Auto und Architektur - Wohnbau - TU Wien
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Herbert Keck<br />
<strong>Auto</strong> <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong><br />
Zur Geschichte einer Faszination<br />
Dissertation ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades<br />
eines Doktors der technischen Wissenschaften.<br />
eingereicht an der Technischen Universität <strong>Wien</strong><br />
Fakultät für Raumplanung <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong><br />
Der <strong>Auto</strong>mobilist, der mit seinen Gedanken ganz woanders, z.B. bei seinem schadhaften Motor<br />
ist, wird sich an die moderne Form der Garage besser gewöhnen, als der Kunsthistoriker, der<br />
sich vor ihr anstrengt, nur ihren Stil zu ergründen."<br />
Walter Benjamin<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
Einleitung<br />
1. Die <strong>Auto</strong>mobilisierung<br />
2. Das <strong>Auto</strong> im Wandel des Verhältnisses von <strong>Architektur</strong><br />
<strong>und</strong> Maschine - Die Vorläufer der Moderne<br />
2.1 Der <strong>Auto</strong>mobilentwurf im Jugendstil<br />
2.2 Die „Maschinenästhetik" des Deutschen Werkb<strong>und</strong>es<br />
2.3 Der Futurismus <strong>und</strong> die Schönheit der Geschwindigkeit<br />
3. Das <strong>Auto</strong> als Liebkind der Moderne<br />
3.1 Le Corbusier <strong>und</strong> das <strong>Auto</strong><br />
3.1.1 Häuser wie <strong>Auto</strong>s<br />
3.1.2 Die Villa Savoye - Das <strong>Auto</strong> determiniert die Gestalt des Gebäudes<br />
3.1.3 Le Corbusiers <strong>Auto</strong>entwurf<br />
3.1.4 Le Corbusiers Städtebau<br />
3.2 Der <strong>Auto</strong>mobilentwurf von Adolf Loos<br />
3.3 Walter Gropius <strong>und</strong> Buckminster Fuller als <strong>Auto</strong>konstrukteure:<br />
Adler-Kabriolett versus Dymaxion Car<br />
4. Das <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> die Kritik an der Moderne<br />
4.1 Buckminster Fullers Dymaxion-Haus<br />
4.2 Die Moderne <strong>und</strong> die Technologie<br />
5. Das amerikanische Maschinenzeitalter<br />
5.1 Art Deco<br />
5.1.1 Das Chrysler Building<br />
5.2 Die Überproduktion an <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> ihre Folgen - Streamline<br />
5.3 Streamline: Technischer Terminus - Metapher der Bewegung<br />
<strong>und</strong> des Fortschritts<br />
5.3.1 Die Stromlinienform im <strong>Auto</strong>mobilbau<br />
5.3.2 Die amerikanischen Produktdesigner<br />
5.3.3 Streamline-<strong>Architektur</strong><br />
5.3.4 Erich Mendelsohn <strong>und</strong> die Stromlinie<br />
5.3.5 Das Pan Pacific Auditorium<br />
5.3.6 Die Weltausstellung in New York: Die Welt der Streamline<br />
5.4 Kritik an der Streamline<br />
5.4.1 Rudolph M. Schindler über <strong>Auto</strong>mobildesign<br />
5.4.2 F.L. Wrights Einstellung zur Maschine im allgemeinen <strong>und</strong><br />
zum <strong>Auto</strong> im Besonderen<br />
5.4.3 Die Rolle des <strong>Auto</strong>s im gewandelten Verhältnis zur Maschine<br />
6. Das <strong>Auto</strong> als Auslöser antiurbaner Tendenzen - Die<br />
„automobile" Stadt<br />
6.1 F.L. Wright: <strong>Auto</strong>mobil versus Wolkenkratzer<br />
6.2 Broadacre City<br />
6.3 Die Charta von Athen<br />
6.4 Die "autogerechte" Stadt<br />
6.5 Die <strong>Auto</strong>bahn als Raum- Zeit- Kontinuum<br />
6.6 Los Angeles: Die erste <strong>Auto</strong>-Stadt<br />
7. Die „automobile" Gesellschaft<br />
7.1 Mobile Homes<br />
2
7.2 Das Mobilitätsideal Buckminster Fullers<br />
7.3 Mobile Home Courts als neue Siedlungsmuster<br />
8. Der Commercial Strip - Die Straße des <strong>Auto</strong>mobilzeitalters<br />
8.1 Billboards<br />
8.2 Der Strip von Las Vegas<br />
8.3 „Enten" <strong>und</strong> „dekorierte Schuppen"<br />
9. Das <strong>Auto</strong> als "Initiator" neuer Geb„udetypen<br />
9.1 Tankstellen<br />
9.2 Motels: Mit dem <strong>Auto</strong> bis ans Bett<br />
9.3 Drive-ins: Konsum vom <strong>Auto</strong> aus<br />
9.3.1 <strong>Auto</strong>kinos <strong>und</strong> Drive-in-Kirchen<br />
9.3.2 Drive-in-Restaurants<br />
9.4 Parkbauten: Häuser für <strong>Auto</strong>s<br />
9.4.1 Parkbauten in Verbindung mit anderen Bautypen<br />
10. Das Ende einer Liaison<br />
11. <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong> heute<br />
12. Literaturverzeichnis<br />
13. Abbildungsverzeichnis<br />
3
Vorwort<br />
Zur Erklärung, warum ausgerechnet ein Assistent an einem Institut, das sich vor allem mit<br />
<strong>Wohnbau</strong> beschäftigt, eine Dissertation zum Thema "<strong>Auto</strong> <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong>" schreibt, sei darauf<br />
hingewiesen, wie sehr das <strong>Auto</strong> nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Bestandteil des<br />
Wohnens ist. Vielleicht ist das <strong>Auto</strong> der intimste Wohnraum überhaupt. Inmitten der Öffentlichkeit<br />
gehört er ganz dem Insassen. Wahrscheinlich deckt der „<strong>Auto</strong>raum" ein archaisches<br />
Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Sicherheitsbedürfnis ab. Er ist Blechkleid <strong>und</strong> Urhütte zugleich. Im <strong>Auto</strong>raum kann<br />
man viele menschliche Bedürfnisse befriedigen: Arbeiten, Schlafen, Lieben - <strong>und</strong> kann zudem<br />
noch blitzschnellen Ortswechsel vornehmen. Ist in Zukunft eine deutliche Ausweitung der<br />
Büro- <strong>und</strong> Wohnfunktion des <strong>Auto</strong>s zu erwarten? Dafür spräche der Erfolg des <strong>Auto</strong>telefons.<br />
Viel eindeutiger als beim Wohnen ist die Entscheidung über eine bestimmte <strong>Auto</strong>marke eine<br />
kulturelle Status- <strong>und</strong> Rollendefinition. Jeder wohnt, aber seine gesellschaftliche Position definiert<br />
er mit der Markenwahl seines <strong>Auto</strong>s. Am Ende steht das bekannte Bild vom erfolgreichen<br />
japanischen Manager, der genug Geld hat, sich eine Garage leisten zu können. Als Höhepunkt<br />
einer Wohnungsbesichtigung wird der Besucher in die Garage geführt, wo ein blank geputzter<br />
BMW als Statussymbol gelagert ist. In Ergänzung zur Wohnung wird die Garage zu<br />
einem Zimmer mit Möglichkeitswert.<br />
4
Einleitung<br />
Vom „<strong>Auto</strong>mobil", mit dem der hüftlahme Schmied bei Homer in<br />
seiner Werkstatt umherfuhr (1), war es ein langer Entwicklungsweg,<br />
den der „Selbstfahrer" zurücklegen musste, um für die Menschen<br />
jenes Verkehrsmittel zu sein, mit dem die „völlige Unabhängigkeit<br />
von Zeit <strong>und</strong> Ort, das individuelle Verkehrsbedürfnis... <strong>und</strong> im<br />
Menschen ein Gefühl des ungeb<strong>und</strong>enen Seins" (2) verwirklicht<br />
wurde.<br />
Trotz zunehmend realistischer Einschätzung müssen wir uns des bis dato immer noch beinahe<br />
ungebrochen hohen Stellenwerts des <strong>Auto</strong>mobils in unserer Gesellschaft bewusst sein, eine<br />
Tatsache, die den französischen Philosophen Roland Barthes zu der Bemerkung veranlasste:<br />
„Ich glaube, dass das <strong>Auto</strong> heute das genaue Äquivalent der großen gotischen Kathedralen ist.<br />
Ich meine damit, eine große Schöpfung der Epoche, die mit Leidenschaft von unbekannten<br />
Künstlern erdacht wurde <strong>und</strong> in ihrem Bild, wenn nicht überhaupt im Gebrauch von einem<br />
ganzen Volk benutzt wird, das sich in ihr ein magisches Objekt zurüstet <strong>und</strong> aneignet." (3)<br />
Barthes schrieb diese Zeilen anlässlich der Vorstellung der Citroen DS 19 im Jahr 1957<br />
(Abb.1.) Für ihn gehörte das <strong>Auto</strong> zu den "Mythen des Alltags."<br />
Seit Beginn der Industrialisierung wurde keine andere Maschine so mit positiven Affekten aufgeladen<br />
wie das <strong>Auto</strong>mobil. Stets war es mehr als bloßes Fortbewegungsmittel, also nicht nur<br />
<strong>Auto</strong> als Werkzeug, sondern immer auch <strong>Auto</strong> als Kultgegenstand. Adorno sah gar "die einstweilen<br />
erst implizite <strong>Auto</strong>religion, mit Ford für Lord <strong>und</strong> dem Zeichen des Modells T für das des<br />
Kreuzes" (4) heraufdämmern. Psychologisch ist sie wahrscheinlich erklärbar, diese eigentümliche<br />
Symbiose des <strong>Auto</strong>fahrers mit seinem Gefährt, diese merkwürdige Ausgrenzung des<br />
Privaten inmitten des öffentlichen Raums, die das Wageninnere darstellt.<br />
Das <strong>Auto</strong> brachte auch neue Erlebnismöglichkeiten. Die von den<br />
Futuristen gepriesene "Schönheit der Geschwindigkeit" ist nicht<br />
die Geschwindigkeit allgemein, sondern explizit das Rasen eines<br />
„im Wind heulenden <strong>Auto</strong>mobils." (5) (Abb.2) Diese Empfindung,<br />
„Herr über die Geschwindigkeit zu sein, versprach Entfaltung<br />
persönlicher Freiheit <strong>und</strong> verschaffte sie doch nur als Fiktion<br />
der Unbeschränktheit. Ein technischer Apparat schien der<br />
Verfügung zugänglich, erlebbar als Instrument oder gar als<br />
Spielzeug. Der französische Architekt Paul Virilio schrieb dazu:<br />
„Die Bewegung beherrscht das Ereignis. Die Geschwindigkeit<br />
verwandelt die Erscheinungen, indem sie eine Durchscheinung<br />
bewirkt; mit der Fahrbeschleunigung entsteht ein Schein, der<br />
einer Augentäuschung gleicht." (6) Virilio verglich eine <strong>Auto</strong>fahrt mit dem Ablaufen eines<br />
Films. Durch den Tritt auf das Gaspedal scheinen vorerst unbewegte Gegenstände mit heftiger<br />
Bewegung angetrieben zu werden. Mit Hilfe des Lenkrades <strong>und</strong> der Bedienungshebel könne<br />
der <strong>Auto</strong>fahrer Serien von Szenen der Geschwindigkeit gestalten, die sich im durchsichtigen<br />
Bildschirm der Windschutzscheibe abspielen, um alsbald in der Heckscheibe zu verschwinden.<br />
Versucht man sich ein Überblick über die umfangreiche Literatur zum Thema „<strong>Auto</strong>" <strong>und</strong><br />
„<strong>Auto</strong>design" zu verschaffen, so fällt auf, dass darin formalästhetische Aspekte sowie die<br />
Folgen der Massenmotorisierung für Stadt <strong>und</strong> Landschaft weitgehend ausgeklammert bleiben<br />
oder nur am Rande erwähnt werden. Die Veröffentlichungen beschränken sich auf Typen-,<br />
Marken-, <strong>und</strong> Firmengeschichten. Produktionstechnische, konstruktive sowie ökonomische<br />
Daten <strong>und</strong> Angaben stehen dabei im Mittelpunkt, ihre Einbettung in gesamtgesellschaftliche<br />
Zusammenhänge unterbleibt. <strong>Auto</strong>mobilgeschichte ist auf reine Technikgeschichte reduziert.<br />
Das Thema „<strong>Auto</strong>" bleibt andererseits auch weitgehend von der Kunstwissenschaft ausgeklammert.<br />
Eine Ausnahme bildet ein von Erwin Panofsky, einem der bedeutendsten Kunstgeschichtler<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, veröffentlichter Aufsatz über den Rolls-Royce-Kühler, anhand<br />
5
dessen er die Übernahme eines <strong>Architektur</strong>motivs durch die <strong>Auto</strong>mobilindustrie<br />
aufzeigte <strong>und</strong> somit die Abhängigkeit der Karosserieform von anderen<br />
Kunstgattungen angedeutet hat. (Abb.3)<br />
Mögen <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong> zwar auf den ersten Blick nichts oder nur wenig<br />
miteinander zu tun haben, stellten sich bei näherer Betrachtung zahlreiche<br />
Affinitäten heraus, die zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit wurden <strong>und</strong> im<br />
Folgenden überblicksmäßig aufgezeigt werden sollen.<br />
Von Anfang an war das <strong>Auto</strong> als Symbol des Fortschritts <strong>und</strong> allgemeiner Zugänglichkeit<br />
ehemaliger Luxusgüter <strong>und</strong> neu-zeitlicher Mobilität im Mittelpunkt des Interesses der Architekten-Avantgarde<br />
gestanden. Für viele war es Vorbild für eine Industrialisierung des Bauens.<br />
Für manche war die Faszination, die von ihm ausging, so stark, dass sie selbst daran gingen,<br />
<strong>Auto</strong>entwürfe zu zeichnen, von denen einige sogar gebaut wurden. (s.Kap. 2,3,4)<br />
Hin <strong>und</strong> wieder wurde das Vorbild „<strong>Auto</strong>" allzu wörtlich genommen, was auf die <strong>Architektur</strong><br />
übernommene <strong>Auto</strong>-Motive deutlich beweisen. Es finden sich sogar Gebäude, die selbst Geschwindigkeit<br />
suggerieren sollen, die den Eindruck erwecken, jederzeit losfahren zu können.<br />
(s.Kap.5)<br />
Das <strong>Auto</strong> kreierte auch gänzlich neue Bautypen, die erst erf<strong>und</strong>en werden mussten, um <strong>Auto</strong>s<br />
versorgen <strong>und</strong> unterbringen zu können. Verschiedene Gebäudetypen passten sich auch der<br />
Nutzung durch <strong>Auto</strong>fahrer an, die so manche Tätigkeit verrichten wollten, ohne das <strong>Auto</strong> verlassen<br />
zu müssen. (s.Kap.9)<br />
Um dem immer größer werdenden Wunsch nach Mobilität genüge zu tun, „kreuzte“ man <strong>Auto</strong>s<br />
mit Häusern. Wohnmobile, die je nach Betrachtungsstandpunkt als "bewohnbare <strong>Auto</strong>s" oder<br />
als "fahrbare <strong>Architektur</strong>" angesehen werden können, begannen vielerorts das Eigenheim zu<br />
ersetzen. (s.Kap.7)<br />
Vor allem an den <strong>Auto</strong>straßen in den USA wandelte sich auch das Aussehen stationärer Gebäude.<br />
Die <strong>Architektur</strong>sprache wurde zeichenhafter, leichter lesbar bei höherer Geschwindigkeit.<br />
Vielfach wurde <strong>Architektur</strong> durch Hinweistafeln verstärkt. Eine Vergröberung des Maßstabes<br />
lässt sich beobachten. Fassaden verkürzen sich bei der Betrachtung in Sek<strong>und</strong>enbruchteilen,<br />
Details werden nicht mehr wahrgenommen. Der menschliche Maßstab des Fußgängers<br />
wurde zunehmend vom mechanistischen der Maschine verdrängt. (s.Kap.8)<br />
Vor allem hatte das <strong>Auto</strong>mobil seine Auswirkungen auf die Entwicklung der Städte. Es förderte<br />
deren Ausbreitung in der Fläche. Manche Architekten nahmen es zum Anlass, gänzlich neue<br />
Stadtkonzeptionen zu entwickeln. (s.Kap.6)<br />
Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, all diese Zusammenhänge aus der Sicht des Architekten<br />
<strong>und</strong> nicht etwa aus der des Technikers, Kunsthistorikers oder Verkehrsplaners darzulegen. Die<br />
inzwischen offenk<strong>und</strong>ige stadt- <strong>und</strong> Umwelt zerstörerische Wirkung des <strong>Auto</strong>mobils kann freilich<br />
nicht übersehen werden. Diesbezügliche Lösungsansätze sollen im Rahmen dieser Arbeit<br />
nur gestreift werden. Im Wesentlichen soll - chronologisch geordnet - der Zeitabschnitt von<br />
der Erfindung des <strong>Auto</strong>mobils an bis zu seiner Infragestellung Anfang der 70er Jahre behandelt<br />
werden, als die von <strong>Auto</strong>mobilen ausgehende Faszination noch ungebrochen war.<br />
6
1. Die <strong>Auto</strong>mobilmachung<br />
Die vorindustrielle, ständisch-feudale, agrarische Gesellschaft war weitgehend immobil. Verkehrsträger<br />
war bis ins 19. Jahrh<strong>und</strong>ert in der Hauptsache der Mensch mit seinen bescheidenen<br />
Hilfsmitteln, dem Tragtier oder dem Karren bzw. dem Wagen mit Zugtieren. Reittiere,<br />
Sänften <strong>und</strong> Wagen konnten wohl die Beschwerlichkeiten der Reise mildern, aber nicht<br />
wesentlich verkürzen. Die Lebensbereiche der Menschen waren somit eng mit ihren Arbeitsbereichen<br />
verb<strong>und</strong>en. Die Fußgängergeschwindigkeit von 4 bis 6 km/h bestimmte den<br />
innerstädtischen Verkehr der alten Städte. Diese Gr<strong>und</strong>lagen des Verkehrs <strong>und</strong> damit seine<br />
Leistungsfähigkeit blieben viele Jahrh<strong>und</strong>erte unverändert. Die Versuche, diese durch Maschinen<br />
zu steigern, wie z.B. die Konstruktion eines Wagens mit Federantrieb durch Leonardo da<br />
Vinci um 1500, scheiterten vorerst am Stand der Produktionskräfte. Erst im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
waren die Entwicklung der Gesellschaft <strong>und</strong> das Niveau der Technik so weit fortgeschritten,<br />
dass es möglich war, in bescheidenem Umfang mehr Menschen <strong>und</strong> Güter über weite Strecken<br />
mit weniger Energie zu transportieren. Um die Mitte des 18.Jahrh<strong>und</strong>erts fuhren in Paris die<br />
ersten technisierten Verkehrsmittel. Es waren dampfbetriebene Omnibusse, die wegen ihrer<br />
niedrigen Beförderungskapazität <strong>und</strong> ihrer Abhängigkeit vom Zustand der Straßen auf Schienen<br />
gestellt wurden. Unter dem Einfluss des Liniennetzes der Eisenbahn <strong>und</strong> des schnellen <strong>und</strong><br />
verhältnismäßig bequemen Massentransportes veränderte sich das überkommene Erscheinungsbild<br />
der Städte. Die Trennung in Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsstätten war damit vollzogen. Die<br />
alten Denkmodelle von der Fußläufigkeit der Städte waren zerstört, lange bevor das <strong>Auto</strong>mobil<br />
erf<strong>und</strong>en wurde.<br />
Noch war man allerdings auf Massenverkehrsmittel angewiesen, die auf bestimmten Strecken<br />
zu festgesetzten Zeiten fuhren <strong>und</strong> somit dem Fahrgast bestimmte Einschränkungen auferlegten.<br />
Die ersten Schritte, dieses Manko zu überwinden, wurden in den 80er Jahren des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
getan, als es Carl Friedrich Benz (1885) <strong>und</strong> Gottlieb Daimler (1886) voneinander<br />
unabhängig gelang, den bislang durch Leuchtgas betriebenen, 1876 von Nikolaus Otto entwickelten<br />
Verbrennungsmotor auf Benzin umzustellen <strong>und</strong> ihn als Antrieb für ihre damals noch<br />
Kutschen ähnelnden Fahrzeuge zu verwenden.<br />
Den entscheidenden Schritt ins <strong>Auto</strong>mobilzeitalter tat aber<br />
erst Henry Ford, als er 1913 sein berühmt gewordenes<br />
Modell T (Abb.4) auf dem ersten Fließband erzeugen ließ.<br />
Vorerst begann es mit der Idee seiner Ingenieure, Zündapparate<br />
zur Montage auf ein Fließband zu stellen, das an<br />
den Arbeitern vorbeigerollt wurde. Brauchte man bis dahin<br />
zwanzig Minuten, um eine Zündung herzustellen, waren<br />
jetzt nur noch fünf Minuten nötig. Dieses Produktionskonzept<br />
wurde bald auf die gesamte <strong>Auto</strong>mobilfabrikation<br />
Fords übertragen. (Abb.5) Während 1914 noch 300.000<br />
Stück des Modells T hergestellt wurden, produzierte die<br />
Firma 1923 über zwei Millionen. Insgesamt wurde bis 1927 die unglaubliche Stückanzahl von<br />
15.400.000 hergestellt. (7) War die erste Industrialisierungsphase auf<br />
den Einsatz der Dampfmaschine in der Produktion <strong>und</strong> im Verkehrswesen<br />
zurückzuführen, wurde die zweite Industrialisierungsphase vor<br />
allem in den USA von der massenhaften Erzeugung des <strong>Auto</strong>mobils<br />
getragen.<br />
Gemeinhin gilt Henry Ford als Erfinder der Massenproduktion auf dem<br />
Fließband. Seine Idee basierte jedoch auf Zeit- <strong>und</strong> Bewegungsstudien<br />
des Arbeitsvorgangs von Frederick Winslow Taylor, die dieser<br />
schon 1903 in seiner Schrift „Shop Management" veröffentlichte. (8)<br />
In den 20er Jahren war das Fordsche Montageband Hauptbestandteil<br />
beinahe der gesamten amerikanischen <strong>Auto</strong>mobilindustrie. Die Fließbandfertigung<br />
beinhaltete einerseits die Zerlegung der Arbeit in Einzelleistungen,<br />
trennte körperliche von geistiger Arbeit <strong>und</strong> förderte<br />
andererseits die Standardisierung der Einzelstücke, was zur Verkür-<br />
7
zung der Montagezeiten <strong>und</strong> zur Verbilligung des Endproduktes führte. Hatte man 1909 für ein<br />
Modell T noch 850 Dollar bezahlen müssen, so sank der Preis bis 1923 auf 290 Dollar. (9) Bei<br />
gleichzeitigem Anstieg der Löhne <strong>und</strong> Verkürzen der Arbeitszeit stieg in Amerika die Nachfrage<br />
nach <strong>Auto</strong>mobilen beträchtlich. Der Umstand, dass das <strong>Auto</strong> bald für jeden durchschnittlich<br />
Verdienenden erschwinglich wurde, führte zu einem Ansteigen des Kraftfahrzeugbestandes<br />
von 8.000 <strong>Auto</strong>mobilen im Jahr 1900 auf 2.300.000 im Jahr 1915. 1920 gab es mehr als 10<br />
Millionen auf Amerikas Straßen. (10)<br />
2. Das <strong>Auto</strong> im Wandel des Verhältnisses von <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> Maschine - Die Vor-<br />
läufer der Moderne<br />
Gr<strong>und</strong>lage für die Entwicklung der <strong>Architektur</strong> im 20.Jahrh<strong>und</strong>ert war die Integration von Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technik in den Bereich des Bauens. Trotz Voranschreitens der industriellen<br />
Revolution hatte man etwa bis zur Jahrh<strong>und</strong>ertwende in „<strong>Architektur</strong> als Kunst" <strong>und</strong> „<strong>Architektur</strong><br />
als Zweck" unterschieden, hatte Bautechnik streng von Bauästhetik getrennt <strong>und</strong> industriell<br />
hergestellte Produkte nachträglich mit aus der Baugeschichte entlehnten Formen dekoriert.<br />
John Ruskin, William Morris <strong>und</strong> die Arts-and-Crafts-Bewegung wandten sich zwar erstmals<br />
gegen "industrielle Kunstimitation", neue Herstellungstechniken <strong>und</strong> damit Maschinenproduktion<br />
lehnten sie jedoch ab. (11)<br />
2.1 Der <strong>Auto</strong>mobilentwurf im Jugendstil<br />
Auch die Künstler des Jugendstils sprachen sich gegen historisierende<br />
Stilformen aus, hielten aber an der traditionellen<br />
„ästhetischen“ Zielsetzung fest. In ihrer Hoffnung<br />
auf völlige Durchdringung des Lebens mit der Kunst trat<br />
der Gebrauchswert ihrer Produkte oft in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />
Davon zeugt auch ein 1907 von Joseph Maria Olbrich,<br />
1867-1908, in den Kurvaturen des Jugendstils gezeichneter,<br />
kutschenähnlicher Karosserieentwurf für die <strong>Auto</strong>firma<br />
Opel. (Abb.6) Olbrich war der erste in einer ganzen Reihe von Architekten, die an <strong>Auto</strong>mobilentwürfen<br />
gearbeitet haben. Produziert wurden allerdings die wenigsten, genauso wenig<br />
wie Olbrichs Entwurf. Interessant erscheint jedoch Olbrichs Beteiligung am Entwicklungsprozess<br />
eines <strong>Auto</strong>mobils an sich, weist dies doch darauf hin, dass zu dieser Zeit - etwa zwanzig<br />
Jahre nach der Erfindung des <strong>Auto</strong>s - die Karosserie bereits im Mittelpunkt gestalterischer Bemühungen<br />
gestanden haben muss <strong>und</strong> das noch dazu unter Zuhilfenahme eines Jugendstil-<br />
Architekten.<br />
2.2 Die "Maschinenästhetik" des Deutschen Werkb<strong>und</strong>es<br />
Waren Forderungen nach der Einheit von Form <strong>und</strong> Zweck zwar schon von vorausgegangenen<br />
Kunsterneuerungsbewegungen erhoben worden, betrachteten erst die Vertreter des 1907<br />
gegründeten, aus Industriellen, Politikern <strong>und</strong> Architekten bestehenden Deutschen Werkb<strong>und</strong>es<br />
die Formen der Maschinenproduktion erstmals als stilbildend <strong>und</strong> sprachen von „Maschinenästhetik."(12)<br />
Um Technik <strong>und</strong> Kunst zu einer unlösbaren Einheit zu verschmelzen, wollten<br />
Künstler ästhetisch befriedigende Prototypen schaffen, die von der Industrie anschließend für<br />
eine breite Käuferschicht produziert werden sollten. Eine auf geometrischen <strong>und</strong> stereometrischen<br />
Gr<strong>und</strong>formen basierende, „maschinengerechte" Produktsprache wurde von den jüngeren<br />
Mitgliedern angestrebt. Die Verkleidung der Funktionen mit ornamentlosen Karosserien, die<br />
das Erscheinungsbild der <strong>Auto</strong>mobile in den 20er Jahren bestimmen sollte, beruhte weitgehend<br />
auf Entwürfen des Deutschen Werkb<strong>und</strong>es, vor allem auf denen von Ernst Neumann. Er<br />
hatte bereits 1914 auf die Bedeutung der Aerodynamik hingewiesen. (13)<br />
8
2.3 Der Futurismus <strong>und</strong> die Schönheit der Geschwindigkeit<br />
Der Beitrag der italienischen Futuristen zur Entwicklung<br />
der modernen Formgebung bezog sich mehr auf eine<br />
geistige Einstellung denn auf formale <strong>und</strong> technische<br />
Anwendung. Sie verherrlichten die Schönheit der Maschinen<br />
<strong>und</strong> berauschten sich an der Geschwindigkeit<br />
der modernen Verkehrsmittel. Vor allem das <strong>Auto</strong>mobil<br />
wurde für sie zum Symbol des neuen = dynamischen<br />
Zeitalters. Bereits im Prolog des 1909 vom Dichter<br />
Tommaso Filippo Marinetti verfassten <strong>und</strong> in Le Figaro<br />
veröffentlichten Gründungsmanifests der Futuristen<br />
wurde ausführlich <strong>und</strong> lebendig ein <strong>Auto</strong>rennen durch<br />
die Vorstädte Mailands beschrieben - eine der frühesten<br />
Würdigungen der Freuden des <strong>Auto</strong>fahrens in der europäischen<br />
Literatur. „Ich riss den Wagen der Länge<br />
nach herum, wie ein wütender H<strong>und</strong>, der versucht, sich<br />
selbst in den Schwanz zu beißen; da kamen, mitten auf<br />
meiner Fahrtroute, zwei Radfahrer schaukelnd auf mich<br />
zu, verwirrend wie zwei gleichstark überzeugende Argumente.<br />
Ich bremste so stark, dass der Wagen sich zu<br />
meinem Ärger überschlug <strong>und</strong>, mit seinen Rädern in der<br />
Luft, im Graben landete." (14)<br />
Auf den Prolog folgten elf Programmpunkte. Der vierte ist von allen der Wichtigste. „4. Wir<br />
stellen fest, dass der Glanz der Welt durch eine Schönheit neuer Art bereichert worden ist: die<br />
Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennwagen, dessen Motorhaube mit Auspuffrohren wie mit<br />
feuerspeienden Schlangen geschmückt ist, so ein drohender Rennwagen, der wie ein Maschinengewehr<br />
ratternd dahinbraust, ist schöner als die geflügelte Nike von Samothrake." (15)<br />
Diese Gegenüberstellung von traditioneller Kulturvorstellung <strong>und</strong> moderner Zivilisationserrungenschaft<br />
stimulierte geradezu die Auseinandersetzung mit den Kräften <strong>und</strong> Erfahrungen<br />
der industriellen Umwelt heraus, die von den Futuristen als neuer kultureller Faktor erkannt<br />
wurde. Zu erwähnen bliebe noch der in Punkt 5 angehobene Lobgesang auf das dynamische<br />
Erlebnis des <strong>Auto</strong>mobilismus. „5. Wir wollen eine Hymne auf den Mann am Steuerrad anstimmen,<br />
dessen ideale Achse durch den Mittelpunkt der Erde geht, die auf ihrer Planetbahn<br />
ihre R<strong>und</strong>en dreht." (16) (Abb.7)<br />
Alsbald übertrugen sich futuristische Ideen auf Malerei <strong>und</strong> Plastik, in deren Werken für die<br />
neuen Stimuli wie Geschwindigkeit, Dynamik, künstliches Licht, Stahl <strong>und</strong> schnelle <strong>Auto</strong>fahrten<br />
symbolische Äquivalente gesucht wurden. Obwohl futuristische Architekten nur in einigen, die<br />
Stadt als dynamischen Verkehrsmechanismus heroisierenden Zeichnungen von Antonio Sant'<br />
Elia, einem Fre<strong>und</strong> Marinettis, existierte, waren seine in einer Art Botschaft als Einleitung einer<br />
1914 gezeigten Ausstellung mit dem Titel "Citta Nuova" veröffentlichten Ideen von großer<br />
Tragweite. In ihr fanden sich genauso Forderungen nach neuen Vorbildern wie auch nach<br />
neuen Materialien <strong>und</strong> Konstruktionsmethoden. Der von Marinetti geprägte Vergleich von <strong>Auto</strong><br />
<strong>und</strong> Nike fand in Sant' Elias' Forderung: „...das futuristische Haus muss wie eine gigantische<br />
Maschine sein" eine weitere Zuspitzung. (17)<br />
3. Das <strong>Auto</strong> als Liebkind der Moderne<br />
Rationale Methoden, technische Baustoffe <strong>und</strong> ein von der Maschinenproduktion bestimmtes<br />
Ideal sind maßgebend für die Entwicklungsformen der <strong>Architektur</strong> in den ersten drei Jahrzehnten<br />
des 20.Jahrh<strong>und</strong>erts. Was die Architekten der Moderne wünschten, fanden sie bei<br />
dem Antipoden der Natur, der Technik. In der Welt der Maschinen schien Zuverlässigkeit,<br />
Effizienz <strong>und</strong> Präzision zu herrschen, verrichtet durch Geräte von denen damals die Faszination<br />
9
exotischer Formen ausging. Schon um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende war die Begeisterung für<br />
Ozeandampfer, Lokomotiven <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>s allgemein, sie galt aus Ausweis für Progressivität.<br />
Diese anfänglich naiv scheinende Begeisterung trug jedoch die Wurzeln jener sich später<br />
entwickelnden funktionalistischen Denkweise, deren Vorbilder die Maschinen waren, bereits in<br />
sich. 1924 schrieb Ludwig Hilberseimer: „Der Architekt muss sich in Übereinstimmung mit den<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen der Ingenieure befinden, deren Schöpfungen: Maschinen <strong>und</strong> Schiffe, <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong><br />
Flugzeuge, Kräne <strong>und</strong> Brücken, immer durch den Geist der Zusammengehörigkeit verb<strong>und</strong>en,<br />
Ausdruck eines gemeinsamen Willens sind."(18) J.J.P. Oud setzte diese Gedanken weiter fort:<br />
„Die Exaktheit des rein technischen Produkts, welche wir bew<strong>und</strong>ern (<strong>Auto</strong>, Dampfer,<br />
Instrumente usw.) solle Vorbild sein für eine Reorganisation des Bauens in dem Sinne, dass<br />
die an ein Bauwerk zu stellenden Anforderungen genauso exakt zu fixieren seien <strong>und</strong> dass sie<br />
mit den neuesten Materialien, Konstruktionen <strong>und</strong> Arbeitsverfahren verwirklicht werden<br />
sollen..."(19)<br />
3.1 Le Corbusier <strong>und</strong> das <strong>Auto</strong><br />
Moderne Verkehrsmittel sind auch von Walter Gropius, Henry van de Velde, Moholy-Nagy,<br />
Tatlin <strong>und</strong> anderen Architekten als vorbildlich angesehen worden. Bei keinem anderen jedoch<br />
manifestierte sich die Vorliebe für die Maschinenkunst auf derart tiefgreifende Weise wie bei Le<br />
Corbusier (1887-1965). Ähnlich wie es Sant'Elia vor ihm getan hatte, postulierte er in seinem<br />
berühmten, 1923 erschienen Buch „Vers un Architecture": "Das Haus ist eine Maschine zum<br />
Wohnen".(20) Damit meinte er eine auf das Wesentliche reduzierte Wohnform, die frei war<br />
von überflüssigem Wirrwarr der bürgerlichen Wohnhäuser jener Zeit <strong>und</strong> geprägt von der<br />
Sparsamkeit <strong>und</strong> Klarheit industrieller Fertigung. Obgleich er in „Vers un Architecture" auch<br />
anderen modernen Fortbewegungsmitteln wie Schiffen <strong>und</strong> Flugzeugen gleichermaßen ihren<br />
Platz einräumte, galt Le Corbusiers wahre Vorliebe den <strong>Auto</strong>s. Bei ihm, der selbst einen Voisin<br />
fuhr, fanden sich alle wesentlichen Motive für das <strong>Auto</strong>-Engagement der Avantgarde. Den<br />
Vergleich zwischen Haus <strong>und</strong> Maschine konkretisierte Le Corbusier, indem er ihn auf eine ganz<br />
bestimmte Maschine einschränkte: „Eines Tages wurde uns deutlich, dass das Haus wie ein<br />
<strong>Auto</strong> sein konnte."(21)<br />
3.1.1 Häuser wie <strong>Auto</strong>s<br />
Zwischen 1920 <strong>und</strong> 1922 hatte er, beeinflusst vom Vorbild der <strong>Auto</strong>mobilindustrie <strong>und</strong> unter<br />
dem Eindruck von Henry Fords <strong>Auto</strong>biographie (22) stehend, Typenhäuser für eine „architektonische<br />
Massenproduktion" entwickelt."...; Häuser müssen in einem Stück aufgestellt werden;<br />
ihre Einzelteile müssen in einer Fabrik von Maschinen hergestellt <strong>und</strong> dann auf dem Fließband<br />
zusammengesetzt werden, so wie Ford seine Wagen montiert."(23) Wie bereits erwähnt, produzierte<br />
Ford seit 1913 sein weltweit erfolgreiches T-Modell, die so hässliche wie zuverlässige<br />
Tin Lizzy, am Fließband. Auf dem Höhepunkt des Erfolges verließ alle vierzig Sek<strong>und</strong>en ein<br />
fertiger Wagen das Montageband. In Europa war Andre Citroen der erste Fabrikant, der die<br />
Fließbandfertigung einführte. Auf diesen berief sich Le Corbusier, als er seine prototypischen<br />
Häuser in einem bewussten Wortspiel „Citrohan" taufte, „um nicht zu sagen, Citroen. Mit<br />
anderen Worten, ein Haus wie ein <strong>Auto</strong>." (24)<br />
Le Corbusiers <strong>Auto</strong>-Begeisterung ist bezeichnend für den Enthusiasmus, mit dem die Avantgarde<br />
