig gut wird das Buch<br />
im hinteren Teil: Wie geht <strong>der</strong> Mensch mit dem Tier<br />
um? Wie nutzt er es? Da kann im Spiel alles vom therapeutischen<br />
Reiten bis zum Schweinebraten vorkommen.<br />
Und bei „Ein Herz für Tiere?“ kommen gen<strong>aus</strong>o kritische<br />
Töne. Politisch brisant wird’s gar beim Rollenspiel<br />
vom Wachtelkönig: Verschiedene Rollen werden vergeben<br />
(Umweltschützer, Wohnungssuchen<strong>der</strong>, Stadtentwicklungsplaner,<br />
Parteifunktionäre) und mit jeweils passenden<br />
Hintergrundinfos versorgt, um ein Rollenspiel<br />
zu füllen und für Themen dieser Art vor <strong>der</strong> eigenen<br />
H<strong>aus</strong>tür zu sensibilisieren.<br />
Friedhelm Heitmann/Dorle Roleff-Scholz: Biologie im<br />
Spiel. Band 3: Zoologie. Donauwörth 2005. 93 Seiten,<br />
19,80 Euro. ISBN 3-403-04372-X<br />
Fit durch den Tag<br />
101 Fitmachspiele für Kopf und Körper bietet Almuth<br />
Bartl in ihrem neuen Buch „Fit & schlau in <strong>der</strong> Grundschule“<br />
an. Mit einfachen Materialien, guten Erklärungen<br />
und lustiger Illustration zu je<strong>der</strong> Erklärung machen<br />
die Spielchen allesamt Spaß. Dabei geht es nicht bloß<br />
um Zwischendurch-Hampelmänner im Klassenzimmer,<br />
son<strong>der</strong>n um eine gute Mischung <strong>aus</strong> körperlichen und<br />
geistigen Anfor<strong>der</strong>ungen, bei denen immer <strong>der</strong> Teamgeist<br />
wichtig ist. Der Klassenverband soll als Ort erlebt<br />
werden, <strong>der</strong> mit Spaß verbunden ist und „Heimat“ bietet,<br />
meint die Autorin, und dieses Ziel dürfte ohne großen<br />
Aufwand mit den täglichen Spielangeboten erreicht<br />
werden.<br />
Almuth Bartl: Fit & schlau in <strong>der</strong> Grundschule. Offenburg<br />
2005. 111 Seiten, 14,80 Euro. ISBN 3-619-01850-<br />
2<br />
Gezieltes Training<br />
Für den Einzelunterricht wie auch für Gruppen o<strong>der</strong><br />
Klassen <strong>der</strong> Stufen 3 bis 6 eignet sich Rainer Iwanskys<br />
„Rechtschreiben o.k. - trotz LRS“. Das Programm zur<br />
gezielten För<strong>der</strong>ung beginnt mit zahlreichen Bobachtungskriterien:<br />
Hat <strong>der</strong> LRS-Schüler Rechts-Links-Richtungsprobleme?<br />
Welche Fehlerschwerpunkte hat er beim<br />
Lesen, Schreiben, Abschreiben? Danach geht’s ans Basistraining,<br />
den Grundlehrgang für Kin<strong>der</strong>, wie sie sich<br />
selbst schon beim Schreiben kontrollieren können. Fehlerprotokollbögen<br />
erleichtern den Einstieg ins Detail,<br />
bevor sechzig (!) Stundenentwürfe zu den verschiedensten<br />
Rechtschreibproblemen zu lesen sind. Zum Teil<br />
bauen die Stunden auch aufeinan<strong>der</strong> auf. Insgesamt ist<br />
23
Tipps + Termine<br />
24<br />
das Buch mit 50 Euro zwar richtig teuer, dafür ist es aber<br />
auch ein gutes Handbuch mit fast 170 Kopiervorlagen,<br />
und die praktische Ringbindung garantiert das Überleben<br />
auch bei intensiver Nutzung am Kopierer im Lehrerzimmer.<br />
Rainer Iwansky: Rechtschreiben o.k. - trotz LRS. Offenburg<br />
2001. 196 Seiten, 50 Euro. ISBN 3-619-01490-6<br />
Ticken die noch richtig?<br />
Diese Frage bekommt Peer Wüschner als Pädagoge häufig<br />
von Eltern gestellt, wenn es um <strong>der</strong>en pubertierende<br />
Sprösslinge geht. Und so berichtet er von aktuellen Ergebnissen<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Hirnforschung, die die sich stark verän<strong>der</strong>nde<br />
Persönlichkeit eines Jugendlichen belegen.<br />
Wenn das Warum geklärt ist, geht es an die Hilfe für die<br />
Eltern: Beispiele zeigen, welche Grenzverletzungen es<br />
geben kann und was sie bedeuten. Damit Vater und<br />
Mutter nicht mehr machtlos zusehen müssen, bekommen<br />
sie vom Autor Methoden vorgeschlagen, um ihre<br />
Kin<strong>der</strong> zu unterstützen, zum Beispiel die „Wun<strong>der</strong>waffe<br />
Punktebogen“.<br />
Wüschner möchte die für alle Beteiligten nervenaufreibende<br />
Phase <strong>der</strong> Pubertät als ein „großartiges, einzigartiges<br />
Abenteuer und eine <strong>der</strong> intensivsten Phasen des<br />
menschlichen Lebens und Lernens“ vermitteln. Ob er<br />
damit durch alle elterlichen Seufzer dringt?<br />
Peer Wüschner: Grenzerfahrung Pubertät. Neues Überlebenstraining<br />
für Eltern. Frankfurt 2005. 216 Seiten,<br />
13,90 Euro. ISBN 3-8218-5614-9<br />
DUDEN-Hilfen für die Sek. 1<br />
Für das 5. bis 10. Schuljahr (in Realschule, Gymnasium,<br />
Gesamtschule) gedacht sind die 150 Diktate, die<br />
sich gezielt Fehlerschwerpunkte vornehmen und vielerlei<br />
Übungen am Rande anbieten. Die Merkkästen mit<br />
dem Rechtschreib- o<strong>der</strong> Grammatik-Thema vor jedem<br />
Diktat sind absolut praktisch, und die Texte an sich beinhalten<br />
abwechslungsreiche Themen.<br />
Für Klasse 5 bis 8 bietet <strong>der</strong> Band „Aufsatz/Bericht“<br />
umfangreiche Hilfs- und Lernangebote inklusive Merksätzen<br />
und Lerntipps. Völlig miserable Texte gilt es zu<br />
verbessern, Wortfeldarbeit steht an etc. Das Werk ist<br />
ebenso ansprechend und übersichtlich gestaltet wie „Aufsatz/Inhaltsangabe“<br />
für die Klassen 7 bis 10, wo nicht<br />
nur richtiges Textverständnis und sicheres Formulieren<br />
geübt werden, son<strong>der</strong>n dies auch noch mit Hilfe <strong>aus</strong>gewählter<br />
literarischer Texte geschieht: Neben Homer sind<br />
etwa Schiller o<strong>der</strong> Dürrenmatt zu finden. Ein anschauliches<br />
und hilfreiches Schülerbuch!<br />
DUDEN: 150 Diktate. Regeln und Texte zum Üben. 160<br />
Seiten, 9,95 Euro. ISBN 13-978-3-411-72311-9<br />
DUDEN: Aufsatz/Bericht. Berichte entwerfen und verfassen.<br />
112 Seiten, 9,95 Euro. ISBN 13-978-3-411-<br />
05733-7<br />
DUDEN: Aufsatz/Inhaltsangabe. Von <strong>der</strong> Textglie<strong>der</strong>ung<br />
bis zur fertigen Inhaltsangabe. 112 Seiten, 9,95 Euro.<br />
ISBN 13-978-3-411-05802-0<br />
Sachrechnen mit Vergnügen<br />
Spaßige Vorlagen zum Sachrechnen von Anfang an legen<br />
Angelika und Dieter Rehm vor: Bei Erzählbil<strong>der</strong>n<br />
ist gutes Beobachten erfor<strong>der</strong>lich, die Aufgaben dar<strong>aus</strong><br />
entstehen von ganz allein.<br />
Es gibt viele Sprechanlässe, und die Themen kommen<br />
