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Auto und Architektur - Wohnbau - TU Wien

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Um das Jahr 1930 wich die Verherrlichung <strong>und</strong> naive Idolisierung der Maschine, wie sie noch<br />

von den Futuristen <strong>und</strong> manchem Art-Nouveau-Künstler betrieben wurde, zugunsten einer gemäßigteren<br />

Neueinschätzung. Die im Vorhergehenden beschriebene Rolle F.L. Wrights als Integrationspersänlichkeit<br />

kann in diesem Zusammenhang nicht hoch genug eingeschätzt<br />

werden. Auch die Streamline trug ihren nicht unwesentlichen Anteil dazu bei. Stromlinienfahrzeuge,<br />

deren innerer Mechanismus mit Blech verkleidet war, frönten dem Geschwindigkeitsrausch<br />

der damaligen Zeit. Der Schrecken, den die ersten Dampflokomotiven <strong>und</strong><br />

<strong>Auto</strong>mobile verbreitet hatten, war längst vergessen. „Cleanshaven" (glattrasiert), wie es<br />

Walter Dorwin Teague ausdrückte (75), war die Form der neuen Industrieprodukte, die bald<br />

den Markt überschwemmten <strong>und</strong> die kompliziert aussehenden, manchmal sogar Furcht<br />

einflößenden Apparaturen ablösten. Design verstand sich gewissermaßen als Wiedergutmachung<br />

des von der industriellen Revolution verursachten Schadens. Mit der biomorphen<br />

Form der Streamline setzten die amerikanischen Designer die Erkenntnis durch, dass anstelle<br />

der Anpassung der menschlichen Form an die Maschine, die Maschinen auch eine dem Menschen<br />

angepasste Form annehmen könnten. Und wenn die Designer komplizierte technische<br />

Apparate in glatten Gehäusen verpackten, gaben sie auch der Vorstellung Ausdruck, die technische<br />

Zivilisation funktioniere beinahe automatisch. Nicht mehr nur ausschließlich in der Produktion<br />

verwendet, wurden Maschinen als Konsumgüter in Form von Haushaltsgeräten regelrecht<br />

„domestiziert". Man hatte gelernt mit Maschinen zu leben.<br />

Hauptursache für den in den 1930er Jahren stattfindenden Wandlungsprozesses aber war<br />

zweifellos die massenhafte Verbreitung des <strong>Auto</strong>mobils. Solange es in Händen weniger Privilegierter<br />

gewesen war, hatte man seine Bedienung noch Chauffeuren, deren gesellschaftlicher<br />

Status mit dem der Kutscher vergleichbar war, überlassen. Nun aber wurde die Benützung des<br />

<strong>Auto</strong>s - vor allem in den Vereinigten Staaten - für breiteste Bevölkerungsschichten zugänglich.<br />

Die psychologische Wirkung war tiefgreifend. Das Gefühl, eine Maschine mit erreichbarer<br />

Spitzengeschwindigkeit von 100 <strong>und</strong> mehr St<strong>und</strong>enkilometern selbst steuern zu können, unterschied<br />

sich wesentlich vom passiven Gefühl des Mitgenommenwerdens bei der Benützung<br />

von Massenverkehrsmitteln.<br />

6. Das <strong>Auto</strong> als Auslöser antiurbaner Tendenzen - Die „automobile" Stadt<br />

Neben der individuellen Mobilität ermöglichte das <strong>Auto</strong>mobil aber auch neue Lebens- <strong>und</strong><br />

Wohnweisen - wie beispielsweise ein attraktiveres Leben auf dem Lande. So wurde es in den<br />

1930er Jahren in den USA zum Mitauslöser einer Bewegung, deren Parole „Back to the land"<br />

lautete. Wie immer in Notzeiten waren während der Depression nach 1929 die Städte als Orte<br />

der Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Korruption in schlechten Ruf geraten. In eigentümlicher Parallele zu<br />

den großstadtfeindlichen Ideologien der europäischen Diktaturen stehend, richteten sich die<br />

Anstrengungen in den ersten Jahren der Roosevelt-Regierung auf das Land. Zu den Programmpunkten<br />

des New Deal gehörte die Aufwertung unterentwickelter Landesteile durch<br />

agrar- <strong>und</strong> energiepolitische Maßnahmen - wie z.B. Flussregulierungen, Bewässerungssysteme<br />

<strong>und</strong> Talsperrenbauten durch die Tennessee Valley Authority, Dezentralisierung der Industrie<br />

<strong>und</strong> die Gründung sogenannter Greenbelt Towns. Ebenezer Howards Gartenstadtidee feierte<br />

Wiederauferstehung. 1933 wurde mit der von Clarence Stein <strong>und</strong> Henry Wright geplanten<br />

Gartenstadt Radburn die erste „Gartenstadt des <strong>Auto</strong>mobilzeitalters" (76) fertig gestellt. Das<br />

hier angewandte Prinzip des kammartigen Ineinandergreifens der Wohn- <strong>und</strong> Sammelstraßen<br />

mit Fußgängerwegen blieb in seiner konsequenten Trennung von <strong>Auto</strong>- <strong>und</strong> Fußgängerverkehr<br />

lange Zeit vorbildhaft.<br />

6.1 F.L. Wright: <strong>Auto</strong>mobil versus Wolkenkratzer<br />

Zu diesen Tendenzen passte Frank Lloyd Wrights Comeback in den 1930er Jahren. 1932<br />

erschien sein Buch „The Disappearing City", in dem er seiner antiurbanen Haltung offen Ausdruck<br />

verlieh. Wright sah in der Großstadt einen Widerspruch zu den modernen Kommunikationsmitteln<br />

<strong>und</strong> der <strong>Auto</strong>mobilisierung. Solange noch keine raschen Transport- <strong>und</strong> Kommunikationsmittel<br />

existiert hätten - meinte er - wären Großstädte aus dem Zwang heraus<br />

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