das <strong>Auto</strong>mobil begrüßte. Anders als bisherige Häuser waren <strong>Auto</strong>s Produkte, die rationalen<br />
Fertigungskriterien zu verdanken waren <strong>und</strong> schon deshalb als Symbole der Modernität<br />
gelten konnten. Wo immer es Le Corbusier <strong>und</strong> anderen Architekten der Moderne auf die Befriedigung<br />
von Massenbedürfnissen ankam, wurde immer wieder der Vergleich mit dem <strong>Auto</strong><br />
zugunsten einer Industrialisierung des Bauens herangezogen. Die Konstruktionselemente<br />
sollten standardisiert <strong>und</strong> vorgefertigt, auf Vorrat produziert <strong>und</strong> auf Abruf bereitgehalten werden.<br />
Durch hohe Stückzahlen sollte es bei einem Minimum an Aufwand zu einem Maximum an<br />
Leistung kommen. „Das Haus wird nicht mehr dies schwerfällige Ding sein, das den Jahrh<strong>und</strong>erten<br />
trotzen will <strong>und</strong> das nur als Protzobjekt zum Prahlen mit dem Reichtum fungiert: es<br />
wird ein Werkzeug sein, genauso, wie das <strong>Auto</strong> ein Werkzeug geworden ist.“ (25)<br />
10
Natürlich enthielt der Wunsch nach einer Industrialisierung des Hausbaus auch eine stark<br />
ästhetische Komponente. Nicht die Fertigungsmethoden der <strong>Auto</strong>mobilindustrie waren das<br />
alleinige Vorbild Le Corbusiers, er pries auch die funktionelle Schönheit des <strong>Auto</strong>mobils. In<br />
„Vers un Architecture" räumte er dem <strong>Auto</strong> neben dem Flugzeug <strong>und</strong> dem Dampfer ein eigenes<br />
Kapitel ein. (26) Fabrikate aus der reichen Produktpalette der 20er Jahre: Delage, Hispano-Suiza,<br />
Bignan, Bellanger <strong>und</strong> Voisin durften neben Abbildungen antiker Tempel paradieren.<br />
Dabei fand er an den <strong>Auto</strong>s nicht etwa Motorzylinder, Keilriemen <strong>und</strong> Ventilatoren faszinierend,<br />
er begeisterte sich weniger für die Maschinen selbst als für die Hüllen, in denen sie<br />
steckten, „einfache Gehäuse, die freien Raum für unendlich vielfältige Organe bieten." (27)<br />
Zwar bildete er auch den Schnitt einer Brems-vorrichtung ab, seine besondere<br />
Zuneigung galt aber den leichten, makellosen, glänzenden Gehäusen<br />
der Fahrzeuge, denen ebensolche Gehäuse der <strong>Architektur</strong> entsprechen<br />
sollten. In seinen Citrohan-Entwürfen finden wir sie in übertragenem<br />
Sinne wieder: Weiß verputzte Kisten mit flachen Dächern <strong>und</strong><br />
rechteckigen Industriefenstern, mit zweigeschossigen Wohnräumen ohne<br />
tragende Zwischenwände, auf Stelzen stehend, zwischen denen die<br />
<strong>Auto</strong>s parken konnten. (Abb.8)<br />
Die Prägnanz der industriellen Fertigung war in den Augen Le Corbusiers mit<br />
der Exaktheit von Profilen griechischer Tempel vergleichbar. Diese Gleichsetzung<br />
von Maschinenkunst <strong>und</strong> Klassik fand in „Vers un Architecture" im<br />
Kapitel über <strong>Auto</strong>s ihren Höhepunkt, wo Bilder eines Tempels in Paestum <strong>und</strong><br />
des Parthenon auf gegenüberliegenden Seiten mit einem Humber-<strong>Auto</strong>mobil<br />
von 1907 <strong>und</strong> einem Delage von 1921 konfrontiert werden. (Abb.9) „Deshalb<br />
wollen wir hier Parthenon <strong>und</strong> <strong>Auto</strong> nebeneinander vorführen, damit man<br />
versteht, dass es sich um zwei Ausleseprodukte auf zwei verschiedenen Gebieten<br />
handelt, das eine vollendet, das andere auf der Bahn des Fortschritts.<br />
Dies adelt das <strong>Auto</strong>! Wir brauchen mithin nichts anderes zu tun, als unsere<br />
Häuser <strong>und</strong> Paläste mit den <strong>Auto</strong>s zu vergleichen. Und da stimmt es eben<br />
nicht mehr, da stimmt überhaupt nichts mehr. Wir haben eben keinen Parthenontempel."<br />
(28)<br />
Zweck dieser Gegenüberstellung war es, eine Analogie von klassischer <strong>und</strong><br />
industrieller Formgebung im Sinne der Perfektionierung eines Typus herzustellen,<br />
beide gleichsam als Ausleseprodukte der Standardisierung. Zu bemerken<br />
ist allerdings, dass es sich bei den abgebildeten <strong>Auto</strong>s keinesfalls um<br />
Standardtypen im Sinne von Fords berühmtem Modell T handelte, sondern<br />
eher um handgefertigte Fahrzeuge der Luxusklasse. Würde man die Gleichsetzung<br />
von <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> Häusern unter dem Aspekt der Weiterentwicklung auf<br />
Le Corbusiers eigene Bauten übertragen, wäre das Maison Citrohan wahrscheinlich<br />
eine Art Paestum oder Humber-<strong>Auto</strong>mobil im Vergleich zur Villa<br />
Savoye, die er zehn Jahre später schuf.<br />
3.1.2 Die Villa Savoye - Das <strong>Auto</strong> determiniert<br />
die Gestalt des Gebäudes<br />
Die 1929-31 entstandene Villa Savoye in Poissy bei<br />
Paris, ein auf Stützen gestellter, von horizontalen<br />
Fensterbändern umlaufener Quader, gilt als gebautes<br />
Manifest der Prinzipien Le Corbusiers: Ein dem<br />
Verkehr vorbehaltenes Erdgeschoß, vom Erdboden<br />
abgehobenes Wohnen im Obergeschoß, ein Dachgarten<br />
als begehbarer Raum. (Abb.10-12)<br />
11
Der Zugang zum Gebäude hat den Charakter, als würde<br />
man von Le Corbusier in ein Zeremoniell des technischen<br />
Zeitalters eingeführt werden. Das <strong>Auto</strong> fährt unter dem an<br />
drei Seiten zurückgesetzten Obergeschoß vor. Zwischen<br />
den Stützen <strong>und</strong> dem gekurvten, größtenteils verglasten<br />
Erdgeschoß ist gerade Raum für die <strong>Auto</strong>zufahrt. Am<br />
Scheitelpunkt der Kurve liegt der Eingang. Die Insassen<br />
werden so an der Hauptachse des Hauses abgesetzt, bevor<br />
der Chauffeur den Wagen, der Kurve folgend, auf einem<br />
der drei offenen Garagenplätze, die diagonal unter<br />
dem Haus angeordnet sind, abstellt.<br />
Zwar hatte G.Th.Rietveld das gleiche Thema, nämlich die<br />
Unterbringung von Personen <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>s in ein <strong>und</strong> dem<br />
selben Gebäude bei seiner „Garage mit Wohnung für den<br />
Chauffeur" in Utrecht (Abb.13) bereits 1927/28 ähnlich<br />
gelöst, indem er den Chauffeur mit seiner Familie über der<br />
Garage wohnen ließ, so lässt sich von Le Corbusier behaupten,<br />
er habe die geschoßweise Funktionstrennung<br />
regelrecht zelebriert.<br />
Erstmals in der Baugeschichte hat das <strong>Auto</strong>mobil die<br />
Ausbildung eines Baukörpers mitdeterminiert. In Le<br />
Corbusiers Beschreibung findet sich ein anschauliches<br />
Bild seiner Absichten: „Man erreicht den Eingang<br />
mit dem <strong>Auto</strong>. Der kleinste Wendekreis eines<br />
Wagens ergab die Dimensionen des Hauses. Das<br />
<strong>Auto</strong> biegt unter den Stützen ein, fährt an den Bedienstetenräumen<br />
entlang, kommt in der Mitte an<br />
der Tür zur Eingangshalle an, fährt in die Garage<br />
oder weiter zur Ausfahrt. Das ist der Gr<strong>und</strong>gedanke."<br />
(29)<br />
Wie wichtig für Le Corbusier die Zufahrt mit dem<br />
<strong>Auto</strong> gewesen sein musste, beweist auch die Tatsache,<br />
das er im Bereich der Garage geradezu<br />
leichtfertig Stützenauswechslungen in Kauf nahm,<br />
da die Regelmäßigkeit des Stützensystems <strong>und</strong><br />
funktionelle Anforderungen einander offenbar widersprachen,<br />
obwohl er in seinen „Fünf Punkten zu<br />
einer neuen <strong>Architektur</strong>" gerade die Regelmäßigkeit des Stützenrasters zum unumstößlichen<br />
Prinzip erhoben hatte. (30)<br />
3.1.3 Le Corbusiers <strong>Auto</strong>entwurf<br />
Nach diesem eindrucksvollen Engagement für das <strong>Auto</strong> in der<br />
<strong>Architektur</strong> erscheint es nun nicht mehr weiter verw<strong>und</strong>erlich,<br />
dass sich Le Corbusier, zusammen mit seinem Bruder <strong>und</strong><br />
Partner Pierre Jeanneret 1928 daran begab, seinerseits einen<br />
Wagen zu entwerfen. (Abb.14) Dabei wurde - wie konnte es<br />
bei Le Corbusier anders sein - das Funktionskonzept völlig<br />
neu durchdacht, so dass ein Fahrzeug entstand, das sich von<br />
den gängigen Vorstellungen jener Zeit stark unterschied. Der<br />
Motor wurde nach hinten verlegt, die Hinterräder verschwanden<br />
in der spitz zusammenlaufenden Karosserie. Die Vorderpartie war keilförmig gedacht. Das<br />
<strong>Auto</strong> entsprach jenem günstigen Windverhalten, über das sich Le Corbusier bereits in „Vers un<br />
Architecture" (31) Gedanken gemacht hatte.<br />
12
3.1.4 Le Corbusiers Städtebau<br />
So groß die Anziehungskraft des Designprodukts <strong>Auto</strong> auf die Architekten der Moderne (allen<br />
voran Le Corbusier) war, erst das <strong>Auto</strong> als urbanistischer Faktor ließ sie zu selbstherrlichen<br />
Utopisten werden. Das <strong>Auto</strong> hatte die Stadt verändert <strong>und</strong> würde sie weiter radikal verändern.<br />
So viel stand bereits damals fest.<br />
Die Invasion des <strong>Auto</strong>mobils, die auf Le Corbusier so umstürzend gewirkt haben muss, dass er<br />
nach ihr die ganze Epoche als "Zeitalter des <strong>Auto</strong>mobils" (32) benannt hat, veranlasste ihn<br />
1925, Pläne zu einer Totalsanierung des Pariser Zentrums auszuarbeiten. Darin forderte er,<br />
die Stadtmitte bis auf wenige Sehenswürdigkeiten abzureißen <strong>und</strong> durch 200 m hohe Hochhäuser<br />
inmitten großer Freiflächen zu ersetzen, die genug Platz ließen, Paris auf <strong>Auto</strong>bahnen<br />
mit Rennwagengeschwindigkeit durchqueren zu können. „Wohin eilen die <strong>Auto</strong>mobile? Ins<br />
Zentrum! Es gibt keine befahrbare Fläche im Zentrum. Man muss sie schaffen. Man muss das<br />
Zentrum abreißen", lauteten seine entwaffnenden Schlussfolgerungen. (33)<br />
Einen Sponsor für das gewagte Unternehmen fand Le Corbusier in<br />
der französischen <strong>Auto</strong>mobil- <strong>und</strong> Flugzeugfirma Voisin, die infolge<br />
Produktionsrückganges in die Bauwirtschaft eingestiegen war. Wie<br />
es dazu gekommen war, erklärte er wie folgt: „Da es das <strong>Auto</strong>mobil<br />
war, das die jahrh<strong>und</strong>ertealten Gr<strong>und</strong>lagen des Städtebaues umgestürzt<br />
hatte, so fasste ich den Plan, die <strong>Auto</strong>mobil-Fabrikanten für<br />
die Errichtung des Pavillon de l'Esprit Nouveau auf der Inter-nationalen<br />
Ausstellung der schmückenden Künste zu interessieren, weil<br />
dieser Pavillon den Problemen der Wohnung <strong>und</strong> des Städtebaues<br />
gewidmet werden sollte. Ich habe die Leiter der Firmen Peugeot,<br />
Citroen, Voisin aufgesucht <strong>und</strong> ihnen gesagt: Das <strong>Auto</strong>mobil hat die<br />
Großstadt getötet. Das <strong>Auto</strong>mobil muss die Großstadt retten. Wollen<br />
sie Paris einen Plan „Peugeot", „Citroen", „Voisin" von Paris schenken? ....Herr Mongermon,<br />
der Direktor der „Aeroplanes G. Voisin (<strong>Auto</strong>mobile)“, übernahm ohne zu zögern das<br />
Patronat für die Studien über das Großpariser Zentrum, <strong>und</strong> der Plan, der daraus erwuchs,<br />
heißt demnach Plan „Voisin" von Paris". (34) (Abb.15)<br />
In der Tat bot Le Corbusiers radikaler Umgestaltungsvorschlag mit seinen Rollbahnen <strong>und</strong> vielgeschoßigen<br />
Kreuzungsbauwerken <strong>und</strong> einem Flugplatz inmitten von Hochhäusern für einen<br />
Kraftfahrzeug- <strong>und</strong> Flugzeugproduzenten genügend Anlass zu wohlwollender Förderung. Ähnlich<br />
wie bei der 1922 entstandenen „Ville Contemporaine" (Abb.16) <strong>und</strong> der „Ville Radieuse"<br />
von 1930 lag auch dem Plan „Voisin" der technische Fortschritt als alleiniger Maßstab im<br />
Städtebau zugr<strong>und</strong>e. Neue Techniken wie Stahl- <strong>und</strong> Stahlbetonkonstruktionen <strong>und</strong> vor allem<br />
das Verkehrsmittel <strong>Auto</strong>mobil ermöglichten eine hoch verdichtete Bebauung in Form von<br />
Hochhäusern zugunsten weiträumiger Freiflächen. Der Straßenverkehr sollte mit Hilfe von<br />
Pilotis der Fußgängerzirkulation enthoben werden. Überhaupt wollte Le Corbusier den ganzen<br />
Erdboden der Stadt freihalten, da sich auch die Bauten auf Stützen erhoben. „Die Straße existiert<br />
nicht mehr. Die <strong>Auto</strong>straße wird sie ersetzen." (35) Das von Le Corbusier so verehrte <strong>Auto</strong>mobil<br />
hatte die Straße in ihrer bisherigen Form eliminiert <strong>und</strong> sie zum reinen Verkehrsträger<br />
umfunktioniert.<br />
13
Während seine Anhänger Le Corbusiers städtebauliche Ideen<br />
oft zur Routine erstarren ließen, reagierte er selbst bei verschiedenen<br />
Bauaufgaben flexibel. So muss ihn der Besuch der<br />
von Giacomo Matte-Trucco 1923 in Turin-Lingotto errichteten<br />
Fiat-Fabrik mit ihrer Renn- <strong>und</strong> Teststrecke auf dem Dach<br />
(Abb.17, 18) zu spektakulären Viaduktarchitekturen inspiriert<br />
haben, die auf ihren Dächern <strong>Auto</strong>bahnen trugen.<br />
Die unter dem Einfluss der Futuristen stehende Fiat-Fabrik, ein über 500 m langer, fünfgeschoßiger<br />
Stahlbeton-Skelettbau, galt zu ihrer Zeit sogar als Herausforderung für die amerikanische<br />
<strong>Auto</strong>industrie. (36) Die Produktionsvorgänge im Inneren liefen von unten nach oben ab.<br />
Die Endmontage erfolgte im obersten Stock, bevor die Fahrzeuge auf dem Dach Probe gefahren<br />
wurden. Diese Symbiose von Bauwerk <strong>und</strong> Straße, die Matte-Trucco für den einmaligen<br />
Zweck dieser spezifischen Aufgabe entwickelt hatte, versprach Le Corbusier eine Lösung der<br />
urbanen Katastrophen in Städten Nordafrikas <strong>und</strong> Südamerikas zu sein.<br />
Anlässlich eines Besuches in Turin plädierte er in einem Artikel der<br />
italienischen Monatszeitschrift „Quadrante" dafür, die Idee, <strong>Auto</strong>s auf<br />
der obersten Ebene von Gebäuden fahren zu lassen, auf den Städtebau<br />
zu übertragen. „Der Augenblick ist gekommen, den Bau der Städte mit<br />
demselben Glauben, demselben Mut, derselben Kühnheit zu beginnen,<br />
wie sie die Fiat-Chefs gezeigt haben."( 37) Fotographien zeigten den<br />
<strong>Auto</strong>begeisterten am Steuer eines Fiat Bililla-Spider auf der Rennbahn<br />
der Fiat-Fabrik, die er zuvor auch schon in „Vers un Architecture"<br />
abgebildet hatte.(Abb.19)<br />
Zwischen 1929 <strong>und</strong> 1939 schlug er für Städte wie Algier (Abb.20, 21)<br />
Montevideo, Sao Paolo <strong>und</strong> Rio de Janeiro als Stahlbetongerüste konzipierte<br />
Viadukte vor, über die Stadtautobahnen fuhren <strong>und</strong> in die Wohnungen<br />
hätten eingebaut werden sollen. Bald schlangen sie sich der bewegten<br />
Topographie der Städte folgend der Küstenlinie entlang, bald<br />
verliefen sie in Form von Achsenkreuzen.<br />
Auch wenn diese Projekte mit komplizierten Systemen von Auf- <strong>und</strong><br />
Abfahrten wirklich funktioniert hätten <strong>und</strong> somit mit einem Schlag - so<br />
wie es sich Le Corbusier vorgestellt hatte - die Wohnungsnot beseitigt<br />
<strong>und</strong> eine völlige Neuordnung des Verkehrssystems gebracht hätten, die<br />
von den bandartigen Hochhäusern zerteilten existierenden Städte wären<br />
damit ein für allemal dem Untergang preisgegeben gewesen. Sie wären<br />
an ihren Verkehrsnöten <strong>und</strong> an den nach unten fallenden Emissionen<br />
buchstäblich erstickt.<br />
14
Wie lange Le Corbusiers städtebaulichen Vorstellungen<br />
Nachwirkungen zeigten, beweist eine aus den 1960er<br />
Jahren stammende Studie des englischen Glass Age<br />
Development Committee mit dem vielsagenden Namen<br />
„Motopia". Sie sah als Stadtstruktur ein Verkehrsgerüst<br />
mit rechteckiger Gr<strong>und</strong>form vor, das aus Hochstraßen<br />
mit darunterliegenden Park- <strong>und</strong> Fußgängerebenen<br />
sowie Wohnungen <strong>und</strong> Läden bestand. Die<br />
Kreuzungspunkte waren - auf typisch englische Art -<br />
als riesige Kreisverkehrslösungen ausgebildet.<br />
(Abb.22)<br />
3.2. Der <strong>Auto</strong>mobilentwurf von Adolf Loos<br />
Welche Faszination das <strong>Auto</strong> auf viele Architekten der<br />
damaligen Zeit ausgeübt haben muss, beweist auch eine<br />
von Adolf Loos 1923 angefertigte Skizze, die einen<br />
<strong>Auto</strong>mobilentwurf für Lancia - jener Firma, die 1922 die<br />
selbsttragende Karosserie entwickelt hatte - zeigt, bei<br />
dem er eine im heutigen <strong>Auto</strong>mobilbau gebräuchliche<br />
Keilform vorwegnahm. (Abb.23) Sie entstand aus der<br />
Unterbringung von drei hintereinander liegenden Sitzreihen<br />
<strong>und</strong> dem gleichzeitigen Bedürfnis, auch den hinten<br />
sitzenden Passagieren Gelegenheit zur Sicht nach vorne<br />
zu geben. Diese erhielten eine zusätzliche Windschutzscheibe,<br />
die den Wagen „terrassiert" erscheinen ließ. Ein<br />
weiteres Vorausgreifen im <strong>Auto</strong>mobilbau stellte die damals<br />
noch nicht übliche Verbreiterung des Wagenkörpers<br />
zwischen den Achsen dar. Die zur Produktionsvereinfachung<br />
- wie Loos meinte - größtenteils kantig gedachte<br />
Karosserieform stellte sich nachträglich allerdings als<br />
Trugschluss heraus, erzielt man doch mit in zwei Richtungen<br />
gebogenen Blechen eine größere Steifigkeit bei geringerem Konstruktionsgewicht. So<br />
kommt es, dass der Loos-Entwurf etwas an die in den späten 1930er Jahren gebauten, gepanzerten<br />
Militärautos erinnert, deren Aussehen freilich aus der wesentlich dickeren Blechstärke<br />
resultierte. Der Loos-Entwurf wurde allerdings genauso wenig gebaut wie der einige Jahre<br />
später entworfene Wagen von Le Corbusier.<br />
3.3 Walter Gropius <strong>und</strong> Buckminster Fuller als <strong>Auto</strong>konstrukteure: Adler-Kabriolett<br />
versus Dymaxion Car<br />
Besser erging es dem ehemaligen Bauhaus-Direktor Walter Gropius (1883-1969). 1929 erhielt<br />
er von den Adler-<strong>Auto</strong>mobilwerken in Frankfurt am Main den ungewöhnlichen Auftrag zu mehreren<br />
<strong>Auto</strong>-Modellen, von denen zwei, ein zweitüriges Kabriolett (Adler 6) <strong>und</strong> eine viertürige<br />
Limousine (Adler 8) in den Jahren 1930 <strong>und</strong> 1931 tatsächlich gebaut wurden. (Abb.24-27)<br />
Diese gerade klassischen Kreationen, weitgehend dekorlos, der Logik des rechten Winkels, der<br />
Diagonale <strong>und</strong> des Kreises folgend, waren aus den glatten<br />
Flächen stereometrischer Gr<strong>und</strong>formen zusammengesetzt <strong>und</strong><br />
vorzugsweise weiß, der Lieblingsfarbe der modernen<br />
<strong>Architektur</strong>, lackiert. Gropius formulierte seine ästhetischen<br />
Intentionen wie folgt: „das maß der schönheit eines automobils<br />
hängt nicht von der zutat an schnörkeln <strong>und</strong> zierat ab,<br />
sondern von der harmonie des ganzen organismus, von der<br />
logik seiner funktionen. der inneren wahrhaftigkeit, der<br />
knappen, phrasenlosen, der funktion entsprechenden<br />
durchbildung aller seiner teile zu einem vollendeten<br />
15
technischen organismus, muss auch die gesamterscheinungsform<br />
des autos entsprechen. die sichtbare außenform hat also<br />
ästhetisch gesprochen genau so zu funktionieren wie der technische<br />
apparat. die reine, edle form ist ein ergebnis der planmäßigen<br />
beseitigung alles unnötigen aufwandes an energie,<br />
masse, gewicht <strong>und</strong> zierat. ein moderner gebrauchswagen soll<br />
technisch vollendet, schön <strong>und</strong> billig sein. dieses ziel kann nur in<br />
engster arbeitsdurchdringung maßgeblicher technischer, gestalterischer<br />
<strong>und</strong> kaufmännischer kräfte erreicht werden."(38)<br />
Trotz ansehnlicher Bauart nehmen sich Gropius'<br />
<strong>Auto</strong>entwürfe freilich ein wenig altertümlich aus,<br />
vergleicht man sie mit dem etwa zur gleichen Zeit entstandenen Dymaxion<br />
Car des amerikanischen Konstrukteurs <strong>und</strong> Erfinders Richard Buckminster<br />
Fuller (1895-1986). (Abb.28) Abgesehen von einigen technischen Verbesserungen<br />
im Chassis, Motor <strong>und</strong> Getriebe, an deren Entwicklung Gropius freilich<br />
nicht beteiligt war, waren an den beiden Adler-Modellen nur die erstmals<br />
eingebauten Liegesitze innovativ. Ansonsten zeigten sie keinerlei Fortschritt<br />
gegenüber den in Le Corbusiers "Vers un Architecture" abgebildeten<br />
Karosserien.<br />
Fullers Beschäftigung mit dem <strong>Auto</strong>mobilbau hingegen blieb nicht an der oberflächlichen Behandlung<br />
eines Formenkleides, das die technischen Einrichtungen verbarg, stehen. Das<br />
Dymaxion Car war das Ergebnis umfassender technologischer Bemühungen <strong>und</strong> wurde mit<br />
Hilfe von Spezialisten für die einzelnen technischen Details entwickelt. Das technologische<br />
Gr<strong>und</strong>prinzip (Dymaxion = Dynamik plus maximale Effizienz) bestand darin, „dass der größte<br />
Nutzen mit der geringsten Energie <strong>und</strong> Materialaufwendung nur dann erreicht werden kann,<br />
wenn alle technischen Mittel <strong>und</strong> Methoden lückenlos angewendet werden." (39)<br />
Das Dymaxion-<strong>Auto</strong> stellte im Gr<strong>und</strong>e die Adaption<br />
eines Flugzeugrumpfs samt Fahrwerk für den<br />
Straßenverkehr dar. Seine Konstruktionsmerkmale<br />
waren: Drei Räder, Heckmotor mit Kraftübertragung<br />
auf die zwei Vorderräder, Lenkung mit dem Hinterrad,<br />
aerodynamische Karosserie aus Aluminium. Mit<br />
einem serienmäßigen 90PS-Ford-V8-Motor konnte<br />
das <strong>Auto</strong> ca. 200 km/h erreichen. Von der anfänglichen<br />
Idee, eine Art Flugzeugauto mit Düsenantrieb<br />
zu bauen, hatte Fuller schließlich abgelassen.<br />
Das Dymaxion Car diente vor allem Schauwerbezwecken.<br />
1933 wurde es auf der Chicagoer Weltausstellung<br />
gezeigt. Die Serienfertigung scheiterte<br />
jedoch am Widerspruch zwischen Fullers logistischem<br />
Transportideal <strong>und</strong> den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen,<br />
an einem individualisierten<br />
Massenverkehr, dessen treibende Kraft eine absatzorientierte<br />
<strong>Auto</strong>mobilindustrie ist, für die modische<br />
Aufmachung eines Modells mehr zählt als die Erhöhung<br />
des Gebrauchswerts.<br />
16
4. Das <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> die Kritik an der Moderne<br />
4.1 Buckminster Fullers Dymaxion-Haus<br />
Im Gr<strong>und</strong>e war Fullers <strong>Auto</strong>entwurf nichts anderes als die<br />
„Mobilisierung" seines 1928 entstandenen Dymaxion-Hauses.<br />
(Abb.29) Während für die europäischen Architekten der Avantgarde,<br />
allen voran Le Corbusier, der Ruf nach der Wohnmaschine<br />
vorerst eine mutige Wohnmaschine wirklich zu bauen. Sie<br />
bestand aus einem von einer doppelten Plastikhaut umschlossenen,<br />
hexagonalen, die Aufenthaltsräume enthaltenden Ring,<br />
der von einem zentralen Mast, der als Tragstütze zugleich die<br />
gesamte Infrastruktur des Hauses enthielt, mit Hilfe von Drähten<br />
in einer Speichenrad ähnlichen Konstruktion abgespannt war.<br />
Im Gegensatz zu den poetischeren Ausdrucksformen des technischen Zeitalters, wie sie häufig<br />
in den Bauten der europäischen Avantgarde der 1920er Jahre zu finden waren, stellte Fullers<br />
Patent eine Wohnmaschine im wörtlichen <strong>und</strong> nicht im übertragenen Sinne dar. Das Dymaxion-Haus<br />
war dem <strong>Auto</strong> zweifellos näher verwandt als Le Corbusiers Bauten, die, obwohl<br />
gerade dieser diese Analogie wiederholt forderte, niemals technisch ausgereift waren. Im<br />
Gegensatz zu den Vertretern der europäischen Moderne, die sich größtenteils damit begnügten,<br />
die häuslichen Dienstleistungsvorrichtungen entsprechend der vormechanischen Zeit im<br />
Hause zu verteilen, betrachtete Fuller all diese Ausrüstungsstücke als zusammengehörig.<br />
Folgerichtig brachte er sie daher gemeinsam im Zentrum des Hauses unter, von wo sie ihre<br />
Dienstleistungen in die umliegenden Räume verteilten. In Buckminster Fullers Schriften finden<br />
sich Passagen, die dieses Manko der europäischen Moderne aufdeckten. „...das Bauhaus <strong>und</strong><br />
der Internationale Stil benutzten die normalen Installationsanlagen <strong>und</strong> wagten sich nur<br />
insoweit vor, als sie die Hersteller dazu bewogen, die Griffe an den Verschlussvorrichtungen<br />
<strong>und</strong> Leitungshähnen in ihrer Oberflächengestaltung abzuändern <strong>und</strong> auch die Farbe, Größe<br />
<strong>und</strong> Anordnung der Fliesen abzuwandeln. Der Internationale Bauhausstil kümmerte sich nicht<br />
um die unter der Maueroberfläche liegende Installation..., er untersuchte niemals das Problem<br />
der sanitären Anlagen als Ganzes...; kurzum, er kümmerte sich nur um Probleme, die Veränderungen<br />
an der Oberfläche von Endprodukten betrafen, <strong>und</strong> diese Endprodukte waren von<br />
Natur aus untergeordnete Funktionen einer in technischer Hinsicht veralteten Welt." (40)<br />
4.2 Die Moderne <strong>und</strong> die Technologie<br />
Fullers Vorgangsweise beim Entwurf war hauptsächlich die eines Konstrukteurs<br />
<strong>und</strong> weniger die eines Architekten. Die formale Gestaltung<br />
des Dymaxion-Hauses war vor allem das Resultat funktioneller <strong>und</strong><br />
konstruktiver Überlegungen. Auch wenn Vincent Scully eine gewisse<br />
Ähnlichkeit mit den Zelten der nomadisierenden Indianer Nordamerikas<br />
erkannt haben will (41), war es doch im wesentlichen als abstrakte,<br />
technische Installation zum Wohnen gedacht, ohne den Anspruch,<br />
ein Objekt für ästhetische Betrachtungen zu sein, wie das von den<br />
europäischen Architekten der Moderne angestrebt wurde. (Abb.30)<br />
Um ihren Bauten ein Image des Maschinenzeitalters zu geben, scheuten diese nicht davor<br />
zurück, vor allem Schiffsmotive auf die <strong>Architektur</strong> zu übertragen. (42) Das Schiff, Ausdruck<br />
eines funktionierenden Gemeinwesens auf minimierter Fläche, musste sowohl als gesellschaftliches<br />
als auch als ästhetisches Vorbild herhalten. Das <strong>Auto</strong>mobil hingegen, Symbol für<br />
individuelle Mobilität, schien dafür weniger geeignet. Le Corbusier hatte aber auch nie gefordert,<br />
Häuser müssten wie <strong>Auto</strong>s aussehen, wohl aber sollten sie wie diese entworfen<br />
werden (43).<br />
Le Corbusier zog <strong>Auto</strong>mobile immer dann zum Vergleich heran, wenn er seine "Typen-Theorie"<br />
begründen wollte. (Abb.31) Verglichen mit den am Vorbild der Pferdedroschke orientierten<br />
Karosserien aus der Frühzeit des <strong>Auto</strong>mobilbaus schienen ihm die zeitgenössischen Produkte<br />
17
einen Endzustand erreicht zu haben, ein Trugschluss, dem jede Gegenwart<br />
gern erliegt. Die funktionellen Anforderungen <strong>und</strong> der wirtschaftliche<br />
Konkurrenzdruck hätten in einer Art darwinistischem<br />
Ausleseprozess Endformen <strong>und</strong> Typen herauskristallisiert. Offenbar<br />
hatte er jedoch übersehen, dass jede Entscheidung zugunsten stabilisierter<br />
Typen unweigerlich den Stillstand technologischer Entwicklungsprozesse<br />
bedeuten würde. Der technische Fortschritt impliziert<br />
ständige Erneuerung <strong>und</strong> unaufhaltsame Tendenz zu sich immer<br />
schneller vollziehenden Veränderungen. Da sich die Massenproduktion<br />
laufend an einen sich ununterbrochen verändernden Markt anpassen<br />
muss, kann sie gar nicht an unveränderten Typen <strong>und</strong> Normen festhalten.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> konnte die Anbiederung der modernen<br />
<strong>Architektur</strong> an die Technologie nur solange gut gehen, als man <strong>Auto</strong>s<br />
noch mit dem Parthenon vergleichen konnte, die Struktur von Flugzeugen<br />
elementaren Kompositionen ähnelte <strong>und</strong> der Oberbau von<br />
Schiffen noch akademischen Gestaltungsprinzipien folgte.<br />
Wenn die Avantgarde sich für das <strong>Auto</strong> begeisterte, so hatte sie als Gegenstand ihrer Zuneigung<br />
ein Produkt erwählt, das früher als viele andere Produkte Design als Hülle verstand.<br />
Die für die Fortbewegung entscheidenden Antriebselemente wurden unter dem Blechkleid<br />
verborgen, das zwar Kriterien wie Aerodynamik, Festigkeit <strong>und</strong> Bedienungskomfort zu<br />
gehorchen hatte, aber der Gestaltung trotzdem weitgehend freie Hand ließ. Die elektrischen<br />
Geräte der letzten Jahrzehnte, von der Waschmaschine <strong>und</strong> dem Kühlschrank bis zur Großrechenanlage,<br />
setzten fort, was das <strong>Auto</strong> mit seiner versteckten inneren Mechanik begonnen<br />
hatte, den Trend zum Fassadendesign, der allen Forderungen der Altfunktionalisten nach einer<br />
Übereinstimmung von Innen <strong>und</strong> Außen Hohn spricht. Der Parthenon, dessen Bauglieder die<br />
Lastabtragung nicht nur darstellen, sondern auch ausüben, war insofern ein viel funktionalistischeres<br />
Gebilde als die Delages, Hispano-Suizas <strong>und</strong> Bignans, die Le Corbusier damit<br />
zusammen abbildete.<br />
Spätestens zu Beginn der 1930er Jahre, als man wegen<br />
der gesteigerten Leistungskraft der Fahrzeuge gezwungen<br />
war, sämtliche Bestandteile in einer kompakten,<br />
stromlinienförmigen Hülle unterzubringen, riss die<br />
Verbindung zwischen Moderne <strong>und</strong> der Technologie ab.<br />
Der Burlington Zephyr (Abb.32), ein bei der 1934 in<br />
Chicago stattfindenden Weltausstellung gezeigter<br />
stromlinienförmiger Zug, das Chrysler Modell Air Flow<br />
von 1934 (Abb.33), die Heinkel He 70 <strong>und</strong> die Boeing<br />
247 D gehörten bereits einer Welt an, die sich im Vergleich<br />
zu den ein Jahrzehnt früher entstandenen Konstruktionen<br />
radikal verändert hatte. Ihnen gegenüber<br />
muteten die in „Vers un Architecture" abgebildeten<br />
Flugzeug- <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>modelle geradezu veraltet an.<br />
Es gibt zwar a priori keinen erkennbaren Gr<strong>und</strong> dafür,<br />
dass die <strong>Architektur</strong> diesen Entwicklungen Rechnung zu<br />
tragen gehabt hätte. Man hätte aber erwarten können,<br />
dass die Moderne, die so enge Bindungen zur Technologie<br />
vorgegeben hatte, zumindest Ansätze zu Umwälzungen<br />
zeigen würde. Gropius' Karosserieentwurf ist symptomatisch<br />
für das Unvermögen der damaligen Architekten-Avantgarde,<br />
die sich zu dieser Zeit abspielende Revolution<br />
im Fahrzeugbau überhaupt zu erkennen. Sie<br />
verharrte vielmehr in einem missverstandenen Funktionalismus,<br />
dem das additive Konzept des Karosseriebaus<br />
mit seiner Ablesbarkeit der Bauteile am meisten entsprach.<br />
Buckminster Fuller hingegen stellte seine Be-<br />
18
echtigung, abschätzend über den Internationalen Stil zu urteilen, mit seinem Dymaxion Car<br />
unter Beweis, das - zumindest ebenso fortschrittlich wie der Air Flow - von einer geistigen<br />
Beherrschung der Technologie zeugte, wie sie dem Internationalen Stil nicht gelungen war.<br />
Die Moderne war, so gesehen, an ihrem Anspruch gescheitert, die <strong>Architektur</strong> des Maschinenzeitalters<br />
zu sein. Die Behauptung von Henry-Russell Hitchcock <strong>und</strong> Philip Johnson 1932<br />
(44), nun endlich den diesem Zeitalter adäquaten Stil gef<strong>und</strong>en zu haben, war nur insofern<br />
korrekt, als es sich um einen Stil handelte, der aus einer ziemlich oberflächlichen Betrachtung<br />
der technischen Revolution entstanden war <strong>und</strong> der <strong>Auto</strong>mobile, Flugzeuge <strong>und</strong> Schiffe als<br />
neue ästhetische Gegenstände ansah, die man ohne wirkliches technisches Verständnis nur zu<br />
kopieren brauchte.<br />
Es lässt sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit feststellen, ob die Wurzeln des Versagens der<br />
Moderne demnach vielleicht doch in ihr selbst lagen. Außer Zweifel haben aber die Ereignisse<br />
im Deutschland der 1930er Jahre die weitere kontinuierliche Entwicklung verhindert.<br />
5. Das amerikanische Maschinenzeitalter<br />
Unsere Aufmerksamkeit wendet sich nun den Vereinigten Staaten zu, die von der europäischen<br />
Avantgarde in teilweise romantischer Verklärung als das gelobte Land der Technisierung<br />
angesehen wurden. Überall fuhren dort <strong>Auto</strong>mobile auf eigens für sie geschaffenen Schnellstraßen<br />