jeweils <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Erfahrungswelt <strong>der</strong> Schulkin<strong>der</strong>. Nach<br />
grundlegenden Einführungen kommen später komplexere<br />
Auffor<strong>der</strong>ungen in ganz schlichter (und daher so<br />
guter!) Verpackung.<br />
Wenn es um den Zahlenraum 10 geht, ist allerdings fraglich,<br />
ob man im Lesen schon so weit ist, dass alle mitkommen.<br />
Aber ansonsten werden die rechnerischen Ausflüge<br />
in Zoo und Zirkus, zum Einkaufen o<strong>der</strong> zum Weihnachtsmann<br />
keine Probleme bereiten, son<strong>der</strong>n eindeutig<br />
zum Mitrechnen motivieren.<br />
Angelika Rehm / Dieter Rehm: Sachrechnen mit Bil<strong>der</strong>n<br />
und Geschichten. Kopiervorlagen für die 1. und 2. Klasse.<br />
Donauwörth 2005. 92 Seiten, 14,80 Euro. ISBN 3-<br />
403-04371-1<br />
Dreifach fit<br />
„Mein Grundwissen“ ist für das 3. und 4. Schuljahr neu<br />
erschienen und behandelt farblich getrennt die Fächer<br />
Deutsch, Mathematik und Englisch. Die Themen<strong>aus</strong>wahl<br />
orientiert sich an den Lehrplänen und bietet vielerlei<br />
Übungen an. In Deutsch geht es um Rechtschreibung,<br />
Grammatik, Erzählen, Texte schreiben und Lesen. In<br />
Mathematik findet man die Kapitel Rechnen, Sachrechnen,<br />
Geometrie und Größen. Im Fach Englisch sind die<br />
wichtigsten Themen für Sprachanfänger (z.B. family,<br />
clothes, food) im Buch enthalten. Lösungen komplettieren<br />
jeden <strong>der</strong> drei Teile. Zudem gibt es Tests, mit denen<br />
man sein Wissen selbst überprüfen kann.<br />
Kl<strong>aus</strong> Metzger (Hrsg.): Mein Grundwissen 3./4. Klasse.<br />
Berlin 2006. 244 Seiten, 12,95 Euro. ISBN 3-589-<br />
22174-7<br />
Weltwissen Sachunterricht<br />
Mitten im Experimentier-Boom ist passend eine neue<br />
Zeitschrift entstanden: „Mitten im Luftmeer“ heißt die<br />
allererste Ausgabe von „Weltwissen Sachunterricht“, in<br />
<strong>der</strong> Fachfrau Donata Elschenbroich das Editorial schreibt.<br />
Vom Vorschulalter bis ins 6. Schuljahr werden Kin<strong>der</strong><br />
mit Ideen beliefert, wie sie zum Thema Luft forschen<br />
können: Die Kita-Kin<strong>der</strong> experimentieren mit Luft, die<br />
Erstklässler mit heißer Luft und einem Taucher in <strong>der</strong><br />
Flasche. Ab Klasse 3 geht es um Luftdruck und Luftzug,<br />
bei den noch Größeren dann um die Luftpumpe und<br />
Luftkissenfahrzeuge.<br />
Die ersten 31 Karten zu einer Experimentierkartei liegen<br />
dem Heft handfest kartoniert bei. Eine Vielzahl an<br />
Kopiervorlagen, Arbeitsblättern, erklärenden Fotos und<br />
Zeichnungen veranschaulichen die einzelnen Themen,<br />
und für den Lehrer gibt es unter <strong>der</strong> Rubrik „Wissen“<br />
nicht nur fachwissenschaftlich interessante Dinge zu lesen,<br />
son<strong>der</strong>n auch angenehm gestaltete Seiten mit vielen<br />
Fotos und „Merkkästen“. Lehrplanbezüge und -einblikke,<br />
außerschulische Lernorte zum Thema und passende<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Rezensionen runden das Angebot für die Pädagogen ab.<br />
Neben <strong>der</strong> prominenten Editorial-Verfasserin haben an<br />
dieser Ausgabe zahlreiche Fachleute (wie „Experimente-<br />
Päpstin“ Gisela Lück) mitgearbeitet, aber auch ReferendarInnen<br />
und Lehrkräfte kommen mit ebenso praxisnahen<br />
Artikeln zu Wort.<br />
„Hoffentlich gefällt Ihnen das Heft - wir sind schon ein<br />
wenig stolz darauf...“ schrieb <strong>der</strong> Verlag, und das zu<br />
Recht! Es geht zwar <strong>aus</strong>schließlich um heiße Luft und es<br />
wird auch viel Wind gemacht, aber Luft, das haben wir<br />
nun gelernt, ist nicht nichts, son<strong>der</strong>n absolut bemerkenswert.<br />
Wie diese neue Zeitschrift!<br />
Zeitschrift Weltwissen Sachunterricht. Braunschweig. 4x<br />
jährlich. Einführungspreis 26 Euro/Jahr, später 38 Euro.<br />
Handbuch für Erzieherinnen und Erzieher<br />
Her<strong>aus</strong>geber Raimund Pousset berichtet, er träume seit<br />
über dreißig Jahren von einem Handbuch für Erzieherinnen<br />
und Erzieher. Wie gut, wenn manche Menschen<br />
ihre Träume realisieren!<br />
Das Beltz-Handbuch ist nicht nur zur Examensvorbereitung<br />
geeignet, son<strong>der</strong>n dient auch als umfassendes<br />
Nachschlagewerk in <strong>der</strong> täglichen Praxis. 84 Fachleute<br />
haben 163 Artikel zu aktuellen Schlüsselbegriffen von<br />
Früh-, Hort- und Heimpädagogik verfasst, die kompakt<br />
und ohne Fachchinesisch gut lesbar sind. Übersichtliche<br />
Struktur des Buches und Literaturangaben zum Vertiefen<br />
des Themas nach jedem Artikel machen es zu einem<br />
Muss in jedem Kita-Regal!<br />
Raimund Pousset (Hrsg.): Beltz-Handbuch für Erzieherinnen<br />
und Erzieher. Weinheim 2006. 512 Seiten, 39,90<br />
Euro. ISBN 3-407-56277-2<br />
Vernetzt besser arbeiten<br />
„Hilfe suchen - Hilfe finden“ ist ein über<strong>aus</strong> passen<strong>der</strong><br />
Untertitel, den das neue Buch <strong>der</strong> beiden Landauer Professoren<br />
Herbert Günther und Hanns Petillon trägt:<br />
„Netzwerk Grundschule“ geht auf pädagogische und didaktische<br />
Hilfsangebote zu Logopädie, Drogenberatung<br />
o<strong>der</strong> Gewaltprävention ebenso ein wie auf klassische<br />
Hilfsinstitutionen wie Erziehungsberatung o<strong>der</strong> Jugendamt.<br />
Auch die mögliche Zusammenarbeit mit Ärzten<br />
wird beschrieben. Fort- und Weiterbildung, Unterrichtsgestaltung<br />
und Fragen von Diagnostik und För<strong>der</strong>ung<br />
bilden weitere Schwerpunkte des Buches. In jeden <strong>der</strong><br />
Bereiche bekommt <strong>der</strong> Leser einen guten Einblick und<br />
schließlich einen Überblick, welche Hilfe in welchem<br />
konkreten Fall passend wäre, denn die Möglichkeiten<br />
und Grenzen <strong>der</strong> verschiedenen Institutionen werden<br />
detailliert angesprochen. Fälle <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Praxis beschreiben<br />
beispielhaft das mögliche Vorgehen.<br />
Viele kompetente Autoren haben die Artikel im Buch<br />
geschrieben, und es wäre schön gewesen, über ihre Qualifikationen<br />
o<strong>der</strong> Beweggründe jeweils ein, zwei Sätze<br />
