Auto und Architektur - Wohnbau - TU Wien
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Verkleidung an sich. So wie es im Fahrzeugbau vorgemacht wurde,<br />
verschwanden technische, den Benutzer ohnehin nicht interessierende<br />
Details unter der Karosserie. Damit wurde die äußere Gestalt unabhängig<br />
vom technischen Innenleben <strong>und</strong> jederzeit der Mode gehorchend verwandelbar.<br />
Die von Designern wie Walter Dorwin Teague angestrebte Suche<br />
nach der Idealform war eine Illusion. Ähnlich Raymond Loewys jedes<br />
Jahr neu erscheinendem Studebaker-Modell (Abb.42) brachte die Industrie unaufhaltsam<br />
neue, technisch kaum <strong>und</strong> formal nur leicht veränderte Produkte auf dem Markt.<br />
5.3.3 Streamline-<strong>Architektur</strong><br />
In Schilderungen Loewys wird deutlich, dass der amerikanische Alltag<br />
allmählich vollständig sein Gesicht veränderte. (56) Es gab beinahe<br />
nichts mehr, was die besessenen Designer nicht „redesignten" oder<br />
„streamlinisierten". Loewy unterzog im Laufe seiner Karriere so nützliche<br />
Dinge wie Vervielfältigungsapparate, Kühlschränke, Staubsauger<br />
<strong>und</strong> Coca-Cola-<strong>Auto</strong>maten, aber auch Lokomotiven, Schiffe, <strong>Auto</strong>mobile,<br />
Bleistiftspitzer (Abb.43) <strong>und</strong> Zigarettenschachteln einer Neugestaltung.<br />
Wen nimmt es da noch w<strong>und</strong>er, dass sich die Streamline-<br />
Designer nun auch noch der <strong>Architektur</strong> bemächtigten. Was lag näher,<br />
als die Ideologie der Geschwindigkeit auch auf Gebäudetypen wie<br />
Tankstellen <strong>und</strong> Verkaufssalons zu übertragen, die aus dem Umfeld des <strong>Auto</strong>s stammten.<br />
Inspirationen holte sich die Streamline Moderne einerseits von den gekurvten Beispielen des<br />
Internationalen Stils, andererseits von denselben Maschinen, die die europäischen Modernen<br />
selbst inspiriert hatten - nur auf direktere Weise. Zusammen mit ihrem Verwandten, dem Art<br />
Deco, wurde Streamline zu einer populären Spielart der Moderne, gewissermaßen zu ihrem<br />
amerikanischen Kompromiss.<br />
So kam in den 1930er Jahren auch in der <strong>Architektur</strong> eine Kategorie<br />
hinzu, die ursprünglich nur in der Welt der <strong>Auto</strong>mobile <strong>und</strong> anderer<br />
Fahrzeuge zuhause war. Die Stromlinienform der windschlüpfigen,<br />
beinahe tropfenförmigen <strong>Auto</strong>s <strong>und</strong> der Lokomotiven, die Geschossen<br />
ähnlich sahen, hieß auf die <strong>Architektur</strong> übertragen: Glänzende, glatte<br />
Wandoberflächen, abger<strong>und</strong>ete Ecken, Bullaugenfenster, Glasziegel<br />
<strong>und</strong> fließende, meist horizontale Linien an den Fassaden. Die Gebäude<br />
der Streamline Moderne haben einen weit weniger offenen, sondern<br />
wesentlich massiveren Charakter als die der klassischen Moderne. Sie<br />
sind farbiger, eindeutiger symbolhaft <strong>und</strong> eher Verpackung. Ihr Äußeres<br />
wirkt wie mit einer <strong>Auto</strong>karosserie überstülpt, die selbst zum Bedeutungsträger wird.<br />
(Abb.44) Die Form folgt nicht mehr der Funktion, wie es Sullivan gefordert hatte, sondern der<br />
Bedeutung. Man signalisierte dem Betrachter, dass es sich um vorzüglich funktionierende<br />
Apparate handelte. Dabei ging es nicht um das Demonstrieren dieser Funktionen nach außen,<br />
vielmehr wurde verschlüsselt ausgesagt, dass die Baugestaltung modern, maschinenmäßig<br />
<strong>und</strong> folgerichtig auch solide war. Gewöhnlich vermieden die Streamline-Schöpfer den Einblick<br />
in die Gebäude. Die Technologie des Inneren sollte dem Betrachter verborgen bleiben, alles<br />
wurde mit einer engen „Fassadenhaut" überzogen. Lediglich Details wie Düsen, Rohre,<br />
Fahnenstangen, Relings, Gitterroste, Jalousien <strong>und</strong> Waggonfenster wurden appliziert.<br />
5.3.4 Erich Mendelsohn <strong>und</strong> die Stromlinie<br />
Parallelen zur Streamline-<strong>Architektur</strong> lassen sich nach<br />
Deutschland zurückverfolgen. 1924 bekam Norman Bel<br />
Geddes von Erich Mendelsohn(1887-1953), für den er<br />
1929 das Vorwort zu seinem Ausstellungskatalog<br />
schreiben sollte, eine Skizze seines berühmten Einstein-Turms<br />
(1920-1924) in die Hände, dessen monolithischer<br />
Baukörper eine expressive Form dynamisch-<br />
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