<strong>und</strong> eleganten Brückenkonstruktionen. Amerika sei das Land der Geschwindigkeit,<br />
wurde immer wieder berichtet. Die seit den 1920er Jahren motorisierte amerikanische Gesellschaft<br />
bekannte sich zum „image of motion", das einerseits der Ideologie der Go-West-<br />
Bewegung entsprach, andererseits der freien Marktwirtschaft. Nachdem der 1.Weltkrieg die<br />
Modernisierungen des Produktionsapparates bereits beträchtlich beschleunigt hatte, erfuhren<br />
die Produktionskapazitäten in den 20er Jahren eine weitere Steigerung, nicht zuletzt weil ein<br />
gewaltiger <strong>und</strong> anscheinend unerschöpflicher Binnenmarkt zur Verfügung stand. Die Ausweitung<br />
der Industrialisierung in den USA war eng mit dem Aufschwung der <strong>Auto</strong>mobilindustrie<br />
verb<strong>und</strong>en. Die <strong>Auto</strong>mobilisierung entwickelte sich zum „Motor" der Industrialisierung. Betrug<br />
der Bestand an Kraftfahrzeugen 1910 lediglich 500.000, stieg er bis 1930 auf 26.000.000. Auf<br />
jeden fünften Einwohner kam damals bereits ein <strong>Auto</strong>. Die wachsende Verfügbarkeit von Maschinen<br />
wie <strong>Auto</strong>s für Privatpersonen kennzeichnete den Eintritt der Vereinigten Staaten ins<br />
Maschinenzeitalter.<br />
5.1 Art Deco<br />
Bis auf wenige Ausnahmen, wie Louis Sullivan <strong>und</strong> F.L. Wright, interessierten sich die wenigsten<br />
amerikanischen Architekten für die Auswirkungen der Technisierung. „Hören wir auf die<br />
Ratschläge der amerikanischen Ingenieure, aber hüten wir uns vor den amerikanischen<br />
Architekten," schrieb damals Le Corbusier in „Vers un Architecture". (45) Die in Europa<br />
bew<strong>und</strong>erten Wolkenkratzer traten schon allein wegen der in New York seit 1916 geltenden<br />
Zonierungsgesetze nicht als die kompromisslosen Geometrien auf, die der neuen, von der<br />
Moderne geforderten Ästhetik entsprochen hätten. Gestaffelte Baumassen, über <strong>und</strong> über mit<br />
Zierrat dekoriert, machten das Manhattan der beginnenden 1920er Jahre zu einer Art<br />
historischen Märchenpark. Die Teilnahme europäischer Architekten am Wettbewerb der<br />
Chicago Tribune (1922) <strong>und</strong> die Pariser Exposition des Arts Decoratifs (1925) öffneten<br />
allmählich den Blick der Amerikaner für die neuen Materialien (Chrom, Stahl, Bakelit) <strong>und</strong> die<br />
Formen des „Neuen Bauens", die sie freilich nicht mehr im Sinn sozialer Zielsetzungen <strong>und</strong><br />
gesellschaftspolitischer Utopien übernahmen <strong>und</strong> weiter verwendeten.<br />
Unter dem Eindruck der Massenfabrikationen, der Reklame, der bewussten Förderung des<br />
Konsumdenkens, der neuen schnellen Kommunikations- <strong>und</strong> Verkehrsmittel wie Radio, Telefon<br />
<strong>und</strong> <strong>Auto</strong>mobil <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen wirtschaftlichen Expansion kam es zur „Befreiung"<br />
der Gebrauchskunst. Dabei ging es in erster Linie um die stilistische Verpackung <strong>und</strong> um die<br />
symbolische Funktion der Bauwerke im Stadtbild. Formen <strong>und</strong> Materialien wurden rein<br />
dekorativ verwendet. Bezeichnenderweise hieß der sich aus Elementen des Art Nouveau, des<br />
Futurismus <strong>und</strong> der Moderne zusammensetzende Stil Art Deco. Seine auf dem Geschmack der<br />
19
Masse berechnete Wirkung widerspiegelte die Hektik <strong>und</strong> Vitalität der<br />
Epoche treuer <strong>und</strong> direkter als die reinen Schöpfungen der klassischen<br />
Moderne.<br />
5.1.1 Das Chrysler Building<br />
Vor allem wurden Erscheinungsdetails der <strong>Auto</strong>s als Symbole für<br />
Mobilität <strong>und</strong> Mechanismus in die programmatische <strong>Architektur</strong>sprache<br />
aufgenommen. Das vielleicht schönste Beispiel dafür stellt<br />
das Chrysler Building in New York dar, das William van Alen zwischen<br />
1928 <strong>und</strong> 1930 entwarf. (Abb.34) Das 320 m hohe Gebäude, das für<br />
kurze Zeit das höchste der Welt war, ist mit den vielfältigsten „automobilen"<br />
Motiven dekoriert. Es erhebt sich silbergrau über einer Basis<br />
von 20 Geschoßen. Der mittlere, 168 m hohe Abschnitt verjüngt sich<br />
nach einem Rücksprung zu einem Helm aus Edelstahl mit schuppenförmig<br />
angeordneten Fenstern. Die Haut des Turmes ist mit dunkelgrau<br />
glasierten Ziegeln verkleidet, die sich gegen die silbrigen Flächen<br />
abheben. In der Mitte der Fassade sind die Fenster so angeordnet, das<br />
sie die Vertikalität in der gesamten Höhe des Schaftes betonen <strong>und</strong> in<br />
einem kreisförmig gebogenen Mittelstück enden, als wollten sie Bewegungen<br />
der Aufzüge verdeutlichen, die im Inneren auf- <strong>und</strong> abwärts<br />
eilen.<br />
Für unsere Betrachtungen erscheint im Besonderen der in reichlichem Maße vorhandene Bauschmuck<br />
erwähnenswert. Das Gebäude besitzt Backsteinfriese mit stilisierten <strong>Auto</strong>mobilen, an<br />
den Ecken des 40.Geschoßes sind vier gigantische Chrysler-Kühlerfiguren aus Aluminium angebracht.<br />
Ein Fries abstrahierter <strong>Auto</strong>s mit riesigen Bolzen aus Chromnickelstahl <strong>und</strong> Radkappen<br />
unterhalb horizontal gezogener Kotflügelmuster umzieht das Gebäude im 13. Stockwerk.<br />
Das Firmenzeichen der Firma Chrysler kehrt in der Backsteinverkleidung <strong>und</strong> am<br />
Fahnenmast wieder. An der Basis der Krone stoßen vier kolossale amerikanische Adler wie<br />
Wasserspeier in den Himmel vor. Die Botschaft des Bauwerks war die Glorifizierung des<br />
amerikanischen Ingenieursgeistes im Allgemeinen <strong>und</strong> Chryslers Produktion von <strong>Auto</strong>mobilen<br />
im Besonderen. Es zelebrierte den durch Eigeninitiative erreichbaren Aufstieg im amerikanischen<br />
Wirtschaftssystem.<br />
5.2 Die Überproduktion an <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> ihre Folgen - Streamline<br />
Das Chrysler Building wurde zu einer Art Schwanengesang Amerikas vor der Weltwirtschaftskrise.<br />
Die Expansionsphase der amerikanischen Wirtschaft zwischen 1910 <strong>und</strong> 1920, die<br />
primär von der <strong>Auto</strong>mobilindustrie getragen wurde, fand im Börsenkrach von 1929 ihren jähen<br />
Abschluss. Infolge Marktsättigung war es zu einer Überproduktion der <strong>Auto</strong>mobilindustrie, die<br />
weitreichende Folgen haben sollte, gekommen. Zahlreiche Betriebe mussten schließen oder<br />
wurden von den großen Konzernen übernommen. In Detroit verloren 350.000 von 475.000<br />
<strong>Auto</strong>mobilarbeitern ihren Arbeitsplatz. (46) Die Produktion ging um 25-30% zurück. Die<br />
Abhängigkeit vieler Zulieferfirmen in der Stahl-, Glas-, Gummi- <strong>und</strong> Farbenindustrie führte zu<br />
einer Wirtschaftskrise größten Ausmaßes.<br />
Das diese Katastrophe nicht von allzu langer Dauer sein würde, bewies John D. Rockefeller,<br />
indem er 1931 mit dem nach ihm benannten Center in New York eine antizyklische Spekulation<br />
bis dahin unbekannten Ausmaßes wagte. Diese <strong>und</strong> andere private Investitionen<br />
empfand die amerikanische Öffentlichkeit als Bestätigung von Franklin D. Roosevelts Politik<br />
eines neuen Anfangs, des New Deal (1935-41). In den folgenden Jahren versuchte sich die<br />
amerikanische Wirtschaft aus der Krise herauszuarbeiten. Durch verstärkte Mechanisierung<br />
<strong>und</strong> Rationalisierung der Produktion trieben die Unternehmen die Modernisierung weiter voran,<br />
um die Herstellungskosten zu senken. Um den Absatz zu stimulieren, wurden bewusst ästhetische<br />
Mittel für Aufmachung <strong>und</strong> Erscheinung der Artikel eingesetzt. Formale Innovationen<br />
20
dienten in erster Linie der Verkaufsförderung. Ließen die Verkaufszahlen nach, wurde bei<br />
weitgehender Beibehaltung des Innenlebens die Aufmachung des Produkts geändert. Die<br />
Verführungskünste der Werbung, die nicht mehr bloß Hinweise auf die Qualität <strong>und</strong> den Preis<br />
der Waren gab, sondern mit Hilfe der Psychologie Wunschvorstellungen zu wecken versuchte,<br />
trugen ihren Teil dazu bei, aus Amerika eine Konsumgesellschaft zu machen. Sinclair Lewis<br />
schrieb 1922 in seinem Roman „Babbitt", einer satirischen Hymne auf das Maschinenzeitalter:<br />
„Hatte Babbitt als Knabe gewünscht, Präsident zu werden, wünschte sich sein Sohn Ted einen<br />
Zwilling-Sechs-Zylinder-Packard <strong>und</strong> eine anerkannte Position unter dem Motoradel". (47)<br />
Der ungebrochene Glaube an den technischen Fortschritt, an die Überwindung der Wirtschaftskrise,<br />
hätte nicht besser ausgedrückt werden können als mit dem Schlagwort „Streamline".<br />
5.3 Streamline: Technischer Terminus – Metapher der Bewegung <strong>und</strong> des<br />
Fortschritts<br />
Im technischen Sinn ist die Stromlinie jene Kurve, deren Tangenten an jedem Punkt die<br />
Flussrichtung der Teilchen des Mediums angeben, durch das sich die Kurve bewegt. Die<br />
Stromlinienform wird angewandt, um festen Körpern (<strong>Auto</strong>s, Flugzeuge, Schiffe) einen<br />
möglichst geringen Widerstand beim Penetrieren von Wasser oder Luft zu ermöglichen. (48)<br />
Die schnell mobil gewordenen Amerikaner verstanden die Stromlinie aber auch sehr bald als<br />
symbolische Form, als Ausdruck <strong>und</strong> formales Ergebnis der wirtschaftlichen Krise in den<br />
1930er Jahren <strong>und</strong> deren Überwindung. Natürlich soll nicht bestritten werden, das die aerodynamisch<br />
günstigste Form im Fahrzeugbau eine höhere Geschwindigkeit erlaubte, doch<br />
wichtiger als das Erzielen der möglichen Höchstgeschwindigkeit war es, Geschwindigkeit<br />
formal zum Ausdruck zu bringen, Schnelligkeit durch Form zu symbolisieren. Man wollte die<br />
Dynamik der Materie darstellen, wie sich Materie durch Geschwindigkeit in Energie verwandelt,<br />
in Ströme, durch die die Form bestimmt wird. Die Stromlinienform hatte den Charakter einer<br />
Metapher der Bewegung <strong>und</strong> versinnbildlichte darüber hinaus Freiheit, Erfolg <strong>und</strong> Modernität.<br />
Von der amerikanischen Öffentlichkeit wurde bald alles, was stromlinienförmig war, mit<br />
modern gleichgesetzt. Dies war der Ursprung des Begriffes „Streamline Moderne". Die Kunst<br />
war zu einer Quelle der Fortschrittsbestätigung geworden.<br />
In der Stromlinienform konkretisierte sich die Sehnsucht der Zeit nach einem neuen Sinnbild.<br />
Sie lässt sich wohl auch als Kompensationsform verstehen, täuschte die „<strong>Auto</strong>nomie des<br />
Schönen" doch über die tatsächliche ökonomische <strong>und</strong> gesellschaftliche Misere hinweg. Die<br />
Popularität der Streamline offenbarte das Bedürfnis der Massen, die sozialen Konflikte in der<br />
Zeit der Wirtschaftskrise zu mildern, sich - vergleichsweise - genauso elegant durch die Probleme<br />
der Zeit zu bewegen wie ein tropfenförmiges <strong>Auto</strong>mobil durch die Straßen der Stadt.<br />
Die Erwartungen der Öffentlichkeit <strong>und</strong> die Bedürfnisse verschmolzen zu einem alles umfassenden<br />
Design, das mit seiner Glätte <strong>und</strong> seinem Glanz den Hoffnungen der Bevölkerung<br />
Ausdruck verlieh.<br />
5.3.1 Die Stromlinienform im <strong>Auto</strong>mobilbau<br />
Obwohl die Stromlinienform erstmals im Eisenbahnbau in größerem Umfang Verwendung fand<br />
(Burlington Zephyr, 1933), weist sie auch automobile Vorläufer auf.<br />
Hierzu zählten die zigarrenähnlichen Rennwagen um 1900 <strong>und</strong> Prototypen<br />
von Alfa Romeo 1913/14. (Abb.35)<br />
In den 1930er Jahren erkannte die <strong>Auto</strong>mobilindustrie die Werbewirksamkeit<br />
der neuen Stromlinie. Zwar hatten Windkanalversuche ergeben,<br />
dass ein ei- bzw. tropfenförmiges Fahrzeug aufgr<strong>und</strong> seiner minimierten<br />
Oberfläche den geringsten Luftwiderstand aufweisen müsste<br />
- ein Faktum, auf das auch Le Corbusier 1922 in „Vers un Architec-<br />
21
ture" hingewiesen hatte (49), aber infolge mangelnder Akzeptanz des<br />
Publikums in seiner reinen Form niemals realisiert werden konnte.<br />
„Eier auf Rädern", wie sie von den Verkaufsabteilungen der <strong>Auto</strong>mobilfirmen<br />
spöttisch bezeichnet wurden, waren höchstens als Ausstellungsobjekte<br />
zu gebrauchen. Tropfenautos mit Heckantrieb wie<br />
Norman Bel Geddes' Motor Car Number 8 (1932) (Abb.36) <strong>und</strong> Buckminster<br />
Fullers Dymaxion Car (1934) gingen - weil zu radikal - nie in<br />
Serie.<br />
Bereits 1926 hatte General Motors seine „Art and Color Section" eingerichtet, um durch Styling<br />
<strong>und</strong> jährlichen Modellwechsel der zweckgerechten, aber freudlos schwarzen Tin Lizzy des Konkurrenten<br />
Ford den Garaus zu machen. Ford, der Anfang der 1920er Jahre über 55 Prozent<br />
des amerikanischen <strong>Auto</strong>mobilmarktes erobert hatte, musste seine Marktanteile bis 1927 infolge<br />
Sättigung der Nachfrage auf weniger als 30 Prozent schwinden sehen. Daraufhin ließ er<br />
die Produktion seiner Ford-T-Modelle, die bereits beim 15 millionsten Exemplar angelangt war,<br />
stoppen, als er erkennen musste, wie wichtig ein dem Zeitgeschmack entsprechendes Design<br />
geworden war. Die Herausbildung von Typen, auf die sich Le Corbusier berufen hatte, war<br />
nicht mehr gefragt. Was zählte, um weiter verkaufen zu können, war die Beherrschung des<br />
Zyklus der Moden mit Modellen.<br />
Hauptkennzeichen der <strong>Auto</strong>mobilkarosserien in den 1930er Jahren war vor allem die Zusammenfassung<br />
der einzelnen Karosserieelemente in Gestalt eines einheitlichen Blechkleides. Mit<br />
ihren abgeschrägten Frontpartien, den langen geschwungenen Kotflügeln <strong>und</strong> dem Fließheck<br />
wirkten die <strong>Auto</strong>s dynamisch, also auch im Stillstand wie in Bewegung.<br />
Das Modell Air Flow der Firma Chrysler, 1934, (Abb.33) war das erste, jemals in Serie produzierte<br />
stromlinienförmige <strong>Auto</strong>, wenngleich Zugeständnisse hinsichtlich der Verkaufbarkeit<br />
gemacht werden mussten. Chrysler erkor ausgerechnet Norman Bel Geddes, den Schöpfer des<br />
tropfenförmigen Motor Car Number 8, zum Paten des Modells. Geddes' 1932 erschienenes<br />
Buch „Horizons"(50), gewissermaßen das Manifest der Streamline, war zwar von nachhaltigem<br />
Einfluss auf das amerikanische Produktdesign, er selbst war jedoch mit seinem radikalen<br />
<strong>Auto</strong>mobilentwurf an den Gesetzen des Marktes gescheitert. Heute würden wir den Air Flow als<br />
gelungene Mischung zwischen dem ab 1936 produzierten 2CV von Citroen <strong>und</strong> dem parallel<br />
dazu in Deutschland entwickelten Volkswagen bezeichnen. Obwohl der Air Flow kommerziell<br />
nicht sonderlich erfolgreich war, erschien er doch hinsichtlich seines Aussehens außerordentlich<br />
fortschrittlich. Man war vom funktionalistischen, gleichsam aus Einzelteilen zusammengesetzten<br />
Karosseriedesign zugunsten einer kompakten Form abgekommen. Eingebaute Kotflügel,<br />
in die erstmals die Scheinwerfer integriert waren, ein in die Motorhaube übergehender<br />
Kühlergrill <strong>und</strong> das kurze Heck gaben dem Wagen nicht nur ein aerodynamisches, sondern ein<br />
geradezu modernes Aussehen.<br />
Das erfolgreichste <strong>Auto</strong> in Stromliniendesign war allerdings der von<br />
Gordon Buerig 1936 entworfene Cord 810. (Abb.37) In seiner Gr<strong>und</strong>form<br />
einem von Walter Dorwin Teague 1932 entworfenen Prototypen<br />
(Abb.38) nicht unähnlich, besaß er zum Unterschied von diesem bereits<br />
versenkbare Scheinwerfer. Der bislang aufgesetzt gewesene Kühlergrill<br />
wurde durch jene waagrechten Chrombänder ersetzt, die ein<br />
Markenzeichen der Streamline werden sollten.<br />
Gegen Ende der 1930er Jahre griff die Streamline auf alle Sektoren des<br />
Transportdesign über. Die von Raymond Loewy entworfenen Greyho<strong>und</strong>-Busse,<br />
1940, (Abb.39) <strong>und</strong> der aluminiumverkleidete, bis heute<br />
in Verwendung stehende Airstream-Wohnwagen, 1940, (Abb.40) von<br />
Wally Byam wurden zu legendären Symbolen amerikanischer Mobilität<br />
<strong>und</strong> Reiselust.<br />
22
5.3.2 Die amerikanischen Produktdesigner<br />
Die im vorhergehenden bereits mehrmals erwähnten Protagonisten der<br />
Streamline-Ära, Raymond Loewy, Norman Bel Geddes, Walter Dorwin<br />
Teague <strong>und</strong> Henry Dreyfuss - um nur einige zu nennen - waren keine<br />
Konstrukteure im herkömmlichen Sinne mehr. Mehr oder weniger unabhängig<br />
vom Produktionsprozess <strong>und</strong> von der technischen Weiterentwicklung<br />
entwarfen sie die Verpackung <strong>und</strong> Aufmachung der Produkte.<br />
Raymond Loewy beklagte schon Ende der 20er Jahre die Diskrepanz<br />
zwischen der „überragenden Qualität vieler amerikanischer Produkte<br />
<strong>und</strong> ihrer unförmigen, schwerfälligen, ja hässlichen <strong>und</strong> schreienden<br />
Aufmachung." (51) Loewy <strong>und</strong> die anderen Designer überzeugten verschiedene<br />
Unternehmer davon, dass die Wettbewerbsfähigkeit ihrer<br />
Erzeugnisse entscheidend vom Design abhänge <strong>und</strong> mit formalen<br />
Neuerungen Bedarf geweckt werden könne. Damit setzte eine „Expansion<br />
des Design" ein, die mit der Zeit alle Bereiche der amerikanischen<br />
Alltagskultur durchdrang. über Loewy schrieb die New York Times, er<br />
hätte die Verkaufskurve mancher Produkte „streamlinisiert". (52) Die<br />
Designer, Kinder der amerikanischen Depression, bildeten den Schlussstein<br />
jener vom Deutschen Werkb<strong>und</strong> geforderten <strong>und</strong> von den Vertretern<br />
der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung gefürchteten Verbindung<br />
von Kunst <strong>und</strong> Industrie.<br />
Die neuen Designer mussten Künstler, Architekten <strong>und</strong> Organisatoren zugleich sein. Aus den<br />
unterschiedlichsten Berufen kommend - Loewy war Modezeichner, Bel Geddes Bühnenbildner<br />
<strong>und</strong> Schaufensterdekorateur <strong>und</strong> Teague Werbefachmann - unterwarfen sie sich der „Diktatur<br />
des Marktes". (53)<br />
Die Überwindung der Wirtschaftskrise am Anfang der 1930er Jahre war zum Gutteil ein Verdienst<br />
der Designer. Die Produkte müssen, um besser verkauft zu werden, billiger, leichter<br />
<strong>und</strong> entsprechend der Massenproduktion einfacher werden. Zu Beginn sprach man noch nicht<br />
von Streamline sondern von Redesign, im Sinne einer ästhetischen aber auch technischen<br />
Verbesserung der Produkte.( 54) Wie die bereits erwähnten Züge <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>mobile mussten<br />
sich auch bald Haushaltsgeräte dem Redesign unterwerfen. Die windschnittige Form, die im<br />
Fahrzeugbau zweifellos ihre Berechtigung hatte, wurde auf Haushaltsgeräte <strong>und</strong> Büromaschinen,<br />
die überhaupt nichts mit Geschwindigkeit zu tun hatten, übertragen. So gelangte der<br />
neue Stil gewissermaßen über die Garage durch die Hintertür in die Küche der amerikanischen<br />
Haushalte. Weitgehend stationäre Geräte wie Staubsauger, Toaster,<br />
Kühlschränke <strong>und</strong> Bügeleisen erweckten plötzlich den Eindruck, als<br />
würden sie jeden Moment losbrausen. Das Aussehen der zweiten Generation<br />
von Gebrauchsmaschinen in den bereits während der 1920er<br />
Jahre mechanisierten amerikanischen Haushalten wurde wegen seines<br />
„clean look" anfangs als „cleanlining", später als „streamlining" bezeichnet.<br />
(55)<br />
Ob es sich um die mit Emailblechen verkleideten Gasherde von<br />
Norman Bel Geddes für die Standard Gas Equipment Company, die<br />
Waschmaschinen von Henry Dreyfuss <strong>und</strong> die Kühlschränke mit<br />
<strong>Auto</strong>türgriffen von Raymond Loewy für Sears Roebuck oder die<br />
Staubsauger von Walter Dorwin Teague für Montgomery Ward<br />
(Abb.41) handelte, gehorchten die meisten Neugestaltungen doch<br />
demselben Prinzip. Ihr gemeinsames Merkmal war die Einführung<br />
einer Blechverkleidung, die dem Gerät eine einheitliche Form gab.<br />
Gewöhnlich bildete sie einen klar gegliederten Körper mit abger<strong>und</strong>eten<br />
Ecken, dem oft verzierende parallele Chrom- oder Aluminiumstreifen,<br />
ähnlich wie beim Cord 810, aufgesetzt waren. Entscheidender<br />
als diese Ausformung war aber der Gedanke der<br />
23
Verkleidung an sich. So wie es im Fahrzeugbau vorgemacht wurde,<br />
verschwanden technische, den Benutzer ohnehin nicht interessierende<br />
Details unter der Karosserie. Damit wurde die äußere Gestalt unabhängig<br />
vom technischen Innenleben <strong>und</strong> jederzeit der Mode gehorchend verwandelbar.<br />
Die von Designern wie Walter Dorwin Teague angestrebte Suche<br />
nach der Idealform war eine Illusion. Ähnlich Raymond Loewys jedes<br />
Jahr neu erscheinendem Studebaker-Modell (Abb.42) brachte die Industrie unaufhaltsam<br />
neue, technisch kaum <strong>und</strong> formal nur leicht veränderte Produkte auf dem Markt.<br />
5.3.3 Streamline-<strong>Architektur</strong><br />
In Schilderungen Loewys wird deutlich, dass der amerikanische Alltag<br />
allmählich vollständig sein Gesicht veränderte. (56) Es gab beinahe<br />
nichts mehr, was die besessenen Designer nicht „redesignten" oder<br />
„streamlinisierten". Loewy unterzog im Laufe seiner Karriere so nützliche<br />
Dinge wie Vervielfältigungsapparate, Kühlschränke, Staubsauger<br />
<strong>und</strong> Coca-Cola-<strong>Auto</strong>maten, aber auch Lokomotiven, Schiffe, <strong>Auto</strong>mobile,<br />
Bleistiftspitzer (Abb.43) <strong>und</strong> Zigarettenschachteln einer Neugestaltung.<br />
Wen nimmt es da noch w<strong>und</strong>er, dass sich die Streamline-<br />
Designer nun auch noch der <strong>Architektur</strong> bemächtigten. Was lag näher,<br />
als die Ideologie der Geschwindigkeit auch auf Gebäudetypen wie<br />
Tankstellen <strong>und</strong> Verkaufssalons zu übertragen, die aus dem Umfeld des <strong>Auto</strong>s stammten.<br />
Inspirationen holte sich die Streamline Moderne einerseits von den gekurvten Beispielen des<br />
Internationalen Stils, andererseits von denselben Maschinen, die die europäischen Modernen<br />
selbst inspiriert hatten - nur auf direktere Weise. Zusammen mit ihrem Verwandten, dem Art<br />
Deco, wurde Streamline zu einer populären Spielart der Moderne, gewissermaßen zu ihrem<br />
amerikanischen Kompromiss.<br />
So kam in den 1930er Jahren auch in der <strong>Architektur</strong> eine Kategorie<br />
hinzu, die ursprünglich nur in der Welt der <strong>Auto</strong>mobile <strong>und</strong> anderer<br />
Fahrzeuge zuhause war. Die Stromlinienform der windschlüpfigen,<br />
beinahe tropfenförmigen <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> der Lokomotiven, die Geschossen<br />
ähnlich sahen, hieß auf die <strong>Architektur</strong> übertragen: Glänzende, glatte<br />
Wandoberflächen, abger<strong>und</strong>ete Ecken, Bullaugenfenster, Glasziegel<br />
<strong>und</strong> fließende, meist horizontale Linien an den Fassaden. Die Gebäude<br />
der Streamline Moderne haben einen weit weniger offenen, sondern<br />
wesentlich massiveren Charakter als die der klassischen Moderne. Sie<br />
sind farbiger, eindeutiger symbolhaft <strong>und</strong> eher Verpackung. Ihr Äußeres<br />
wirkt wie mit einer <strong>Auto</strong>karosserie überstülpt, die selbst zum Bedeutungsträger wird.<br />
(Abb.44) Die Form folgt nicht mehr der Funktion, wie es Sullivan gefordert hatte, sondern der<br />
Bedeutung. Man signalisierte dem Betrachter, dass es sich um vorzüglich funktionierende<br />
Apparate handelte. Dabei ging es nicht um das Demonstrieren dieser Funktionen nach außen,<br />
vielmehr wurde verschlüsselt ausgesagt, dass die Baugestaltung modern, maschinenmäßig<br />
<strong>und</strong> folgerichtig auch solide war. Gewöhnlich vermieden die Streamline-Schöpfer den Einblick<br />
in die Gebäude. Die Technologie des Inneren sollte dem Betrachter verborgen bleiben, alles<br />
wurde mit einer engen „Fassadenhaut" überzogen. Lediglich Details wie Düsen, Rohre,<br />
Fahnenstangen, Relings, Gitterroste, Jalousien <strong>und</strong> Waggonfenster wurden appliziert.<br />
5.3.4 Erich Mendelsohn <strong>und</strong> die Stromlinie<br />
Parallelen zur Streamline-<strong>Architektur</strong> lassen sich nach<br />
Deutschland zurückverfolgen. 1924 bekam Norman Bel<br />
Geddes von Erich Mendelsohn(1887-1953), für den er<br />
1929 das Vorwort zu seinem Ausstellungskatalog<br />
schreiben sollte, eine Skizze seines berühmten Einstein-Turms<br />
(1920-1924) in die Hände, dessen monolithischer<br />
Baukörper eine expressive Form dynamisch-<br />
24
stromlinienförmigen Charakters hatte, weshalb Mendelsohn manchmal als Erfinder der Stromlinie<br />
angesehen wird.(Abb.45) In seinen späteren Bauten reduzierte er die eigenwillig modellierte<br />
Gestalt des Einstein-Turms auf mehr kontrollierbare Formengesetzlichkeiten, die der Dynamik<br />
des großstädtischen Lebensgefühls zum Ausdruck verhelfen sollten.<br />
Mendelsohn berief sich ausdrücklich auf die Bewegung des Stadtverkehrs,<br />
auf die fahrenden <strong>Auto</strong>s, um die durchziehenden horziontalen<br />
Linien an seinen Gebäuden zu erklären. Zum 1921-1923 erbauten Haus<br />
des Berliner Tageblatts (Abb.46) erklärte er bei einem Vortrag in<br />
Amsterdam: „Aber hier ist das Haus kein unbeteiligter Zuschauer der<br />
sausenden <strong>Auto</strong>s, des hin <strong>und</strong> her flutenden Verkehrs, sondern es ist<br />
zum aufnehmenden, mitwirkenden Bewegungselement geworden“, <strong>und</strong><br />
etwas später: „Indem es nämlich den Verkehr teilt <strong>und</strong> leitet, steht das<br />
Gebäude trotz aller Bewegungstendenz als unverrückbarer Pol in der<br />
Bewegtheit der Straße". (57) Die langgestreckten Horizontalen, die um<br />
viele seiner Baukörper herumgelegt sind, sollten den Bewegungsablauf<br />
der fahrenden <strong>Auto</strong>s in der Fassade aufnehmen <strong>und</strong> zwischen dem<br />
Geschehen im Stadtraum <strong>und</strong> dem Gebäude eine Entsprechung herstellen. An anderer Stelle<br />
des Vortrages hatte es geheißen: „Der Mensch unserer Zeit, aus der Aufgeregtheit seines<br />
schnellen Lebens, kann nur in der spannungslosen Horizontalen einen Ausgleich finden." (58)<br />
Obwohl Mendelsohns Bauten selbst zur Kurve im Straßenlauf werden <strong>und</strong> gewissermaßen als<br />
gebaute Leitschienen den Schwung des Gleitens <strong>und</strong> Strömens des Verkehrs betonen, verwendete<br />
er nie den Terminus „Stromlinie", sondern sprach stets von „dynamischer <strong>Architektur</strong>."<br />
(59) Die Übertragbarkeit der Stromlinienform als Ausdruck der Bewegungsgesetze von<br />
<strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> Schiffen auf die <strong>Architektur</strong> hielt er für ein Missverständnis. „Ein völliges Verkennen<br />
des architektonischen Wesens also, diese Bewegungsgesetze auf die <strong>Architektur</strong> übertragen zu<br />
wollen." (60)<br />
Mendelsohn sah in der Dynamik den „logischen Bewegungsausdruck der den Baustoffen innerwohnenden<br />
Kräfte." (61) Diese Zug- <strong>und</strong> Druckkräfte seien innerhalb der Konstruktion - abgesehen<br />
von durch das Eigengewicht entstehenden Belastungen - solange in Ruhestellung, bis<br />
eine „äußere Kraft wie beispielsweise ein über eine Brücke fahrender Zug auf sie einwirkt.<br />
Während Molen relativer andauernder Belastung durch die Brandung ausgesetzt seien, könne<br />
man dies für die im modernen Verkehrstrom stehenden Gebäude nur im übertragenen Sinne<br />
verstehen. Niemals sollte jedoch ein Gebäude suggerieren, sich selbst in Bewegung setzen zu<br />
können, weil dies dem Charakter von <strong>Architektur</strong> an sich widerspräche. Freilich verloren die<br />
aerodynamischen Formen der <strong>Auto</strong>s, Schiffe, Lokomotiven <strong>und</strong> Flugzeuge auch in der Streamline-<strong>Architektur</strong><br />
ihre praktische Funktion - mit Ausnahme vielleicht bei der Abtragung der<br />
Windkräfte. Streamline hatte in erster Linie reinen Symbolcharakter. Sie war Ausdruck der<br />
Mobilität, der Geschwindigkeit <strong>und</strong> des technischen Optimismus des amerikanischen Maschinenzeitalters.<br />
5.3.5 Das Pan Pacific Auditorium<br />
Als eine der ersten "<strong>Auto</strong>-Städte" widerspiegelte Los Angeles die durch die<br />
Verwendung des <strong>Auto</strong>s als individuelles Verkehrsmittel geänderten Gewohnheiten<br />
<strong>und</strong> Kommunikationsformen im stromlinienförmigen Äußeren<br />
vieler Gebäude. Das 1935 von Walter Wurdeman <strong>und</strong> Welton Beckett erbaute<br />
Pan Pacific Auditorium (Abb.47) ist vielleicht der stärkste Ausdruck<br />
des damaligen Maschinenkults. Seine Form ähnelt einem riesigen, aus dem<br />
Windkanal stammenden <strong>Auto</strong>kühler. Vier grün-weiße Pylonen suggerieren<br />
große Motoren, die den Rest des Gebäudes voranzuziehen scheinen. Die<br />
kraftvollen, horizontalen Linien wetteifern mit den vertikalen Fahnenstangen<br />
<strong>und</strong> Masten. Wahrscheinlich war dieses Dekorationsmuster dem Kühlergrill<br />
einer Straßenlimousine abgeschaut. Das Pan Pacific Auditorium wird<br />
als klassisches Beispiel einer frühen <strong>Auto</strong>kultur-<strong>Architektur</strong> betrachtet,<br />
25
insbesondere unter Bedachtnahme der Tatsache, dass es sich dabei um ein Theater handelt,<br />
das damals ausschließlich mit dem <strong>Auto</strong> erreichbar war.<br />
5.3.6 Die Weltausstellung in New York: Die Welt der Streamline<br />
Die Ausbreitung der Streamline auf alle Bereiche<br />
des Design fand ihren Höhepunkt auf der<br />
New Yorker Weltausstellung 1939/40, als deren<br />
großer Förderer sich die <strong>Auto</strong>mobilindustrie herausstellte<br />
- <strong>und</strong> in deren Diensten die bekanntesten<br />
Designer ihrer Zeit standen. Für sie bildete<br />
die Weltausstellung das ideale Medium zur<br />
Darstellung ihrer Arbeit. Es sollte ein Gesamtkunstwerk<br />
entstehen, wodurch die Massen auf<br />
das unterhaltsamste von der Sache der Industrie<br />
<strong>und</strong> Technik überzeugt werden konnten.<br />
Trotz bevorstehendem Kriegseintritt der USA<br />
demonstrierte die amerikanische Wirtschaft noch einmal Optimismus <strong>und</strong> Stärke.<br />
Der Titel der Weltausstellung „Building the World of Tomorrow" wurde von der<br />
General Motors Company zum Anlass genommen, in ihrem Pavillon (Abb.48)<br />
die „Stadt der Zukunft" als Diorama wirklich zu bauen. Wie mit dem Entwurf<br />
für den Pavillon selbst wurde damit Norman Bel Geddes beauftragt. Sein<br />
„Futurama" (Abb.49) zeigte dem staunenden Publikum ein Amerika der<br />
Schnellstraßen <strong>und</strong> Stadtutopien wie es etwa um 1960 hätte aussehen können.<br />
Auf 3320 Quadratmetern waren eine Million Modellbäume gepflanzt <strong>und</strong><br />
eine halbe Million Modellbauten errichtet. Etwa 50.000 maßstäbliche<br />
<strong>Auto</strong>mobile <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>busse in Stromlinienform belebten die Straßen. (62)<br />
(Abb.50)<br />
Geddes' von Sant' Elia <strong>und</strong> Le Corbusier beeinflusste Vision von sechsstöckigen,<br />
vierspurigen, kreuzungsfreien Stadtautobahnen, die eine Wolkenkratzerstadt<br />
durchquerten <strong>und</strong> an jeder Straßenkreuzung von Fußgängerbrücken<br />
überspannt wurden, war natürlich auch ganz die Botschaft von General<br />
Motors. Das <strong>Auto</strong>mobil für jedermann sollte im Mittelpunkt des Lebens der<br />
Amerikaner stehen, die Umwelt entsprechend gestaltet werden. Obwohl in den<br />
1930er Jahren längst nicht alle Familien ein <strong>Auto</strong> besaßen, hatte es doch die<br />
Massenproduktion für viele erschwinglich gemacht. Die Designer hatten seine<br />
Sicher-heit <strong>und</strong> Bequemlichkeit erhöht - auf den Straßenbau hatten sie indes<br />
keinen Einfluss. So schlug Bel Geddes in seinem aus den Studien zum<br />
„Futurama" hervorgegangenem Buch „Magic Motorways", 1940, ein nationales<br />