zu lesen, aber in <strong>der</strong> Gänze än<strong>der</strong>t dies nichts an <strong>der</strong><br />
Nützlichkeit dieser neuen Publikation!<br />
Herbert Günther/Hanns Petillon (Hrsg.): Netzwerk<br />
Grundschule. Weinheim 2006. 224 Seiten, 19,90 Euro.<br />
ISBN 3-407-25412-1<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Roter Faden<br />
Autor Günther Hoegg ist Jurist und Pädagoge und lehrt<br />
Schulrecht an <strong>der</strong> Uni Oldenburg. Da lag es nahe, dass<br />
er nun versucht hat, einen „roten Faden des deutschen<br />
Schulrechts“ zu spinnen, also ein für alle Bundeslän<strong>der</strong><br />
gültiges Werk.<br />
Sein Ziel, den Leser erkennen zu lassen, dass sich „sein<br />
pädagogischer Spielraum durch die Kenntnis des Schulrechts“<br />
erweitert, erreicht Hoegg mühelos: Neben juristischem<br />
Grundwissen geht es um Rechte des Lehrers,<br />
Datenschutz und Urheberrecht, Eltern, Schüler, Leistungsbewertung,<br />
das Kollegium, die Schulleitung und<br />
die Schulaufsicht. Das Schulrecht ist nicht systematisch<br />
dargestellt, son<strong>der</strong>n konkrete Probleme <strong>aus</strong> dem Schulalltag<br />
werden behandelt. Der Autor kann und will hier<br />
nicht genaue Lösungen vorgeben, son<strong>der</strong>n dem Lehrer<br />
ein „Multitool“ auf den Tisch legen, das für die kleinen<br />
Reparaturen des Alltags reicht. Und das tut es!<br />
Zudem sind selbst die Stellen des juristischen Grundwissens,<br />
die Hoegg als unvermeidbar, aber lei<strong>der</strong> trokken<br />
ankündigt, spannend zu lesen. Auch (o<strong>der</strong> gerade?)<br />
nach vielen Dienstjahren äußerst aufschlussreich und<br />
bislang fehlend in <strong>der</strong> Bibliothek <strong>der</strong> Grundschule!<br />
Günther Hoegg: Schulrecht. Weinheim 2006. 192 Seiten,<br />
22,90 Euro. ISBN 3-407-25411-3<br />
Lesepeter<br />
Im April 2006 erhielt den LesePeter das Bil<strong>der</strong>buch:<br />
René Mettler, Die Natur ganz nah und weit weg, <strong>aus</strong><br />
dem Französischen von Leonie Jakobsen, Carlsen, Hamburg<br />
2006, 40 Seiten /geb./ 14,00 €<br />
Das großformatige Bil<strong>der</strong>buch zoomt sich Seite für Seite<br />
<strong>aus</strong> einem Detail (Kirschen am Baum) bis in die Buchmitte<br />
(Landschaft <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Luft) und wie<strong>der</strong> hinein, so dass<br />
das erste Bild sehr ähnlich ist dem letzten (rote Himbeeren).<br />
Dabei geht <strong>der</strong> Blick <strong>aus</strong> einer gestalten in eine Naturlandschaft.<br />
Tolle Rot-Grün Kontraste!<br />
Im Mai 2006 erhält den LesePeter das Kin<strong>der</strong>buch:<br />
Dagmar H. Mueller, Die Hälfte des Himmels gehört<br />
Bo, Illustrationen von Michael Bayer, Thienemann Verlag,<br />
Stuttgart 2006, 220 Seiten / 12,90 €<br />
Nach <strong>der</strong> Beerdigung steigt ein Luftballon mit einem Zettel<br />
in die Luft: „Am 16. Dezember starb mein kleiner Bru<strong>der</strong>.<br />
Er war erst sechs Jahre alt. Aber er war <strong>der</strong> beste Bru<strong>der</strong>,<br />
den man nur haben kann. Ich wünschte, ihr hättet<br />
ihn gekannt.“ Martha erzählt die anrührende Geschichte,<br />
wie Bo sich „die Hälfte des Himmels“ erobert und die Familie<br />
damit fertig wird.<br />
Tipps + Termine<br />
25
Tipps + Termine<br />
Hilfe für die Wahl des Studiengangs GmbH. Das Online-Beratungstool integriert alle Pha-<br />
Frauen aller Län<strong>der</strong> vereinigt euch!<br />
26<br />
Das entscheidende Plus bei <strong>der</strong> persönlichen Studienund<br />
Lebensplanung bietet die Ruhr-Universität Bochum<br />
seit dem 1. April 2006 im Internet an: Dort gibt es das<br />
„Online-Beratungstool“ <strong>der</strong> RUB, das an deutschen<br />
Universitäten bislang einzigartig ist. Es geht weit über<br />
eine reine Studien- o<strong>der</strong> Berufsberatung hin<strong>aus</strong>. Studieninteressierte<br />
bekommen umfassende und maßgeschnei<strong>der</strong>te<br />
Empfehlungen für ihre individuelle Karriere. Entwickelt<br />
haben das Beratungstool Psychologen <strong>der</strong> RUB<br />
um Prof. Dr. Heinrich Wottawa und die Firma eligo<br />
Ein Verband für Migrantinnen wurde Anfang März im<br />
Rahmen einer dreitägigen Migrantinnenkonferenz in<br />
Köln gegründet. „Die Konferenz beschäftigte sich speziell<br />
mit <strong>der</strong> Situation von Migrantinnen. Ziel <strong>der</strong> Konferenz<br />
war es, Strukturen zu schaffen, die die Lebenssituation<br />
von Frauen <strong>aus</strong>ländischer Herkunft verbessern und<br />
ihre Integration in allen Lebensbereichen för<strong>der</strong>n können.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> Diskussion haben wir beschlossen,<br />
einen Migrantinnenverband als unabhängige Frauenorganisation<br />
zu gründen“, erläutert Sidar Demirdögen die<br />
sen <strong>der</strong> eigenen Lebensplanung und stellt bereits frühzeitig<br />
die Weichen in die richtige Richtung. In drei Stufen<br />
hilft das Tool, die Fragen zu beantworten: Was will<br />
ich werden? Mit welchem Studienfach kann ich meine<br />
Ziele erreichen? Und was kann ich konkret an <strong>der</strong> Uni<br />
Bochum studieren, um diesen Weg einzuschlagen? So<br />
bekommen die Studieninteressierten in den drei Modulen<br />
- mein Berufsweg, mein Studiengang, meine Uni -<br />
mehr als eine maßgeschnei<strong>der</strong>te Empfehlung für ein geeignetes<br />
Studium. Das Beratungstool ist abrufbar unter<br />
www.rub.de/beratungstool<br />
pm<br />
Gründung des Verbandes. „Migrantinnen haben ähnliche<br />
Probleme wie an<strong>der</strong>e Frauen auch. Doch aufgrund<br />
<strong>der</strong> Migration gibt es auch spezifische Konflikte. Für uns<br />
war es daher wichtig, selbst aktiv zu werden. Der Verband<br />
wird bei seiner Arbeit von den speziellen Problemen<br />
<strong>aus</strong>gehen, die Migrantinnen haben“, so Sidar Demirdögen<br />
weiter. „Dabei möchten wir uns nicht abspalten<br />
von an<strong>der</strong>en Organisationen. Wir möchten vielmehr<br />
Bindeglied sein, wir möchten Brücken bauen“, erklärt<br />
sie. Bisher konnte <strong>der</strong> Verband einige Aktivitäten durchführen,<br />
wie etwa einen dreimonatigen EDV-Grundlagenkurs<br />
für Migrantinnen.<br />
Näheres zum Verband auf: www.migrantinnen.org<br />
