Auto und Architektur - Wohnbau - TU Wien
Auto und Architektur - Wohnbau - TU Wien
Auto und Architektur - Wohnbau - TU Wien
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
exotischer Formen ausging. Schon um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende war die Begeisterung für<br />
Ozeandampfer, Lokomotiven <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>s allgemein, sie galt aus Ausweis für Progressivität.<br />
Diese anfänglich naiv scheinende Begeisterung trug jedoch die Wurzeln jener sich später<br />
entwickelnden funktionalistischen Denkweise, deren Vorbilder die Maschinen waren, bereits in<br />
sich. 1924 schrieb Ludwig Hilberseimer: „Der Architekt muss sich in Übereinstimmung mit den<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen der Ingenieure befinden, deren Schöpfungen: Maschinen <strong>und</strong> Schiffe, <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong><br />
Flugzeuge, Kräne <strong>und</strong> Brücken, immer durch den Geist der Zusammengehörigkeit verb<strong>und</strong>en,<br />
Ausdruck eines gemeinsamen Willens sind."(18) J.J.P. Oud setzte diese Gedanken weiter fort:<br />
„Die Exaktheit des rein technischen Produkts, welche wir bew<strong>und</strong>ern (<strong>Auto</strong>, Dampfer,<br />
Instrumente usw.) solle Vorbild sein für eine Reorganisation des Bauens in dem Sinne, dass<br />
die an ein Bauwerk zu stellenden Anforderungen genauso exakt zu fixieren seien <strong>und</strong> dass sie<br />
mit den neuesten Materialien, Konstruktionen <strong>und</strong> Arbeitsverfahren verwirklicht werden<br />
sollen..."(19)<br />
3.1 Le Corbusier <strong>und</strong> das <strong>Auto</strong><br />
Moderne Verkehrsmittel sind auch von Walter Gropius, Henry van de Velde, Moholy-Nagy,<br />
Tatlin <strong>und</strong> anderen Architekten als vorbildlich angesehen worden. Bei keinem anderen jedoch<br />
manifestierte sich die Vorliebe für die Maschinenkunst auf derart tiefgreifende Weise wie bei Le<br />
Corbusier (1887-1965). Ähnlich wie es Sant'Elia vor ihm getan hatte, postulierte er in seinem<br />
berühmten, 1923 erschienen Buch „Vers un Architecture": "Das Haus ist eine Maschine zum<br />
Wohnen".(20) Damit meinte er eine auf das Wesentliche reduzierte Wohnform, die frei war<br />
von überflüssigem Wirrwarr der bürgerlichen Wohnhäuser jener Zeit <strong>und</strong> geprägt von der<br />
Sparsamkeit <strong>und</strong> Klarheit industrieller Fertigung. Obgleich er in „Vers un Architecture" auch<br />
anderen modernen Fortbewegungsmitteln wie Schiffen <strong>und</strong> Flugzeugen gleichermaßen ihren<br />
Platz einräumte, galt Le Corbusiers wahre Vorliebe den <strong>Auto</strong>s. Bei ihm, der selbst einen Voisin<br />
fuhr, fanden sich alle wesentlichen Motive für das <strong>Auto</strong>-Engagement der Avantgarde. Den<br />
Vergleich zwischen Haus <strong>und</strong> Maschine konkretisierte Le Corbusier, indem er ihn auf eine ganz<br />
bestimmte Maschine einschränkte: „Eines Tages wurde uns deutlich, dass das Haus wie ein<br />
<strong>Auto</strong> sein konnte."(21)<br />
3.1.1 Häuser wie <strong>Auto</strong>s<br />
Zwischen 1920 <strong>und</strong> 1922 hatte er, beeinflusst vom Vorbild der <strong>Auto</strong>mobilindustrie <strong>und</strong> unter<br />
dem Eindruck von Henry Fords <strong>Auto</strong>biographie (22) stehend, Typenhäuser für eine „architektonische<br />
Massenproduktion" entwickelt."...; Häuser müssen in einem Stück aufgestellt werden;<br />
ihre Einzelteile müssen in einer Fabrik von Maschinen hergestellt <strong>und</strong> dann auf dem Fließband<br />
zusammengesetzt werden, so wie Ford seine Wagen montiert."(23) Wie bereits erwähnt, produzierte<br />
Ford seit 1913 sein weltweit erfolgreiches T-Modell, die so hässliche wie zuverlässige<br />
Tin Lizzy, am Fließband. Auf dem Höhepunkt des Erfolges verließ alle vierzig Sek<strong>und</strong>en ein<br />
fertiger Wagen das Montageband. In Europa war Andre Citroen der erste Fabrikant, der die<br />
Fließbandfertigung einführte. Auf diesen berief sich Le Corbusier, als er seine prototypischen<br />
Häuser in einem bewussten Wortspiel „Citrohan" taufte, „um nicht zu sagen, Citroen. Mit<br />
anderen Worten, ein Haus wie ein <strong>Auto</strong>." (24)<br />
Le Corbusiers <strong>Auto</strong>-Begeisterung ist bezeichnend für den Enthusiasmus, mit dem die Avantgarde<br />
das <strong>Auto</strong>mobil begrüßte. Anders als bisherige Häuser waren <strong>Auto</strong>s Produkte, die rationalen<br />
Fertigungskriterien zu verdanken waren <strong>und</strong> schon deshalb als Symbole der Modernität<br />
gelten konnten. Wo immer es Le Corbusier <strong>und</strong> anderen Architekten der Moderne auf die Befriedigung<br />
von Massenbedürfnissen ankam, wurde immer wieder der Vergleich mit dem <strong>Auto</strong><br />
zugunsten einer Industrialisierung des Bauens herangezogen. Die Konstruktionselemente<br />
sollten standardisiert <strong>und</strong> vorgefertigt, auf Vorrat produziert <strong>und</strong> auf Abruf bereitgehalten werden.<br />
Durch hohe Stückzahlen sollte es bei einem Minimum an Aufwand zu einem Maximum an<br />
Leistung kommen. „Das Haus wird nicht mehr dies schwerfällige Ding sein, das den Jahrh<strong>und</strong>erten<br />
trotzen will <strong>und</strong> das nur als Protzobjekt zum Prahlen mit dem Reichtum fungiert: es<br />
wird ein Werkzeug sein, genauso, wie das <strong>Auto</strong> ein Werkzeug geworden ist.“ (25)<br />
10