<strong>Auto</strong>bahnsystem vor - es sollte erst 1956 ernsthaft in Angriff genommen<br />
werden. (63) Dass es ganz im Sinne der <strong>Auto</strong>mobilindustrie gewesen sein musste, anlässlich<br />
der Weltausstellung den Wunsch der Bevölkerung nach einer „autogerechten" Umwelt zu<br />
wecken, liegt auf der Hand. (64)<br />
Etwas nüchterner geriet der Pavillon der Ford Motor Company, den<br />
Walter Dorwin Teague entworfen hatte. Auf einer Art Hochbahn wurde<br />
man zu einer Probefahrt mit den neuesten Modellen von Ford, Mercury<br />
oder Lincoln eingeladen, während im Inneren eine Schau jeden Schritt<br />
bei der Produktion eines <strong>Auto</strong>mobils zeigte.<br />
Für die Chrysler Corporation entwarf Raymond Loewy einen Pavillon, der<br />
eine Ausstellung zum Thema „Verkehrswesen" enthielt. (Abb.51) In<br />
einem Kino konnte man dreidimensionale Filmvorführungen über die<br />
Montage eines <strong>Auto</strong>mobils betrachten, bevor man in einem von<br />
Chrysler-Klimaanlagen gekühlten Raum mit dem Namen „Frozen Forest"<br />
26
gelangte, in dem <strong>Auto</strong>s von Plymouth, Dodge, De Soto <strong>und</strong> Chrysler<br />
vorgeführt wurden. Zu guter letzt präsentierte Loewy Skizzen von<br />
futuristisch aussehenden, stromlinienförmigen <strong>Auto</strong>s (Abb.52) <strong>und</strong> ein<br />
phantasievolles Diorama veranschaulichte den Flug ins All.<br />
Die New Yorker Weltausstellung zeigte ein wieder erstarktes Amerika<br />
auf dem Höhepunkt der Technik- <strong>und</strong> insbesondere der <strong>Auto</strong>mobilbegeisterung.<br />
<strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> Design wurden zu Werbeträgern. Ihr Stil -<br />
die Streamline - suggerierte den Glauben an die Beherrschung eines -<br />
in organischen Formen modellierten - mechanischen Universums.<br />
5.4 Kritik an der Streamline<br />
5.4.1 Rudolph M. Schindler über <strong>Auto</strong>mobildesign<br />
Anfang der 1940er Jahre, zu einer Zeit, als sich vor allem in Los Angeles stromlinienförmige<br />
Gebäude immer größer werdender Beliebtheit erfreuten, kam aber auch Kritik an der Streamline<br />
auf. Man warf ihr vor, sie wäre uniformierte Ästhetik <strong>und</strong> eine Ideologie des Kapitals,<br />
erdacht um die Macht der Unternehmer zu festigen. 1942 schrieb der 1913 aus Österreich<br />
emigrierte <strong>und</strong> seit 1920 in Los Angeles lebende Rudolph Schindler einen Artikel mit dem Titel<br />
„Postwar <strong>Auto</strong>mobiles", der erst 1947 in der Zeitschrift „Architect and Engineer" veröffentlicht<br />
wurde. (65) Darin ging Schindler auf das Problem des Industrial Design <strong>und</strong> der Streamline<br />
Moderne ein. Er wies darauf hin, dass sowohl <strong>Auto</strong>- als auch Bauentwürfe auf funktionalen<br />
Erwägungen basieren müssten. Wenn die Streamline-Architekten schon das <strong>Auto</strong> als Metapher<br />
heranzögen, dann hätten sie wenigstens erkennen müssen, wie unfunktionell <strong>Auto</strong>s zur<br />
damaligen Zeit waren. Das Dilemma der <strong>Architektur</strong> lag also - laut Schindler - in ihrem untauglichen<br />
Vorbild, dem <strong>Auto</strong>, begründet.<br />
Der Begeisterung der <strong>Auto</strong>mobildesigner, die manchmal auch Gebäudedesigner waren, stellte<br />
er kritische Anmerkungen entgegen. Wohl wissend um die einzigartige Entwicklung des Individualverkehrs<br />
in Los Angeles <strong>und</strong> um die darauf zurückzuführenden Veränderungen des Lebensstils,<br />
untersuchte er im folgenden alle Funktionen des <strong>Auto</strong>s - ohne Vorurteile <strong>und</strong> frei von<br />
den romantisierenden, das <strong>Auto</strong> als Technologiefetisch betrachtenden Vorstellung mancher<br />
Designer.<br />
Zunächst kritisierte Schindler die unnötige, im Stadtverkehr unpraktische<br />
Länge der zeitgenössischen <strong>Auto</strong>mobile. Er forderte kürzere Fahrzeuge,<br />
deren Radstand für Überlandfahrten mittels mechanischer Vorrichtung<br />
verlängert werden könnte. Die Beobachtung, dass die Umgebung, durch die<br />
<strong>Auto</strong>s fahren, gar nicht so symmetrisch sei, wie ihr Design zu sein vorgibt -<br />
links Gegenverkehr, rechts die Gehsteigkante - veranlasste ihn zu der<br />
Erkenntnis, dass auch <strong>Auto</strong>s unsymmetrisch konstruiert werden müssten.<br />
Man könnte beispielsweise die Ausstiegsmöglichkeiten an der „sicheren"<br />
rechten Seite entsprechend vergrößern. Hauptkritikpunkt war aber das<br />
übermäßige Gewicht der <strong>Auto</strong>s. Laut Schindler nütze die ganze Stromlinienform<br />
nur wenig, wenn das ganze Fahrzeug zu groß <strong>und</strong> zu schwer sei.<br />
Er schlug vor, die überdimensionalen Stoßstangen, deren Reparatur kostspielig<br />
sei, durch Gummipuffer zu ersetzen. Den geänderten Nutzungsmöglichkeiten<br />
der <strong>Auto</strong>mobile entsprechend, plädierte er für flexible, demontable<br />
Sitze, die es ermöglichen sollen, das <strong>Auto</strong> als Transportmittel für<br />
größere Güter, zum Schlafen <strong>und</strong> Essen <strong>und</strong> nicht zuletzt „for making love",<br />
zu verwenden. Um die Sicherheit zu verbessern, sollten allzu große<br />
Motorhauben, die die Sicht einschränken könnten, vermieden werden. Anstatt <strong>Auto</strong>s mit<br />
blendendem Chromzierrat zu versehen, sollte besser auf eine schon von weitem sichtbare<br />
Wagenfarbe geachtet werden.<br />
27
Schindler stellte die übermäßigen Bemühungen der Designer überhaupt in Frage, solange die<br />
funktionellen Probleme nicht gelöst seien. Den ohnedies hinkende Vergleich zwischen „progressivem"<br />
<strong>Auto</strong>design <strong>und</strong> moderner <strong>Architektur</strong> beschränkte er auf die nur zufällig ähnlichen<br />
Aufgabenstellungen - die Erfüllung funktioneller Anforderungen. Zwar konnte sich Schindler<br />
nie in die Reihe derjenigen Architekten einreihen, die selbst <strong>Auto</strong>s entwarfen, doch erscheint<br />
seine Beschäftigung mit dem Thema bemerkenswert, weil die weitere Entwicklung Schindler<br />
sehr viel später recht gab.<br />
Die 50er Jahre ließen die Design-Welle noch einmal überschwappen. Hauptkennzeichen<br />
des sogenannten „Traumwagenstils" (66) war ein aus reinem<br />
Repräsentationsbedürfnis entstandener, übertriebener Formalismus auf<br />
Kosten des tatsächlichen Gebrauchswertes. Die <strong>Auto</strong>s bekamen mächtige<br />
„Kühlergesichter" mit Stossstangenhörnern, überdachten Scheinwerfern<br />
<strong>und</strong> vergitterten Chromkühlern, die manchmal auch wie Flugzeugnasen<br />
aussahen (Studebaker Champion, 1951, Raymond Loewy). Die Kotflügel<br />
wurden zwar jetzt in die Karosserie integriert, waren aber noch durch den<br />
„Hüftknick" angedeutet <strong>und</strong> liefen vor allem bei den Cadillacs in keilförmigen<br />
Heckflossen aus (Abb.53, 54), die den amerikanischen <strong>Architektur</strong>kritiker<br />
Vincent Scully zu einem Vergleich mit den hinaufgezogenen Sätteln der<br />
Indianerpferde (Abb.55) veranlassten. (67) Er führte die formale Verwandtschaft<br />
auf die gemeinsame Verkörperung der amerikanischen Sehnsucht<br />
nach Entfernung, Weite <strong>und</strong> Mobilität zurück - zuerst mittels Pferd, dann<br />
mittels <strong>Auto</strong>.<br />
5.4.2 F.L. Wrights Einstellung zur Maschine im Allgemeinen <strong>und</strong> zum <strong>Auto</strong> im<br />
Besonderen<br />
Im folgenden wollen wir uns Frank Lloyd Wright (1867-1959) zuwenden, für den in den 30er<br />
Jahren nach einer Phase persönlicher Krisen <strong>und</strong> relativer Untätigkeit eine neue Schaffensperiode<br />
begann, die im Gebäude für die Johnson Wax Company ihren Höhenpunkt erreichte.<br />
Schon Wrights Bauten am Anfang dieses Jahrh<strong>und</strong>erts hatten eine veränderte Auffassung von<br />
<strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> Technik signalisiert. Hatten die Architekten bis zu dieser Zeit in der Maschine<br />
ein notwendiges Übel gesehen, das keinen Platz in der <strong>Architektur</strong> haben könne, so entdeckte<br />
sie Wright damals als förderliches Werkzeug in der Hand des Architekten. Deshalb erscheint es<br />
keineswegs erstaunlich, dass Wrights Wohnhäuser seiner ersten Schaffensperiode mit den<br />
technischen Erfindungen jener Jahre in Verbindung gebracht wurden. Das E.A. Gilmore-Haus<br />
in Madison, Wisconsin, 1908, wurde „Flugzeug-Haus" (The Airplane House) genannt, wahrscheinlich<br />
im Hinblick auf die vom Boden abgehobene Lage des Wohnraumes. Das Hauptwerk<br />
Wrights der frühen Jahre, das Robie-Haus in Chicago von 1909, wurde wegen seines zentralen<br />
Schornsteins <strong>und</strong> des wie eine Kommandobrücke anmutenden Wohnraums als „Panzerkreuzer"<br />
(The Battle Ship) bezeichnet. (68)<br />
Im Gegensatz zur Erdgeb<strong>und</strong>enheit bisheriger Häuser wurden Wrights Bauten mit als funktional<br />
ausgesehen Fahrzeugen <strong>und</strong> ihrer durch Maschinenkraft bedingten Form verglichen. Darüber<br />
hinaus war durch technische Installationen wie Heizung, Beleuchtung <strong>und</strong> Garage mehr<br />
<strong>und</strong> mehr technische Apparatur in die Gesamtheit des Wohnzusammenhanges integriert.<br />
Beim Larkin-Verwaltungsgebäude in Buffalo, 1904 - wegen seiner verkehrsreichen Lage eines<br />
der ersten mit Klimaanlage - kam Wright selbst auf den Vergleich mit modernen Verkehrsfahrzeugen.<br />
Der Bau war für ihn „ein echter Ausdruck von Funktionsenergie im gleichen Sinne wie<br />
es beim Ozeandampfer, beim Flugzeug <strong>und</strong> beim <strong>Auto</strong> der Fall ist." (69)<br />
1930 artikulierte Wright seine Vorstellungen von <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> Technik in seinen Vorlesungen<br />
in Princeton: „O ja, junger Mann, beachten Sie durchaus, dass ein Haus eine Maschine<br />
zum Darinleben ist, doch im gleichen Sinn ist ein Herz eine Saugpumpe. Der fühlende Mensch<br />
beginnt dort, wo diese Vorstellung vom Herzen aufhört. Beachten Sie wohl, dass ein Haus eine<br />
Maschine ist, in der man lebt, aber die <strong>Architektur</strong> beginnt, wo diese Vorstellung vom Haus<br />
28
aufhört. Alles Leben ist in rudimentärem Sinn Maschinerie, <strong>und</strong> trotzdem, Maschinerie ist das<br />
Leben von gar nichts. Maschinen sind nur wegen des Lebens Maschinen." (70)<br />
Genauso wie es Sant' Elia <strong>und</strong> Le Corbusier vor ihm getan hatten, stellte Wright eine Analogie<br />
zwischen Maschine <strong>und</strong> Haus her. Durch die anschließende Verallgemeinerung relativierte er<br />
sie aber sogleich <strong>und</strong> schwächte sie damit ab. Indem er alles Leben im übertragenen Sinne als<br />
Maschine bezeichnete, ließ er diese ihren Schrecken, aber gleichzeitig auch ihren Anspruch auf<br />
Verehrung verlieren.<br />
In seinem Buch „The Future of Architecture" (1953 herausgegeben, aber größtenteils bereits<br />
1930 geschrieben) sprach Wright von der Maschine als Widersacher der alten Ordnung. Vom<br />
Menschen schöpferisch eingesetzt, sei sie Knecht <strong>und</strong> Erlöser der neuen Ordnung. Über Flugzeuge,<br />
Dampfer <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>s schrieb er, dass sie umso schöner seien, je mehr sie aussehen wie<br />
das, was sie sind. Für Gebäude gelte dasselbe. (71) Den Versuch, Gebäude so aussehen zu<br />
lassen wie Dampfer, Flugzeuge oder <strong>Auto</strong>s, bezeichnete er schlichtweg als kindisch. (72) Obwohl<br />
im Text nie explizit ausgesprochen, wird sofort klar, dass es sich hier um eine massive<br />
Kritik an der zu dieser Zeit um sich greifenden Streamline Moderne handeln muss. Wright bemängelte<br />
vor allem, dass sie die bloße Imitation von Verkehrsfahrzeugen zum Inhalt habe,<br />
ohne wirkliches Verständnis für mechanische Prozesse zu zeigen. Dabei seien komplizierte<br />
Konstruktionen nötig, um die natürliche Einfachheit zu erhalten, die dann allerdings in oberflächlicher<br />
Dekoration erstarre. Sodann wies er zwar auf die Bedeutung von Maschinen hin,<br />
beschränkte aber ihre Verwendung auf den Bauprozess <strong>und</strong> verneinte eine mögliche Ähnlichkeit<br />
von Gebäuden <strong>und</strong> Maschinen. „Die Maschine - darin stimmen wir nun überein, nicht<br />
wahr? - sollte das Gebäude errichten, falls das Gebäude so beschaffen ist, dass die Maschine<br />
es natürlicherweise bauen kann; <strong>und</strong> dann baut sie es überaus gut. Doch deshalb ist es<br />
keineswegs nötig, zu bauen, als ob auch das Gebäude eine Maschine wäre - weil es nämlich<br />
nur in einem sehr niedrigen Sinn eine Maschine ist; in Wirklichkeit ist es keineswegs eine<br />
Maschine <strong>und</strong> ihr überhaupt nicht ähnlich. In diesem Sinn, eine Maschine zu sein, könnte es<br />
überhaupt keine <strong>Architektur</strong> ergeben!" (73)<br />
Wie wenig jedoch selbst der große F.L. Wright frei war von den Einflüssen<br />
seiner Zeit, beweist das 1936 begonnene <strong>und</strong> 1950 mit der<br />
Hinzufügung eines Labor-Turmes fertig gestellte Verwaltungsgebäude<br />
des Johnson-Wax-Chemie-Konzerns in Racine, Wisconsin.<br />
(Abb.56, 57) Das Hauptgebäude, ein bis auf hoch liegende Bänder<br />
aus Glasröhren völlig fensterloser, mit Backstein verkleideter Quader<br />
mit abger<strong>und</strong>eten Ecken <strong>und</strong> das Gebäude durchdringenden<br />
Aufbauten ist seines stromlinienförmigen Aussehens wegen den<br />
modernistischen Entwürfen eines Raymond Loewys nicht unähnlich.<br />
Im Gebäudeinneren setzt sich die Stromlinienform in den geschwungenen<br />
horizontalen Flächen <strong>und</strong> Brüstungen fort, bietet<br />
aber mehr als nur jene oberflächlichen, den Zeitgeist kennzeichnenden<br />
Effekte, sondern vermittelt darüber hinaus Solidität <strong>und</strong><br />
Formalität. Wright gelang mit dem Johnson Wax Building nicht<br />
nur eine Synthese von Technik <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong>, es kann auch als<br />
persönliche Interpretation des Streamline-Stils angesehen werden.<br />
5.4.3 Die Rolle des <strong>Auto</strong>s im gewandelten Verhältnis zur Maschine<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich im Laufe der 1930er Jahre ein deutlicher<br />
Wandel im Verhältnis zur Maschine, zur Technik im Allgemeinen, abzeichnete. Am Beginn des<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts hatten <strong>Architektur</strong>, Technik <strong>und</strong> Industrie begonnen einander zu durchdringen.<br />
Die Maschine war zum Symbol geworden, <strong>und</strong> Standardisierung <strong>und</strong> Mechanisierung waren die<br />
unausweichlichen Folgen. Noch 1928 hatten Hans Schmidt <strong>und</strong> Mart Stam „die Diktatur der<br />
Maschine" gefordert. (74)<br />
29
Um das Jahr 1930 wich die Verherrlichung <strong>und</strong> naive Idolisierung der Maschine, wie sie noch<br />
von den Futuristen <strong>und</strong> manchem Art-Nouveau-Künstler betrieben wurde, zugunsten einer gemäßigteren<br />
Neueinschätzung. Die im Vorhergehenden beschriebene Rolle F.L. Wrights als Integrationspersänlichkeit<br />
kann in diesem Zusammenhang nicht hoch genug eingeschätzt<br />
werden. Auch die Streamline trug ihren nicht unwesentlichen Anteil dazu bei. Stromlinienfahrzeuge,<br />
deren innerer Mechanismus mit Blech verkleidet war, frönten dem Geschwindigkeitsrausch<br />
der damaligen Zeit. Der Schrecken, den die ersten Dampflokomotiven <strong>und</strong><br />
<strong>Auto</strong>mobile verbreitet hatten, war längst vergessen. „Cleanshaven" (glattrasiert), wie es<br />
Walter Dorwin Teague ausdrückte (75), war die Form der neuen Industrieprodukte, die bald<br />
den Markt überschwemmten <strong>und</strong> die kompliziert aussehenden, manchmal sogar Furcht<br />
einflößenden Apparaturen ablösten. Design verstand sich gewissermaßen als Wiedergutmachung<br />
des von der industriellen Revolution verursachten Schadens. Mit der biomorphen<br />
Form der Streamline setzten die amerikanischen Designer die Erkenntnis durch, dass anstelle<br />
der Anpassung der menschlichen Form an die Maschine, die Maschinen auch eine dem Menschen<br />
angepasste Form annehmen könnten. Und wenn die Designer komplizierte technische<br />
Apparate in glatten Gehäusen verpackten, gaben sie auch der Vorstellung Ausdruck, die technische<br />
Zivilisation funktioniere beinahe automatisch. Nicht mehr nur ausschließlich in der Produktion<br />
verwendet, wurden Maschinen als Konsumgüter in Form von Haushaltsgeräten regelrecht<br />
„domestiziert". Man hatte gelernt mit Maschinen zu leben.<br />
Hauptursache für den in den 1930er Jahren stattfindenden Wandlungsprozesses aber war<br />
zweifellos die massenhafte Verbreitung des <strong>Auto</strong>mobils. Solange es in Händen weniger Privilegierter<br />
gewesen war, hatte man seine Bedienung noch Chauffeuren, deren gesellschaftlicher<br />
Status mit dem der Kutscher vergleichbar war, überlassen. Nun aber wurde die Benützung des<br />
<strong>Auto</strong>s - vor allem in den Vereinigten Staaten - für breiteste Bevölkerungsschichten zugänglich.<br />
Die psychologische Wirkung war tiefgreifend. Das Gefühl, eine Maschine mit erreichbarer<br />
Spitzengeschwindigkeit von 100 <strong>und</strong> mehr St<strong>und</strong>enkilometern selbst steuern zu können, unterschied<br />
sich wesentlich vom passiven Gefühl des Mitgenommenwerdens bei der Benützung<br />
von Massenverkehrsmitteln.<br />
6. Das <strong>Auto</strong> als Auslöser antiurbaner Tendenzen - Die „automobile" Stadt<br />
Neben der individuellen Mobilität ermöglichte das <strong>Auto</strong>mobil aber auch neue Lebens- <strong>und</strong><br />
Wohnweisen - wie beispielsweise ein attraktiveres Leben auf dem Lande. So wurde es in den<br />
1930er Jahren in den USA zum Mitauslöser einer Bewegung, deren Parole „Back to the land"<br />
lautete. Wie immer in Notzeiten waren während der Depression nach 1929 die Städte als Orte<br />
der Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Korruption in schlechten Ruf geraten. In eigentümlicher Parallele zu<br />
den großstadtfeindlichen Ideologien der europäischen Diktaturen stehend, richteten sich die<br />
Anstrengungen in den ersten Jahren der Roosevelt-Regierung auf das Land. Zu den Programmpunkten<br />
des New Deal gehörte die Aufwertung unterentwickelter Landesteile durch<br />
agrar- <strong>und</strong> energiepolitische Maßnahmen - wie z.B. Flussregulierungen, Bewässerungssysteme<br />
<strong>und</strong> Talsperrenbauten durch die Tennessee Valley Authority, Dezentralisierung der Industrie<br />
<strong>und</strong> die Gründung sogenannter Greenbelt Towns. Ebenezer Howards Gartenstadtidee feierte<br />
Wiederauferstehung. 1933 wurde mit der von Clarence Stein <strong>und</strong> Henry Wright geplanten<br />
Gartenstadt Radburn die erste „Gartenstadt des <strong>Auto</strong>mobilzeitalters" (76) fertig gestellt. Das<br />
hier angewandte Prinzip des kammartigen Ineinandergreifens der Wohn- <strong>und</strong> Sammelstraßen<br />
mit Fußgängerwegen blieb in seiner konsequenten Trennung von <strong>Auto</strong>- <strong>und</strong> Fußgängerverkehr<br />
lange Zeit vorbildhaft.<br />
6.1 F.L. Wright: <strong>Auto</strong>mobil versus Wolkenkratzer<br />
Zu diesen Tendenzen passte Frank Lloyd Wrights Comeback in den 1930er Jahren. 1932<br />
erschien sein Buch „The Disappearing City", in dem er seiner antiurbanen Haltung offen Ausdruck<br />
verlieh. Wright sah in der Großstadt einen Widerspruch zu den modernen Kommunikationsmitteln<br />
<strong>und</strong> der <strong>Auto</strong>mobilisierung. Solange noch keine raschen Transport- <strong>und</strong> Kommunikationsmittel<br />
existiert hätten - meinte er - wären Großstädte aus dem Zwang heraus<br />
30
entstanden, durch Intensität <strong>und</strong> Vielfalt menschlicher Kontakte jenen großen Bewegungsplatz<br />
zu schaffen, der materiellen Wohlstand <strong>und</strong> damit die Zivilisation überhaupt erst ermöglicht<br />
hatte. (77) Diese Zusammenballung hätte nun im Zeitalter der <strong>Auto</strong>mobilisierung ihre Bedeutung<br />
verloren, mehr noch, das veralterte Straßennetz der Metropolen stünde der Ausbreitung<br />
des modernen Verkehrs im Wege. Wright erkannte, dass Großstadt <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>mobilisierung<br />
einander diametral entgegen gesetzte Systeme seien. „Die Notwendigkeit errichtete<br />
die Großstadt, doch der große Dienst, der dem Menschen als Luxus von der Maschine erwiesen<br />
wird, wie sich an Elektrifizierung <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>mobilisierung zeigt, wird diese Notwendigkeit<br />
aufheben. Schon jetzt sieht man in dem inneren Konflikt zwischen der mechanistischen<br />
Vorrichtung des Wolkenkratzers <strong>und</strong> diesen wohltätigeren Erscheinungen Elektrifizierung <strong>und</strong><br />
<strong>Auto</strong>mobilisierung den Gewinner in dem Kampf zwischen dem habsüchtigen Wolkenkratzer<br />
<strong>und</strong> dem flinken <strong>Auto</strong>mobil - die Großstadt zerfällt dabei. Das ist nur einer der handgreiflichsten<br />
Beweise für ihre Auflösung." (78) Als direkten Gegenspieler des <strong>Auto</strong>s in der Stadt sah<br />
Wright den amerikanischen Wolkenkratzer, „der dem Beitrag des <strong>Auto</strong>s zur Großstadt entgegensteht<br />
<strong>und</strong> ihn abwürgt."(79) Für Wright stand die Senkrechte des Wolkenkratzers als<br />
Symbol der Spekulation <strong>und</strong> Ausdruck des Sieges der Maschine über den Menschen in krassem<br />
Gegensatz zu den sich in der Horizontalen ausbreitenden <strong>Auto</strong>s, die er als Befreier von der<br />
„Tyrannei des Wolkenkratzers" (80) sah.<br />
6.2 Broadacre City<br />
Als Resultat seines jahrelangen Reflektierens über das Problem, die<br />
technisierte Gesellschaft mit individueller Freiheit, die er in der Mobilität<br />
sah, in Einklang zu bringen, präsentierte Wright 1935 das Projekt<br />
seiner Broadacre City (Abb.58) im New Yorker Rockefeller Center. Die<br />
Jahre zuvor im Chicagoer Oak Park so meisterhaft interpretierte „Poetik<br />
der Suburbs" nahm nun in der Formulierung einer neuen Utopie<br />
Gestalt an. Dabei ging Wright von der Rastereinteilung des Mittleren<br />
Westens aus. Vier Quadratmeilen - über 1000 ha - wollte er urbanisieren,<br />
wobei jeder Familie mindestens 4000 m² Land zugeteilt werden<br />
sollte. Die Gemeinschaftseinrichtungen hätte er dezentralisiert auf<br />
dem Gelände verteilt. Wright war der Ansicht, <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> Telefon würden<br />
eine Zentralisierung überflüssig machen. Die Technisierung ermögliche<br />
den Amerikanern die Rückkehr zu ihrer wahren Bestimmung:<br />
Eine Gesellschaft freier Individuen, die in einer ländlichen Demokratie<br />
lebt. Das <strong>Auto</strong>, Symbol individueller Freiheit, prägte die Struktur der<br />
Siedlung.<br />
Obwohl Wright sein Projekt merkwürdigerweise „Stadt" nannte, hatte<br />
es mit einer solchen nicht mehr viel gemein, handelte es sich doch um<br />
eine dezentralisierte Siedlungsform, deren Gr<strong>und</strong>einheit das Einfamilienhaus<br />
darstellte. Der Kontakt des Menschen mit der Natur sollte wiederhergestellt<br />
werden. Anstelle der Stadt als Organisationsform trat die<br />
„Stadtlandschaft", in der Wright sogar die von ihm so heftig bekämpften<br />
Hochhäuser zuließ. Obwohl Broadacre City wegen ihrer geringen<br />
Verdichtung ohne moderne Transport- <strong>und</strong> Kommunikationsmittel nicht<br />
denkbar gewesen wäre, hätte sie andererseits den Vorteil gehabt, in<br />
gewisser Hinsicht autark zu sein,<br />
zielt sie doch auf Integration von<br />
landwirtschaftlicher <strong>und</strong> industrieller Arbeit ab. Dies hätte<br />
Transportprobleme, wie sie bei der Versorgung von Großstädten<br />
auftreten, weitgehend reduzieren können. Wright<br />
war sich dem Problem der enormen Entfernungen<br />
bewusst, versuchte er doch Lösungen mit Hilfe von<br />
Hubschraubern in Form fliegender Untertassen (Abb.59)<br />
<strong>und</strong> Raddampfern ähnelnder <strong>Auto</strong>mobile zu entwickeln.<br />
(Abb.60)<br />
31
Broadacre City war das Gegenteil von Le Corbusiers Stadtentwürfen. Während dieser die<br />
Vorzüge der Gartenstadt auf die Großstadt übertrug, ging Wright den umgekehrten Weg. Er<br />
wollte die Einrichtungen des Stadtlebens, die elektrischen Kommunikationsmittel, die<br />
industrielle Produktion <strong>und</strong> vor allem das <strong>Auto</strong>mobil dem Lande zukommen lassen. Le<br />
Corbusier hatte mit Hilfe des <strong>Auto</strong>s die Stadt radikal <strong>und</strong> kollektiv ordnen wollen. F.L. Wright<br />
hingegen, gedachte mit dem <strong>Auto</strong> die entfremdende Konzentration der Metropolen überflüssig<br />
zu machen. Beide wollten im Gr<strong>und</strong>e ein <strong>und</strong> dasselbe: Die Wiederherstellung des Gleichgewichts<br />
mit der Natur. Für beide war das <strong>Auto</strong> das Mittel zur Erreichung ihres Zieles. Die von<br />
Le Corbusier angestrebte vertikale Verdichtung zugunsten weiträumiger Freiflächen war vom<br />
<strong>Auto</strong> genauso abhängig wie F.L. Wrights dünnbesiedelte, horizontale Stadtlandschaft. Zum<br />
einen war die Befreiung der Stadt von den Belästigungen des <strong>Auto</strong>verkehrs der Ausgangspunkt<br />
ihrer Planungen (LC: „Das <strong>Auto</strong>mobil hat die Stadt zerstört -"), zum anderen sahen sie<br />
im als fortschrittlich geltenden <strong>Auto</strong>mobil die allein selig machende Kraft der Erneuerung<br />
(„-das <strong>Auto</strong>mobil muss die Stadt retten"). Dabei verwechselten beide Ursache <strong>und</strong> Wirkung.<br />
Die Stadt wurde so zu einer Konsequenz des Verkehrs <strong>und</strong> nicht umgekehrt.<br />
6.3 Die Charta von Athen<br />
Das <strong>Auto</strong> wurde zur Ursache <strong>und</strong> Wirkung jener Funktionstrennung, die aus der Stadt<br />
separierte Teilbereiche machte. Weil es die rasche Überwindung großer Teilbereiche<br />
ermöglichte, konnten strikt voneinander abgegrenzte Wohn-, Arbeits- <strong>und</strong> Erholungszonen<br />
ausgewiesen werden. Diese rigorose Einteilung der Stadt machte allerdings eine weitere<br />
Funktion notwendig - die des Verkehrs. In der „Charta von Athen", dem Manifest moderner<br />
Architekten <strong>und</strong> Stadtplaner anlässlich des 4. Kongresses der CIAM („Congres Internationaux<br />
d'Architecture Moderne") im Jahr 1933, wurde dem Verkehr eine gleichrangige Position zugewiesen,<br />
als handle es sich dabei um eine gleichrangige Zweckbestimmung der Stadt, nicht um<br />
eine dienende Verknüpfung ihrer Funktionen. Beim Kongress hatte sich Le Corbusier mit seiner<br />
Verherrlichung des <strong>Auto</strong>verkehrs als Gr<strong>und</strong>lage großstädtischen Massenverkehrs durchgesetzt.<br />
Seine vom <strong>Auto</strong> geprägten stadträumlichen Visionen hatten den Mobilitätskult von<br />
Futuristen <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>industrie als stadtplanerisches Prinzip verankert. (81)<br />
6.4 Die „autogerechte" Stadt<br />
Der von Hans Bernhard Reichow stammende Buchtitel<br />
„Die autogerechte Stadt" wurde allerdings erst in den<br />
1950er Jahren zum Schlagwort. Man muss ihm zugute<br />
halten, dass er den Wiederaufbau der bombenzerstörten<br />
Städte zum Anlass nehmen wollte, sowohl für <strong>Auto</strong>s als<br />
auch für Fußgänger attraktive Verhältnisse zu schaffen.<br />
Dafür entwickelte er eine von organischen Vorbildern<br />
abgeleitete Theorie, der zufolge Straßen gleich „Kreislauforganen",<br />
gleich Adern von Blättern <strong>und</strong> Pflanzen <strong>und</strong><br />
wie „Blutkreisläufe" angelegt werden sollten. (82)<br />
(Abb.61) Die vorgeschlagenen Lösungen waren dem<br />
bereits erwähnten „Radburn-System" nicht unähnlich:<br />
Schnell- <strong>und</strong> Durchgangsstraßen waren von der Wohnbebauung<br />
getrennt, die Hausgruppen durch Sackgassen<br />
erschlossen <strong>und</strong> auf ihrer anderen Seite zu Grünflächen hin geöffnet. Das Ziel sollte eine<br />
„<strong>Auto</strong>stadt nach menschlichem Maß" (83) sein. In der Praxis entwickelten sich aus diesen<br />
wohlgemeinten Vorschlägen jene Platz greifenden, orientierungslosen Großsiedlungen <strong>und</strong><br />
Stadtautobahnen, die dem „lusthaften Fahren" (84) Vorrang vor allen anderen urbanen<br />
Lebensvorgängen einräumten.<br />
32
6.5 Die <strong>Auto</strong>bahn als Raum- Zeit- Kontinuum<br />
Sigfried Giedion, Historiker, Verfechter des Neuen Bauens <strong>und</strong> Generalsekretär der CIAM, pries<br />
die mit unseren Stadtautobahnen vergleichbaren Parkways <strong>und</strong> Freeways in den USA, die nach<br />
dem Federal-Aid Highway Act von 1921 entstanden waren. (85) Er war fasziniert von ihrer<br />
schwungvollen Linienführung, der ungehinderten Freiheit der Bewegung <strong>und</strong> vom ungestörten<br />
Verkehrsfluss. „Dem Fahrer wie dem Motor ist völlige Freiheit gegeben. Fährt man die sanften<br />
Abhänge hinauf oder hinunter, so erhält man das befreiende Empfinden, als sei man mit der<br />
Erde verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> schwebe doch über sie hin." (86) Für Giedion waren die Parkways Ausdruck<br />
jenes Raum-Zeit-Kontinuums, das in seinen Augen die wesentlichste Eigenschaft der<br />
modernen <strong>Architektur</strong> hätte sein sollen. „Das Raum-Zeit-Gefühl unseres Zeitalters kann selten<br />
so stark erfahren werden, wie am Steuerrad,..." (87) Die Verkehr erzeugende Wirkung solcher<br />
Schnellstraßen, ihren Barriereeffekt <strong>und</strong> den enormen Flächenverbrauch schien Giedion übersehen<br />
zu haben.<br />
Abgesehen von allen ästhetischen Reflexionen zu diesem Thema lässt sich eine neue Prämisse<br />
der Stadtplanung der damaligen Zeit ablesen: Zeitersparnis auf Kosten von Raumersparnis.<br />
Das <strong>Auto</strong>mobil hatte einen neuen Maßstab der Größenordnungen geschaffen. Seine Verwendung<br />
ließ Entfernungen <strong>und</strong> Räume schrumpfen. Durch Erhöhung der Geschwindigkeit verkürzten<br />
sich scheinbar die Entfernungen. Die aufgewendete Zeit wurde wichtiger als der<br />
durchmessene Raum. <strong>Auto</strong>bahnen <strong>und</strong> Freeways garantierten kürzere Fahrzeit, auch wo sie<br />
längere Wegstrecken erforderten. Hatten sich die Städte unter der Vorherrschaft der Eisenbahn<br />
noch entlang von Verkehrslinien entwickelt <strong>und</strong> waren an deren Haltestellen Subzentren<br />
entstanden, so förderte das <strong>Auto</strong> jetzt die Ausbreitung in der Fläche. Die gesamte Peripherie<br />
der Stadt wurde damit zum potentiellen Siedlungsbereich.<br />
6.6 Los Angeles: Die erste <strong>Auto</strong>-Stadt<br />
Los Angeles kann als klassisches Beispiel für den durch das <strong>Auto</strong>mobil<br />
ausgelösten Strukturwandel gelten. (Abb.62) Der aus <strong>Wien</strong> stammende<br />
Richard Neutra hatte bereits 1927 erkannt: „Demnach ist es das<br />
private, billige Motorfahrzeug..., das die echte Flächensiedlung in kalifornischem<br />
Stil zur Entfaltung bringt." (88) Der Umstand, dass sich<br />
das größte Wachstum von Los Angeles erst im <strong>Auto</strong>mobilzeitalter<br />
vollzog, führte dazu, dass die Stadtregion zur nordamerikanischen<br />
Großstadt mit der größten Flächenausdehnung wurde. Die „urbanized<br />
area" nimmt heute ein Areal von 2162 km² ein. (89)<br />
Die Stadt besaß ursprünglich ein vorzügliches Nahverkehrssystem, die<br />
Big Red Cars der Pacific Electric Railway, deren letzte Linie 1961 stillgelegt<br />
wurde. Während andere Großstädte schon sehr früh versuchten,<br />
ihre Verkehrsprobleme mit Hilfe von Massenverkehrsmitteln zu lösen,<br />
ging Los Angeles den umgekehrten Weg. Straßen- <strong>und</strong> Eisenbahnen<br />
wurden sukzessive stillgelegt oder von <strong>Auto</strong>mobil- <strong>und</strong> Zulieferfirmen<br />
aufgekauft <strong>und</strong> auf Busbetrieb umgestellt. 1916 besaß jeder 13.Einwohner<br />
ein <strong>Auto</strong>. 1925 entfiel bereits auf drei Einwohner ein <strong>Auto</strong>,<br />
doppelt so viel wie im amerikanischen Durchschnitt. (90)<br />
Ohne die Entscheidung für das <strong>Auto</strong> wäre das Wachstum, die Ausdehnung <strong>und</strong> die Besiedlungsform<br />