und bei Sidar Demirdögen: sidard@gmx.de<br />
Fundgrube Vertretungsstunden liegt nun in einer neuen Ausgabe vor. Unterrichtende<br />
Zwischen dem Blick auf den Vertretungsplan und <strong>der</strong><br />
Vertretungsstunde bleibt in <strong>der</strong> Regel keine Zeit für eine<br />
<strong>aus</strong>führliche Unterrichtsvorbereitung. Was also tun mit<br />
30 fremden Schülern? In dieser Situation bewährt sich<br />
die Fundgrube Vertretungsstunden. Der Klassiker <strong>aus</strong><br />
dem Cornelsen Verlag wurde komplett überarbeitet und<br />
BAföG <strong>aus</strong>rechnen<br />
SchülerInnen und StudentInnen können jetzt schon vor<br />
dem Ausfüllen eines BAföG-Antrages <strong>aus</strong>rechnen, wie<br />
viel För<strong>der</strong>ung sie vermutlich erhalten werden. Die Arbeitskammer<br />
des Saarlandes hat die aktualisierte Broschüre<br />
„Finanzielle För<strong>der</strong>ung für Schüler und Studenten<br />
- Erläuterungen zum BAföG“ als Online-Version ins<br />
Image <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />
Das Image <strong>der</strong> Gewerkschaften bei jungen Menschen ist<br />
besser als vermutet. Das zeigt eine repräsentative Umfrage<br />
des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag <strong>der</strong><br />
Zeitschrift Neon. Welche dieser Organisationen halten<br />
Sie für glaubwürdig? Das wollten die Meinungsforscher<br />
von den 18- bis 30-Jährigen wissen. Am meisten Vertrauen<br />
haben die Befragten zu Greenpeace (52 %). Die<br />
Gewerkschaften erreichten immerhin mit 23 Prozent den<br />
zweiten Platz, dicht gefolgt von den Kirchen (22 %),<br />
aber weit vor den Parteien (7 %).<br />
aller Fächer und Schulformen <strong>der</strong> Sek. I finden hier mehr<br />
als 200 Anregungen, Spiele, Rätsel und Materialien für<br />
einfallsreichen und entspannten Vertretungsunterricht.<br />
pm<br />
Michael Gressmann: Fundgrube Vertretungsstunden<br />
Cornelsen Verlag Scriptor, 2005, 240 Seiten, kartoniert<br />
Euro (D) 16,95, ISBN 3-589-22175-5<br />
Netz gestellt. Im Angebot enthalten sind Rechenbeispiele,<br />
die Adressen aller Anlaufstellen sowie Links zu allen<br />
Gesetzestexten rund ums BAföG.<br />
www.arbeitskammer.de<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Bildung sichtbar machen<br />
In nahezu allen Bildungsplänen für Kin<strong>der</strong>tagesstätten<br />
wird verlangt, Bildung zu beobachten und zu dokumentieren.<br />
Wie kann das geschehen? Wie kann man Bildung<br />
sichtbar machen?<br />
Ein Team von Autorinnen und Autoren <strong>aus</strong> dem »Gesprächskreis<br />
Bildungsbuch« <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> ist dieser Frage<br />
nachgegangen: Bernhard Eibeck skizziert den Werdegang<br />
<strong>der</strong> Bildungsbuch-Idee und markiert sechs Leitsätze. Das<br />
Bildungsbuch soll das Lern-Buch des Kindes sein, Ressourcen<br />
för<strong>der</strong>n und Perspektiven eröffnen, Transparenz<br />
im Team schaffen, die Beziehungen zu den Eltern verbessern,<br />
die Kompetenzen <strong>der</strong> Erzieherinnen stärken und<br />
gute Vor<strong>aus</strong>setzungen für den Übergang in die Schule<br />
schaffen.<br />
Norbert Huhn und Kornelia Schnei<strong>der</strong> erkunden die<br />
Interessen von Kin<strong>der</strong>n am Dokumentieren und plädieren<br />
dafür, Bildung im Dialog mit Kin<strong>der</strong>n sichtbar zu<br />
Schwule Lehrer:<br />
Pfingsten im Waldschlösschen!<br />
Jedes Jahr treffen sich schwule Lehrer <strong>aus</strong> allen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
zu Pfingsten im Waldschlösschen bei Göttingen.<br />
Zum 27. Mal (!) organisieren die Kollegen <strong>der</strong> AG<br />
Homosexuelle Lehrer <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Berlin zusammen mit<br />
an<strong>der</strong>en Kollegen <strong>aus</strong> dem ganzen Bundesgebiet und <strong>der</strong><br />
Akademie Waldschlösschen ein Fortbildungswochenende<br />
mit vielfältigen Workshops und Seminaren für alle,<br />
vom schwulen Lehramtsstudenten bis zum Kollegen mit<br />
langjähriger Berufserfahrung. So ist <strong>der</strong> Erfahrungs<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch<br />
<strong>der</strong> ungefähr 80 Teilnehmer in Kleingruppen<br />
unter dem Motto: „<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Schule geplau<strong>der</strong>t“, ein immer<br />
wie<strong>der</strong>kehren<strong>der</strong> fester Bestandteil, bei dem je<strong>der</strong><br />
in angenehm entspannter Atmosphäre über seine Situation<br />
an <strong>der</strong> Schule berichten kann. Für viele eines <strong>der</strong><br />
spannendsten und wichtigsten Angebote, denn noch<br />
immer hat nicht je<strong>der</strong> Kollege eine schwule Gewerkschaftsgruppe<br />
in seiner Nähe, bei <strong>der</strong> er regelmäßigen<br />
Aust<strong>aus</strong>ch findet! Außerdem sind in diesem Jahr geplant:<br />
Kollegiale Praxisberatung. Sexualerziehung - immer das<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Tipps + Termine<br />
machen. Der Alltag erscheint uns oft unspektakulär, routiniert<br />
und ist doch gleichzeitig unverwechselbar einmalig<br />
und augenblicklich.<br />
Vier Momentaufnahmen von Gesine Kulcke <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />
zeigen Kita-Teams, die sich auf den Weg gemacht<br />
haben, Bildungsspuren von Kin<strong>der</strong>n festzuhalten.<br />
Strukturelle und konzeptionelle Vor<strong>aus</strong>setzungen für<br />
Fachkräfte und Träger stehen im Mittelpunkt des Beitrages<br />
von André Dupuis.<br />
Roger Prott klärt die rechtliche Situation, in die Dokumentationen<br />
eingebettet sind und spürt offenen Fragen<br />
nach, die das Bildungsbuch von an<strong>der</strong>en Dokumentationsformen<br />
unterscheiden. - Dieses Buch for<strong>der</strong>t Sie auf,<br />
am Experiment Bildung teilzunehmen.<br />
Bildung sichtbar machen - Von <strong>der</strong> Dokumentation zum<br />
Bildungsbuch, 142 Seiten mit vielen Fotos, ISBN 3-<br />
937785-41-8, 14,90 Euro<br />
Für <strong>GEW</strong>-Mitglie<strong>der</strong> zum Son<strong>der</strong>preis von 5 Euro zzgl.<br />
Versandkosten erhältlich bei juhi@gew.de o<strong>der</strong> Fax: 069/<br />
78973103<br />
