Theorieteil Diplomarbeit - bewusst-sign.
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Bereits die äußere Erscheinung des Buches ‚Perverse Optimist‘ erzeugt<br />
einen ehrfurchteinflößenden Eindruck: Den vier Finger breiten<br />
Buchrücken schmücken fünf simple, aber beängstigend selbst<strong>bewusst</strong><br />
gesetzte Buchstaben: TIBOR. Einfach nur Tibor. Weiß auf schwarz,<br />
versall gesetzt. Sonst nichts. Diese Souveränität gepaart mit der<br />
Wuchtigkeit des Werkes lässt bereits auf den ersten Blick erkennen,<br />
dass hier jemand selbst<strong>bewusst</strong> für seinen Überzeugungen einsteht.<br />
Obwohl ich oft mehrmals täglich an diesem enorm dicken Buch<br />
vorbeilief, dauerte es fast zwei Jahre, bis ich in sein Inneres vordrang.<br />
Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich gerade in einer Phase, in der ich<br />
an meinem Beruf, ja an meiner Zukunft in diesem Beruf zu zweifeln<br />
begonnen hatte. Keine Frage – ich liebte das Gestalten an sich. Aber<br />
ich hatte immer mehr Probleme, die Auffassung von De<strong>sign</strong> in unserer<br />
Welt und sein Wirken in unserer Gesellschaft zu teilen. Es schien, als<br />
ob De<strong>sign</strong> die überflüssigste Sache dieser Welt darstellte. Eine riesige<br />
Luftblase, die uns mit einer konstanten Dosis Lügen versorgt und<br />
mit der Kreation einer disneylandartigen Welt die eigentliche Realität<br />
überdeckt. Ein bisschen wie die Matrix, die den Menschen ein erfülltes<br />
Leben vorgaukelt.<br />
Es gab keine Verbindung mehr zwischen dem, für das ich mich früher<br />
leidenschaftlich eingesetzt hatte – Regenwald retten, Castor stoppen<br />
und Atomtests verhindern – und dem, was heute mein Leben bestimmte<br />
– Logos für Autohändler, Geschäftsberichte für die Industrie und<br />
Imageprospekte für Tiefkühlprodukte entwerfen.<br />
Und dann kam Tibor und zeigte mir – auf seine eigene, ganz spezielle<br />
Art – dass es möglich war, neuen visuellen Boden zu ergründen und<br />
dabei einen leidenschaftlichen Einsatz für soziale Anliegen zu zeigen.<br />
My quandary was that de<strong>sign</strong>ers have been taught to be<br />
liars. They have been taught to use their skills – just like<br />
lawyers and accountants – to distort information. I was not<br />
against anyone personally, I just had all these questions<br />
about what we were doing. 01<br />
Er suchte einfallsreiche Wege, das Geld seiner Kunden zu nutzen, um<br />
die Menschen zum Denken zu bringen.<br />
Bei seinen Arbeiten ging es ihm weniger um die Entwicklung eines<br />
Styles, als viel mehr einer Position. Er zielte nicht vorrangig darauf<br />
ab zu verkaufen, sondern mit seinem Publikum zu kommunizieren<br />
und versuchte so zu zeigen, dass der De<strong>sign</strong>er sowohl für den<br />
Inhalt der Botschaft, den er vermittelt, als auch dessen Präsentation<br />
verantwortlich sein kann oder viel mehr sogar muss.<br />
Nach dem Verschlingen der 420 Seiten hatte ich meine Motivation<br />
wieder gefunden. Tibor war radikal und extrem. Er war ein<br />
Provokateur, der es liebte, die Leute aufzumischen und zu<br />
verunsichern und damit zum Denken zu bringen. Und wenn seine Art<br />
sicherlich niemals die meine werden wird, so hat er mir doch dabei<br />
geholfen, meine Position wiederzufinden und meinen Job nicht nur<br />
wieder zu lieben, sondern auch zu leben. Meine Vergangenheit und<br />
meine Zukunft haben wieder zueinander gefunden und der Gegenwart<br />
damit eine neue Motivation gegeben.<br />
x.2<br />
VOrWOrt<br />
01 Pete Hall/Michael Bierut<br />
(1998)<br />
Tibor Kalman: Perverse Optimist