von Los Angeles nicht möglich gewesen. Das <strong>Auto</strong> erlaubte die Entwicklung neuer<br />
Wohngebiete, weitab von den Strecken der öffentlichen Verkehrsmittel. Die flächige Erschließung<br />
förderte die Besiedlung in Form riesiger Einfamilienhausgebiete. Heute macht deren<br />
Prozentsatz an der Gesamtzahl der Wohneinheiten 63,8% aus. In manchen Vororten ist er<br />
noch höher. (91) Das <strong>Auto</strong> war das einzig angemessene Verkehrsmittel für ein derartig nichtstädtisches<br />
Siedlungsmuster. Allerdings beschleunigte es die Zersiedlung umso mehr.<br />
33
Mit der Niederlage der Massenverkehrsmittel <strong>und</strong> dem Siegeszug des Individualverkehrsmittels<br />
<strong>Auto</strong> breitete sich Suburbia gleichförmig aus. Wie es F.L. Wright vorhergesehen hatte, förderte<br />
das <strong>Auto</strong> die Dezentralisierung. (92) Die ohnehin nie kräftig ausgeprägte Downtown verlor an<br />
Bedeutung <strong>und</strong> wurde als Wohnstandort unattraktiv. Immer mehr Menschen siedelten sich in<br />
endlosen Vorortsiedlungen an den sich immer mehr nach draußen verschiebenden Stadträndern<br />
an, was das Verkehrsaufkommen umso mehr steigerte. Die Massenmobilisierung zwang<br />
die Kommune zu aufwendigen Straßenbauprogrammen. 1940 wurde mit dem Bau der<br />
Freeways begonnen, die helfen sollten, Verkehrsstaus abzubauen, aber sie produzierten nur<br />
noch mehr Verkehr. Die neuen Straßen wurden auf reine Verkehrsbänder reduziert, auf denen<br />
öffentliches Leben nicht mehr stattfinden konnte. Im Jahr 1961, als Jane Jacobs ihr Buch vom<br />
„Tod <strong>und</strong> Leben großer amerikanischer Städte" schrieb, waren in Los Angeles fast 60 Prozent<br />
der innerstädtischen Fläche von Straßen <strong>und</strong> Parkplätzen beansprucht <strong>und</strong> 95 Prozent des<br />
gesamten Verkehrs wurde mit dem <strong>Auto</strong>mobil abgewickelt. „Vor ein paar Jahren noch wurden<br />
Parkplätze für zwei <strong>Auto</strong>s je Wohnung als großzügig betrachtet. Heute stellen die neuen<br />
Appartementhäuser in der Stadt je drei Parkplätze zur Verfügung, zwei je Haushalt <strong>und</strong> im<br />
Durchschnitt je einen zusätzlich für Besucher. Und das ist auch die Mindestzahl, die man in<br />
einer Stadt braucht, in der man kaum ein Päckchen Zigaretten ohne fahrbaren Untersatz<br />
erstehen kann." (93)<br />
Aus den Utopien F.L.Wrights <strong>und</strong> Le Corbusiers wurde „<strong>Auto</strong>pia", wie Los Angeles von Reyner<br />
Banham in seinem 1972 erschienenen Buch „Los Angeles: The Architecture of Four Ecologies"<br />
genannt wurde. Den Namen hatte er sich bezeichnenderweise von einer populären Vergnügungsbahn<br />
in Disneylands Tomorrowland geliehen. (94) Die Stadtentwicklung von Los Angeles<br />
entstammte zwar jener amerikanischen, die Großstadt ignorierenden Tradition, in der sich<br />
auch F.L. Wrights Broadacre City befand, in ihrer Maßlosigkeit kann sie aber höchstens als<br />
deren Zerrbild gesehen werden. Los Angeles wurde die erste <strong>Auto</strong>-Stadt der Welt. Nahezu ihr<br />
gesamtes Verkehrsaufkommen basiert heute auf dem privaten <strong>Auto</strong>mobil. Außer einem desolaten<br />
Busnetz existieren keinerlei Massentransportmittel. Das fast zweitausend Kilometer lange<br />
Netz der Freeways scheint das einzig erkennbare System zu sein, dass die Stadt zusammenhält.<br />
7. Die „automobile" Gesellschaft<br />
Die Abhängigkeit vom <strong>Auto</strong>mobil hatte neben urbanistischen auch<br />
gesellschaftliche Folgen. In Städten wie Los Angeles bestimmt das<br />
<strong>Auto</strong> den täglichen Lebensablauf der Menschen. Die geringe Dichte<br />
<strong>und</strong> die großen Entfernungen zwingen sie, viele St<strong>und</strong>en am Tag im<br />
<strong>Auto</strong> zu verbringen. Auch die Spielregeln des gesellschaftlichen<br />
Verkehrs sind aufs engste mit dem <strong>Auto</strong> verknüpft. Arbeiten <strong>und</strong><br />
Wohnen, Essen <strong>und</strong> Trinken sind genauso von Mobilität geprägt wie<br />
Einkaufen, Geselligkeit <strong>und</strong> Freizeitgestaltung. Vierzehn Mal ändern<br />
Amerikaner im Durchschnitt ihren Wohnsitz. In Los Angeles ziehen 85<br />
Prozent der 9 Millionen Einwohner jedes zweite Jahr einmal um. Und<br />
ungezählt sind diejenigen, die sich diese Mühe erst gar nicht machen,<br />
sondern gleich ins <strong>Auto</strong> ziehen - Mobilität zum Dauerzustand werden<br />
lassen. (Abb.63)<br />
7.1 Mobile Homes<br />
Hatten Wohnwagen ursprünglich dazu gedient, die erhöhte Nachfrage nach Unterkünften in<br />
Erholungsgebieten zu decken, wurden sie später in immer größerem Umfang zur Dauerwohnform.<br />
Fast ließe sich der Wohnwagen als eine besondere Art des Einfamilienhauses bezeichnen.<br />
Vincent Scully vermutete sogar, der Wohnwagen stelle überhaupt die Urform der Archi-<br />
34
tektur von morgen dar. (95) 1970 wurde der Anteil der „mobile homes" an der Gesamtzahl der<br />
Neubau-Wohnungen in den USA auf nicht weniger als ein Viertel geschätzt. (96)<br />
Die Vorteile gegenüber festen Eigenheimen liegen einerseits in der Umgehung mancher für<br />
den Hausbau geltenden Vorschriften, andererseits in der günstigeren Besteuerung der Wohnwagenbewohner.<br />
Von großer Bedeutung dürfte aber auch der Kostenfaktor bei der Anschaffung<br />
sein. Selbst ein luxuriös ausgestattetes Mobilheim kostet samt Möblierung weniger als<br />
das allereinfachste Einfamilienhaus - Gr<strong>und</strong>stückskosten erst gar nicht mitgerechnet.<br />
Obwohl das <strong>Auto</strong>mobil mit seinen schätzungsweise 10.000 Einzelteilen ein im Vergleich zum<br />
Haus kompliziertes technisches Gebilde darstellt, konnten seine Herstellungskosten durch<br />
hohe Stückzahlen <strong>und</strong> Fließbandfertigung drastisch gesenkt werden. Noch um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />
kostete ein <strong>Auto</strong> annähernd so viel wie ein Einfamilienhaus. Das Bauen blieb hingegen<br />
bis zum heutigen Tage teuer. Bezeichnenderweise eroberten <strong>Auto</strong>mobilfirmen einen beträchtlichen<br />
Marktanteil der Bauwirtschaft, indem sie mobile Häuser herstellten, die auch als stationäre<br />
Zweit- <strong>und</strong> Erstwohnsitze genutzt werden konnten.<br />
Abgesehen von der Kostenseite ist es wahrscheinlich auch jenes tief verwurzelte, typisch<br />
amerikanische, aus der Ideologie der Westwanderung stammende Mobilitätsideal, das viele<br />
Menschen bis heute veranlasst, ortsungeb<strong>und</strong>en zu leben. Sowohl F.L.Wright als auch R. Buckminster<br />
Fuller verstanden Mobilität als Essenz gesellschaftlicher Freiheit. Doch war für Fuller<br />
Mobilität ein technisches Problem <strong>und</strong> kein gesellschaftspolitisches. Sobald die technische<br />
Lösung vorhanden sei, glaubte er, folge die gesellschaftliche nach. (97)<br />
7.2 Das Mobilitätsideal Buckminster Fullers<br />
Fullers Entwürfe waren stets von Ortsungeb<strong>und</strong>enheit gekennzeichnet. Das 1927-1929 ursprünglich<br />
für Katastropheneinsätze entwickelte Dymaxion-Haus war nur über einen zentralen<br />
Versorgungsmast, an dem es in einer an Speichenräder erinnernden Konstruktion aufgehängt<br />
war, mit dem Boden verb<strong>und</strong>en. 1936 entwarf er für das Dymaxion-Haus eine aus Leichtmetallelementen<br />
zusammengesetzte Sanitärzelle - das Dymaxion-Bad. Die <strong>Auto</strong>firma Dodge<br />
stellte davon 12 Einheiten her, die in der Serienproduktion nicht mehr als eine <strong>Auto</strong>karosserie<br />
kosten sollten. (98) Ein hausinternes Wasserkreislaufsystem hätte das Dymaxion-Haus unabhängig<br />
von Leitungsnetzen gemacht. Darüber hinaus sollte es sogar unabhängig von konventionellen<br />
Verkehrswegen sein. Als adäquates Verkehrsmittel für derart „autonomes" Wohnen<br />
entwarf Fuller 1932 ein Flug-Fahrzeug, wenig später sein bereits in Kapitel 3.3 erwähntes,<br />
berühmt gewordenes Dymaxion-<strong>Auto</strong>.<br />
Dem Konzept der Zusammenfassung von sämtlichen sanitären Installationen,<br />
Versorgungs- <strong>und</strong> Wirtschaftseinrichtungen folgte auch der<br />
Entwurf des <strong>Auto</strong>anhängers "Mechanical Wing". (Abb.64) Als von Haus<br />
<strong>und</strong> Fahrgestell unabhängige Versorgungseinheit enthielt er ein Dymaxion-Bad<br />
mit Abfallbeseitigungsanlage, eine Kücheneinheit <strong>und</strong> eine<br />
Energiezelle mit Dieselmotor.<br />
1944 realisierte Fuller die ersten Dymaxion-Häuser - allerdings<br />
in abgewandelter Form - als Notunterkünfte für die amerikanische<br />
Luftwaffe. Die Konstruktion der r<strong>und</strong>en Häuser war wie<br />
die von <strong>Auto</strong>karosserien selbsttragend. 1946 konnte Fuller die<br />
Flugzeugfirma Beech Aircraft Company für kurze Zeit dazu<br />
gewinnen, ihre Produktion auf die Erzeugung von Fertigteilen<br />
für <strong>Wohnbau</strong>ten umzustellen. Schließlich wurden in Wichita,<br />
Kansas, einige Prototypen gebaut. (Abb.65) Das Gewicht eines<br />
Hauses betrug 2,75 Tonnen (zum Vergleich: Ein konventionelles<br />
Haus wiegt ca. 700 Tonnen).<br />
35
Obgleich Fuller mit seinen ursprünglich als Ausstellungsbauten konzipierten geodätischen<br />
Kuppeln die modernen Nomaden der amerikanischen Hippie-Bewegung noch bis in die späten<br />
1960er Jahre hinein beeinflusste, wurden seine Ideen nie von der Mobilheim-Industrie aufgegriffen.<br />
Vielleicht lag es daran, dass Fullers Häuser nie wirklich mobil waren. Der Nachteil<br />
seiner technischen Konzeption lag in der Unbeweglichkeit. Auch hätte man nichts hinzufügen<br />
<strong>und</strong> nichts verändern können, ohne die Struktur der Häuser zu zerstören. Zwar leicht zu verpacken<br />
<strong>und</strong> zu verschicken sowie erstaunlich schnell auf- <strong>und</strong> abzubauen, waren sie trotzdem<br />
immobile Gegenstände geblieben.<br />
7.3 Mobile Home Courts als neue Siedlungsmuster<br />
Inzwischen wurde auch die mobilste aller Lebensformen<br />
institutionalisiert. Wohnwagensiedlungen wurden eingerichtet,<br />
in den USA als „mobile home courts", „trailer parks"<br />
oder „trailer camps" bezeichnet. (Abb.66,67) Sie bestehen<br />
aus durchschnittlich 100 Abstellplätzen samt Versorgungsanschlüssen<br />
sowie zentralen Gemeinschaftseinrichtungen.<br />
Gr<strong>und</strong>element der Siedlung ist der Wohnwagen, entweder<br />
die fest mit dem <strong>Auto</strong>chassis verb<strong>und</strong>ene Wohnzelle oder die<br />
abkoppelbare Wohneinheit auf eigenen Rädern. Es gibt<br />
Wohnwagen mit ausziehbaren Verlängerungsstücken <strong>und</strong> solche, die übereinander oder auch<br />
seitlich aneinander gekoppelt werden können, so dass der Innenraum erheblich vergrößert<br />
werden kann. (Abb.68)<br />
Standorte der „mobile home courts" sind meist die Stadtränder, wo sie zu<br />
einem nicht mehr fort zu denkenden Siedlungselement ge-worden sind. Da<br />
ein Stellplatz für den Wohnwagen zuzüglich der ihn umgebenden Freifläche<br />
kleiner sein kann als ein für ein festes Einfamilienhaus benötigtes Gr<strong>und</strong>stück,<br />
ergibt sich eine größere Dichte (25-30 Einheiten pro Hektar) als in<br />
Einfamilienhausgebieten. (99)<br />
Lange Zeit war es üblich, Stellplätze in Wohnwagensiedlungen<br />
lediglich zu vermieten, da von einem häufigen Ortswechsel<br />
auszugehen war. Im Lauf der Zeit hat sich aber eine<br />
hinreichend große Bevölkerungsschicht herausgebildet, die längere Zeit an einem<br />
Ort ansässig ist <strong>und</strong> trotzdem ein Mobilheim bevorzugt, so dass auch Stellplätze<br />
zum Erwerb angeboten werden. Der durchschnittliche Aufenthalt wird mit etwa 3<br />
1/2 Jahren angegeben. (100) Die Vermutung liegt nahe, vielen genüge schon das<br />
Gefühl, bei Bedarf mobil zu sein.<br />
In Europa dienen Wohnwagen bislang nur in vereinzelten Fällen als dauernder Wohnsitz. Vielfach<br />
sind allerdings Wohnwagenkolonien in Urlaubsgebieten entstanden <strong>und</strong> zu einem Problem<br />
des Landschaftsschutzes geworden.<br />
Bliebe noch die von Paul Rudolph 1970/71 in New Haven, Connecticut, ausgeführte<br />
Siedlung "Oriental Masonic Gardens"(Abb.69) zu erwähnen, die<br />
eine Umsetzung dieses Phänomens in Form vorgefertigter Raumzellen darstellt.<br />
Die zu kreuzförmigen Anordnungen zusammen gestellten 3,6 m<br />
breiten <strong>und</strong> bis 30 m langen Elemente geben der Anlage - trotz des eisen.bahnwaggonähnlichen<br />
Aussehens - den Charakter eines überdimensionalen<br />
„trailer camps". Mobil sind die Häuser allerdings genauso wenig wie es<br />
Fullers Häuser waren. Durch die Übernahme von Formen aus der Welt der<br />
Transportmittel wird Mobilität suggeriert. Andererseits haben „mobile home<br />
courts" anscheinend schon einen solch hohen Grad an Vertrautheit im amerikanischen<br />
Alltag erreicht, dass sie als Siedlungsmuster herangezogen<br />
werden können.<br />
36
8. Der Commercial Strip - Die Straße des <strong>Auto</strong>mobilzeitalters<br />
Stärker als in Europa <strong>und</strong> einseitiger auf die Bedürfnisse des früher einsetzenden <strong>Auto</strong>mobilzeitalters<br />
zugeschnitten, entstanden in den USA an den auf die Stadtzentren zuführenden<br />
Straßen langgestreckte Einkaufszeilen, denen Parkplätze vorgelagert wurden. Ladenzeilen mit<br />
der geringsten Variationsbreite des Angebots wurden als „automobile rows" bezeichnet. Ursprünglich<br />
blieb der Begriff lediglich auf den Verkauf neuer <strong>und</strong> gebrauchter <strong>Auto</strong>s beschränkt,<br />
später wurde er auf sämtliche Einrichtungen, die mit dem Verkauf, der Wartung <strong>und</strong> dem<br />
Parken von <strong>Auto</strong>mobilen in Zusammenhang standen, ausgeweitet. Hierzu gehörten Verkaufsräume<br />
<strong>und</strong> Abstellplätze der <strong>Auto</strong>händler, <strong>Auto</strong>reparaturwerkstätten, Verkaufsläden für <strong>Auto</strong>zubehör,<br />
Tankstellen sowie die mit diesen Einrichtungen verb<strong>und</strong>enen <strong>Auto</strong>abstellflächen.<br />
Schon während der 1920er Jahre begannen Handels- <strong>und</strong><br />
Dienstleistungsunternehmer sich auf ihre mobil gewordene<br />
K<strong>und</strong>schaft einzustellen. Diese hatte sich bald daran<br />
gewöhnt, die täglichen Wege mit dem <strong>Auto</strong> zurückzulegen,<br />
zum Arbeitsplatz, ins Kino <strong>und</strong> ins Restaurant zu<br />
fahren, das <strong>Auto</strong> vor dem Kaufhaus abzustellen <strong>und</strong> die<br />
Einkäufe einzuladen, als Bankk<strong>und</strong>e an den Schalter <strong>und</strong><br />
als Hotelgast unmittelbar bis vor die Zimmertür zu gelangen.<br />
(Abb.70) Zumindest erwartete man ausreichend<br />
Parkraum vor den betreffenden Einrichtungen. Aus diesen<br />
Bedürfnissen entstanden im Lauf der Zeit völlig neuartige<br />
bauliche Gebilde. Zwischen die Unternehmen der <strong>Auto</strong>mobilbranche mischten sich andere,<br />
speziell dem <strong>Auto</strong>fahrer dienende Einrichtungen wie Restaurants, Bankfilialen, Kinos usw., die<br />
man ohne den Wagen verlas-sen zu müssen, benützen kann, <strong>und</strong> die deshalb als Drive-in-<br />
Restaurant, als Drive-in-Bank, Drive-in-Kino usw. bezeichnet werden. Bei einer solchen Durchmischung<br />
spricht man vom „commercial strip". (Abb.71) Zu einem weiteren bestimmenden<br />
Element des Strips wurde das Motel, eine typisch amerikanische Abwandlung des herkömmlichen<br />
Hotels <strong>und</strong> Anpassungsform des Beherbergungsgewerbes an den früh erreichten hohen<br />
Motorisierungsgrad.<br />
8.1 Billboards<br />
An den Ausfallstraßen entwickelten sich bandartig ganze Abschnitte<br />
von einem oder mehreren Baublöcken in Längserstreckung, in der<br />
Tiefe beschränkt auf <strong>Auto</strong>abstellplätze <strong>und</strong> eine einzige Häuserzeile,<br />
die nichts anderes aufzuweisen haben als die eben genannten Einrichtungen.<br />
Zuweilen sind auch einzelne Geschäfte oder kleine Einkaufszentren<br />
mit einer ganzen Ladenzeile zwischen die Tankstellen,<br />
Imbissstände <strong>und</strong> Motels eingestreut. Alle besitzen in reichlichem<br />
Maße <strong>Auto</strong>abstellflächen, die Gebäude sind deshalb oft von der<br />
Straße zurückgesetzt. Die traditionelle, geschlossene Bauflucht wird<br />
aufgegeben. Gehsteige fehlen meist. Auf Auslagen wird oft verzichtet.<br />
Im Vorbeifahren würden sie vom <strong>Auto</strong>fahrer ohnedies nicht<br />
wahrgenommen werden.<br />
Wohl aber muss der fahrende K<strong>und</strong>e von der Straße aus rechtzeitig auf das Vorhandensein<br />
einer bestimmten Einrichtung aufmerksam gemacht werden, um sein Tempo verlangsamen<br />
<strong>und</strong> rechtzeitig anhalten zu können. Dafür dienen an den Straßenrändern postierte, freistehende<br />
oder an Gebäuden montierte, großflächige Reklametafeln - sogenannte Billboards.<br />
(Abb.72) Der Name setzt sich aus den amerikanischen Wörtern „bill" für Plakat <strong>und</strong> „board" für<br />
den Bretterrahmen, auf den es geklebt wird, zusammen. (101) Von anderen Erscheinungsformen<br />
der Außenwerbung grenzen sich Billboards durch ihre genormten Formate ab. Man unterscheidet<br />
ca. 3,5 x 7,5 Meter große „poster panels", die gedruckte Plakate tragen von den in<br />
Studios bemalten ca. 4x14 Meter großen „painted bulletins". Die Abmessungen wurden von<br />
37
der „Outdoor Advertising Association of America" festgelegt, durch deren Richtlinien auch die<br />
Vermietung, Installation <strong>und</strong> Wartung der Tafeln geregelt wird.<br />
Zum Unterschied von Marketingformen anderer Massenmedien kursieren die Botschaften der<br />
Reklametafeln selbst nicht - der Markt bewegt sich an ihnen vorbei. Verkehrstechnische <strong>und</strong><br />
wahrnehmungspsychologische Untersuchungen legen den optimalen Standort hinsichtlich der<br />
Lesbarkeit, des Aufstellungswinkels <strong>und</strong> des übersichtlichsten Abstands zur nächsten Tafel in<br />
Abhängigkeit von der Geschwindigkeit fest. Wahrnehmungstempo <strong>und</strong> Distanzverhältnisse erzwingen<br />
ein Layout, das meistens durch extreme Vereinfachung <strong>und</strong> Verknappung der zu<br />
bermittelnden Botschaft gekennzeichnet ist.<br />
Billboards wenden sich an ein Publikum, das mit dem <strong>Auto</strong> unterwegs ist. Die Aufstellung der<br />
Tafeln, ihr Winkel zur Straße <strong>und</strong> ihr Abstand vom Boden werden durch den Blickwinkel des<br />
<strong>Auto</strong>fahrers <strong>und</strong> seiner Mitreisenden bestimmt. Der Blick durch das Wagenfenster erfasst die<br />
Werbetafeln selektiv - doch nur für eine kurze Zeitspanne, dann hat das nächste Billboard<br />
seine Chance. Der Abstand von einem Billboard zum anderen richtet sich nach der vorgeschriebenen<br />
Geschwindigkeit. Sechs Sek<strong>und</strong>en verbleiben durchschnittlich, um eine Botschaft<br />
wahrzunehmen.<br />
Aus der Frühzeit der Werbetafeln stammt ein Beispiel, das diesen Umstand ausgenützt hat,<br />
indem auf hintereinander postierten Plakaten Texte - der Reihe nach gelesen - einen Reim<br />
ergaben - vorausgesetzt, die Fahrer lasen ihn bei der für diese Strecke vorgeschriebenen<br />
Höchstgeschwindigkeit. Die Anzeigenserie der Firma „Burma Shave" (Abb.73) war somit eine<br />
Art literarischer Geschwindigkeitskontrolle mit eingebautem<br />
Werbeeffekt. Kevin Lynchs, Donald Appleyards <strong>und</strong> John R.<br />
Meyers in ihrem 1964 erschienenen Buch „The View from<br />
the Road" erhobene Forderung: „Der Straßenrand sollte wie<br />
ein faszinierendes Buch sein, das man beim Fahren lesen<br />
kann", ist hier wörtlich genommen. (102) Die <strong>Auto</strong>ren beschrieben<br />
die sinnlichen Erfahrungen während einer <strong>Auto</strong>fahrt<br />
als „eine Folge von Bildern vor den Augen eines eingeschlossenen,<br />
etwas ängstlichen <strong>und</strong> teilweise unaufmerksamen<br />
Publikums, dessen Sicht selektiv <strong>und</strong> auf einen<br />
engen Ausschnitt in der Bewegungsrichtung begrenzt ist."<br />
38
(103) Sie fanden heraus, dass sich mit zunehmender Geschwindigkeit der Blickwinkel immer<br />
mehr verengt, so dass wie mit Scheuklappen Objekte immer mehr von vorne (senkrecht zur<br />
Straße), kaum noch von der Seite (parallel zur Straße) gesehen werden. Einzelheiten werden<br />
dabei immer weniger wahrgenommen. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf entscheidungsrelevante<br />
Wahrnehmungen - auf Zeichen, die teils der Verkehrssicherheit dienen, teils<br />
aber auch zum Zweck kommerzieller Verführung eingesetzt werden können.<br />
8.2 Der Strip von Las Vegas<br />
Robert Venturi gebührt zusammen mit seiner Gattin Denise Scott<br />
Brown <strong>und</strong> Steven Izenour das Verdienst, erstmals das ästhetische<br />
Phänomen „commercial strip" analysiert <strong>und</strong> in den Mittelpunkt des<br />
<strong>Architektur</strong>interesses gebracht zu haben. Im Rahmen eines 1968<br />
durchgeführten Seminars mit Studenten der Yale University erarbeiteten<br />
sie eine Strukturanalyse von Las Vegas. Es war weniger jener Teil<br />
der Stadt um die Fremont Street, der am ehesten einer traditionellen<br />
Geschäftsstraße gleichkommt, welcher sie interessierte, sondern der<br />
Strip, den Las Vegas durchziehenden Abschnitt der Nationalstraße 91.<br />
(Abb.74) Hier fanden sie jene <strong>Architektur</strong> des mit Zeichen, Beschriftungen<br />
<strong>und</strong> Symbolen dekorierten <strong>und</strong> von <strong>Auto</strong>parkplätzen umgebenen<br />
Schuppens, der zum Kernstück ihrer <strong>Architektur</strong>theorie wurde.<br />
(104)<br />
Entlang des Strips von Las Vegas lässt sich exemplarisch der Verständigungsdrang der Zeichen<br />
beobachten, der ansatzweise schon in den alten Wildwest-Städten begann. Was aus der<br />
einfachen Holzhütte eine Bank oder einen Saloon machte, war der giebelartige Aufsatz, der<br />
mit einfachsten Dekorationsmitteln städtische Gebäudekonvention signalisierte. Die Scheinfassaden<br />
waren oft größer als die Gebäude selbst. In Las Vegas lösten sich die falschen Fassaden<br />
infolge der Geschwindigkeitszunahme des vorbeifahrenden Verkehrs gewissermaßen von den<br />
Gebäuden ab, die sich ihrerseits vom Highway hinter Parkflächen zurückzogen. Übrig blieben<br />
große, hoch aufragende Zeichen an der Straße, in den günstigsten Sichtwinkel zum Verkehr<br />
gestellt.<br />
Alle Eindrücke sind auf Perspektive <strong>und</strong> Geschwindigkeit<br />
des <strong>Auto</strong>s berechnet. Die <strong>Architektur</strong> am Strip ist zweitrangig<br />
<strong>und</strong> oft nichtssagend. Sie tritt hinter die Zeichen<br />
zurück, die als Vermittler zwischen ihr <strong>und</strong> dem einzigen<br />
Ordnungsprinzip - dem Highway - dastehen. Venturi<br />
machte die Größe der Zeichen von der erreichten Höchstgeschwindigkeit<br />
abhängig. (Abb.75) Je größer die Geschwindigkeit,<br />
desto größer die Zeichen, aber auch desto<br />
unwichtiger die <strong>Architektur</strong>. Die großen Entfernungen<br />
zwischen den Gebäuden entsprechen den Raum- <strong>und</strong> Geschwindigkeitsverhältnissen<br />
am Highway. Erst der Blick<br />
aus dem fahrenden <strong>Auto</strong> kann sie zusammenfassen. Die<br />
Frontfassaden werden aus dem herannahenden <strong>Auto</strong> allein der kurzen Distanz wegen verkürzt<br />
wahrgenommen. Wichtiger werden die Seitenfassaden, weil sie über eine längere Zeitspanne<br />
gesehen werden. Die Rückseiten der Gebäude allerdings bleiben völlig vernachlässigt <strong>und</strong><br />
unbeachtet der Wüste zugewandt. (Abb.76)<br />
Nähme man die Superzeichen weg, bliebe von Las Vegas <strong>und</strong> so mancher anderen<br />
amerikanischen Stadt nicht viel mehr als ein architektonisches Niemandsland.<br />
Ohne Zeichen würde die Kommunikation zwischen dem mobilen<br />
Publikum <strong>und</strong> der <strong>Architektur</strong> zusammenbrechen. Dazu Robert Venturi: „Und<br />
erst wenn überhaupt keine Gebäude mehr erkennbar sind, nämlich nachts,<br />
wenn man praktisch nur die hell erleuchteten Reklamezeichen sieht, hat man<br />
den Strip in seinem transparentesten Zustand vor sich." (105)<br />
39
8.3 „Enten" <strong>und</strong> „dekorierte Schuppen"<br />
Bisher war in den Ausführungen über den amerikanischen<br />
Strip ausschließlich von <strong>Architektur</strong> die Rede,<br />
bei der Zeichen die Rolle als Vermittler von<br />
Botschaften, die für den <strong>Auto</strong>fahrer von Interesse sein<br />
könnten, übernehmen. Die Gebäude selbst sind in<br />
ihrer Form direkt in den Dienst der Nutzung gestellt.<br />
Ihr Äußeres verrät nur wenig über ihren Inhalt. Auf<br />
ihre Zweckbestimmung hindeutende Hinweise sind<br />
davon unabhängig angefügt. Venturi spricht in diesem<br />
Fall von „dekorierten Schuppen". (106) (Abb.77)<br />
Andererseits entstand in den 1920er <strong>und</strong> 30er Jahren,<br />
um den Motorisierten ein attraktives Ausflugsziel bzw.<br />
den Reisenden willkommene Abwechslung auf den<br />
Langstrecken der Highways zu bieten, eine wahre Flut<br />
von figuralen Gebäuden. Sie tragen keine werblichen<br />
Zeichen mehr, sie stellen auch keine mehr neben oder<br />
vor sich auf, sie sind vielmehr selbst zum Zeichen<br />
geworden. Venturi nennt sie „Enten" (Abb.78) - zu<br />
Ehren des entenförmigen <strong>Auto</strong>-Restaurants „The Long<br />
Island Duckling" (Abb.79, 80), das Peter Blake in seinem<br />
Buch „God's Own Junkyard" (107) abgebildet hat. Bei dieser<br />
Art eines zur Skulptur gewordenen Hauses wird Konstruktion<br />
<strong>und</strong> innere Struktur durch eine alles zudeckende symbolische<br />
Gestalt bis zur Unkenntlichkeit verschleiert. Der<br />
Betrachter wird der Koordinierungsleistung zwischen Zeichen<br />
<strong>und</strong> baulichem Träger enthoben. Der Erkennungswert<br />
ist schneller <strong>und</strong> eindeutiger erfassbar als dies unter Zuhilfenahme<br />
eines Zeichens als vermittelndes Medium geschieht.<br />
Beide Typen hätten laut Venturi zwar ihre volle Berechtigung,<br />
in der Folge plädierte er jedoch - im Hinblick auf seine<br />
eigene <strong>Architektur</strong> - eher für den „dekorierten Schuppen."<br />
Die Teilnahme an der daraus resultierenden <strong>Architektur</strong>diskussion<br />
würde über den Rahmen der vorliegenden Arbeit<br />
weit hinausgehen, sodass wir uns beschränken wollen,<br />
lediglich darauf hinzuweisen, dass beide Typen Erscheinungsformen<br />
einer total auf das <strong>Auto</strong> bezogenen, kommerziellen<br />
Interessen untergeordneten <strong>Architektur</strong> darstellen.<br />
Beide haben sich der Kommunikationsgeschwindigkeit angepasst,<br />
die durch die bewegte <strong>und</strong> gleichzeitig beengte<br />
Sicht aus dem <strong>Auto</strong> diktiert wird.<br />
Venturis sicher polemisch gemeinte Aussage, „Mainstreet is<br />
almost alright", meint nur, dass die amerikanische Straßen-<br />
Szenerie mit ihrem visuellen <strong>und</strong> gestalterischen Chaos<br />
beinahe in Ordnung sei. Er wollte mit seiner Behauptung nur<br />
ausdrücken, dass es unsinnig sei, weiterhin den Utopien eines Le Corbusiers oder F.L. Wrights<br />
anzuhängen <strong>und</strong> zu glauben, dass die Stadt noch einmal <strong>und</strong> von Anfang an neu gebaut<br />
werden könne. Er forderte nichts anderes als die Alltäglichkeit der kommerziellen, von der<br />
Landstraße entliehenen Bauformen <strong>und</strong> ihre ästhetische Vielfalt in den Bereich der Kunstarchitektur<br />
aufzunehmen. Der Strip amerikanischer Ausprägung mit seinem Miteinander von<br />
„Enten" <strong>und</strong> „dekorierten Schuppen", seinen Gebäude-Inszenierungen <strong>und</strong> „roadside-events"<br />
sollte nicht länger als „Gottes eigene Schutthalde" (108) betrachtet werden, sondern als das<br />
akzeptiert werden, was er ist: Teilplanerisches, halb Zufälliges, willkürlich Zustandegekom-<br />
40
menes, eine Collage, eine Fülle von Botschaften <strong>und</strong> ein schneller Wechsel von Bildern <strong>und</strong><br />
Moden in Form austauschbarer Reklametafeln, standardisierter Tankstellen, Motels,<br />
Reparaturwerkstätten <strong>und</strong> Imbissbuden. Die <strong>Architektur</strong> am Strip wirbt für Produkte <strong>und</strong><br />
nimmt manchmal selbst die Form dieser Produkte an. Die Baukörper sind hinsichtlich ihrer<br />
Werbewirksamkeit formal gestaltet, so dass sie weithin sichtbar sind, d.h. dass sie binnen<br />
kürzester Zeit vom <strong>Auto</strong>fahrer unmissverständlich wahrgenommen <strong>und</strong> „gelesen" werden<br />
können.<br />
9. Das <strong>Auto</strong> als „Initiator" neuer Gebäudetypen<br />
Nachdem Henry Ford seine Landsleute durch die Fließbandproduktion von <strong>Auto</strong>s massenhaft<br />
mobil gemacht hatte, wurde das <strong>Auto</strong>mobil rasch zum Symbol von individueller Freiheit <strong>und</strong><br />
Unabhängigkeit. Die <strong>Architektur</strong> begann sich dem neuen Zeitgeist anzupassen, indem sie<br />
versuchte, dem wachsenden Verkehr <strong>und</strong> der erwachten Reiselust entgegenzukommen. Wie<br />
ein abstraktes Gitter legte sich das neue Straßennetz über dem amerikanischen Kontinent.<br />
Und entlang der Straßen rief das Verkehrssystem seine eigene Sek<strong>und</strong>ärarchitektur hervor:<br />
Tankstellen, Motels, Garagen, <strong>Auto</strong>kinos <strong>und</strong> die verschiedensten Drive-in-Einrichtungen<br />
schossen aus dem Boden. Dabei entstanden vielfach Gebäudetypen von extrem hohem<br />
Signalwert, bei denen <strong>Auto</strong>fahren, <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> Kommerz gemeinsame Sache zu machen<br />
schienen.<br />
9.1 Tankstellen<br />
Tankstellen entstanden aus der unmittelbaren Notwendigkeit, die für die Benützung des <strong>Auto</strong>s<br />
unerlässliche Versorgung zu gewährleisten. Ihre Lage an Stadtausfahrten, Überlandstraßen<br />
<strong>und</strong> verkehrsgünstigen Punkten machte sie zu Elementen, die die durch die Motorisierung<br />
erlangte Freiheit zur schnellen Überwindung großer Distanzen durch Zwangspausen räumlich<br />
<strong>und</strong> zeitlich in bestimmte Abschnitte <strong>und</strong> Sequenzen einteilten. In den USA waren Tankstellen<br />
stets mehr als Stationen für kurze Tankstopps; oft waren sie nach vielen Kilometern die<br />
einzigen Orte, an denen sich Leute treffen konnten. Ihrer vorgeschobenen Lage wegen könnte<br />
man sie als Pionierbauten bezeichnen, als Oasen gleichende Versorgungsstationen, die eine<br />
Fortsetzung der Reise in jeder Hinsicht erst ermöglichen.<br />
Für F.L. Wright war die Tankstelle „der erste Akt der Dezentralisation." (109) In jeder einzelnen<br />
Tankstelle an den Überlandstraßen sah er die Tendenz zur Auflösung der Großstadt. „Die<br />
Tankstelle mit Service-Station ist der künftige Großstadt-Service im Embryonalzustand. Jede<br />
Tankstelle, die zufällig von Natur aus günstig liegt, wird ebenso von Natur aus zu einem Verteilungsmittelpunkt<br />
anwachsen", schrieb er. (110) Tankstellen seien Keimzellen für künftige<br />
Entwicklungen, sie könnten Zentren für ganze Wohngegenden werden.<br />
Für F.L.Wright war das <strong>Auto</strong> der größte Widersacher der Großstadt.<br />
Deshalb war es auch sein größter Verbündeter im Kampf gegen sie.<br />
Machte - seiner Meinung nach - das <strong>Auto</strong> die Großstadt unnötig, indem<br />
es die Dezentralisierung förderte, so schien ihm die Tankstelle - jener<br />
mit dem <strong>Auto</strong>mobil in unmittelbarstem Zusammenhang stehende Bautyp<br />
- am ehesten geeignet, Ausgangspunkt einer städtebaulichen Dezentralisation<br />
zu werden. Wie groß F.L.Wrights Interesse an diesem<br />
Bautypus war, beweist ein 1928 entstandener Entwurf für „standardisierte<br />
Benzintankstellen." (Abb.81)<br />
Die ersten Tankstellen waren noch einfache Schuppen <strong>und</strong> Baracken zum Schutz der Benzinpumpen<br />
gewesen. Mit einer Station der <strong>Auto</strong>mobile Gasoline Company, 1905 in St. Louis<br />
errichtet, <strong>und</strong> mit einer 1907 in Seattle von Standard Oil gebauten, seien nur zwei Beispiele<br />
