Reader - Deutsches Polen Institut
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Dr. Mirosława Zielińska (Breslau)<br />
Kanon und Gedächtnis ohne Berührungspunkte (?)<br />
Vermittlungsstrategien der Texte Tadeusz Różewiczs<br />
Mirosława Zielińska, Dr., Studium der Germanistik an der Universität Wrocław, Promotion zum Dr.<br />
phil. 2001 an der Universität Wrocław; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für deutsche Literatur<br />
und Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts, IFG der Universität Opole (2001-2009); seit 2009 wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Germanistik im Willy-Brandt-Zentrums der Universität<br />
Wrocław, arbeitet an ihrer Habilitation zum Thema Kulturtransfer polnischer Kultur im deutschsprachigen<br />
Raum seit der sog. »polnischen Welle«. Fallbeispiel: Fünfzigjährige Präsenz von Tadeusz<br />
Różewicz im deutschsprachigen Raum (1959-2009). Forschungsschwerpunkte: Literatur – Erinnerung<br />
– Identität; deutsch-polnischer Kulturtransfer im 19. Und 20. Jahrhundert.<br />
Die Ausarbeitung von Vermittlungsstrategien<br />
der Różewicz-Texte – erfolgt unter zwei Aspekten:<br />
- dem des kulturellen Gedächtnisses der rezipierenden<br />
(deutschsprachigen) Kultur als Dekodierungsgrundlage<br />
der rezipierten Texte;<br />
- dem des kommunikativen, wie auch des<br />
kollektiven Gedächtnisses der rezipierenden<br />
(deutschsprachigen) Kultur, die als Grundlage<br />
der Kommunikation mit dem literarisierten<br />
Gedächtnis des »Anderen« verstanden werden.<br />
Aufgrund der Abweichungen im Traditionskanon<br />
wurden in der frühesten Rezeptionsphase<br />
entweder die literarischen Kodes der<br />
Weltliteratur oder der als »anti-kanonisch«<br />
verstandene Bezugsrahmen des Innovativ-<br />
Avantgardistischen zur wichtigsten »gemeinsamen«<br />
Dekodierungsgrundlage der Różewicz-Texte<br />
erklärt. Definiert man die »Fremdheit«<br />
als Voraussetzung eines »anderen Sinnhorizonts«<br />
des zu Rezipierenden, erschöpft<br />
sich diese normative Zuschreibung keinesfalls<br />
in der »Unvertrautheit« des tradierten Kanons<br />
und der kulturellen Kodes der polnischen Literatur,<br />
sondern macht auf die Tragweite des<br />
deutsch-polnischen »Gedächtniskonflikts«<br />
aufmerksam.<br />
Eine der wichtigsten »Domestizierungsstrategien«<br />
des »anderen« (kollektiven) Ge-<br />
�<br />
32<br />
dächtnisses war in der Frühphase der Różewicz-Rezeption<br />
das Konstruieren von einem<br />
gemeinsamen Dialograum, zu dessen Grundlage<br />
das kommunikative Gedächtnis der<br />
Kriegsgeneration(en) gemacht wurde.<br />
Durch die Einbindung in die aktuellen Diskurse<br />
der 1960er Jahre (»Kahlschlaglyrik«, »Lyrik<br />
nach Auschwitz«, die sprach- und kulturkritische<br />
Lingua Franca der Avantgarde-<br />
Dichtung) konnte das Konfliktpotenzial des<br />
»anderen« Gedächtnisses des lyrischen Ich<br />
neutralisiert werden [Folie 1].<br />
Der nun verwandelte Bezugsrahmen des Kulturtransfers<br />
der polnischen Literatur im<br />
deutschsprachigen Raum geht einerseits auf<br />
die grundlegenden Schwerpunktverschiebungen<br />
innerhalb der Gedächtnisdiskurse<br />
von beiden Kulturen in den letzten zwei Jahrzehnten<br />
zurück, andererseits bestätigt dieser<br />
die Relevanz des als Interaktionsgrundlage<br />
funktionalisierten »kulturellen Dialogs«. Der Fokus<br />
der Auseinandersetzungen mit dem<br />
Spätwerk (und Gesamtwerk) Różewicz’ ist<br />
nicht mehr auf Überbrückungsstrategien des<br />
»Anderen« gerichtet, sondern konzentriert<br />
sich auf die Ausarbeitung von komplexen Zusammenhängen,<br />
die das »Andere« vermittelbar<br />
zu machen versuchen [Folie 2].