Gleiche? Homosexualität<br />
im Bil<strong>der</strong>buch, Umgang<br />
mit Migranten. Zum aktuellen<br />
Stand <strong>der</strong> Schwulen<br />
Lehrergruppen in den<br />
Landesverbänden <strong>der</strong><br />
<strong>GEW</strong> Bundeslän<strong>der</strong>n. Kollegiale Fallbesprechung u. v.<br />
m. Das anspruchsvolle Tagungsprogramm (siehe auch<br />
www.schwulelehrer.de) wird durch ein nicht weniger<br />
niveauvolles Rahmenprogramm abgerundet.<br />
Rechtzeitige Anmeldungen sind dringend empfohlen:<br />
www.waldschloesschen.org o<strong>der</strong> direkt an:<br />
Akademie Waldschlösschen, 37130 Reinh<strong>aus</strong>en bei Göttingen,<br />
Telefon 0 55 92 92 77-0, Telefax 92 77-77,<br />
info@waldschloesschen.org.<br />
Guido Mayus, Ulf Höpfner,<br />
AG Homosexuelle Lehrer, <strong>GEW</strong> Berlin<br />
27
Tipps + Termine<br />
Im Netz gegen Rechts<br />
28<br />
Beim Wettbewerb „Im Netz gegen Rechts - Arbeitswelt<br />
aktiv!“ werden Online-Materialien jedwe<strong>der</strong> Art gesucht,<br />
die dazu ermuntern, gegen Rechts und für Gleichberechtigung<br />
aktiv zu werden. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise<br />
um Projekte handeln, die viel Zeit und<br />
großes technisches Know-how erfor<strong>der</strong>n. Wichtig ist vielmehr,<br />
dass ein kreativer Zugang zu <strong>der</strong> Problematik gefunden<br />
wurde. Es kann sich um ein einfaches Compu-<br />
1.000 Traumjobs an einem Tag<br />
Vorstellungen von ihrem Traumberuf haben viele Jugendliche<br />
– doch nur <strong>der</strong> wirkliche Arbeitsalltag gibt<br />
Schülern die Chance, sich in <strong>der</strong> Ausbildungsvielfalt zu<br />
orientieren.<br />
Aus diesem Grunde rufen das Deutsche Kin<strong>der</strong>hilfswerk<br />
und die DBV-Winterthur mittelständische Unternehmen<br />
dazu auf, SchülerInnen in den Herbstferien 2006<br />
Forum Politische Bildung<br />
Das Seminarprogramm Politische Bildung des DGB-Bildungswerks<br />
für 2006 ist erschienen. Über 100 Seminare<br />
zu den Themenbereichen Gesellschaft, Wirtschaft, Europa,<br />
Migration, Arbeitswelt und Computer werden angeboten.<br />
Außerdem sind weitere Seminare in Zusammenarbeit<br />
mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund<br />
Arbeitszeugnisse verstehen<br />
Die Gewerkschaft ver.di hat eine Service-Hotline eingerichtet,<br />
über die auch Nicht-Mitglie<strong>der</strong> zum Thema Arbeitszeugnis<br />
beraten werden. Unter <strong>der</strong> Nummer 01802/<br />
938 46 47 geben Fachleute <strong>der</strong> Gewerkschaft Auskunft<br />
über die verdeckte Bedeutung von Formulierungen und<br />
e-quali für benachteiligte Jugendliche<br />
Manche Jugendliche benötigen für einen erfolgreichen<br />
Start in Ausbildung und Beruf beson<strong>der</strong>e Unterstützung.<br />
Wie sich Chancen und Potenziale von E-Learning zu<br />
ihrer För<strong>der</strong>ung und Qualifizierung nutzen lassen, zeigen<br />
ein Praxisleitfaden und die beigefügte CD-ROM <strong>aus</strong><br />
dem Universum Verlag.<br />
Basis ist das Projekt „e-quali“, ein Teil des Programms<br />
„Kompetenzen för<strong>der</strong>n - Berufliche Qualifizierung für<br />
Zielgruppen mit beson<strong>der</strong>em För<strong>der</strong>bedarf“ des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung (BMBF), Es<br />
wurde von <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung<br />
e.V. gemeinsam mit dem Universum Verlag realisiert und<br />
setzt Standards für den Einsatz von E-Learning in <strong>der</strong><br />
Praxis <strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung.<br />
Zentrale Inhalte sind: Ziele, Durchsetzung und Ergebnisse<br />
von „e-quali“, Konzepte und Praxisanleitungen zur<br />
terspiel o<strong>der</strong> eine Animation, die zum Nachdenken anregt,<br />
handeln, um einen beson<strong>der</strong>en Bildschirmschoner,<br />
ein Logo für eine Kampagne, eine Website, die sich mit<br />
dem Thema Rassismus in <strong>der</strong> Arbeitswelt <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong><br />
setzt o<strong>der</strong> eine für das Internet aufbereitete Dokumentation<br />
von entsprechenden Aktivitäten, ein digitaler Kurzfilm,<br />
<strong>der</strong> zum Download bereitgestellt wird, und, und,<br />
und …<br />
Infos: www.gelbehand.de<br />
pm<br />
einen Tag lang ihren Berufsalltag zu zeigen. Das Ziel ist<br />
es, insgesamt 1.000 Traumjobs für einen Tag zu finden.<br />
Die Vergütung <strong>der</strong> Jugendlichen kommt dem Projekt<br />
”Eine Schultüte für jedes Kind“ des Deutschen Kin<strong>der</strong>hilfswerks<br />
zugute. Mit den Mitteln stattet die Hilfsorganisation<br />
Erstklässler mit gefüllten Schultüten <strong>aus</strong>, finanziert<br />
die Erst<strong>aus</strong>stattung und sogar eine kleine Feier.<br />
Infos und Anmeldung:<br />
www.dvb-winterthur-traumjobs.de<br />
pm<br />
(ÖGB) im Angebot, unter an<strong>der</strong>em zu den Themen<br />
Globalisierung, Rassismus und soziale Gerechtigkeit. Im<br />
Juli und August 2006 wird erneut <strong>der</strong> Hattinger Mediensommer<br />
gefeiert, <strong>der</strong> für alle Altersgruppen Kurse rund<br />
um den Computer anbietet. Die Anmeldung steht allen<br />
Interessierten unabhängig von <strong>der</strong> Mitgliedschaft in einer<br />
DGB-Gewerkschaft frei.<br />
www.dgb-bildungswerk.de<br />
vermitteln Hilfen zur Lösung konkreter Probleme. Eingesandte<br />
Arbeitszeugnisse werden innerhalb von zwei<br />
Tagen analysiert. Der Service ist für Mitglie<strong>der</strong> kostenlos,<br />
Nicht-Mitglie<strong>der</strong> zahlen 70 Euro je Beratungsstunde.<br />
Die Gebühr für Nicht-Mitglie<strong>der</strong> wird im Falle des<br />
Gewerkschaftsbeitritts erlassen.<br />
www.verdi-arbeitszeugnisberatung.de<br />
Umsetzung von E-Learning in <strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung,<br />
Entwicklung eines zielgruppengerechten<br />
Lernarrangements im Internet, Erprobung bei Einrichtungen<br />
<strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung, Perspektiven<br />
für E-Learning in <strong>der</strong> beruflichen Integrationsför<strong>der</strong>ung,<br />
Materialsammlung für TrainerInnen und LehrerInnen<br />
auf CD-ROM.<br />
Weitere Informationen unter: www.universum.de/praxisreihe-jub<br />