genannt, die in Anspruch nehmen, die „ersten" gewesen zu sein. Zuvor war Benzin im Gemischtwarenhandel<br />
<strong>und</strong> in Werkstätten erhältlich, wo es mittels Kanister <strong>und</strong> Trichter abgefüllt<br />
werden musste. Schon während der ersten Phase des Tankstellenbaus etablierte sich der bis<br />
41
heute weitgehend unveränderte Typus: Ein großes, mehr oder minder freistehendes Dach, die<br />
Zapfsäulen darunter <strong>und</strong> ein kleines Gebäude, das von den Toiletten <strong>und</strong> einem Büro bis zu<br />
einer Werkstätte, einer Bar <strong>und</strong> einem kleinen Laden so gut wie alles enthalten kann - <strong>und</strong><br />
dessen Anschluss an das Dach entweder gar nicht versucht oder oft ziemlich unbeholfen gelöst<br />
ist. (111)<br />
Die Tankstelle gliedert sich in einzelne Bauelemente stark unterschiedlicher Dimension. Wenn<br />
die Zapfschläuche nicht wie in Japan vom Dach herabhängen, nehmen sich die konventionellen<br />
Zapfsäulen aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Höhe meistens ziemlich verloren aus unter dem mindestens<br />
vier Meter hohen Dach, das mehrere Funktionen erfüllt. In erster Linie schützt es die im<br />
Zentrum der Anlage stehenden wertvollen Zapfsäulen; in zweiter Linie den Tankwart <strong>und</strong> die<br />
<strong>Auto</strong>s während des Tankvorgangs; drittens wird das wegen seiner Größe weithin sichtbare<br />
Dach zum Signal für den <strong>Auto</strong>fahrer. Ähnlich den großen Reklametafeln<br />
die bei hohen Geschwindigkeiten gelesen werden müssen, tendieren<br />
Tankstellen dazu, größer zu sein als es ihre Funktion allein erfordern<br />
würde. Unter dem Dach entsteht jener gewaltige, offene Raum, der -<br />
bei Nacht fast sakral beleuchtet - zum Mittelpunkt des Geschehens<br />
wird, wahrend das eigentliche Gebäude schon allein wegen seiner<br />
geringen Höhe beinahe bedeutungslos wird.<br />
Typologisch lassen sich Tankstellen höchstens hinsichtlich ihrer<br />
Lagebedingungen unterscheiden. Es gibt Tankstellen mit einseitiger<br />
<strong>und</strong> solche mit zweiseitiger Zufahrt, Tankstellenkioske mit R<strong>und</strong>um-<br />
Tankbetrieb <strong>und</strong> Durchfahrtstankstellen - am zuvor besprochenen<br />
Gr<strong>und</strong>prinzip ändert das nur wenig. (Abb.82,83) (112)<br />
Bereits während der Anfänge des Tankstellenbaus erkannten die Ölgesellschaften<br />
die Werbewirksamkeit standardisierter Stationen. 1916 errichtete<br />
die Texas Company, später Texaco genannt, die erste ihrer<br />
standardisierten Tankstellen in Houston. 1918 folgte ihr die Magnolia<br />
Oil Company mit der Verwendung stets wiederkehrenden Formen, Zeichen,<br />
Farben <strong>und</strong> Logos in ganz Texas. (Abb.84) Ab diesem Zeitpunkt<br />
wurden Gleichförmigkeit, Wiedererkennbarkeit <strong>und</strong> Typisierung zu unentbehrlichen<br />
Gestaltungsmitteln beim Bau von Tankstellen. So wurde<br />
die Farbe der betreffenden Marke für den Betrachter fast wichtiger als<br />
die <strong>Architektur</strong> des Gebäudes selbst.<br />
Dennoch findet sich eine ansehnliche Anzahl von Tankstellenentwürfen, die aus der Hand bekannter<br />
Architekten stammen. Anfang der 1930er Jahre stürzten sich viele Entwerfer auf diese<br />
neuen Aufgaben, um ihre Aufgeschlossenheit gegenüber der Neuen Zeit zu bek<strong>und</strong>en. In<br />
Henry-Russell Hitchcocks <strong>und</strong> Philip Johnsons Ausstellung <strong>und</strong> Buchveröffentlichung „The<br />
International Style", einer Art Rechenschaftsbericht aus dem Jahr 1932, figurierten immerhin<br />
zwei Tankstellen inmitten der für heutige Begriffe wesentlich anspruchsvolleren Bauaufgaben.<br />
Gezeigt wird das Beispiel einer Dapolin-Tankstelle in Kassel, 1930 von<br />
Hans Borkowsky entworfen, mit einer dominanten, das ganze Gebäude<br />
zusammenfassenden Dachplatte, die auf abger<strong>und</strong>eten Glaswänden zu<br />
schweben scheint. (113) (Abb.85) Im Gegensatz dazu einige Seiten<br />
weiter - das Beispiel einer typisierten amerikanischen Tankstelle der<br />
Standard Oil Company in Cleveland, Ohio. Die 1931 von Clauss <strong>und</strong><br />
Daub entworfene Station mit K<strong>und</strong>enraum <strong>und</strong> Werkstatt in Form einer<br />
Schachtel ist eine aus einer Serie von vierzig Tankstellen. (Abb.86)<br />
Auf der Suche nach Bauformen holten sich amerikanische Tankstellen-<br />
Designer immer wieder Anleihen aus der Baugeschichte mehr oder<br />
weniger exotischer Länder. Tankstellen in der Form chinesischer Pagoden,<br />
griechischer Tempel, Schweizer Chalets oder spanischer Haziendas,<br />
zumindest aber im amerikanischen Kolonialstil oder im Western-<br />
Stil. Diese Aufzählung klingt jedenfalls nicht viel abenteuerlicher als<br />
42
die Forderung des Generalinspektors für das deutsche<br />
Straßenwesen anlässlich eines Wettbewerbes zur Gestaltung<br />
von Tankstellen für die Reichsautobahn (1935), zu dem auch<br />
Lois Welzenbacher eingeladen wurde, die Entwürfe hätten<br />
die Variationsmöglichkeiten zu berücksichtigen, die Gestaltung<br />
der Tankstellen dem jeweiligen Landschaftsbild<br />
anzupassen. (114) (Abb.87) Den Ölkonzernen waren Überlegungen<br />
dieser Art fremd bis unverständlich. Für sie zählte<br />
weder besondere Originalität noch irgendeine Anpassung an<br />
regionale Hausformen. Sie waren vielmehr am leicht wiederzuerkennenden<br />
<strong>und</strong> vereinheitlichten Erscheinungsbild ihrer<br />
Tankstellen interessiert.<br />
Gegen Ende der 30er Jahre wurde mit der Streamline ein<br />
neuer Stil gef<strong>und</strong>en, Tankstellen ein sauberes <strong>und</strong> fortschrittlicheres<br />
Image zu verleihen. Nachdem Texaco 1936<br />
bereits Arne Jacobsen mit dem Bau einer Tankstelle in<br />
Kopenhagen (Abb.88) betraut hatte, beauftragte die Firma<br />
im selben Jahr den für sein Streamline-Design bekannten<br />
Walter Dorwin Teague mit der Entwicklung eines Standard-<br />
Modells.(Abb.89) Bis 1937 entwarf Teague zwanzig Stationen<br />
für unterschiedliche Standorte. Es waren strahlend<br />
weiße Boxen aus emailliertem<br />
Blech mit großen, bündig sitzenden<br />
Tür- <strong>und</strong> Fensteröffnungen <strong>und</strong><br />
grünen Rahmen. Die Attika zierten<br />
drei umlaufende rote Streifen <strong>und</strong><br />
darüber die roten Sterne - das Firmenzeichen Texacos. Bis 1940<br />
wurden 500 Stationen dieser Art gebaut. Manche von ihnen kann<br />
man noch heute an Amerikas Highways sehen.<br />
Aus den 1940er Jahren sei noch eine von Frederick G. Frost entworfene,<br />
ungewöhnlich elegante Station für Mobil Oil erwähnt<br />
(Abb.90), bevor das Tankstellen-Design im Laufe der 50er Jahre -<br />
bis auf wenige Ausnahmen von Oskar Niemeyer in Brasilien, Raymond<br />
Loewy in Malaysia (Abb.91) <strong>und</strong> Lothar Götz in Deutschland<br />
(Abb.92) - in der allgemeinen Banalität der Nachkriegsmoderne<br />
stagnierte.<br />
Erst in den 1960er Jahren<br />
kam es durch das von<br />
Edward Ruscha publizierte<br />
Buch „Twenty-six Gasoline<br />
Stations" zu einer, wenn<br />
auch begrenzten, Wiederentdeckung<br />
des Themas.<br />
Ruscha zeigte darin Photographien<br />
von Tankstellen entlang der berühmt-berüchtigten Route 66 durch Kalifornien,<br />
Arizona, New Mexico, Texas <strong>und</strong> Oklahoma, die er anschließend auch auf Gemälden verewigte.<br />
Schließlich waren es R. Venturi, D. Scott Brown <strong>und</strong> S. Izenour, die in „Learning from Las<br />
Vegas" Tankstellen verschiedener Firmen in einer Gegenüberstellung unterschiedlicher Charakteristika<br />
analysierte <strong>und</strong> deren Bedeutung als konstituierendes Element des Strips erkannten.<br />
(Abb.93)<br />
43
9.2 Motels: Mit dem <strong>Auto</strong> bis ans Bett<br />
Genauso wie Tankstellen könnte man auch Motels als Nebenprodukte von Henry Fords<br />
Fließbändern sehen. (115) Übernehmen Tankstellen die für <strong>Auto</strong>s notwendige Versorgung,<br />
bieten Motels dem <strong>Auto</strong> fahrenden Gast eine adäquate Unterkunft. Oft befinden sich beide<br />
Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft, oft sind Tankstellen den Motels angegliedert,<br />
oder es wurden Motels bestehenden Tankstellen hinzugefügt.<br />
Obwohl man das Motel als ein für <strong>Auto</strong>reisende konzipiertes Spezialhotel ansehen kann, ging<br />
seine Entwicklung keineswegs, wie man annehmen könnte, vom Hotel aus. Die ersten Ansätze<br />
zu Motels lassen sich in das Jahr 1913 zurückverfolgen, als in Douglas, Arizona, Bergwerksunterkünfte<br />
in Räume zur Aufnahme von Gästen umgewandelt wurden. (116) Schon zu Beginn<br />
des Jahrh<strong>und</strong>erts erkannten die Amerikaner das Vergnügungspotential des <strong>Auto</strong>mobils <strong>und</strong><br />
unter anderem auch die Möglichkeit, mit ihm den Urlaub zu gestalten. Man ging für ein paar<br />
Wochen auf <strong>Auto</strong>tour. Bald stellten viele Gemeinden gratis Campingplätze zur Verfügung, um<br />
Gäste anzulocken. Später wurden „field stops" dieser Art mit Sanitäranlagen <strong>und</strong> elektrischem<br />
Licht ausgestattet <strong>und</strong> so - gegen entsprechende Platzmiete - in „auto camps" umgewandelt.<br />
Mitte der 1920er Jahre boten Privatvermieter die ersten Hütten für Reisende an, die auf Zelt<br />
<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Unannehmlichkeiten verzichten wollten. Ansammlungen mehrerer<br />
solcher Holzhütten, die dem Gast nur wenig mehr als ein Bett <strong>und</strong> ein Dach über dem Kopf<br />
boten, nannte man „cabin camps". Da waren die etwa zur gleichen Zeit entstandenen „motor<br />
courts" schon komfortabler. Sie bestanden zwar ebenfalls aus Holzhütten, enthielten jedoch<br />
bereits <strong>Auto</strong>einstellplätze, Bäder <strong>und</strong> manchmal auch Kochnischen.<br />
Der Unternehmer James Vail benützte 1925 als erster den Namen „Motel" für seinen Betrieb<br />
dieser Art in San Louis Obispo, Kalifornien. (118) Es ist anzunehmen, dass sich Motels aus den<br />
Motor Courts entwickelt haben. Nicht selten wurden anfangs beide Bezeichnungen nebeneinander<br />
verwendet. Im Allgemeinen aber unterschieden sich Motels von Motor Courts durch<br />
ihre kompakte, manchmal mehrgeschoßige Bauweise <strong>und</strong> durch ihr verbessertes Service. So<br />
fanden schon vor dem 2. Weltkrieg Swimmingpools allgemeine Verbreitung.<br />
In den späten 1920er Jahren gab es in den USA erst 600 Motels, 1939 bereits 13.500. Nach<br />
dem 2. Weltkrieg, als der beginnende Massenreiseverkehr mit einem massiven Straßenbauprogramm<br />
nach dem Federal-Aid- Highway Act von 1944 Hand in Hand ging, kam es zwischen<br />
1946 mit 20.000 <strong>und</strong> 1950 mit mehr als 50.000 zu einer Verdoppelung des Bestandes. (119)<br />
1950 benützten über 85% aller Reisenden in den USA das <strong>Auto</strong>mobil als Transportmittel.<br />
(120)<br />
Der Unterschied gegenüber herkömmlichen Hotels besteht darin, dass die dem Motel zugr<strong>und</strong>e<br />
liegende Einheit nicht mehr aus Zimmer <strong>und</strong> Bad besteht, sondern aus Zimmer, Bad <strong>und</strong><br />
<strong>Auto</strong>abstellplatz. (117) Man fährt bis vor die Zimmertüre, stellt dort seinen Wagen ab <strong>und</strong><br />
bringt mit wenigen Schritten sein Gepäck in die Unterkunft.<br />
44
Ein Vorzug des Motels besteht darin, dass sich der Gast nicht in das<br />
Gedränge innerstädtischer Straßen zu begeben braucht, sondern am<br />
Stadtrand direkt an der <strong>Auto</strong>straße für die Nacht unterkommen kann.<br />
Er soll seinen Wagen startbereit vor oder unter seiner Unterkunft abstellen<br />
können, was zur Folge hat, dass Motels entweder eingeschoßig<br />
aus einer Reihe aneinander gebauter oder in lockerer Bauweise einzeln<br />
stehender „units" (Abb.94) oder mehrgeschoßig aus einem erdgeschoßigen<br />
<strong>Auto</strong>abstell- <strong>und</strong> darüberliegenden Zimmergeschoßen<br />
bestehen.<br />
Vielfach findet der Gast weitere Einrichtungen vor als bloß ein sauberes Bett <strong>und</strong> ein Bad. Viele<br />
Motels verfügen über Swimmingpools, Wasch- <strong>und</strong> Reinigungsautomaten, manchmal über eine<br />
Sauna. Die hotelmäßige Führung ist weitgehend auf die Rezeption reduziert. An einem unpersönlichen<br />
Schalter bezahlt man im Voraus. In Motels wird erst gar nicht der Versuch unternommen,<br />
das Gefühl des Zuhause-Seins zu vermitteln. Mahlzeiten werden im Allgemeinen<br />
nicht geliefert, da man auf ein Publikum eingestellt ist, das nur einmal übernachtet. Selbst das<br />
Frühstück nimmt der Gast oft außerhalb ein, wenn sich nicht ein Restaurant oder eine Imbissstube<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft befinden.<br />
Da Motels meist auf weit weniger teurem Gr<strong>und</strong> stehen als Hotels, da weiters weniger Aufwand<br />
getrieben wird, sodass Motels weniger Personal benötigen, kommt der Gast in den<br />
Genuss günstigerer Preise. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Motels prototypisch all<br />
jene Eigenschaften in sich vereinigen, die charakteristisch sind für die meisten amerikanischen<br />
Erfindungen <strong>und</strong> Weiterentwicklungen auf dem Dienstleistungssektor: Funktionalität, Anonymität,<br />
Schnelligkeit, Rationalisierung <strong>und</strong> ein informelles Verhältnis zwischen Unternehmer <strong>und</strong><br />
K<strong>und</strong>en.<br />
Typologisch betrachtet, gehören Motelbauten zu jenen Bautypen, bei<br />
denen mehr oder weniger gleiche Elemente aneinander gereiht<br />
werden. Die Variationsmöglichkeiten resultieren unter anderem aus<br />
dem Gr<strong>und</strong>stückszuschnitt, aus dessen natürlichen Gegeben-heiten,<br />
aus der Lage der Zufahrt <strong>und</strong> aus der angestrebten Dichte - die<br />
Bandbreite reicht von verstreut angelegten, eingeschoßigen Anlagen<br />
bis zu verdichteten mehrgeschossigen. Der linear gereihte Gr<strong>und</strong>typus<br />
(z.B. Raymond Loewy, The Thoroughbred Motel, Winchester,<br />
Kentucky, um 1950, Abb.95) findet sich in mannigfaltiger Abwandlung bis hin zu L- bzw. Uförmigen<br />
Anlagen mit Hofbildung (z.B. William B. Harvard, J.B.<br />
Dodd, Trails End Motel, Treasure Island, Florida, um 1950,<br />
Abb.96). In einzelnen Fällen wird die lineare Reihung im Gr<strong>und</strong>riss<br />
zickzackförmig aufgelöst, entweder<br />
um den Einheiten mehr Privatheit<br />
zu gewähren (z.B. Burton A. Schutt,<br />
Capitol Inn Motel, Sacramento, Kalifornien,<br />
um 1950, Abb.97) oder um<br />
die Aussichtsmöglichkeiten zu verbessern.<br />
Je weitläufiger das Areal <strong>und</strong> je geringer die angestrebte Dichte, desto<br />
mehr wird die lineare Reihung zugunsten freistehender Einheiten<br />
(einzeln oder gekoppelt) aufgegeben (z.B. Arthur T. Brown, Tucson-<br />
Biltmore Motel, Tucson, Arizona, um 1950, Abb.98).<br />
45
Je kleiner der Bauplatz <strong>und</strong> je größer die angestrebte Dichte, desto<br />
kompakter wird die Bauweise. Allerdings wird bei mehrgeschoßigen<br />
Motelanlagen die Unmittelbarkeit der <strong>Auto</strong>unterbringung aufgegeben.<br />
Um Platz zu sparen, parken die <strong>Auto</strong>s unter dem auf Stützen<br />
stehenden Gebäude (z.B. Charles R. Colbert, Motel de Ville, New<br />
Orleans, um 1950, Abb.99).<br />
Stilistisch betrachtet, lassen sich bei Motels ähnliche Tendenzen ablesen wie bei Tankstellen.<br />
Da ist zunächst das Gros der Anlagen, die in einer Art Folklore-Stil all das in sich zu vereinigen<br />
suchen, was gemeinhin unter Anpassung an die lokale Bautradition verstanden wird. Die<br />
baulichen Ergebnisse sehen manchmal so aus, als wären sie Stützpunkte für Reisende mit<br />
Pferd <strong>und</strong> Wagen <strong>und</strong> nicht mit dem modernen Transportmittel <strong>Auto</strong>mobil.<br />
Die verstärkte Reisetätigkeit führte sowohl zu einer Wiederbegegnung<br />
mit der Natur als auch zu einer Wiederentdeckung von Amerikas<br />
Pionierzeit. Dies zeigt sich nirgendwo klarer als in den Nachbildungen<br />
von Indianerzelten in Beton im Südwesten der USA. (Abb.100) „Damit<br />
war eine Form gef<strong>und</strong>en, die ursprünglich amerikanisch <strong>und</strong> zugleich<br />
eng mit der Romantik des Westens verknüpft war. Die Nacht in einem<br />
Tipi-Motel zu verbringen oder in einem Tipi-Dorf zu tanken, war hervorragend<br />
dazu geeignet, eine Verbindung herzustellen zwischen den<br />
nomadischen Plains-Indianern, dem nach Westen ziehenden Planwagen<br />
<strong>und</strong> dem <strong>Auto</strong> auf dem offenen Highway", schrieb der amerikanische<br />
<strong>Architektur</strong>kenner David Gebhard im Vorwort zu „California<br />
Crazy", jenem Buch das sich erstmals der zahlreichen architektonischen Kuriositäten an den<br />
kalifornischen Highways angenommen hat. (121) Neben den Zelten waren es „Blockhütten",<br />
„log cabins", die manchmal ebenfalls in Gussbeton ausgeführt waren. (Abb.101,102) Sie<br />
konnten nicht nur als Wohneinheiten von Motels dienen, sondern auch als Tankstellen oder<br />
Imbissstände.<br />
Andererseits nahmen sich aber<br />
auch der Moderne verpflichtet<br />
fühlende Architekten der Bauaufgabe<br />
Motel an. Einer von<br />
ihnen war Richard Neutra. Sein<br />
1968 in Malibu errichtetes, aus<br />
zwei parallelen Zeilen bestehendes<br />
Strandmotel Holiday<br />
House (Abb.103) mit seinen charakteristischen Dach- <strong>und</strong> Deckenüberständen <strong>und</strong> raumbreiten<br />
Fenstern ist mehr als nur eine Unterkunft für eine Nacht. Neutra konzipierte es als Ferienhotel<br />
für motorisierte Gäste.<br />
46
Vom Wright-Schüler John Lautner stammt ein in der Nähe von<br />
Palm Springs gelegenes, nach außen geschlossen wirkendes<br />
Motel (Abb.104), dessen Zimmern private, von der Wüste<br />
abgeschirmte Gartenhöfe zugeordnet sind.<br />
An Victor L<strong>und</strong>ys Warm Mineral Springs Inn, einem Motel in Venice, Florida, ist vor allem das<br />
konstruktive System bemerkenswert. (Abb.105) Eine aus Pilzstützen <strong>und</strong> höhenmäßig versetzt<br />
angeordneten Dach-schalen bestehende Primärkonstruktion mit verglasten Füllelementen<br />
verleiht dem Motel ein - vor allem nachts - transparent wirkendes Aussehen.<br />
War das Hotel eine Folgeerscheinung von urbaner Verdichtung, Eisenbahnbau <strong>und</strong> der Erfindung<br />
des Aufzugs gewesen <strong>und</strong> hatte sich in vertikaler Richtung entwickelt, so war das Motel<br />
ein Kind der Depression <strong>und</strong> der wachsenden Vorstädte, die auf das Verkehrsmittel <strong>Auto</strong><br />
angewiesen waren. Wie die meisten Bautypen, deren Entstehung mit dem <strong>Auto</strong> zu tun hatte,<br />
ist auch das Motel höhenmäßig beschränkt, seine Ausdehnung eher horizontal <strong>und</strong> seine Organisation<br />
dezentralisiert. Es war aber auch ein bauliches Resultat jener latenten Mobilitätsidee<br />
der Amerikaner, die in der Go-West-Bewegung der Pioniere <strong>und</strong> Siedler wurzelte <strong>und</strong> mit<br />
der Verbreitung des <strong>Auto</strong>mobils neu erwacht war. So könnte man das Motel vielleicht als Hybrid<br />
von Hotel <strong>und</strong> Wohnwagen bezeichnen. Manche Motellagepläne erinnern auch entfernt an<br />
Planwagenburgen des Wilden Westens - nur nicht mehr zum Schutz vor Indianer errichtet,<br />
sondern um ein gemeinsames Swimmingpool gruppiert.<br />
9.3 Drive-ins: Konsum vom <strong>Auto</strong> aus<br />
Wenn man in Motels mit dem Wagen zwar nicht direkt bis ans Bett, doch zumindest unmittelbar<br />
vor die Zimmertür gelangt, so kann man die verschiedenen Drive-in-Einrichtungen benutzen,<br />
ohne ihn überhaupt erst verlassen zu müssen.<br />
Ein 1933 in Camden, New Jersey, eröffnetes <strong>Auto</strong>kino war das erste Drive-in Amerikas, noch<br />
bevor die ersten Drive-in-Restaurants, - Banken, ja sogar - Kirchen auftauchten. (122) Ob es<br />
das tatsächliche Bedürfnis <strong>Auto</strong> fahrender K<strong>und</strong>en war, immer mehr Tätigkeiten vom <strong>Auto</strong> aus<br />
zu erledigen, oder ob es nur der unternehmerische Erfindungsgeist war, der Drive-ins entstehen<br />
ließ, bleibt ungeklärt. Tatsache ist jedoch, dass dem Begriff „Drive-in" bald eine solche<br />
Werbekraft innewohnte, dass auch andere Unternehmer ihre Einrichtungen so benannten,<br />
auch wenn sie lediglich ausreichend Parkmöglichkeiten anbieten konnten.<br />
So wurde „Drive-in" zu einem Sammelbegriff für all jene, zum Teil völlig unterschiedlichen Gebäudetypen,<br />
die im Gr<strong>und</strong>e nur drei Gemeinsamkeiten besitzen: Leichte Erreichbarkeit mit<br />
dem <strong>Auto</strong>, ausreichend Parkraum <strong>und</strong> ein Angebot von Serviceleistungen, die im oder vom<br />
<strong>Auto</strong> aus konsumiert werden können. Dabei handelte es sich weniger um Bautypen, die für die<br />
Benützung durch <strong>Auto</strong>fahrer modifiziert wurden, sondern größtenteils um neuartige bauliche<br />
Gebilde.<br />
47
Strenggenommen müssten auch Tankstellen <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>waschanlagen unter den Begriff „Drivein"<br />
fallen. Obwohl beide hinsichtlich ihrer Organisation manchen Drive-ins nicht unähnlich sind<br />
<strong>und</strong> diese in ihrer Entwicklung wahrscheinlich auch dementsprechend beeinflusst haben,<br />
wurden sie nie als solche bezeichnet, weil ihre Benützung mit dem <strong>Auto</strong> offensichtlich war <strong>und</strong><br />
keiner besonderen werbetechnischen Hervorhebung bedurfte.<br />
9.3.1 <strong>Auto</strong>kinos <strong>und</strong> Drive-in-Kirchen<br />
Im Falle der <strong>Auto</strong>kinos <strong>und</strong> der ihnen ähnlichen Drive-in-<br />
Kirchen lässt sich nur mehr bedingt von <strong>Architektur</strong> im herkömmlichen<br />
Sinne sprechen, weswegen sie im Folgenden<br />
auch nur kurz erwähnt werden sollen. Die Möglichkeit, Filmvorführungen<br />
<strong>und</strong> Gottesdienste vom <strong>Auto</strong> aus verfolgen zu<br />
können, machte Gebäude weitgehend überflüssig. Das <strong>Auto</strong><br />
übernahm die bisher von der <strong>Architektur</strong> ausgeübte Schutzfunktion<br />
gegenüber Witterungseinflüssen. Vom herkömmlichen<br />
Kino blieben lediglich eine nunmehr freistehende Filmleinwand,<br />
ein kleines Projektionsgebäude <strong>und</strong> ein bis zwei<br />
Kartenschalter übrig. Aus dem Kinosaal wurde ein bis zu<br />
1.000 Fahrzeuge fassender Parkplatz, der bogenförmig<br />
angelegt ist, um gleichmäßige Sicht zu gewährleisten. Die<br />
<strong>Auto</strong>s stehen nach hinten geneigt, um im Fond sitzenden<br />
Insassen besseren Blick zu verschaffen. Zwischen zwei im Abstand von 5 Metern stehenden<br />
Stützen, an denen Lautsprecher montiert sind, um ins Wageninnere genommen zu werden, ist<br />
jeweils Platz für zwei <strong>Auto</strong>s. (Abb.106)<br />
Eine ähnliche Anordnung von Parkplätzen findet sich auch bei Richard<br />
Neutras Garden Grove Community Church (1959) in Los Angeles, die<br />
hier nur aus dem Gr<strong>und</strong> Erwähnung finden soll, weil sie eine herkömmliche<br />
Kirche mit Drive-in-Funktion darstellt. Ein Freiluftauditorium für<br />
600 <strong>Auto</strong>s in Form eines Amphitheaters ergänzt das traditionelle, als<br />
Langhaus angelegte Gotteshaus. Durch Hörgeräte wie bei den <strong>Auto</strong>kinos<br />
wird der Gottesdienst akustisch, durch das Öffnen breiter Schiebetore<br />
im Bereich der Kanzel visuell übermittelt. (Abb.107,108)<br />
Die anfangs wegen ihrer schlechten Bild- <strong>und</strong> Tonqualität<br />
verteufelten Drive-in-Kinos erlebten nach dem 2. Weltkrieg,<br />
gleichzeitig mit der prosperierenden <strong>Auto</strong>industrie ihre Blütezeit.<br />
Ihre Anzahl stieg auf 4.700, vor allem in den klimatisch<br />
begünstigten Regionen der USA. Österreichs einziges Drivein-Kino<br />
in Groß-Enzersdorf wurde erst in jüngster Zeit zum<br />
größten <strong>Auto</strong>kino Europas ausgebaut. Zur Faszination von<br />
<strong>Auto</strong>kinos ist zu bemerken, dass das Erlebnis hinter dem<br />
Steuer eines fahrenden <strong>Auto</strong>s vergleichbar ist mit jenem in<br />
einer Kino-vorstellung. Beim Fahren wird die Windschutzscheibe<br />
zur Filmleinwand. Noch dazu kann auf die Geschwindigkeit,<br />
mit der der „Film" abläuft, mit dem Tritt auf das<br />
Gaspedal Einfluss genommen werden. Paul Virilio sprach in<br />
diesem Zusammenhang von der eigentlichen „siebten Kunst", der Kunst des Armaturenbretts.<br />
Der <strong>Auto</strong>fahrer besäße die Fähigkeit, unbewegte Gegenstände mit heftiger Bewegung antreiben<br />
zu lassen. (123) Für die kinematographische Wirklichkeitserfahrung, die das <strong>Auto</strong> bietet,<br />
ist das Kino geradezu ein Ersatz. Wahrscheinlich war sein Erfolg in den 1950er Jahren darauf<br />
zurückzuführen, dass es preiswerte Ersatzreisen bot, zu Zeiten, als Reisen noch nicht ohne<br />
weiteres für jedermann erschwinglich war.<br />
Die riesige Leinwand - inzwischen internalisiertes Symbol für <strong>Auto</strong>kino - übernahmen Robert<br />
Venturi <strong>und</strong> Denise Scott Brown bei einem Wettbewerbsprojekt für die National Football Hall of<br />
48
9.3.2 Drive-in-Restaurants<br />
Fame in New Brunswick, New York, 1967. (Abb.109) Auf einem<br />
überdimensionalen, dem Parkplatz zugewandten elektronischen<br />
Schirm, der die Außenfassade bildet, sollten berühmte Spiele der<br />
Fußballgeschichte abgespielt werden. Venturis <strong>Architektur</strong>theorie<br />
folgend, wäre in diesem Fall die Dekoration größer als der dazugehörige<br />
Schuppen gewesen.<br />
Wie bereits erwähnt, definiert der Begriff „Drive-in" keinen bestimmten Gebäudetypus, sondern<br />
allenfalls die Art der Benützung. Dasselbe gilt gleichermaßen für Drive-in-Restaurants.<br />
Vom Schnellimbissstand bis zum Restaurant umfasst der Begriff sowohl Gaststätten, bei denen<br />
ausschließlich im <strong>Auto</strong> gegessen wird, als auch andere, bei denen zusätzlich Sitzplätze innerhalb<br />
des Gebäudes angeboten werden. Auch sagt der Zusatz „Drive-in" bei einem Restaurant<br />
noch nichts darüber aus, ob es mit oder ohne Bedienung geführt wird. Zweifelsfrei steht<br />
jedoch die Entwicklung der Drive-ins eng mit der von Self-Service- <strong>und</strong> Fast-Food-Restaurants<br />
in Zusammenhang. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der wachsende Kraftwagenbestand,<br />
die Verkehrsballungen <strong>und</strong> die Parkplatznot dazu führten, dass <strong>Auto</strong>abstellmöglichkeiten<br />
außerhalb des Straßenbereichs zum wichtigsten Element der Drive-in-Unternehmen<br />
geworden sind. Unmittelbar an der Straße gelegen <strong>und</strong> mit ausreichendem Parkraum ausgestattet,<br />
konnte sich beinahe jede Einrichtung mit dem Beinamen „Drive-in" schmücken, um<br />
<strong>Auto</strong> fahrende K<strong>und</strong>schaft anzulocken.<br />
Beim „klassischen", am Anfang der 1930er Jahre entstandenen Drive-in-Restaurant fuhr man<br />
auf einen der überdachten, jedoch an den Seiten offenen Abstellplätze <strong>und</strong> bekam Getränke<br />
oder Mahlzeiten von - oft Rollschuh laufenden - Serviererinnen (carhops) auf einem Tablett<br />
geliefert, das an das offene Wagenfenster gehängt werden konnte. Speisen <strong>und</strong> Getränke<br />
konnten so im Wagen konsumiert werden.<br />
Der Streamline-Architekt Wayne McAllister fand dazu den geeigneten Bautyp.<br />
Um möglichst viele <strong>Auto</strong>s gleichzeitig bedienen zu können, musste das<br />
Gebäude r<strong>und</strong> sein, organisiert wie die Speichen eines Rades. Die „carhops"<br />
hatten so gleich lange Wege zu allen <strong>Auto</strong>s. Geschützt war man durch ein<br />
riesiges, stützenloses Vordach. Zentrale, überdimensionale - wenn auch<br />
konstruktiv nicht notwendige - Pylone machten McAllisters Drive-ins weithin<br />
sichtbar. (Abb. 110,111) Die <strong>Architektur</strong> solcher Essstationen für mobile<br />
K<strong>und</strong>schaft war stets von hohem Signalcharakter, entweder waren es „dekorierte<br />
Schuppen" mit aufgestellten Zeichen oder figurale Gebäude „in Form<br />
von..." (124) Bei letzteren ging es hauptsächlich um den überraschenden<br />
baulichen Einfall, der Werbewirksamkeit auch dort versprach, wo die Bauform<br />
noch gar nichts darüber aussagte, welche Produkte angeboten wurden.<br />
Venturis - bereits erwähntes – berühmtes Beispiel<br />
eines <strong>Auto</strong>-Restaurants in Form einer Ente<br />
lässt beispielsweise weniger Rückschlüsse auf<br />
das Angebot erahnen als ein mexikanisches<br />
Drive-in-Restaurant in Albuquerque in Form<br />
eines riesigen Sombreros. Hier wurden nicht -<br />
wie man auch annehmen könnte - Sombreros verkauft, sondern<br />
mexikanische Gerichte serviert. Nicht immer bedeutet das<br />
Zeichen auch direkt das Angebot, bisweilen vermittelt sich der<br />
Zusammenhang von Zeichen <strong>und</strong> Bezeichnetem erst durch<br />
angenommene Verhaltensweisen - die typische Kopfbedeckung<br />
wird mit der Qualität der mexikanischen Küche in Verbindung gebracht. (Abb.112)<br />
49
Während der Streamline-Ära assoziierte das Aussehen vieler Drive-ins -<br />
wie konnte es auch anders sein - Geschwindigkeit, ihre Formen waren<br />
denen moderner Transportmittel entlehnt. (Abb.113)<br />
Von keinem geringeren als Ludwig Mies van der Rohe wurde ein 1946 entstandener Entwurf<br />
für ein Drive-in-Restaurant in Indianapolis bekannt, der vor allem hinsichtlich der Konstruktion<br />
bemerkenswert erscheint.(Abb.114) Unter einer von zwei, von Außenstützen getragenen<br />
Fachwerksträgern abgehängten, weit auskragenden Deckenplatte, unter der die <strong>Auto</strong>s Platz<br />
gef<strong>und</strong>en hätten, wäre ein stützenloser, von einer Curtain-Wall-Glasfassade begrenzter<br />
Innenraum entstanden. In seiner konsequenten Trennung von Tragstruktur <strong>und</strong> Raumumschließung<br />
lässt sich das Projekt als Vorstufe im Kontext der Weiterentwicklung zu den von<br />
Mies später realisierten freitragenden Hallenkonstruktionen, wie der Crown Hall auf dem IIT-<br />
Campus in Chicago (1950-1956), erkennen.<br />
Die universelle Verwendung der gleichen Konstruktion für Hallen unterschiedlicher Zwecke -<br />
als Schulgebäude im Fall der Crown Hall oder als Theater beim Wettbewerbsprojekt für Mannheim<br />
(1952-53) - lässt, ohne die wirklichen Gründe zu kennen, die Vermutung zu, aus welchem<br />
Gr<strong>und</strong>e das Drive-in-Projekt unausgeführt blieb. Obwohl Mies- was sonst bestimmt nicht<br />
seine Art war- gestattete, das Gebäude mit dem Schriftzug „Hiway" zu versehen, einer Verballhornung<br />
des Wortes „highway", hätten vorbeifahrende <strong>Auto</strong>lenker mangels weiterer Hinweise<br />
wohl nie oder zu spät erkannt, um was für ein Gebäude es sich eigentlich handelt. Nach<br />
Venturis Theorie wäre Mies van der Rohes Drive-In-Restaurant weder eine „Ente" noch ein-<br />
weil zu wenig- „dekorierter Schuppen" gewesen.<br />
Schon Mies' Beschäftigung mit einer solch profanen Bauaufgabe, wie sie ein<br />
Drive-in-Restaurant darstellt, scheint erstaunlich. Das Scheitern seiner<br />
abstrakten Präzisionsarchitektur auf dem harten Pflaster des Kommerzes war<br />
allerdings vorprogrammiert. „Weniger ist mehr" scheint auf dem<br />
„Commercial Strip" nicht zu gelten. Das Konzept des „universalen Raumes"<br />
<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Reduktion auf den „reinen Behälter" konnte<br />
infolge seiner geringen Werbewirksamkeit niemals auf den auf die<br />
Erkennbarkeit durch den <strong>Auto</strong>fahrer ausgelegten amerikanischen Straßen<br />
Fuß fassen.<br />
Während der 1950er Jahre erreichte die Verbreitung von Drive-in-Restaurants ihren Höhepunkt.<br />
Einige von ihnen stammten von John Lautner. Bereits 1947 entwarf er Henry's Drive-in,<br />
dessen weit ausladendes, schiffsbugähnliches Dach Restaurant, Bar,<br />
Drive-in-Service <strong>und</strong> ei-nen Gartenhof gleichermaßen überspannt. (Abb.<br />
115)<br />
Douglas Honnold, bei dem Lautner nach seinem Weggang von Wright<br />
beschäftigt gewesen war, entwarf selbst eine prototypische Drive-in-<br />
Restaurant-Kette. Bei den aus einer Stahl- Glas-Konstruktion bestehenden<br />
