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Gesundheitsreportage <strong>ÖKK</strong> <strong>Magazin</strong><br />

gemacht: In sieben Jahren ist das Vorsorgekonto aufgebraucht.<br />

Für Hirlanda Jud beginnt also ein Wettlauf mit<br />

der Zeit.<br />

Das Problem ist: Hirlanda Jud besitzt noch ein Haus<br />

und ein paar Flecken Land. Daher hat sie kein Anrecht<br />

auf Ergänzungsleistungen, die der Staat zur Deckung<br />

der Lebenskosten von Pflegebedürftigen zahlt, falls das<br />

Einkommen nicht ausreicht. Kommt es so weit, dass ihr<br />

Vermögen aufgebraucht ist, müsste sie ihr Haus verkaufen<br />

– im Alter von 100 Jahren.<br />

«Es kommt vor, dass ältere Menschen für das Pflegeheim<br />

ihr Wohneigentum veräussern müssen, weil sie<br />

aufgrund dieses Besitzes keine Ergänzungsleistungen<br />

erhalten», bestätigt Klara Reber, Copräsidentin des<br />

Schweizerischen Seniorenrates. Sozialhilfe hingegen<br />

beanspruchen Menschen im AHV-Alter selten, weil<br />

Ergänzungsleistungen, kantonale Beihilfen und Gemeindezuschüsse<br />

in der Regel die Kosten decken. Wer<br />

allerdings sein Vermögen vorzeitig verschenkt und somit<br />

selbstverschuldet arm im Alter ist, verwirkt den<br />

Anspruch auf solche Ergänzungsleistungen. Dann bleibt<br />

wirklich nur noch die Sozialhilfe.<br />

eine neue pflegefinanZierung __ Trotzdem: Dass es<br />

nicht sein darf, dass sich betagte Menschen um die Finanzierung<br />

ihrer letzten Jahre sorgen müssen, darüber sind<br />

sich Politiker, Krankenkassen und soziale Institutionen<br />

einig. Im Juni 2008 hat das Parlament nach jahrelangem<br />

Ringen eine neue Pflegefinanzierung verabschiedet, die<br />

frühestens Mitte 2009 in Kraft treten wird. Die wichtigste<br />

Neuerung: Nur noch 20 Prozent des höchsten Pflegebeitrags<br />

der obligatorischen Krankenversicherung, also<br />

rund 7’300 Franken, dürfen auf die Pflegebedürftigen<br />

abgewälzt werden. Rund 55 Prozent der Kosten zahlen<br />

wie bis anhin die Krankenkassen, für den Rest sollen nun<br />

die Kantone aufkommen. Neu ist ausserdem, dass bei<br />

den Ergänzungsleistungen die Vermögensfreigrenzen<br />

angehoben werden, das heisst: Alte Menschen dürfen in<br />

Zukunft rund 50 Prozent mehr Vermögen haben, ohne<br />

dadurch die Berechtigung auf Ergänzungsleistungen zu<br />

verlieren. So werden ältere Menschen im Pflegeheim da-<br />

vor geschützt, ihr Wohneigentum, das häufig noch vom<br />

Ehepartner bewohnt wird, verkaufen zu müssen. Es wird<br />

auch keine obere Grenze bei den Ergänzungsleistungen<br />

mehr geben. Kantonale Beihilfen, Gemeindezuschüsse<br />

und Angehörigenunterstützung sind dann nicht mehr<br />

nötig.<br />

kostenexplosion für eine alternde gesellsCHaft<br />

__ Dass die neue Pflegefinanzierung einen<br />

Kompromiss darstellt, darüber sind sich alle Interessen-<br />

gruppen einig. Gemäss Grundversicherung (KVG)<br />

müssten ja die Krankenkassen vollumfänglich für alle<br />

anfallenden Pflegekosten aufkommen. «Trotzdem dürfte<br />

die neue Praxis besser sein als die aktuelle», sagt Hansueli<br />

Mösle, Präsident des nationalen Dachverbands der<br />

Heime und Institutionen Curaviva, in Anbetracht des ursprünglichen<br />

Vorhabens des Bundesrates. Dieser wollte<br />

den Pflegebedürftigen bis zu 50 Prozent der Kosten aufbürden.<br />

«Müssten die Krankenversicherungen sämtliche<br />

Pflegekosten übernehmen, würden die Prämien massiv<br />

ansteigen, und das wäre kaum mehr tragbar», findet<br />

Matthias Schenker, wissenschaftlicher Mitarbeiter von<br />

santésuisse, dem Dachverband der Krankenversicherer.<br />

Zwischen 2004 und 2007 sind die Kosten für Leistungen<br />

im Pflegeheim um rund 16 Prozent gestiegen, das bedeutet<br />

300 Millionen Franken Mehrkosten für die<br />

Krankenversicherungen innerhalb von nur drei Jahren.<br />

Gemäss einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums<br />

(Obsan) aus dem Jahr 2007 werden sich<br />

die Kosten für die Langzeitpflege bis 2030 sogar mehr<br />

als verdoppeln. Eine finanzielle Lösung dieses Problems<br />

ist noch nicht in Sicht.<br />

Um die gesundheitspolitischen Diskussionen kann sich<br />

Hirlanda Jud wegen ihrer Demenz nicht mehr kümmern.<br />

Ihre finanziellen Angelegenheiten regeln ihre Söhne, die<br />

auch in die Unterstützungspflicht genommen werden<br />

könnten, sollte das Vermögen ihrer Mutter irgendwann<br />

aufgebraucht sein. Die neue Regelung entlastet nun aber<br />

auch die Kinder Pflegebedürftiger finanziell, so dass sie<br />

sich dem Wesentlichen widmen können: der Begleitung<br />

und dem langsamen Abschied von einer geliebten Person.

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