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Kundenporträt <strong>ÖKK</strong> <strong>Magazin</strong> 39<br />
Hirten<br />
auf Erden<br />
maya und markus meier aus bäretswil haben sechs töchter und einen sohn.<br />
mit gottes segen sei das ein kinderspiel, sagen sie.<br />
TExT: Christoph Kohler _ _ FoTo: Flurina Rothenberger<br />
Damals, vor über 20 Jahren, als sich Markus Meier noch<br />
um die Gunst der jungen Bauerntochter aus dem Töss-<br />
tal bemühen musste, schrieb er dieser einen Liebesbrief.<br />
«Liebe Maya», begann er und zeichnete am Ende, so<br />
gut er das mit seinen kräftigen Schreinerfingern konnte,<br />
einen Mann und eine Frau und sieben nachfolgende<br />
Punkte: «.......»<br />
Heute besetzen Markus (45) und Maya Meier (39) mit<br />
ihren sieben Kindern eine ganze Sitzreihe in der Friedenskirche<br />
zu Bäretswil. Und nach der Kirche: Gerangel<br />
und Gefeilsche um die neun Sitzplätze im VW-Bus.<br />
Gelassen schaut Frau Meier im Rückspiegel nach hinten<br />
und legt ihre Hand auf den Oberschenkel ihres Mannes.<br />
«Fahren wir?»<br />
Von Ferne erscheint ein Hof. Eingeziegelt auf dem<br />
Scheunendach steht ein «Soli Deo Gloria», «Einzig<br />
Gott zur Ehre». Hier wohnen die Meiers, einen kräftigen<br />
Steinwurf weit weg von Markus Meiers Bruder<br />
und dessen siebenköpfiger Familie. «Überall Verwandte,<br />
das nervt!», motzt Tochter Andrea (13), die am<br />
Küchentisch sitzt und mit sehnsüchtigen Blicken einen<br />
Modekatalog durchblättert. Neben ihren 6 Geschwistern<br />
hat sie 21 Onkel und Tanten und 25 Cousins und<br />
Cousinen. Viele Rückzugsmöglichkeiten gibt es da nicht.<br />
Deshalb hat Vater Meier vor vier Jahren draussen auf<br />
der Weide eine Holzhütte gezimmert mit Holzofen und<br />
Matratze. Als Refugium bei Familienkoller.<br />
teilen und VerZiCHten __ «Unsere Kinder müssen teilen<br />
und verzichten lernen», sagt Mutter Meier. Teilen:<br />
Wie alle Kinder der Meiers teilt auch Andrea ihr Zimmer<br />
mit einem Geschwister. Nur Corine (16), die Älteste,<br />
hat ein Einzelzimmer. Verzichten: Die meisten Kleider<br />
von Andrea, die später einmal Modedesignerin werden<br />
will, stammen nicht aus dem Katalog, sondern aus dem<br />
Altbestand ihrer älteren Schwestern. Verzichten muss<br />
aber auch Mutter Maya. Zum Beispiel auf Freizeit. Am<br />
Montag wäscht sie – 8 Maschinen; am Dienstag glättet<br />
sie – 50 Kilo Wäsche; am Mittwoch rechnet sie – die<br />
Buchhaltung ihres Mannes; am Freitag putzt sie – 250<br />
Quadratmeter Altbau. Dazwischen Einkaufen, Kochen,<br />
Kinder. Maya Meier ist eine 200-Prozent-Familien-<br />
spitzenmanagerin. Nebenverdienst? Null. Yogastunden?<br />
Null. Wellness? Null.<br />
«Ohne Glauben hätten wir keine sieben Kinder», sagt<br />
Vater Meier. Das habe nichts mit Verhütung zu tun, sondern<br />
mit Vertrauen in Momenten, wenn die Vernunft<br />
nein sage. Denn vernünftig, sagt er, seien so viele Kinder<br />
nicht, nicht für einen selbständigen Schreiner mit<br />
30-Prozent-Anstellung als Möbelpacker.<br />
priVater skilift __ Man könnte sagen: Meiers sind<br />
arm, trotz Gratiskrankenkasse dank Sozialversicherung,<br />
trotz Kinderzulagen in der Höhe von 1500 Franken im<br />
Monat, trotz Gratislebensmitteln von der Organisation<br />
«Tischlein deck dich» einmal pro Woche. Genauso liesse<br />
sich aber sagen: Meiers sind reich, kinderreich, natürlich,<br />
aber auch reich an Lebensfreude. Am Hang, an<br />
dem Meiers Hof steht, hat Vater Meier vor vier Jahren<br />
mit einer gefundenen Seilwinde und einem alten Benzinmotor<br />
einen 75 Meter langen Skilift gebaut, der bestens<br />
funktioniert, solange nicht alle sieben Kinder gleichzeitig<br />
daran hängen. Häufig kämen Städter vorbeispaziert,<br />
erzählt Markus Meier, die dann stehen blieben und Fotos<br />
machten, ganz entzückt von diesem einfachen, reichen<br />
Familienleben. Geplant hätten weder er noch seine Frau<br />
die sieben Kinder. Es muss Gott gewesen sein, der die<br />
sieben Punkte unter den Liebesbrief gezeichnet hat, damals,<br />
vor über 20 Jahren.