Biff's Restaurants wurden die parkenden <strong>Auto</strong>s tatsächlich ein Teil<br />
der <strong>Architektur</strong>. (Abb.116) Durch große Glasscheiben sichtbar, blieben<br />
sie während der Mahlzeit allgegenwärtig. Erstmals war auch die Küchen-<br />
50
einrichtung frei einsehbar. So geriet der Gast gewissermaßen zwischen die Maschinen, die ihn<br />
brachten, <strong>und</strong> die Maschinen, die für ihn kochten.<br />
Ende der 1950er Jahren erfuhr die „Drive-in"-Idee eine auf Robert O.<br />
Peterson zurückgehende konzeptuelle Modifikation, die „Drive-thru" (am.<br />
through) genannt wird. (125) Erstmals war es die Hauptattraktion eines<br />
1951 in San Diego erbauten „Jack In The Box"- Restaurants. (Abb.117) Mit<br />
„Drive-thru" bezeichnet man Drive-in-Restaurants mit Selbstbedienung. Der<br />
K<strong>und</strong>e fährt bis zu einem Lautsprecher, wo er begrüßt wird <strong>und</strong> seinen<br />
Menüwunsch bekannt gibt, bevor er am Gebäude bis zu einem Fenster<br />
entlang fährt, wo er die fertige Mahlzeit in Empfang nimmt <strong>und</strong> bezahlt.<br />
Beim 1968 im südkalifornischen La Puente errichteten „Donut Hole" wurde<br />
der Begriff „Drive-thru" wörtlich genommen. (Abb.118) Vorausgesetzt, man<br />
hält den Bau nicht irrtümlich für eine <strong>Auto</strong>waschanlage, durchfährt man ihn,<br />
um Donuts, ein unseren Krapfen ähnliches Gebäck, serviert zu bekommen.<br />
1953 eröffneten die Brüder Mc Donald ihr erstes Restaurant, dessen<br />
Charakteristikum ein von zwei goldenen, parabolischen Bögen getragenes<br />
Dach war. (Abb.119) Vereinigt bildeten sie als Zwillingsbogen den<br />
Großbuchstaben „M". Sie signalisierten dem <strong>Auto</strong>fahrer die symbolische<br />
Aussage von fortgeschrittener Technik in Verbindung mit gutem Essen.<br />
Der in den 1950er <strong>und</strong> 60er Jahren seinen Höhepunkt erreichende, durch<br />
Formenvielfalt <strong>und</strong> Extravaganzen charakterisierte Stil wurde in den 1970er<br />
Jahren weitgehend zugunsten rustikaler Formen <strong>und</strong> Materialien aufgegeben.<br />
Damals erhielten die McDonald's-Restaurants ihr bis heute<br />
in Verwendung stehendes, an Pagoden erinnerndes Dach.<br />
(Abb.120) Die Großunternehmen gingen, um ihr Profil <strong>und</strong><br />
ihre Marktposition überregional durchzusetzen, den Weg der<br />
Standardisierung. Die Wiederkehr identischer Ladenlokale<br />
ist auf Vertrauenswerbung angelegt. Wie ein Ei dem anderen gleicht ein<br />
Firmenableger tausende Meilen entfernt dem gleichnamigen Betrieb am<br />
Wohnort. Die zunehmend uniform wirkende Bauweise zielt darauf ab, das<br />
Fremde heimatlich erscheinen zu lassen. Dazu passte das neue Image von<br />
Gemütlichkeit, Rechtschaffenheit <strong>und</strong> Tradition. Ihre Bauten stellen sich als<br />
gute Bekannte vor, so wie jener unsterbliche „Colonel Sanders", dessen<br />
Gesicht als Werbesignal überall in den USA Garant für Backhühner ist.<br />
Erst in den letzten Jahren werden wieder vermehrt eigenständige<br />
Architekten mit der Planung von Drive-in-Restaurants großer Kettenunternehmen<br />
betraut. Ein im Bau befindliches „Kentucky Fried<br />
Chicken" in Los Angeles wurde von Elyse Grinstein <strong>und</strong> Geoff<br />
Daniels, zwei ehemaligen Mitarbeitern von Frank O. Gehry, entworfen.<br />
(Abb.121) Dabei versuchten sie, die Tradition jener „eyecatching-roadside-events"<br />
früherer Zeiten wieder aufleben zu lassen.<br />
An einer Straßenecke situiert, zieht es durch seine dynamische,<br />
skulptural wirkende Bauform die Aufmerksamkeit der vom uniformen<br />
Design vergangener Jahre abgestumpften <strong>Auto</strong>fahrer auf sich.<br />
In Europa konnte die Drive-In-Idee bislang nicht richtig Fuß fassen. Der Platzmangel in den<br />
beengten alten Städten drängte Drive-ins an die Stadtränder, wo sie heute vereinzelt zu finden<br />
sind. Die mangelnde Akzeptanz beim europäischen Publikum kann nur Vermutung bleiben.<br />
Selbst an europäischen <strong>Auto</strong>bahnen wurden bisher keine Drive-in-Restaurants gebaut. Anscheinend<br />
erwartet der europäische Gast - sogar wenn er in Eile ist - herkömmliches Service<br />
oder rechnet schlimmstenfalls mit Selbstbedienung.<br />
51
Ein in diesem Zusammenhang erwähnenswerter Bautypus findet sich<br />
in Italien <strong>und</strong> Frankreich. Dort sind <strong>Auto</strong>bahnraststätten als Brückenkonstruktionen<br />
quer über die Straße gespannt. Eine davon zählt zu den Spätwerken des<br />
großen italienischen Betonkonstrukteurs Pier Luigi Nervi (1891-1979). (Abb.122) Der Vorteil<br />
dieser Anordnung liegt in der leichteren Erreichbarkeit von beiden Fahrbahnrichtungen aus.<br />
Die <strong>Auto</strong>bahn muss nicht wie bei einseitig situierten Raststationen über- oder unterquert<br />
werden. Überdies ist die Werbewirksamkeit solcher „<strong>Auto</strong>bahnüberbrückungen" auch ohne<br />
übertriebene Hinweistafeln gegeben.<br />
9.4 Parkbauten: Häuser für <strong>Auto</strong>s<br />
Stellen die im vorhergehenden besprochenen Drive-in-Einrichtungen im wesentlichen eine<br />
Weiterentwicklung bestehender Gebäudetypen dar, deren bauliche Transformation durch die<br />
Benützung mit dem <strong>Auto</strong> beeinflusst wurde, so handelt es sich bei Parkbauwerken im engeren<br />
Sinn um <strong>Architektur</strong> für <strong>Auto</strong>s. Zum Unterschied von Drive-ins, bei deren Benützung der <strong>Auto</strong>fahrer<br />
sein Fahrzeug meist gar nicht verlässt, sind Parkbauten Aufbewahrungsorte für <strong>Auto</strong>s<br />
<strong>und</strong> somit nicht für den längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt.<br />
Ihre Gr<strong>und</strong>rissgestaltung <strong>und</strong> ihre konstruktive Ausformung richten sich einzig <strong>und</strong> allein nach<br />
den Gesetzen des <strong>Auto</strong>mobils, nach dessen Abmessungen <strong>und</strong> Manövriermöglichkeiten. Die in<br />
Europa übliche Parkplatzgröße misst 2,30 x 4,80 Meter. Wohl aber sind Garagen auch Orte des<br />
Übergangs. Sie vermitteln zwischen der nach den Gesetzmäßigkeiten des schnellen Bewegungsablaufes<br />
gestalteten Welt des <strong>Auto</strong>fahrers <strong>und</strong> der von wesentlich geringerer Geschwindigkeit<br />
bestimmten Welt des Fußgängers.<br />
Im Folgenden sollen Tiefgaragen wegen ihrer mangelnden architektonischen Relevanz außer<br />
acht gelassen <strong>und</strong> die Betrachtungen ausschließlich auf Parkhochbauten beschränkt werden.<br />
Nicht mit dem Parkhaus, in dem <strong>Auto</strong>s nur vorübergehend abgestellt werden, sondern mit der<br />
Garage, in der das <strong>Auto</strong> seinen dauernden Standort hat, begann die Entwicklungsreihe der<br />
Bauten für den ruhenden Verkehr. In den ersten Jahren der Motorisierung war das <strong>Auto</strong>mobil<br />
für den <strong>Auto</strong>fahrer ein empfindliches Luxusgefährt, das er nachts nicht am Straßenrand stehen<br />
ließ. So baute man ebenerdige „<strong>Auto</strong>einstellhallen", die eine größere Anzahl von Fahrzeugen<br />
aufnehmen konnten. Doch schon 1925 wurde in Berlin eine mehrgeschoßige Garage, in der die<br />
<strong>Auto</strong>s mittels Aufzügen in die oberen Geschoße transportiert wurden, errichtet. Entsprechend<br />
der damals noch verhältnismäßig geringen Steigfähigkeit der Fahrzeuge, entstanden zunächst<br />
vorwiegend Aufzugsgaragen.<br />
Ein frühes Beispiel einer Parkgarage mit Rampenerschließung<br />
stellt die 1929 von den Architekten A.<br />
Laprade <strong>und</strong> L.E. Bazin erbaute Garage Marbeuf in Paris<br />
dar. (Abb.123,124) Das zwei-geteilte Bauwerk enthielt<br />
im Vordertrakt eine über 6 Geschoße reichende Ausstellungshalle<br />
der Firma Citroen, im Hintertrakt ein 10geschoßiges<br />
Parkhaus <strong>und</strong> war sowohl über geradläufige<br />
Rampen als auch über <strong>Auto</strong>lifte erschlossen. Abgesehen<br />
von zwei weiteren erwähnenswerten italienischen Beispielen<br />
mit Wendelrampen - einem 1.000 Fahrzeuge fassenden<br />
Parkhaus mit dem beziehungsreichen Namen<br />
„Casa dell' <strong>Auto</strong>mobile" in Rom (1928) <strong>und</strong> der „<strong>Auto</strong>rimessa",<br />
jenem Parkhaus, das die Fahrzeuge der Bewohner<br />
<strong>und</strong> Besucher der autolosen Stadt Venedig aufnimmt<br />
- wurde in Europa im allgemeinen erst nach dem 2. Weltkrieg mit dem Bau von Parkgaragen<br />
begonnen.<br />
In den USA setzte die Entwicklung frühzeitiger ein. Als findige Geschäftsleute beobachteten,<br />
dass auf ihren unbebauten Gr<strong>und</strong>stücken im Stadtzentrum <strong>Auto</strong>s abgestellt wurden, deren<br />
Besitzer in den umliegenden Büros arbeiteten, hoben sie Gebühr ein, die auch ohne weiteres<br />
52
ezahlt wurde. Bald reichte der Platz auf den unbebauten Gr<strong>und</strong>stücken nicht mehr aus. Da<br />
sich das Parkgeschäft als gewinnbringend erwiesen hatte, errichteten viele Gr<strong>und</strong>stücksbesitzer<br />
über ihren Parkplätzen mehrgeschossige Garagenbauten. Auf solche Weise entstand<br />
1926 ein Parkhaus in Winston-Salem, North Carolina, bei dem erstmals das Prinzip gerader<br />
Rampen zwischen versetzten Geschoßen angewandt wurde.<br />
Ein systematischer Parkhausbau setzte aber auch in Amerika erst<br />
nach dem 2. Weltkrieg ein, als die <strong>Auto</strong>industrie das Land schlagartig<br />
mit einer Woge neuer <strong>Auto</strong>mobile überschwemmte, so dass die Stadtverwaltungen<br />
eigene Körperschaften gründeten, die mit der Aufgabe<br />
betraut wurden, Bedarfserhebungen durchzuführen, Gr<strong>und</strong>stücke zu<br />
erwerben, Parkbauwerke zu errichten <strong>und</strong> zu betreiben. Aus dieser<br />
Zeit stammt auch F.L. Wrights ob seiner Spiralenform entfernt an das<br />
Guggenheim-Museum in New York erinnernde Projekt einer Self-<br />
Service-Garage für Pittsburgh, Pennsilvania. (Abb.125)<br />
Abgesehen vom letzterwähnten Beispiel, waren die ersten Garagen <strong>und</strong> Parkhäuser<br />
Gebilde ohne typische Form, entweder ähnelten sie Fabrikshallen oder<br />
verbargen sich hinter eklektizistischen Fassaden. Auf ihr Wesentliches reduziert,<br />
sind Parkhäuser im Gr<strong>und</strong>e recht einfache Bauwerke mit nur wenigen funktionell<br />
notwendigen Bauteilen: Stützen, Decken, Brüstungen, Rampen oder Aufzüge für<br />
<strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> Treppen <strong>und</strong> Aufzüge für Menschen. Nur wenigen Architekten ist es<br />
gelungen, diese wenigen Konstruktionselemente so zu verfeinern <strong>und</strong> zusammen<br />
zu fügen, dass das Charakteristische des damals noch neuen Bautyps ausdrucksstark<br />
hervortrat. 1905 gelang Auguste Perret mit dem Bau der Ponthieu-Garage<br />
in Paris der erste Versuch eines ästhetischen Stahlbeton-Baus. (Abb.126)<br />
Offensicht-lich hielt er eine Betonkonstruktion einer derart zeitgemäßen<br />
technischen Bauaufgabe angemessen.<br />
Als „klassisches" Beispiel für offene Parkgaragen kann ein 1948 von R.L.<br />
Weed and Associates in Miami, Florida, erbautes Parkhaus gelten. (Abb.127,<br />
128) Hier sind die schlanken Stützen so weit zurückgerückt, dass die auskragenden,<br />
zweimal versetzten Deckenplatten zum bestimmenden Element wurden.<br />
Da die Brüstungen lediglich durch einfache Stahlrohre gebildet werden,<br />
entsteht der Eindruck, als würden die <strong>Auto</strong>s elegant wie auf Präsentiertellern<br />
dargeboten.<br />
Bei der 1947 errichteten Lazarus-Garage der Architekten<br />
Potter, Tyler, Martin <strong>und</strong> Roth in Columbus,<br />
Ohio, sind die <strong>Auto</strong>s dagegen hinter schwingenden,<br />
massiven Brüstungsbändern verborgen. (Abb.129)<br />
Man kann sich kaum vorstellen, dass der Bau etwas<br />
anderes aufnimmt als <strong>Auto</strong>s. Um die Fahrzeuge vor<br />
der Witterung zu schützen, können die Felder über<br />
den Brüstungen mit Glasscheiben geschlossen werden,<br />
was so manches Parkhaus allerdings nicht viel<br />
anders als ein Bürohaus mit horizontalen Fensterbändern<br />
aussehen lässt.<br />
Bis zu welcher Dramatik sich die Gestaltung der Brüstungen steigern lässt,<br />
beweist Paul Rudolphs Parkhaus in New Haven, Connecticut, 1962.<br />
(Abb.130) Seine Forderung: „<strong>Auto</strong>mobile sollen ihre eigene <strong>Architektur</strong><br />
haben" (126), versuchte er nicht etwa durch Gegeneinandersetzen der<br />
Geschoßplatten, Brüstungen <strong>und</strong> Stützen zu erfüllen, sondern durch<br />
dynamisches Ineinanderübergehenlassen der einzelnen Bauteile. In seiner<br />
dramatischen Reihung von Doppelstützen erinnert der Bau entfernt an<br />
Viadukte vergangener Zeiten.<br />
53
Das Aussehen von Parkbauten hängt von der Entscheidung<br />
ab, ob die <strong>Auto</strong>s gezeigt oder verborgen werden<br />
sollen. Im Düsseldorfer Parkhaus Haniel, 1953 von Paul<br />
Schneider-Esleben gebaut, sind die Fahrzeuge hinter<br />
Glas wie in einem Ausstellungsbau untergebracht.<br />
(Abb.131) Seine Eleganz wird durch zwei außen liegende, an Kragarmen aufgehängte, offene<br />
Rampen noch betont.<br />
Im Parkhaus Zion in Salt Lake City, Utah, hingegen wirken die Wagen wie<br />
wilde Tiere hinter Metallgittern. (Abb.132) Sind die Fassaden geschlossen<br />
behandelt, so wird der Magazin-Charakter des Parkhauses betont. Käme<br />
dies bei Parkhäusern mit von Personal bedienten, automatischen Aufzugsanlagen<br />
zwar der Eigenart des Bautyps entgegen, so erscheint ein vollständiges<br />
Abschließen von Parkbauten mit Rampenanlagen umso eher unangebracht,<br />
als sich der Parkk<strong>und</strong>e in ihnen nicht nur als <strong>Auto</strong>fahrer, sondern<br />
auch als Fußgänger aufhält. Zudem schlug die Einordnung solcher Silobauten<br />
in die Umgebung infolge mangelnder Gliederungsmöglichkeiten<br />
hinsichtlich der Maßstäblichkeit meist fehl.<br />
In seinem Projekt für die Meinekestraße in Berlin, 1976, plante<br />
James Stirling, den Straßenraum, in den ein Parkhausbau aus<br />
den Nachkriegsjahren ein großes Loch gerissen hatte, im<br />
nachhinein durch Einfügen eines teilweise kulissenhaft anmutenden<br />
Wohnblocks zwischen Garage <strong>und</strong> Gehsteig wiederherzustellen.<br />
(Abb.133) Die Garage behielt ihre ursprüngliche<br />
Funktion, ihr unmaßstäbliches Erscheinungsbild wird jedoch den<br />
Blicken entzogen.<br />
9.4.1 Parkbauten in Verbindung mit anderen Bautypen<br />
Viel eher scheint eine Integration möglich, wenn eine Verbindung von Parkbauten mit Bautypen<br />
anderen Funktionsgehalts gleich von vornherein angestrebt wird. Am häufigsten geschieht<br />
dies in Form einer Tiefgarage unter dem Gebäude, seltener auf dessen Dach. In der<br />
Folge soll anhand einiger Beispiele dargestellt werden, wie die Unterbringung der <strong>Auto</strong>s zum<br />
integrierten Bestandteil der Planung wurde.<br />
Mit dem Anwachsen des <strong>Auto</strong>reiseverkehrs verloren die für Eisenbahnreisende gebauten,<br />
großen Hotels in den Stadtzentren infolge Parkplatzmangels zunehmend an K<strong>und</strong>en. Die<br />
bereits beschriebene Entwicklung eines neuen Hoteltyps war die Folge. Die Motels an den<br />
Stadträndern boten den <strong>Auto</strong>fahrern bequeme Parkmöglichkeiten in unmittelbarer<br />
Nähe zum Hotelzimmer. Bestehende Hotels versuchten mit der<br />
Entwicklung Schritt zu halten, indem sie eigene Parkbauten auf benachbarten<br />
Gr<strong>und</strong>stücken errichteten. Bei Neuplanungen errichtete man meistens,<br />
unter den Hotels Tiefgaragen.<br />
Anders bei der Planung des 1965 von William B. Tabler errichteten Hilton<br />
Hotels in San Francisco. (Abb.134, 135, 136, 137) Es stellt den Prototyp<br />
eines innerstädtischen Motels dar. Zum<br />
Unterschied von den oft weitläufigen<br />
Motels an den Highways entwickelt sich<br />
das Downtown-Motel in vertikaler Richtung.<br />
Im Kern des Gebäudes befindet<br />
sich ein 7-geschossiges Parkhaus für<br />
400 <strong>Auto</strong>s. Nur durch den Hotelflur<br />
davon getrennt, sind die Zimmer ringsum<br />
angeordnet. Der Gast gelangt somit<br />
auch in diesem Großhotel mit dem <strong>Auto</strong><br />
54
fast direkt vor seine Zimmertür. Auf dem Dach sind die Zimmer zweibündig<br />
um einen viergeschoßig umbauten Hof mit Schwimmbecken<br />
angelegt, der trotz seiner Lage im Stadtzentrum wie der eines Vorort-<br />
Motels anmutet.<br />
Bei der Errichtung von <strong>Wohnbau</strong>ten<br />
bietet sich Parkraum in den<br />
seltensten Fällen so unmittelbar an wie bei freistehenden<br />
Terrassenhäusern, deren innere Dunkelzonen<br />
ein ideales Magazin für <strong>Auto</strong>s darstellen. (Abb.138)<br />
Ansonsten wird meist auf konventionelle Parksysteme<br />
zurückgegriffen. Zur Auswahl stehen je nach Lage <strong>und</strong><br />
Situation oberirdische Einstellplätze, eingeschoßige Garagen, halbversenkte Parkpaletten,<br />
Tiefgaragen oder mehrgeschossige Parkhäuser(127), die alle mehr oder weniger in die<br />
Bebauung integrierbar sind.<br />
Spektakulärstes Beispiel in Richtung Integration stellen die beiden<br />
Wohnhochhäuser von Marina City am Ufer des Chicago River dar<br />
(Chicago, 1962, Architekt Bertrand Goldberg). (Abb.139) 15<br />
„Wendelgeschosse", auf denen die <strong>Auto</strong>s radial abgestellt werden,<br />
schrauben sich um die Aufzüge <strong>und</strong> Stiegen enthaltenden Kerne der<br />
r<strong>und</strong>en Wohntürme von der Platzebene aus nach oben. Ein Installationsgeschoß<br />
trennt sie von den darüberliegenden 40 Wohngeschoßen.<br />
Auf den Garagenrampen herrscht Gegenverkehr. Bedienungspersonal<br />
nimmt den <strong>Auto</strong>fahrern den Wagen im Erdgeschoß ab.<br />
Der Einbau weiterer Folgeeinrichtungen im Erd- <strong>und</strong> in den Untergeschoßen<br />
- Theater, Schwimmhalle, Restaurant, Supermarkt,<br />
Bootshafen, U-Bahn-Station - macht die Bewohner von Marina City<br />
weitgehend autonom.<br />
In Aufsehen erregender Weise lösten Kevin Roche <strong>und</strong> John Dinkeloo<br />
das Parkproblem bei ihrem 1965 errichteten New Haven Veterans<br />
Memorial Coliseum in New Haven, Connecticut. (Abb.140) Durch den<br />
hohen Gr<strong>und</strong>wasserspiegel waren sie einerseits gezwungen, ein<br />
Parkhaus zu bauen, für das aber andererseits zu wenig Platz auf dem<br />
Gr<strong>und</strong>stück vorhanden war. Um dieses Dilemma zu überwinden,<br />
entschlossen sie sich, das Parkhaus 21 Meter über dem Boden in weitgespannte, drei<br />
Geschoße hohe Fachwerksträger zu hängen, so dass es<br />
gleichzeitig das Dach der 10000 Zuschauer fassenden<br />
Eishockey-Arena bildet. Über zwei außen liegende Wendelrampen<br />
gelangen die <strong>Auto</strong>s auf vier Parkdecks, Rolltreppen<br />
verbinden Parkhaus <strong>und</strong> Stadion.<br />
10. Das Ende einer Liaison<br />
Mit dem 1963 erschienenen britischen Buchanan-Report trat zumindest ansatzweise eine<br />
Wende in der bis dahin ausschließlich auf das <strong>Auto</strong> fixierten Stadtplanung ein. Die Utopie der<br />
„autogerechten Stadt" der Nachkriegsjahre war einer geänderten Betrachtungsweise gewichen.<br />
Die Konflikte zwischen den Verkehrsarten, die optische <strong>und</strong> physische Beeinträchtigung<br />
der Umwelt, die Gefährdung der historisch gewachsenen Städte durch das <strong>Auto</strong> wurden zunehmend<br />
ernst genommen. Nach wie vor waren auch die Lösungsvorschläge des Buchanan-<br />
Reports noch vom Fortschrittsglauben geprägt, wenn auch nicht mehr von jener Radikalität<br />
vergangener Jahre. Es wurden Ortsumfahrungen, verkehrsberuhigte Zonen aber auch die<br />
vertikale Trennung des Verkehrs vorgeschlagen, was vielerorts zu monströsen Aufbauten mit<br />
Fußgängerdecks <strong>und</strong> Schnellstraßenüberbauungen aber auch Fußgängertunnels unter Verkehrsstraßen<br />
führte, welche die gewachsene Stadtstrukturen ebenso zerstörten wie die<br />
Schnellstraßen selbst. Die zunehmende Motorisierung erschien Buchanan nicht mehr als<br />
55
hoffnungsvolles Ziel, sondern eher als unheilvolles Schicksal,<br />
das bewältigt werden muss. Man wurde sich bewusst,<br />
dass Stadt <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>verkehr im Gr<strong>und</strong>e unvereinbar seien,<br />
<strong>und</strong> dass jede Lösung immer nur einen Kompromiss<br />
darstellen kann.<br />
Auch für die damals führenden Architekten der Avantgarde<br />
veränderte sich die Tonlage dem <strong>Auto</strong> gegenüber.<br />
Die Weltraumfahrt zog zumindest für einige Jahre die Aufmerksamkeit<br />
auf sich <strong>und</strong> löste das <strong>Auto</strong> im Bereich der <strong>Architektur</strong> als bisherigen Technologiefetisch<br />
ab. Selbst <strong>Auto</strong>firmen nannten Ihre Erzeugnisse nun Rocket, Starfire <strong>und</strong> Skyway.<br />
Die <strong>Architektur</strong>utopisten der 1960er Jahre, die britische<br />
Archigram-Gruppe, der Ungar Yona Friedman <strong>und</strong> die<br />
japanischen Metabolisten zeigten sich beeindruckt von den<br />
Weltraumbahnhöfen <strong>und</strong> bemannten Satellitenkapseln <strong>und</strong><br />
holten sich Anregungen für ihre von der Faszination des<br />
technisch Machbaren besessenen Entwürfe. 1957 hatte Mike<br />
Webb, Gründungsmitglied der Gruppe Archigram, beim<br />
Entwurf des „Furniture Manufacturers Association Building<br />
for High Wycombe" noch Anleihen aus der Welt des <strong>Auto</strong>mobils<br />
genommen. (Abb.141) Dem Gebäude hatte er die<br />
Form eines Motors gegeben, sein Aufzugsturm sah wie eine<br />
Auspuffanlage aus. Nun folgten Projekte, bei denen <strong>Auto</strong>s<br />
zum Teil auf komplizierten Brückenlabyrinthen hoch über<br />
dem Boden geführt, zum Teil aber auch irgendwo unter der<br />
dichten Packlage von Stockwerken verstaut oder in Rohre<br />
gesteckt, durch die sie wie Geschosse katapultiert werden<br />
sollten. Angesichts der neuen Perspektiven wurden sie als<br />
reichlich altmodische Verkehrsmittel angesehen. Sogar das<br />
Domizil des <strong>Auto</strong>s, die Hochgarage, konnte - zumindest im<br />
Projekt - Raketenform annehmen. (Abb.142)<br />
Der wohl skurrilste Entwurf dieser Zeit stammt vom Archigram-Mitglied<br />
Ron Herron. Nachdem die Raketenbauer von<br />
Cape Canaveral bewiesen hatten, 40 Geschosse hohe Raketen<br />
in Bewegung setzen zu können, ging Herron daran,<br />
den gleichen Aufwand an Energie auch für ganze Städte<br />
anzuwenden, um sie in Bewegung zu setzen. Seine an<br />
Insekten erinnernden Geschöpfe der „Walking City" sollten<br />
die Stadt mobil machen. (Abb.143) Dabei ging es nicht<br />
mehr um eine wohl überw<strong>und</strong>en geglaubte Mobilität auf<br />
Rädern wie der von <strong>Auto</strong>mobilen, sondern um eine technische<br />
Utopie, die in einem auf animalistische Urvorstellungen zurückgehenden Bild verkörpert<br />
wird, das mit der rationellen Nüchternheit der Technik nichts mehr zu tun hat. Mike Webbs<br />
Otto-Motor als Wohnhaus war zunächst eine Übertragung <strong>und</strong> Symbolisierung, nicht eine<br />
wirkliche, sondern eine scheinbare Maschine. Die „Walking City" ist als Maschine scheinbar ein<br />
Tier.<br />
Durch die Künstler <strong>und</strong> Designer der Pop Art wurde das <strong>Auto</strong> wiederentdeckt. Allerdings sahen<br />
sie es anders als die Klassiker der Moderne. Es war nicht mehr eines jener Instrumente, denen<br />
die produktive Änderung der gesamten Lebenseinrichtung zu danken sein würde. Für die Pop-<br />
Generation war es nicht Werkzeug irgendeiner Revolution, sondern ein gegebenes Faktum,<br />
wenn auch eines, mit dem sich viele Emotionen verbanden. Als neue Ikonen erkor man sich<br />
ausgerechnet jene amerikanischen Traumwagen der späten 1950er Jahre, die mit barocken<br />
Kühlern <strong>und</strong> mächtigen Heckflossen den strengen Designertheorien Hohn sprachen. Tom<br />
Wolfe, amerikanischer Starreporter jener Jahre, beschrieb sie in seinem Buch „The Kandy-<br />
Colored Tangerine- Flake Streamline Baby." (128) Wie bereits erwähnt, machte sich Robert<br />
56
Venturi 1968 mit einer Gruppe Studenten der Yale University nach Las Vegas auf, um zu<br />
untersuchen, was das <strong>Auto</strong> aus einer Stadt gemacht hatte. (129)<br />
Entscheidend für die Einschätzung des <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> seiner Folgen durch die Pop-Generation war<br />
ihr reaktives Verhalten. Anders als bei der Avantgarde der 1920er Jahre wurden nun keine<br />
Visionen mehr in die Zukunft projiziert. Man ging lediglich daran, das Vorhandene zu beschreiben<br />
<strong>und</strong> neu zu bewerten: Alles sollte, allenfalls mit kleinen Änderungen, so bleiben wie es<br />
war <strong>und</strong> als Phänomen betrachtet werden. In den 1960er Jahren vollzog sich ein für die Kulturentwicklung<br />
f<strong>und</strong>amentaler Umbruch. Die Wertsetzungen der Konsumgesellschaft drangen<br />
in den bislang abgeschirmten Bereich der Kunst, die abgesteckten Grenzen zwischen Alltag<br />
<strong>und</strong> Kunst, Kitsch <strong>und</strong> Kunst sowie Konsum <strong>und</strong> Kunst wurden durchbrochen.<br />
Die der Pop Art nahestehende Gestalter- <strong>und</strong> Architektengruppe SITE (Sculpture In The Environment)<br />
schuf während der 1970er Jahre Erwartungen störende Gebäudeinszenierungen,<br />
ausgerechnet dort, wo routinierte Betrachtung <strong>und</strong> gewohnheitsmäßige Nutzung durch das<br />
autofahrende Publikum verbreitet sind, bei Supermärkten <strong>und</strong> Einkaufszentren. Im Umfeld<br />
dieser modernen <strong>Auto</strong>pilgerstätten nahmen SITE drastische Eingriffe in die dort üblichen<br />
Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Verhaltensmuster vor.<br />
Für die Best Products Company entwickelten sie Einkaufsmärkte deren<br />
Fassaden bereits abzubröckeln, sich abzulösen oder zu kippen scheinen,<br />
andere wieder, von denen sich eine Gebäudeecke löst. Ein nicht realisiertes<br />
Projekt aus dem Jahr 1976, das sogenannte „Parkplatzhaus" („Parking Lot<br />
Showroom"), sah vor, eine Best-Niederlassung wellenförmig mit der<br />
Asphaltdecke eines Parkplatzes zu überziehen. (Abb.144) Das „Dach"<br />
würde damit zur Erweiterung der sonst von Gebäude abgesetzten Parkfläche,<br />
Bauwerk <strong>und</strong> Umgebung würden eins. Das amerikanische Syndrom<br />
vom Einkaufen <strong>und</strong> <strong>Auto</strong>gebrauch <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>ene Parkplatzbedarf,<br />
der bis zum Fünffachen der bebauten Fläche betragen kann, ist architektonisch wörtlich<br />
genommen <strong>und</strong> auf einen absurden Nenner gebracht worden.<br />
In den 1970er Jahren musste sich die bis dahin ungebremste Begeisterung<br />
für die Mobilität erstmals Kritik von bildenden Künstlern gefallen lassen. Der<br />
amerikanische Pop Art-Bildhauer John Chamberlain verwendete mit Vorliebe<br />
<strong>Auto</strong>schrotteile für seine aus gestauchtem <strong>und</strong> lackiertem Blech zusammen<br />
geschweißte Skulpturen, um die Fragwürdigkeit unserer Verschleißproduktion<br />
vor Augen zu führen. Stefan Wewerka ließ ein <strong>Auto</strong> in die Berliner<br />
Mauer stecken, die Designer- <strong>und</strong> Künstlergruppe Ant Farm tat ähnliches<br />
mit einer Reihe von Exemplaren der General Motors-Nobelmarke Cadillac,<br />
die sie kühlerwärts in den staubigen Boden von<br />
Texas rammten. (Abb.145) Das gleiche bezeichnende<br />
Motiv, das Erstarren der Bewegung, faszinierte<br />
auch SITE. Vor einem Shopping Center in Hamden, Connecticut, ließen<br />
sie 1978 20 Schrottautos unterschiedlicher Marken mit Beton anfüllen<br />
<strong>und</strong> mit Asphalt übergießen. Zwei wesentliche Ingredienzien von<br />
Einkaufszentren - <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> Asphalt - wurden als erstarrte Masse zum<br />
„Geisterparkplatz" („Ghost Parking Lot"). (Abb.146) Der Protest gegen<br />
den Fetisch des schnellen Vorankommens wird bei SITE gleichzeitig zur<br />
Werbeattraktion.<br />
11. <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong> heute<br />
Wenn nicht alles täuscht, hat die Liaison zwischen Architekten <strong>und</strong> Stadtplanern einerseits <strong>und</strong><br />
dem <strong>Auto</strong> andererseits ein Ende gef<strong>und</strong>en. Kraftfahrzeuge werden zwar heute in noch<br />
größeren Stückzahlen produziert als in den Tagen des intellektuellen <strong>Auto</strong>kults <strong>und</strong> Neuerscheinungen<br />
in der <strong>Auto</strong>mobilbranche finden auf <strong>Auto</strong>messen nach wie vor ihr bew<strong>und</strong>erndes<br />
Publikum. Dass immer noch Straßenbauprogramme forciert werden, liegt im Interesse der<br />
57
<strong>Auto</strong>industrie, der Ölkonzerne, der Bauwirtschaft <strong>und</strong> der vom öffentlichen Verkehr vernachlässigten<br />
Reisenden. Allein die Verflechtungen, die zwischen <strong>Auto</strong>herstellern <strong>und</strong> anderen<br />
Wirtschaftszweigen bestehen, bieten dem <strong>Auto</strong> eine Bestandsgarantie auf lange Zeit.<br />
Gleichzeitig wuchs die Kritik am <strong>Auto</strong>. Seine Stadt zerstörerische Wirkung wurde allmählich<br />
erkannt. In den 1960er Jahren war Städtebau zur reinen Verkehrsplanung degradiert worden.<br />
Die Planungskonzepte basierten auf den Glauben, es genüge, die Stadt dem Individualverkehr,<br />
d.h. dem <strong>Auto</strong>verkehr, anzupassen. Kahlschlagsanierungen kennzeichneten die Städtebaupraxis<br />
dieser Zeit. Die Zersiedlung der Landschaft, die das <strong>Auto</strong> erst ermöglicht hatte, nahm<br />
ihren Lauf. Doch langsam organisierte sich Bürgeraufbegehren gegen den verkehrsbedingten<br />
Abriss ganzer Stadtviertel. Erstmals mußten Planungen eingestellt werden, als sich Widerstand<br />
gegen den Bau des Embarcadero Freeways in San Francisco regte. Ende der 70er Jahre begann<br />
man in Holland verkehrsberuhigte Wohnstraßen - die Delfter Woonerfs - zu bauen. Victor<br />
Gruen, einst Pionier der von parkenden <strong>Auto</strong>s umstellten Einkaufszentren, plädierte nun für<br />
die Priorität des öffentlichen Verkehrs <strong>und</strong> versuchte, seine Shopping Centers als Wiedergeburt<br />
der alten europäischen Stadtkerne umzudeuten. (130)<br />
1966 bezichtigte Ralph Nader die <strong>Auto</strong>industrie, aus Profitgründen die Sicherheit von Fahrern<br />
<strong>und</strong> Fußgängern zu gefährden. (131) Als einer der ersten wies er auf die Benachteiligung der<br />
Nichtmotorisierten, der Kinder, Alten, Armen, <strong>und</strong> Behinderten in einer motorisierten Gesellschaft<br />
hin, auf deren Kosten die Vernachlässigung der öffentlichen Verkehrsmittel zugunsten<br />
des Individualverkehrs gehe.<br />
Mit der Ölkrise von 1973 <strong>und</strong> dem zunehmenden Bewusstsein für Umweltverschmutzung trat<br />
die Diskussion um das <strong>Auto</strong> in ein neues Stadium ein. Der <strong>Auto</strong>verkehr ist verantwortlich für<br />
62,5% der Kohlenmonoxyde, 39,9% der Kohlenwasserstoffe <strong>und</strong> 42,7% der Stickoxyde in der<br />
Luft. (132) Dazu kommen noch das Blei der Abgase, die Asbestfasern der Bremsbeläge <strong>und</strong><br />
der Gummiabrieb der Reifen, wie auch der Lärm, die sich ges<strong>und</strong>heitsschädlich auswirken. Es<br />
ist nicht Ziel dieser Arbeit, Prognosen für die Zukunft des <strong>Auto</strong>mobils zu stellen. Wenn auch<br />
die Hoffnung besteht, dass die durch zunehmende Computerisierung möglich gewordene, zumindest<br />
teilweise Verlagerung der Arbeitsplätze ins eigene Heim das Verkehrsaufkommen<br />
vermindern könnte, wird das <strong>Auto</strong> trotz seiner negativen Auswirkungen bis in absehbare Zeit<br />
ein wichtiges Verkehrsmittel bleiben.<br />
Erst spät begann sich die Wissenschaft für alternative Fortbewegungsmittel, von der Magnetschwebebahn<br />
<strong>und</strong> Luftkissenfahrzeugen bis zu computergesteuerten Kabinentaxis <strong>und</strong> der<br />
automatischen Steuerung von <strong>Auto</strong>s auf <strong>Auto</strong>bahnen, zu interessieren. Die <strong>Auto</strong>mobilindustrie<br />
entwickelt Motoren mit verminderten Abgas- <strong>und</strong> Lärmemissionen sowie geringerem Verbrauch.<br />