pm<br />
Charlotte Höhn / Ute Meinert-Kaiser / Rolf Schiener<br />
e-quali - E-Learning für benachteiligte Jugendliche<br />
Praxisleitfaden mit CD-ROM<br />
144 Seiten, vierfarbig mit Grafiken und Fotos<br />
ISBN 3.89869-155-1, 15,80 Euro<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Stadtführungen von jungen KiezexpertInnen in Berlin<br />
alle Fotos: bloog<br />
- Lars P Mathiassen<br />
and/or<br />
larscapes.com<br />
Wenn Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und LehrerInnen<br />
zum Zweck <strong>der</strong> Wissensvermittlung<br />
zusammenkommen, dann steht im Allgemeinen<br />
außer Frage, in welche Richtung das<br />
Wissen fließen soll: vom Erwachsenen zum<br />
Heranwachsenden, vom Lehrer zum Schüler.<br />
Dabei verfügen Heranwachsende durch<strong>aus</strong><br />
über >>ExpertInnenwissen
Tipps + Termine<br />
30<br />
Bewegte Schule - bewegte Kin<strong>der</strong><br />
Dorothea Beigel<br />
Diplom-Sozialpädagogin<br />
Mens sana in corpore sano - schon im klassischen Altertum<br />
wusste man um die Bedeutung von körperlicher Fitness für<br />
die geistige Leistungsfähigkeit. Dieses Bewusstsein ist seit langem<br />
im Schwinden begriffen und droht heute, in <strong>der</strong> Atmosphäre<br />
einseitiger Leistungsorientierung des PISA - Zeitalters,<br />
vollends verloren zu gehen. Dabei ist es sehr wahrscheinlich,<br />
dass die deutschen PISA - Resultate gerade wegen <strong>der</strong><br />
Vernachlässigung von Bewegung in <strong>der</strong> Schule so schlecht<br />
<strong>aus</strong>gefallen sind. Da kann man dem verlag mo<strong>der</strong>nes lernen<br />
nur dankbar sein, dass er seine <strong>aus</strong>gezeichnete Reihe über<br />
Lernen in Bewegung nun mit einem neuen Buch <strong>der</strong> hessischen<br />
Lehrerfortbildnerin Dorothea Beigel erweitert hat:<br />
„Beweg dich, Schule!“ *)<br />
Um einer auf Lehrerseite häufigen Sorge gleich zu Beginn<br />
entgegenzutreten: Das Buch beschreibt nichts, was zusätzlich<br />
zum Unterricht zu leisten wäre. Es stellt auch keine<br />
einzige Unterrichtsmethode in Frage, son<strong>der</strong>n: „Es bemüht<br />
sich, Lernen in <strong>der</strong> Schule mit Freude und Bewegung zu<br />
verknüpfen, Konzentration und Aufmerksamkeit zu pflegen“<br />
(S. 11). Die Integration von Bewegung und Unterrichtsinhalten<br />
för<strong>der</strong>t Sinnlichkeit und Ganzheitlichkeit des<br />
Lernens, damit auch die Effizienz von Unterricht, und leistet<br />
gleichzeitig einen unschätzbaren Beitrag zur Gesundheitsför<strong>der</strong>ung.<br />
Etwa ein Viertel des Buches besteht <strong>aus</strong> kompakt und verständlich<br />
dargestellter, unverzichtbarer Theorie, die für das<br />
Unterrichten in allen Jahrgängen bedeutsam ist. Dass Wahrnehmung<br />
und Lernen zusammenhängen, ist zwar mittlerweile<br />
allgemein bekannt. Aber nicht nur Hören und Sehen<br />
sind diesbezüglich von Belang, son<strong>der</strong>n auch Tastsinn (taktiles<br />
System), Gleichgewicht (Vestibularsystem) und das Zusammenspiel<br />
von Muskeln, Sehnen und Gelenken (Propriozeption).<br />
Wenn Lehrkräfte über Grundwissen zu dieser Thematik<br />
verfügen, können Sie das Lern- und Sozialverhalten<br />
ihrer Schülerinnen und Schüler wesentlich besser erklären<br />
und angemessen darauf reagieren. Außerdem werden ihre<br />
Klassen leistungsfähiger. Beigel berichtet von einem kanadischen<br />
Experiment mit über 500 Kin<strong>der</strong>n des ersten bis sechsten<br />
Schuljahrs, bei dem eine Stunde mehr Bewegung pro<br />
Woche nicht nur die motorischen Fähigkeiten, son<strong>der</strong>n auch<br />
die Fachleistungen in Mathematik und Französisch stärker<br />
steigerte als bei <strong>der</strong> Kontrollgruppe.<br />
Reifungsverzögerung in Bezug auf frühkindliche Reflexe, ein<br />
Häppchen Gehirnforschung sowie die Unterscheidung von<br />
prozeduralen und deklarativen Lernprozessen runden das<br />
Theoriekapitel ab.<br />
Die Praxis startet mit einem <strong>aus</strong>gearbeiteten Konzept für<br />
einen Elternabend (Kap. 2), denn schulische und familiäre<br />
Erziehung sollten möglichst gut aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt sein.<br />
Das umfangreichste Kapitel (Kap. 3) bietet dann auf 140<br />
Seiten eine regelrechte Schatzkiste mit rund 100 Spielen und<br />
Übungen für den Unterricht. Sie sind gekennzeichnet für<br />
den Einsatz nach Altersstufen von <strong>der</strong> Vorklasse (Schulkin<strong>der</strong>garten)<br />
bis zum 10. Schuljahr sowie entsprechend ihrer<br />
Zuordnung zu den Fächern Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen,<br />
Sach- bzw. Gesellschaftskunde o<strong>der</strong> zum fächer-<br />
übergreifenden Einsatz. Alle Spiele und Übungen sind gründlich<br />
beschrieben und teilweise bebil<strong>der</strong>t. Komplettiert wird<br />
<strong>der</strong> Praxisteil des Buches mit einem eigenen (4.) Kapitel „Bewegung<br />
und Entspannung für Lehrer“. Es vermittelt praktikable<br />
Übungen für die kleine und die große P<strong>aus</strong>e, für die<br />
Hofaufsicht und fürs Lehrerzimmer. Damit die Umsetzung<br />
<strong>der</strong> Anregungen des Buches schon bald nach seiner Lektüre<br />
beginnen kann, stellt das 5. Kapitel allgemeine „Tipps zum<br />
Einstieg in das Lernen mit Bewegung“ vor. Mit Hilfe <strong>der</strong><br />
Adressen im Anhang kann sich je<strong>der</strong> Interessierte vertiefende<br />
Informationen zu <strong>aus</strong>gewählten Aspekten des Themas besorgen.<br />
„Beweg dich, Schule!“ gehört in die Hand je<strong>der</strong> Lehrerin und<br />
jedes Lehrers in Grund- und weiterführenden Schulen. Eine<br />
<strong>der</strong> zahlreichen zutreffenden Schlussfolgerungen <strong>aus</strong> PISA<br />
lautete: „Der Unterricht muss besser werden.“ Dieses Buch<br />
trägt wesentlich dazu bei. Aber am wichtigsten finde ich,<br />
dass es dazu beiträgt, Schule humaner zu machen, denn es<br />
thematisiert das menschliche Grundbedürfnis nach Bewegung<br />
und för<strong>der</strong>t das Wohlbefinden und die Gesundheit sowohl<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> als auch <strong>der</strong> Erwachsenen in Schule. Also: kaufen,<br />
lesen, umsetzen!<br />
Detlef Träbert<br />
*) Dorothea Beigel: Beweg dich, Schule!<br />
Eine „Prise Bewegung“ im täglichen Unterricht<br />
<strong>der</strong> Klassen 1-10, Dortmund<br />
(BORGMANN MEDIA), Nov. 2005,<br />
256 S., 22,80 Euro<br />
Bücherspalte<br />
<strong>GEW</strong>-Handbuch für Lehrerinnen und<br />
Lehrer 4.Auflage1998 Loseblatt<strong>aus</strong>gabe<br />
- Gesamtwerk mit Spezialordner<br />
6. überarbeitete Fassung<br />
Stand Juni 2005<br />
Das rund 1400 Seiten starke Werk enthält alle<br />
wichtigen Gesetze und Verwaltungsvorschriften<br />
für den Schulbereich in Rheinland-Pfalz.<br />
Mitglie<strong>der</strong>: Euro 23,00<br />
Nichtmitglie<strong>der</strong>: Euro 32,00 zzgl.Porto<br />
Wissenswertes für Beamtinnen und<br />
Beamte<br />
Informationen zu beamtenrechtliche Themen wie<br />
Besoldung, Arbeitszeit, Reise- und Umzugskosten,<br />
Versorgung und Beihilfe<br />
280 Seiten, Ausgabe 2005/2006<br />
2,60 Euro zzgl. Porto<br />
Bestellungen an:<br />
<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
Neubrunnenstr. 8 · 55116 Mainz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006
Kreis Kaiserslautern<br />
Arbeitskampf öffentlicher Dienst:<br />
Solidaritätskonzert mit Savannah-Blues-Band<br />
Fotos:<br />
B. Clessienne<br />
Anfang April spielte in Otterbach die weit über die Grenzen<br />
Kaiserslauterns hin<strong>aus</strong> bekannte Sa-vannah-Blues-<br />
Band auf. Kostenlos und mit extrem hoher Qualität. Der<br />
Kreis Worms-Alzey-Frankenthal<br />
Vorstandsteam um Jörg Pfeiffer einstimmig bestätigt<br />
Bei den turnusmäßigen Neuwahlen des <strong>GEW</strong>-Kreisvorstandes<br />
Worms-Alzey-Frankenthal <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft wurden <strong>der</strong> amtierende<br />
Kreisvorsitzende, Jörg Pfeiffer mit dem Vorstandsteam<br />
Alexan<strong>der</strong> Witt und Werner Breu<strong>der</strong> einstimmig für<br />
weitere vier Jahre wie<strong>der</strong> gewählt.<br />
Die Mitglie<strong>der</strong>versammlung brachte damit u.a. ihre große<br />
Zustimmung zur engagierten Öffentlichkeitsarbeit<br />
sowohl bei <strong>der</strong> Umsetzung des Schulentwicklungsplans<br />
<strong>der</strong> Stadt Worms als auch das Kämpfen um den Erhalt<br />
des Kerschensteiner Schwimmbades zum Ausdruck.<br />
In einem Einführungsreferat hatte zuvor die stellvertretende<br />
<strong>GEW</strong> Landesvorsitzende, Sybilla Hoffmann, über<br />
das neuste Projekt des Ministeriums - die so genannte<br />
AQS - informiert. Damit ist eine neue Institution ge-<br />
Studienreisen / Klassenfahrten<br />
8-Tage-Busreise z.B. nach<br />
10-Tage-Busreise z.B. nach<br />
WIEN ÜF 192,-- € SÜDENGLAND Ü 213,-- €<br />
BUDAPEST ÜF 192,-- € TOSKANA Ü 202,-- €<br />
LONDON ÜF 254,-- € SÜDFRANKREICH Ü 230,-- €<br />
PRAG<br />
PARIS<br />
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(Unterbringung in<br />
Selbstversorger-<br />
ROM ÜF 238,-- €<br />
unterkünften)<br />
Alle Ausflugsfahrten inklusive.<br />
Flug- und Bahnanreise sowie an<strong>der</strong>e Ziele (z.B. Ferienparks<br />
in den Nie<strong>der</strong>landen o<strong>der</strong> Belgien) auf Anfrage möglich!<br />
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<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 /2006<br />
Tipps + Termine / Kreis + Region<br />
Grund: Der <strong>GEW</strong>-Kreis<br />
Kaiserslautern hatte sie für<br />
ein Solidaritätskonzert engagiert.<br />
„Vielleicht kann<br />
man ja auch mal positiv und<br />
lustbetont an die Sache rangehen“,<br />
so Andreas San<strong>der</strong>,<br />
Vorstandsmitglied und<br />
Hauptorganisator des schönen<br />
Abends. „Stress, Anfeindungen<br />
und Streit haben<br />
unsere streikenden Kollegen<br />
vor Ort lei<strong>der</strong><br />
ohnehin genug.“<br />
Richtig, und da tut es gut<br />
zu wissen, dass auch nicht direkt betroffene Menschen<br />
hinter den Streikenden stehen. Eine gute Idee, umgesetzt<br />
mit einer wun<strong>der</strong>baren Band. Während Bernhard Clessienne,<br />
einer von drei Vorsitzenden des Kreisverbandes,<br />
gewohnt nett und locker die Begrüßung und Einleitung<br />
zelebrierte, hatten Manfred Bühler (ver.di) und Peter Blase-Geiger<br />
(<strong>GEW</strong>) in <strong>der</strong> P<strong>aus</strong>e Gelegenheit, dem sehr<br />
interessierten Publikum über die aktuellen Entwicklungen<br />
des Arbeitkampfes im öffentlichen Dienst zu berichten.<br />
pbg<br />
meint, die eigentlich als externe Einrichtung den Qualitätsstandard<br />
<strong>der</strong> Schulen untersuchen und sichern soll.<br />
Der <strong>GEW</strong> Kreis hat zu diesem Thema in einer geson<strong>der</strong>ten<br />
Veranstaltung unter dem Motto „Hilfe, die Schulinspektoren<br />
kommen“ Ende März informiert.<br />
In den Vorstand wurden in den weiteren Funktionen<br />
z.T. erstmals gewählt:: Ernst-Josef Bonnkirch, Britta<br />
Gröpl (Grundschulen); Margit Zobetz, Erni Kissel<br />
(Hauptschulen); Christian Diehl, Eva-Maria Apprich<br />
(Realschulen); Rudolf Blahnik (Gymnasien); Ulrike<br />
Dörr, Susanne Sommer (För<strong>der</strong>schulen) Roland Kundel,<br />
Fabian Caspary (Berufsbildende Schulen); Ute<br />
Nürnberger-Axt (Kin<strong>der</strong>tagestätten). Die Senioren werden<br />
künftig durch Volker Schärf und Reinhold Friedrich<br />
betreut; um den Bereich <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />
kümmert sich Werner Breu<strong>der</strong> (PZ Alzey).<br />
jöpf<br />
Neue Satzung<br />
Die aktuelle Fassung <strong>der</strong> Satzung <strong>der</strong> <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
kann in <strong>der</strong> Landesgeschäftsstelle bei <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>verwaltung (Lotte Kolbe) angefor<strong>der</strong>t werden<br />
und ist auch im Internet (www.gew.de) auf <strong>der</strong><br />
Homepage unseres Landesverbandes nachzulesen bzw.<br />
herunter zu laden.<br />
Red.<br />
31
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz<br />
Beilage zur E&W<br />
Schulgeist<br />
Heute im Angebot:<br />
Geflochtene<br />
Le<strong>der</strong>peitsche<br />
32<br />
„Hast du vielleicht mein T-Shirt gesehen?“, frage ich einen<br />
Kollegen in <strong>der</strong> Gymnastikhalle. Nach <strong>der</strong> wilden Tanzstunde<br />
mit meiner Klasse muss ich es irgendwo vergessen haben, als<br />