Alternative Energieträger wie Wasserstoff <strong>und</strong> Elektrizität sind Gegenstände der<br />
Forschung <strong>und</strong> werden von Regierungen gefördert. In Los Angeles sollen ab dem Jahr 2004<br />
keine mit Verbrennungsmotoren betriebenen Fahrzeuge mehr zugelassen werden.<br />
Auch in den Bereichen des Städtebaus <strong>und</strong> der Verkehrsplanung wird umgedacht. Sogar<br />
Städte wie Los Angeles gehen daran, nicht nur endlich ihr desolates öffentliches Verkehrsmittelnetz<br />
zu verbessern, sondern auch Gebäudekomplexen, die zuviel motorisiertes Publikum<br />
anlocken würden, die Baugenehmigung zu verweigern.<br />
Für die Architekten der Moderne bot das <strong>Auto</strong> noch eines der Schlüsselerlebnisse der Epoche.<br />
Es hat ihren Metaphernvorrat, ihre Mythologie <strong>und</strong> ihr bildnerisches Denken bereichert. Auch<br />
heute gibt es Architekten, die es sich leisten können, dem eigenen Ego mit einem Porsche<br />
oder Jaguar zu schmeicheln. In ihrem professionellen Denken scheint das <strong>Auto</strong> als kulturelles<br />
Symbol allerdings keine inspirierende Rolle mehr zu spielen.<br />
Die sich in den 1930er Jahren abzeichnende Abspaltung des Designs von der <strong>Architektur</strong> ist<br />
längst vollzogen. Heute liegt die jahrelange Entwicklung neuer <strong>Auto</strong>mobile in den Händen erfahrener<br />
Expertenteams zusammen mit weltbekannten Designern. Der Rat dilettierender<br />
Architekten scheint nicht mehr gefragt zu sein.<br />
58
Neue Berufszweige mit Spezialisten, deren Aufgabe es ist, Verkehrsaufkommen- <strong>und</strong> Verteilung<br />
zu analysieren, Knotenpunkte <strong>und</strong> Straßenquerschnitte zu berechnen <strong>und</strong> Verkehrspläne<br />
zu erarbeiten, haben die Architekten weitgehend verdrängt. Städtebauliche Pauschallösungen,<br />
wie sie Le Corbusier <strong>und</strong> seine Zeitgenossen anboten, hätten heute noch geringere Chancen<br />
zur Verwirklichung als zu ihrer Zeit.<br />
Und die <strong>Architektur</strong>? Vorbei sind die Zeiten, als Tankstellen <strong>und</strong> Garagen im Mittelpunkt des<br />
<strong>Architektur</strong>interesses standen. (133) James Stirlings Berliner Projekt für die nachträgliche<br />
„Verkleidung" einer Hochgarage mit Wohnungen verdeutlicht den heutigen Umgang mit<br />
Bauaufgaben dieser Art, wie ihn uns die Postmoderne gelehrt hat. Das <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> die damit in<br />
Verbindung stehenden Gebäudetypen werden als notwendiges Übel betrachtet, das möglichst<br />
nicht in den Vordergr<strong>und</strong> zu treten hat.<br />
In Österreich hat es in letzter Zeit den Anschein, als hätten sich die Architekten - gezwungenermaßen<br />
oder nicht - aus diesem Aufgabenbereich zurückgezogen. Sie müssen bildenden<br />
Künstlern das Feld räumen, die den lauten Mitteln der Werbung die nostalgische Attitüde an<br />
die Seite stellen. (Friedensreich H<strong>und</strong>ertwasser: Raststätte an der A2, 1989, <strong>und</strong> Tankstelle in<br />
<strong>Wien</strong> XX, derzeit in Planung, sowie Gottfried Kumpf: Raststätte mit Motel an der A4, derzeit in<br />
Planung)<br />
Selbst in den USA, dem gelobten Land des <strong>Auto</strong>mobils, verschwinden immer mehr hervorragende<br />
Beispiele der <strong>Auto</strong>-<strong>Architektur</strong> von den Straßenrändern. Viele der in dieser Arbeit<br />
angeführten Beispiele sind mittlerweile zerstört oder bis zur Unkenntlichkeit umgebaut worden.<br />
(134) Beispielsweise fiel das Pan Pacific Auditorium, eine Ikone der <strong>Auto</strong>-Kultur (vgl. Kap.<br />
5.3.5), 1989 einem Brand zum Opfer. Ironischerweise war es gerade der Straßenbau, der<br />
vielen Drive-ins, Motels <strong>und</strong> Tankstellen die wirtschaftliche Basis entzog. Die Verlagerung des<br />
Verkehrs auf Stadtautobahnen führte zur Rückbildung der Commercial Strips, die die Heimstätte<br />
dieser Einrichtungen waren. Auch veränderte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte die<br />
Aufmachung dieser Gebäudetypen. Seit der Verbreitung von Fernseh-Werbung <strong>und</strong> Computer-<br />
Reservierung ist es nicht mehr das marktschreierische Aussehen solcher Gebäude allein, das<br />
die <strong>Auto</strong>-K<strong>und</strong>en von der Straße lockt. Zudem hatte die Perfektionierung der gastronomischen<br />
Infrastruktur durch Großketten-Unternehmen der Restaurant- <strong>und</strong> Hotelbranche aber auch das<br />
vereinheitlichte Firmendesign der Ölkonzerne eine zunehmende Uniformierung zur Folge, die<br />
gestalterisch wertvolle Einzelgänger weitgehend verdrängte.<br />
An diesen Symptomen ist abzulesen, dass die so progressiv begonnene Entwicklung abgeflaut<br />
ist. Zumindest die „romantische" Periode der gegenseitigen Faszination von <strong>Auto</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Architektur</strong> scheint vorbei zu sein. Technisches Kalkül <strong>und</strong> planerisches Denken verdrängen<br />
zunehmend das Chaos des Strips <strong>und</strong> mit ihm die <strong>Auto</strong>-<strong>Architektur</strong>. Die Freiheitsgrade, die<br />
sich der <strong>Auto</strong>mobilist errungen hat, wird er deswegen nicht aufgeben. Die Faszination wird<br />
allerdings in ein sachliches Verhältnis übergehen, <strong>und</strong> der teure Garagenplatz in der Innenstadt<br />
wird wichtiger als alle noch so phantasievollen Drive-ins. Wer der in dieser Arbeit geschilderten<br />
Periode nachtrauert, dem bleibt ihre wachsende Anerkennung durch das zeitgemäße<br />
Mittel der Erhaltung: Zum Trost darf er vernehmen, dass die wenigen noch übriggebliebenen<br />
Original-Drive-ins der Firma McDonald's unter Denkmalschutz gestellt werden...<br />
(135)<br />
59
Abbildungsnachweis<br />
Abb.1 Citroen DS 19 an der Tankstelle vor der Einfahrt zur Tiefgarage der Siedlung Halen, Bern, 1960, Atelier 5,<br />
Klose: ebenda<br />
Abb.2 Giacomo Balla, <strong>Auto</strong>geschwindigkeit, Gemälde, 1913, Schönberger: ebenda<br />
Abb.3 Rolls-Royce-Kühler, ab 1933, Petsch: ebenda<br />
Abb.4 Ford Modell T, 1912, Petsch: ebenda<br />
Abb.5 Fließbandarbeit für das Modell T in der Highland-Park-Fabrik der Ford Motor Company, 1913, Schönberger:<br />
ebenda<br />
Abb.6 Joseph Maria Olbrich, <strong>Auto</strong>mobilentwurf für Opel, 1907, Petsch: ebenda<br />
Abb.7 Umberto Boccioni, Titelblatt der Zeitschrift "Avanti della Domenica", 1905, Sch”nberger: ebenda<br />
Abb.8 Le Corbusier, Maison Citrohan, 1922, Boesiger 1946<br />
Abb.9 Gegenüberliegende Seiten aus "Vers un Architecture", 1923, oben ein Tempel in Paestum <strong>und</strong> ein Humber von<br />
1907, unten der Parthenon <strong>und</strong> ein Delage von 1921, Le Corbusier: ebenda<br />
Abb.10 Le Corbusier, Villa Savoye, 1929-31, Erdgeschoß, Boesiger 1947<br />
Abb.11 Le Corbusier, Villa Savoye, 1929-31, Boesiger 1946<br />
Abb.12 Le Corbusier, Villa Savoye, 1929-31, Boesiger 1946<br />
Abb.13 G. Th. Rietveld, Garage mit Wohung für den Chauffeur, Utrecht, 1927-1928, Fanelli: ebenda<br />
Abb.14 Le Corbusier, Entwurf für einen Kleinwagen, 1928, Hilpert: ebenda<br />
Abb.15 Le Corbusier, Plan „Voisin" von Paris, 1922-1933, Boesiger 1945<br />
Abb.16 Le Corbusier, Ville Contemporaine, Projekt, 1922, Boesiger 1946<br />
Abb.17 Giacomo Matte-Trucco, Fiat-Werke, Turin-Lingotto, 1914, 1916-1922, Pehnt: ebenda<br />
Abb.18 Giacomo Matte-Trucco, Dach-Prüf- <strong>und</strong> Rennbahn der Fiat-Werke, Turin-Lingotto, 1914, 1916-1922,<br />
Gescheit/Wittmann: ebenda<br />
Abb.19 Le Corbusier am Steuer eines Fiat auf dem Dach der Fiat-Werke, Turin-Lingotto, 1934, Boesiger 1947<br />
Abb.20 Le Corbusier, Stadtplanung für Algier, Projekt A, 1930, ebenda<br />
Abb.21 Le Corbusier, Stadtplanung für Algier, Projekt B, 1931-1934, ebenda<br />
Abb.22 Glass Age Development Committee, Motopia, um 1960, Büttner: ebenda<br />
Abb.23 Adolf Loos, <strong>Auto</strong>entwurf für Lancia, um 1923, Rukschio/ Schachel: ebenda<br />
Abb.24 Walter Gropius, Adler-Kabriolett, 1930, Giedion 1954<br />
Abb.25 Walter Gropius, Adler-Kabriolett, 1930, Isaacs: ebenda<br />
Abb.26 Walter Gropius, Adler-Kabriolett, 1930, Giedion 1954<br />
Abb.27 Walter Gropius, Adler-Kabriolett, 1930, ebenda<br />
Abb.28 R. Buckminster Fuller, Dymaxion Car, 1932, Döring: ebenda<br />
Abb.29 R. Buckminster Fuller, Dymaxion Haus, 1928, ebenda<br />
Abb.30 Arapaho-Lager, Fort Dodge, Kansas, um 1870, Scully: ebenda<br />
Abb.31 Seite aus „Vers un Architecture", 1923, oben Vergleich verschiedener Körper in ihrem Verhalten im Luftstrom,<br />
unten Typenbildung beim <strong>Auto</strong>mobil, Le Corbusier: ebenda<br />
Abb.32 Eisenbahnzug „Zephyr", 1934, Boissiere: ebenda<br />
60
Abb.33 Chrysler Air Flow, 1934, ebenda<br />
Abb.34 William van Alen, Chrysler Building, New York, 1928-1930, Pehnt: ebenda<br />
Abb.35 Alfa Romeo Castagna, 1913, Petsch: ebenda<br />
Abb.36 Norman Bel Geddes, Motor Car Number 8, 1932, Boissiere: ebenda<br />
Abb.37 Gordon Buerig, Cord 810, 1936, ebenda<br />
Abb.38 Walter Dorwin Teague, <strong>Auto</strong>mobilentwurf, 1932, ebenda<br />
Abb.39 Raymond Loewy, Greyho<strong>und</strong>-Reisebus „Silversides", 1940, Sch”nberger: ebenda<br />
Abb.40 Wally Byam, Wohnwagen „Air Stream", 1940, Gemälde von Ralph<br />
Goings, 1970, Boissiere: ebenda<br />
Abb.41 Walter Dorwin Teague, Staubsauger, 1939, ebenda<br />
Abb.42 Raymond Loewy, <strong>Auto</strong>mobil "Champion", Studebaker Company, 1947, Sch”nberger: ebenda<br />
Abb.43 Raymond Loewy, Bleistiftspitzer, 1933, Boissiere: ebenda<br />
Abb.44 Robert V. Derrah, Coca Cola Building, Los Angeles, 1936, Weihsmann/Schmidt-Br mmer: ebenda<br />
Abb.45 Erich Mendelsohn, Einsteinturm, Potsdam, 1920-1921, Klotz 1981<br />
Abb.46 Erich Mendelsohn, Haus des Berliner Tageblattes, Berlin, 1921-1923, ebenda<br />
Abb.47 Walter Wurdeman <strong>und</strong> Welton Beckett, Pan Pacific Auditorium, Los Angeles, 1935, Weihsmann/Schmidt-<br />
Brümmer: ebenda<br />
Abb.48 Norman Bel Geddes, General Motors Building, Weltausstellung New York, 1939, Schönberger: ebenda<br />
Abb.49 Norman Bel Geddes, „Futurama", Weltausstellung New York, 1939, ebenda<br />
Abb.50 Aufbau des „Futurama", New Yorker Weltausstellung, 1939, ebenda<br />
Abb.51 Raymond Loewy, Chrysler Motors Building, Weltausstellung, New York, 1939, Faltblatt mit den<br />
Sehenswürdigkeiten im Inneren des Gebäudes, ebenda<br />
Abb.52 Raymond Loewy, Omnibus, <strong>Auto</strong> <strong>und</strong> Taxi der Zukunft, 1938, ebenda<br />
Abb.53 Cadillac Coupe de Ville, 1958, Petsch: ebenda<br />
Abb.54 Anzeige der <strong>Auto</strong>mobilfirma Plymouth, 1956, Schönberger: ebenda<br />
Abb.55 Indianersattel, Scully: ebenda<br />
Abb.56 Frank Lloyd Wright, Verwaltungsgeb„ude der Johnson Wax Company, Racine, Wisconsin, 1936-1950, Wright:<br />
ebenda<br />
Abb.57 Frank Lloyd Wright, Verwaltungsgebäude der Johnson Wax Company, Racine, Wisconsin, 1936-1950, ebenda<br />
Abb.58 Frank Lloyd Wright, Broadacre City, Projekt, 1934, ebenda<br />
Abb.59 Frank Lloyd Wright, Broadacre City, Projekt, 1934, ebenda<br />
Abb.60 Frank Lloyd Wright, <strong>Auto</strong>mobilentwurf, 1934, Domus: ebenda<br />
Abb.61 Hans Bernhard Reichow, Schema einer autogerechten Stadt, 1959, Reichow: ebenda<br />
Abb.62 Downtown von Los Angeles, um 1970, Schmidt-Brümmer: ebenda<br />
Abb.63 Wohnmobil, Venice, Kalifornien, ebenda<br />
Abb.64 R. Buckminster Fuller, Mechanical Wing, 1943, Giedion 1948<br />
Abb.65 R. Buckminster Fuller, Dymaxion-Haus, Wichita, Kansas, 1946, Kultermann: ebenda<br />
Abb.66 Wohnwagensiedlung in den USA, Hofmeister: ebenda<br />
Abb.67 Mobilheim-Kolonie, Tucson, Arizona, Hofmeister: ebenda<br />
61
Abb.68 Mobile Home, California City, Kalifornien, Venturi/Scott Brown/Izenour: ebenda<br />
Abb.69 Paul Rudolph, Oriental Masonic Gardens, New Haven, Connecticut, 1968, Yoshida: ebenda<br />
Abb.70 Philip Garner, „<strong>Auto</strong>fernsehen", Schmidt-Brümmer: ebenda<br />
Abb.71 Lower Strip von Las Vegas, Blick nach Norden, Venturi/Scott Brown/Izenour: ebenda<br />
Abb.72 Archäologie einer Fassade, Weihsmann/Schmidt-Brümmer: ebenda<br />
Abb.73 Anzeigenserie der Ko<br />
Abb.73 Anzeigenserie der Kosmetikfirma „Burma Shave", um 1950, ebenda<br />
Abb.74 Upper Strip von Las Vegas, Blick nach Norden, Venturi/Scott Brown/Izenour: ebenda<br />
Abb.75 Vergleichende Analyse gerichteter Räume, ebenda<br />
Abb.76 Blick von der Wüste auf den Strip von Las Vegas, ebenda<br />
Abb.77 Dekorierter Schuppen, ebenda<br />
Abb.78 Ente, ebenda<br />
Abb.79 „Long Island Duckling" aus God's Own Junkyard, ebenda<br />
Abb.80 Straßenszenerie aus God's Own Junkyard, ebenda<br />
Abb.81 Frank Lloyd Wright, Tankstelle, Projekt, 1928, Prolegomena 22: ebenda<br />
Abb.82 Lothar Götz, BP-Tankstelle, Fulda, um 1950, Vahlefeld: ebenda<br />
Abb.83 Gerd Lichtenhahn, Tankstelle, Hannover, um 1950, ebenda<br />
Abb.84 Tankstelle der Magnolia Oil Company, 1918, Oliver/Ferguson: ebenda<br />
Abb.85 Hans Borkowsky, Dapolin-Tankstelle, Kassel, 1930, Hitchcock/Johnson: ebenda<br />
Abb.86 Clauss <strong>und</strong> Daub, Tankstelle der Standard Oil Company of Ohio, Cleveland, Ohio, 1931, ebenda<br />
Abb.87 Lois Welzenbacher, Wettbewerb Reichsautobahn-Tankstellen, 1935, Sarnitz: ebenda<br />
Abb.88 Arne Jacobsen, Texaco-Tankstelle, Kopenhagen, 1937, Cervello: ebenda<br />
Abb.89 Walter Dorwin Teague, Texaco-Tankstelle Typ C, 1937, Schönberger: ebenda<br />
Abb.90 Frederick G. Frost, Mobil-Tankstelle, um 1940, Oliver/Ferguson: ebenda<br />
Abb.91 Raymond Loewy, Tankstelle der British Petroleum Company, Malaysia, 1965, Schönberger: ebenda<br />
Abb.92 Lothar Götz, BP-Tankstelle, um 1950, Vahlefeld: ebenda<br />
Abb.93 Vergleichende Matrix von Tankstellen am Strip von Las Vegas, Venturi/Scott Brown/Izenour: ebenda<br />
Abb.94 Paul Harris, Kenneth Price, Chisholm Trail Motel, Duncan, Oklahoma, um 1950, Baker/Funaro: ebenda<br />
Abb.95 Raymond Loewy, The Thoroughbred Motel, Winchester, Kentucky, um 1950, ebenda<br />
Abb.96 William B. Harvard, J.B.Dodd, Trails End Motel, Treasure Island, Florida, um 1950, ebenda<br />
Abb.97 Burton A. Schutt, Capital Inn Motel, Sacramento, Kalifornien, um 1950, ebenda<br />
Abb.98 Arthur T. Brown, Tucson-Biltmore Motel, Tucson, Arizona, um 1950, ebenda<br />
Abb.99 Charles R. Colbert, Motel de Ville, New Orleans, um 1950, ebenda<br />
Abb.100 Eat and Sleep in a Wigwam, Bardstown, Kalifornien, um 1940, Weihsmann/Schmidt-Brümmer: ebenda<br />
Abb.101 Log Cabins, Colfax, Kalifornien, um 1950, ebenda<br />
Abb.102 Log Cabin Motel, Jackson, Wyoming, um 1940, Hofmeister: ebenda<br />
Abb.103 Richard J. Neutra, Holiday House Motel, Malibu Beach, Kalifornien, 1968, Weisskamp: ebenda<br />
62
Abb.104 John Lautner, Contentment House, Palm Springs, um 1950, Baker/Funaro: ebenda<br />
Abb.105 Victor A. L<strong>und</strong>y, Motel Warm Mineral Springs Inn, Venice, Florida, um 1960, Weisskamp: ebenda<br />
Abb.106 Schematischer Gr<strong>und</strong>riss <strong>und</strong> Schnitt eines Drive-in-Kinos, Neufert: ebenda<br />
Abb.107 Richard Neutra, Garden Grove Community Church, Los Angeles, 1959, Boesiger 1966<br />
Abb.108 Richard Neutra, Garden Grove Community Church, Los Angeles 1959, ebenda<br />
Abb.109 Robert Venturi, John Rauch, Denise Scott Brown, National Football Hall of Fame, Projekt, 1967, Moos:<br />
ebenda<br />
Abb.110 Wayne McAllister, Herbert's Drive-in-Restaurant, Los Angeles, 1936, Hess: ebenda<br />
Abb.111 Wayne McAllister, Simon's Drive-in-Restaurant, Los Angeles 1939, Weihsmann/Schmidt-Brümmer: ebenda<br />
Abb.112 El Sombrero Restaurant, Albuquerque, New Mexico, um 1948, ebenda<br />
Abb.113 Wayne McAllister, Van de Kamp's Restaurant, Los Angeles, 1940, Hess: ebenda<br />
Abb.114 Ludwig Mies van der Rohe, Cantor-Drive-in-Restaurant, Projekt, 1949, Drexler: ebenda<br />
Abb.115 John Lautner, Henry's Drive-in-Restaurant, Glendale, Kalifornien, 1947, Hess: ebenda<br />
Abb.116 Douglas Honnald, Biff's Restaurant, Hollywood, 1950, ebenda<br />
Abb.117 Wayne Williams, Jack in The Box Drive-in-Restaurant, San Diego 1958, ebenda<br />
Abb.118 Gil <strong>und</strong> Lorraine, „Donut Hole" Drive-in-Restaurant, La Puente, Kalifornien, 1968, Weihsmann/Schmidt-<br />
Brümmer: ebenda<br />
Abb.119 Stanley C. Meston, McDonald's Drive-in, Standarddesign, 1953-1968, Moos: ebenda<br />
Abb.120 McDonald's Drive-in, Standarddesign, ab 1968, Oliver/Ferguson: ebenda<br />
Abb.121 Elyse Grinstein <strong>und</strong> Geoff Daniels, Kentucky Fried Chicken Drive-in-Restaurant, Los Angeles, 1987,<br />
Architectural Review: ebenda<br />
Abb.122 Melchiorre Bega, Pier Luigi Nervi, <strong>Auto</strong>grill Motta, Padua, 1967, Muratore/Capuano/Garofalo/Pellegrini:<br />
ebenda<br />
Abb.123 A. Laprade <strong>und</strong> L.E. Bazin, Garage Marbeauf, Paris, 1929, Gescheit/Wittmann: ebenda<br />
Abb.124 A. Laprade <strong>und</strong> L.E. Bazin, Garage Marbeauf, Paris, 1929, ebenda<br />
Abb.125 Frank Lloyd Wright, Selbstbedienungsgarage, Pittsburgh, Pennsylvania, 1947, Wright: ebenda<br />
Abb.126 Auguste Perret, Garage Rue Ponthieu, Paris, 1905, Büttner: ebenda<br />
Abb.127 R.L. Weeds, Miami Parking Garage, Miami, Florida, 1949, Klose: ebenda<br />
Abb.128 R.L. Weeds, Miami Parking Garage, Miami, Florida, 1949, ebenda<br />
Abb.129 Potter, Tyler, Martin <strong>und</strong> Roth, Lazarus-Garage, Columbus, Ohio, 1947, ebenda<br />
Abb.130 Paul Rudolph, Parkhaus Temple Street, New Haven, Connecticut, 1962, ebenda<br />
Abb.131 Paul Schneider-Esleben, Parkhaus Haniel, Düsseldorf, 1953, ebenda<br />
Abb.132 Parkhaus Zion, Salt Lake City, Utah, um 1960, ebenda<br />
Abb.133 James Stirling, Meinekestraße, Berlin, 1976, Stirling: ebenda<br />
Abb.134 William B. Tabler, Hilton Hotel, San Francisco, 1965, Weisskamp: ebenda<br />
Abb.135 William B. Tabler, Hilton Hotel, San Francisco, 1965, ebenda<br />
Abb.136 William B. Tabler, Hilton Hotel, San Francisco, 1965, ebenda<br />
Abb.137 William B. Tabler, Hilton Hotel, San Francisco, 1965, ebenda<br />
63
Abb.138 Frey, Schröder, Schmidt, Wohnh gel f r Stuttgart, 1963, Klose: ebenda<br />
Abb.139 Bertrand Goldberg, Wohntürme mit Parkgeschossen, Marina City, Chicago, 1962, Büttner: ebenda<br />
Abb.140 Kevin Roche, John Dinkeloo, New Haven Veterans Memorial Coliseum, New Haven, Connecticut, 1965,<br />
Futagawa: ebenda<br />
Abb.141 Mike Webb, Furniture Manufacturers Association Building for High Wycombe, 1957, Klotz 1984<br />
Abb.142 Vo Toan, Hochgarage in Raketenform, um 1960, Büttner: ebenda<br />
Abb.143 Ron Herron, Walking City, 1964, Klotz 1984<br />
Abb.144 SITE, Parking Lot Showroom, Best-Supermarkt, Projekt, 1976, SITE: ebenda<br />
Abb.145 Ant Farm, Cadillac Ranch,<br />
Abb.146 SITE, Ghost Parking Lot, Hamden Plaza Shopping Center, Hamden, Connecticut, 1978, ebenda<br />
64
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Domus 675, 9/1986<br />
66
Anmerkungen<br />
(1) Riemschneider, M.: Von Olympia bis Ninive im Zeitalter Homers, Leipzig 1963<br />
(2) Dorfwirth, J.R.: Der individuelle Verkehr in den Städten, <strong>Wien</strong> 1961, zit.<br />
nach Büttner, Oskar: Parkplätze <strong>und</strong> Großgaragen, Berlin 1967, S.15<br />
(3) Barthes, Roland: Mythen des Alltags, Frankfurt a.M. 1964, S.76 (Originaltitel: Mythologies, Paris 1957)<br />
(4) Adorno, Theodor W.: Aldous Huxley <strong>und</strong> die Kunstkritik, Frankfurt a.M. 1964, zit. nach Hilpert, Thilo: Die<br />
funktionelle Stadt, Le Corbusier Stadtvision - Bedingungen, Motive, Hinter-gründe, Braunschweig 1978, S.55<br />
(5) Marinetti, Filippo Tommaso: Manifeste du Futurisme, zit. nach Banham, Reyner: Die Revolution der <strong>Architektur</strong>,<br />
Theorie <strong>und</strong> Gestaltung im Ersten Maschinenzeitalter, Hamburg 1964, S.84 (Originaltitel: Theory and Design in the<br />
First Machine Age, London 1960)<br />
(6) Virilio, Paul: Dromoskopie oder das Licht der Geschwindigkeit, Paris 1978, S.20<br />
(7) Petsch, Joachim: Geschichte des <strong>Auto</strong>-Design, Köln 1982, S.33<br />
(8) Taylor, Frederick Winslow: Die Betriebsanleitung insbesondere der Werkstätten (Originaltitel: Shop Management,<br />
New York 1903)<br />
(9) Petsch, ebenda, S.34<br />
(10) Petsch, ebenda, S.34<br />
(11) Pevsner, Nikolaus: Der Beginn der modernen <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> des Design, Köln 1975, S.20<br />
(12) Muthesius, Hermann: "Wo stehen wir?", Vortrag auf der Jahresversam-mlung des Deutschen Werkb<strong>und</strong>es,<br />
Dresden 1911, zit. nach Banham, ebenda, S.52<br />
(13) Neumann, Ernst: Die <strong>Architektur</strong> des Fahrzeugs, Jena 1914, S.51<br />
(14) Marinetti, zit. nach Banham, ebenda, S.84<br />
(15) Marinetti, zit. nach Banham, ebenda, S.89<br />
(16) Marinetti, zit. nach Banham, ebenda, S.85<br />
(17) Sant'Elia, Antonio: Messaggio, 1914, zit. nach Banham, ebenda, S.104<br />
(18) Hilberseimer, Ludwig: Großstadtarchitektur, Berlin 1924, S.99<br />
(19) Oud, J.J.P.: Mein Weg in „De Stijl", Rotterdam 1958, zit. nach Kultermann, Udo: Die <strong>Architektur</strong> im 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert, Köln 1977, S.12<br />
(20) Le Corbusier: Ausblick auf eine <strong>Architektur</strong>, Berlin 1963, S.88 (Originaltitel: Vers un Architecture, Paris 1922)<br />
(21) Le Corbusier: zit. nach Boesiger, Willy (Hrsg.): Le Corbusier, Oeuvre complete de 1910-29, Bd.1, Zürich 1967,<br />
S.91<br />
(22) Ford, Henry: Mein Leben <strong>und</strong> Werk, Leipzig 1923<br />
(23) Le Corbusier: zit. nach Banham, ebenda, S.192<br />
(24) Le Corbusier: Ausblick auf eine <strong>Architektur</strong>, Berlin 1963, S.179<br />
(25) Le Corbusier, ebenda, S.173<br />
(26) Le Corbusier, ebenda, S.103-116<br />
(27) Le Corbusier: zit. nach Boesiger, Willy (Hrsg.): Le Corbusier, Oeuvre complete, 1910-1929, Z rich 1967, S.91<br />
(28) Le Corbusier: Ausblick auf eine <strong>Architektur</strong>, Berlin 1963, S.112<br />
(29) Le Corbusier: zit. nach Boesiger, Willy (Hrsg.): Le Corbusier et Pierre Jeanneret, Oeuvre complete de 1929-1934,<br />
Zürich 1957, S.24<br />
(30) Le Corbusier <strong>und</strong> Pierre Jeanneret: F nf Punkte zu einer <strong>Architektur</strong>, in Roth, Alfred: Zwei Wohnhäuser von Le<br />
Corbusier <strong>und</strong> Pierre Jeanneret, Stuttgart 1977, S.5: Hier heißt es unter Punkt 1 mit der Überschrift „Die Pfosten":<br />
„Diese Pfosten ordnen sich in bestimmten gleichen Abständen an, ohne dabei auf die innere Anordnung des Hauses<br />
Rücksicht zu nehmen."<br />
67
(31) Le Corbusier: Ausblick auf eine <strong>Architektur</strong>, Berlin 1963, S.115<br />
(32) Le Corbusier: Feststellungen zu <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> Städtebau, Berlin 1964, zit. nach Hilpert, Thilo: ebenda, S.130<br />
(33) Le Corbusier: zit. nach Hilpert, Thilo: ebenda, S.130<br />
(34) Le Corbusier: zit. nach Hilpert, Thilo: ebenda, S.133<br />
(35) Le Corbusier: La Ville Radieuse, Boulogne 1935, zit. nach Hilpert, Thilo: ebenda, S.287<br />
(36) Matte-Trucos Fiat-Gebäude war nicht die einzige <strong>Architektur</strong>leistung im <strong>Auto</strong>mobilfabriksbau. Bedeutende<br />
Werksbauten wurden entworfen u.a. von Albert Kahn für verschiedene Unternehmen in Detroit (ab 1909), Edm<strong>und</strong><br />
Körner in Köln (Ford, 1930-31), Heinrich Bärsch in Brandenburg (Opel,1935) Eero Saarinen in Detroit (General<br />
Motors, 1956) <strong>und</strong> Norman Foster in Swindon (Renault, 1983)<br />
(37) Le Corbusier: zit. nach Boesiger, Willy (Hrsg.): Le Corbusier et Pierre Jeanneret, Oeuvre complete de 1929-1934,<br />
Bd.2, Zürich 1964, S.202<br />
(38) Gropius, Walter: Die neuen Adler-Wagen, 1931, zit. nach Petsch, ebenda, S.87<br />
(39) Fuller, R.Buckminster: zit. nach Döring, Wolfgang: Perspektiven einer <strong>Architektur</strong>, Frankfurt a.M. 1970, S.41<br />
(40) Fuller, R.Buckminster: zit. nach Banham, ebenda, S.74<br />
(41) Scully, Vincent: American Architecture and Urbanism, New York 1969, S.14<br />
(42) Kähler, Gert: <strong>Architektur</strong> als Symbolverfall. Das Dampfermotiv in der Baukunst, Braunschweig 1981<br />
(43) Le Corbusier: Ausblick auf eine <strong>Architektur</strong>, Berlin 1963, S.179<br />
(44) Hitchcock, Henry-Russell/Johnson, Philip: Der Internationale Stil, 1932,<br />
Braunschweig 1985 (Originaltitel: The International Style, Architecture since<br />
1922, New York 1932)<br />
(45) Le Corbusier: ebenda, S.46<br />
(46) Petsch: ebenda, S.69<br />
(47) Lewis, Sinclair: Babbitt, Leipzig 1955, zit. nach Schönberger, Angela (Hrsg.): Raymond Loewy: Pionier des<br />
amerikanischen Industriedesigns, München 1990, S.71<br />
(48) Giedion, Sigfried: Mechanisation Takes Command, New York 1948, S.607<br />
(49) Le Corbusier: ebenda, S.115<br />
(50) Bel Geddes, Norman: Horizons, Boston 1932<br />
(51) Loewy, Raymond: Industrie-Design Raymond Loewy, Berlin 1979, S.10<br />
(52) Boissiere, Olivier: Streamline, Le design americain des annees 30-40, Paris 1987, S.17<br />
(53) Giedion, Sigfried: ebenda, S.608<br />
(54) Giedion, Sigfried: ebenda, S.608<br />
(55) Boissiere: ebenda, S.46<br />
(56) Loewy, Raymond: Hässlichkeit verkauft sich schlecht, Düsseldorf 1953 (Originaltitel: Never leave well enough<br />
alone, New York 1951)<br />
(57) Mendelsohn, Erich: Vortrag in “Architectura et Amicitia", Amsterdam 1923, zit. nach Klotz, Heinrich (Hrsg.): Erich<br />
Mendelsohn: Das Gesamtschaffen des Architekten, Braunschweig<br />
1989 (Reprint der Erstausgabe gleichen Titels, Berlin 1939, S.28)<br />
(58) Mendelsohn, Erich: ebenda, S.24<br />
(59) Mendelsohn, Erich: ebenda, S.27<br />
(60) Mendelsohn, Erich: ebenda, S.26<br />
(61) Mendelsohn, Erich: ebenda, S.33<br />
68
(62) Daten entnommen aus: Schönberger, Angela (Hrsg.): Raymond Loewy: Pionier des amerikanischen<br />
Industriedesigns, München 1990, S.89<br />
(63) Reichow, Hans Bernard: Die autogerechte Stadt, Ravensburg 1959<br />
(64) Bel Geddes, Norman: Magic Motor-ways, New York 1940<br />
(65) Schindler, Rudolph M.: Postwar <strong>Auto</strong>mobiles, in Architect and Engineer, San Francisco 1947, zit. nach Sarnitz,<br />
August: Rudolph M. Schindler, <strong>Wien</strong> 1986, S.161<br />
(66) Petsch: ebenda, S.143<br />
(67) Scully, Vincent: ebenda S.14<br />
(68) Kultermann, Udo: ebenda, S.14<br />
(69) Wright, Frank Lloyd in: An <strong>Auto</strong>biography, New York 1943, zit. nach Kultermann, Udo: ebenda, S.17<br />
(70) Wright, Frank Lloyd in: The Architectural Review, March 1973, zit. nach Kultermann, Udo: ebenda, S.85<br />
(71) Wright, Frank Lloyd: Die Zukunft der <strong>Architektur</strong>, München 1966, S.96 (Originaltitel: The Future of Architecture,<br />
New York 1953)<br />
(72) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.98<br />
(73) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.98-99<br />
(74) Conrads, Ulrich (Hrsg.): Programme <strong>und</strong> Manifeste zur <strong>Architektur</strong> des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, Berlin 1964, S.108<br />
(75) Teague, Walter Dorwin: zit. nach Weihsmann, Helmut <strong>und</strong> Schmidt-Brümmer, Horst: Monster am Highway. Die<br />
<strong>Architektur</strong> der Zeichen, Frankfurt a.M. 1983, S.11<br />
(76) Giedion, Sigfried: <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> Gemeinschaft, München 1963, zit. nach Büttner, Oskar: Parkplätze <strong>und</strong><br />
Großgaragen, Berlin 1967, S.21<br />
(77) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.126<br />
(78) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.150<br />
(79) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.118<br />
(80) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.111<br />
(81) Hilpert, Thilo: Die funktionelle Stadt. Le Corbusier Stadtvision: Bedingungen, Motive, HIntergründe,<br />
Braunschweig 1978, S.240<br />
(82) Reichow, Hans Bernhard: Die autogerechte Stadt, Ravensburg 1959,<br />
(83) Reichow: ebenda, S.88<br />
(84) Reichow: ebenda, S.27<br />
(85) Giedion, Sigfried: Raum, Zeit, <strong>Architektur</strong>, Zürich 1976, S.499 ff. (Originaltitel: Space, Time, Architecture,<br />
Cambridge, Mass., 1941)<br />
(86) Giedion: ebenda, S.491<br />
(87) Giedion: ebenda, S.491<br />
(88) Neutra, Richard: Wie baut Amerika?, Stuttgart 1927, S.5<br />
(89) Hofmeister, Burkhard: Stadt <strong>und</strong> Kulturraum Nordamerika, Braunschweig 1971, S.247<br />
(90) Schmidt-Brümmer, Horst: Los Angeles, Köln 1980, S.29<br />
(91) Hofmeister: ebenda, S.247<br />
(92) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.151<br />
(93) Jacobs, Jane: Tod <strong>und</strong> Leben großer amerikanischer Städte, Braunschweig<br />
1976 (Originaltitel: The Death and Life of Great American Cities, New York 1961)<br />
(94) Banham, Reyner: Los Angeles: The Architecture of Four Ecologies, Los Angeles 1972<br />
69
(95) Scully: ebenda, S.14<br />
(96) Hofmeister: ebenda, S.105<br />
(97) Krausse, Joachim (Hrsg.): Buckminster Fuller, Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde <strong>und</strong> andere<br />
Schriften, Hamburg 1973, S.139<br />
(98) 1936 baute Richard Neutra ein Dymaxion-Bad in sein Haus für Nicolas Brown bei New York ein: Boesiger, Willy<br />
(Hrsg.): Richard Neutra, Bauten <strong>und</strong> Projekte, Zürich 1951, S.44<br />
(99) Hofmeister: ebenda, S.102<br />
(100) Hofmeister: ebenda, S.102<br />
(101) Weihsmann, Helmut/Schmidt-Brümmer, Horst: ebenda, S.37 ff.<br />
(102) Appleyard, Donald/Lynch, Kevin/ Myer, John R.: The View from the Road, Cambridge, Mass., 1964, S.7<br />
(103) Appleyard, Lynch, Myer: ebenda, S.5<br />
(104) Venturi, Robert/Scott Brown, Denise/Izenour,Steven: Lernen von Las Vegas: Zu Ikonographie <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong>symbolik<br />
der Geschäftsstadt, Braunschweig 1979 (Originaltitel: Learning from Las Vegas, Boston 1978)<br />
(105) Venturi, Scott Brown, Izenour: ebenda, S.25<br />
(106) Venturi, Scott Brown, Izenour: ebenda, S.105<br />
(107) Blake, Peter: God's Own Junkyard, The Planned Deterioration of America's Landscape, New York 1964<br />
(108) Deutsche Übersetzung von Peter Blakes Titel: God's Own Junkyard, New York 1964<br />
(109) Wright, Frank Lloyd: Die Zukunft der <strong>Architektur</strong>, München 1966, S.13 (Originaltitel: The Future of Architecture,<br />
New York 1953)<br />
(110) Wright, Frank Lloyd: ebenda, S.133<br />
(111) Cervello, Marta: Filling Stations, Quaderns 177, Barcelona 1989, S.40<br />
(112) Vahlefeld, Rolf/Jacques, Friedrich: Garagen <strong>und</strong> Tankstellenbau, München 1953<br />
(113) Hitchcock/Johnson: ebenda, S.80<br />
(114) Sarnitz, August: Lois Welzen-bacher, Salzburg 1989, S.117<br />
(115) Baker, Geoffrey/Funaro, Bruno: Motels, New York 1955, S.1<br />
(116) Pevsner, Nikolaus: A History of Building Types, London 1976, S.192<br />
(117) Pevsner: ebenda, S.192<br />
(118) Baker, Funaro: ebenda, S.1<br />
(119) Pevsner: ebenda, S.192<br />
(120) Baker, Funaro: ebenda, S.104<br />
(121) Heiman, Jim/Georges, Rip: California Crazy: Roadside Vernicular Architecture, San Francisco 1980<br />
(122) Heinzlmeier, Adolf: Roadmovies: Action-Kino der Maschinen <strong>und</strong> Motoren, Hamburg 1985<br />
(123) Virilio: ebenda, S.20<br />
(124) Venturi, Brown, Izenour: ebenda, S.104<br />
(125) Oliver, Richard/Ferguson, Nancy: Place, Product, Packaging, Architectural Record 2/1978<br />
(126) Rudolph, Paul: zit. nach Klose, Dietrich: Parkhäuser <strong>und</strong> Tiefgaragen, Stuttgart 1965, S.139<br />
(127) Albach/Ungers: Optimierte Wohngebietsplanung, Bd. 1, Wiesbaden 1969<br />
(128) Wolfe, Tom: The Kandy-Kolored Tangerine-Flake Streamline Baby, New York 1965<br />
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(129) Venturi, Brown, Izenour: ebenda, S.120<br />
(130) Gruen, Victor: Die lebenswerte Stadt, München, 1975, S.140 Das Northland Center bei Detroit, das erste von<br />
Gruen geplanten Shopping Centers, sah Parkplätze für 11.000 <strong>Auto</strong>s vor<br />
(131) Nader, Ralph: Unsafe at Any Speed, New York 1966<br />
(132) Petsch: ebenda, S.200<br />
(133) Gescheit, H/Wittmann, K. (Hrsg.): Neuzeitlicher Verkehrsbau, Potsdam 1931<br />
(134) Hess, Alan: Googie: fifties coffee shop architecture, San Francisco 1985, S.121 ff<br />
(135) Stanley C. Meston: McDonald's Standarddesign: 1953-1968<br />
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