ich mit Gettoblaster, Sport- und Schultasche zurück ins<br />
Hauptgebäude gespurtet bin. Das T-Shirt muss ich unbedingt<br />
wie<strong>der</strong>haben, da ist ein Zirkusdompteur mit einem<br />
brennenden Reifen draufgestickt. Der Kollege schickt mich<br />
zum Materialschrank. Dort entdecke ich auf einer Liege einen<br />
Berg von bunten Sporthosen, T-Shirts, Fußballhemden<br />
und Turnschuhen. „Na, hast du was Passendes gefunden?“,<br />
grinst <strong>der</strong> Kollege. Ich hebe gerade ungläubig eine Tanga-<br />
Badeschnur für den frühreifen Knaben hoch. „Holt das keiner<br />
ab?“, frage ich, „da sind doch teure Sportschuhe dabei.“<br />
Nein, das holt keiner ab. Nur ganz selten kommt mal ein<br />
Schüler vorbei und sucht nach seinen Sachen. Das bestätigt<br />
mir auch <strong>der</strong> H<strong>aus</strong>meister, in dessen Kabuff Rucksäcke, Jakken,<br />
ein Fahrradsattel und ein Hamsterrad auf ihre Besitzer<br />
warten.<br />
Bürobedarf muss ich nicht privat anschaffen. In meinem<br />
Klassenraum finden sich jede Woche Bleistifte, Radiergummis,<br />
Anspitzer und Schreibblöcke. Das alles hebe ich im Pult<br />
auf und frage hin und wie<strong>der</strong>, ob jemand etwas vermisst<br />
o<strong>der</strong> brauchen kann. Ich habe eine Sammlung von Frühstücksdosen<br />
(mit und ohne Inhalt), Handschuhen und Schals.<br />
Dazu ein Badehandtuch, eine Mozart-Büste, eine Rasta-<br />
Locke mit Klettverschluss und ein Armband mit Totenkopfanhängern<br />
- falls Ihr Kind so was vermisst. Aber anscheinend<br />
kaufen viele Eltern klaglos neue Sachen, wenn die lieben<br />
Kleinen etwas „verloren“ haben. Unser Schulleiter hat<br />
auch ein nettes Sammelsurium in seinem Tresor. Unter an<strong>der</strong>em<br />
sind da zwei Ninja-Wurfsterne, ein Abwehrspray, eine<br />
polemische Kampfschrift und eine geflochtene Le<strong>der</strong>peitsche<br />
vereint. Sicher kommen eines Tages die jeweiligen Eltern und<br />
nehmen die konfiszierten Schätze ihrer Sprösslinge an sich.<br />
Nach eingehen<strong>der</strong> pädagogischer Beratung...<br />
An unserer Schule gibt es 1000 Schüler und 120 Lehrkräfte.<br />
Jede Klasse trifft sich zum gemeinsamen Unterricht nur in<br />
Musik, Kunst, in Gesellschaftskunde und Arbeitslehre. Alle<br />
übrigen Fächer werden in verschiedenen Leistungskursen unterrichtet.<br />
Dadurch wird <strong>der</strong> Klassenraum auch von an<strong>der</strong>en<br />
Gruppen mitbenutzt. Insofern lässt sich selten feststellen,<br />
<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
Neubrunnenstraße 8 · 55116 Mainz<br />
Telefon: 06131 28988-0 · Fax 06131 28988- 80<br />
E-mail: gew@gew-rlp.de<br />
wer etwas vergessen hat. Man bekommt aber auch lei<strong>der</strong><br />
nicht her<strong>aus</strong>, wer „Fuck you“ in den Tisch geritzt, wer die<br />
Grünpflanze geköpft und wer an <strong>der</strong> Schranktür geschaukelt<br />
hat, bis die Scharniere brachen. Wenn ich am Freitag<br />
gemeinsam mit meiner Klasse Schluss habe, hebe ich erst<br />
einmal das Kleingeld auf, das auf dem Fußboden verstreut<br />
liegt. Meine Schüler grinsen: Wer bückt sich schon nach Cent-<br />
Münzen? Dann räumen wir hinter <strong>der</strong> Säule im Klassenraum<br />
auf. Dort haben sich Lisa und Gülcan eine kleine<br />
Schmuddelecke eingerichtet. Mit einem alten Radio und zwei<br />
<strong>aus</strong>rangierten Kissen. Ich drücke ihnen die Plastiktüten mit<br />
ihren Schulbüchern und den Cola-Pfandflaschen in die<br />
Hand. Sie sehen wenig begeistert <strong>aus</strong>, als sie das ganze Gepäck<br />
mitnehmen sollen. Eigentlich kommen sie immer nur<br />
mit einer zierlichen Handtasche zum Unterricht. Auch ihre<br />
Klassenkameraden, denen ich die müffelnden Sportbeutel<br />
umhänge, sind indigniert, dass sie so viel schleppen sollen.<br />
Sie hatten ihre Turnutensilien im oberen Schrank versteckt,<br />
wo ich nur mühsam mit einem Stuhl rankomme. „Sportzeug<br />
muss regelmäßig gewaschen werden!“, erkläre ich kategorisch.<br />
Ganz hinten in dem Schrank hat Julia zwei Klassenarbeiten<br />
deponiert. Warum soll sie ihren Eltern damit<br />
das Wochenende ver<strong>der</strong>ben? Marvins Saxophon, eine Leihgabe<br />
<strong>der</strong> Schule, entdecke ich unter dem Lehrerpult. „Wie<br />
willst du denn zu H<strong>aus</strong>e üben?“, lächle ich zuckersüß und<br />
überreiche ihm den Instrumentenkoffer. Lenny fegt den<br />
Raum noch frei von Chips, Sonnenblumenkernen und Krümeln.<br />
Als Svenja die Tafel trocken wischen will, traue ich<br />
meinen Augen nicht. „Gibst du wohl mein T-Shirt her?!“<br />
„Ich dachte, das ist ein Putzlappen!“, mault Svenja.<br />
Viele Schüler wünschen sich die Schließfächer zurück, die es<br />
vor <strong>der</strong> Asbestsanierung unserer Anstalt gab. Da konnte man<br />
blindlings alles reinstopfen, was schwer und lästig war. Zu<br />
vielen Stunden kamen die Schüler zu spät, weil sie in ihrem<br />
überquellenden Fach erst lange nach Heftern und Büchern<br />
suchen mussten. Manchmal erfolglos, weil sie ihre Sachen<br />
auf die Schnelle im Fach eines Freundes deponiert hatten,<br />
<strong>der</strong> dann lei<strong>der</strong>, lei<strong>der</strong> krank war. Bedauerlicherweise konnte<br />
man auch keine H<strong>aus</strong>aufgaben machen, wenn man die<br />
Bücher im Schließfach „vergessen“ hatte. Ausschlaggebend<br />
aber für die Abschaffung dieser Fächer war, dass ein paar<br />
räudige Mäuse in den Schulfluren Fangen spielten. Alle Schüler<br />
mussten danach ihre Schränke <strong>aus</strong>räumen, und was<br />
sich da an alten Bananen, Salamibroten und Joghurtbechern<br />
fand, war beeindruckend. Ein Kollege berichtete sogar<br />
von einem toten Hamster. Aber das mag ich nicht glauben.<br />
Letzten Freitag habe ich auf dem Fensterbrett hinter <strong>der</strong><br />
Säule einen MP3-Player entdeckt. Bevor ich über seine weitere<br />
Verwendung (im Unterricht!) nachdenken kann, reißt<br />
ihn mir Sascha Sekundenbruchteile später <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Hand.<br />
„Oh gut, dass Sie den gefunden haben!“ Ein Wochenende<br />
ohne Schulbücher? Cool! Ohne Musik? Unvorstellbar.<br />
Gabriele Frydrych<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 / 2006