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Reader - Deutsches Polen Institut

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auf den Akteuren und ihrer Produktion und<br />

Reproduktion von Diskursen. So soll durch eine<br />

Bottom-Up-Perspektive auch die ansonsten<br />

in den Sozialwissenschaften überwiegende<br />

Top-Down-Analyse von Europabezügen<br />

aus Sicht der (politischen) Eliten erweitert<br />

werden.<br />

�<br />

48<br />

Literatur:<br />

Keller, Reiner 2008: Wissenssoziologische Diskursanalyse.<br />

Grundlegung eines Forschungsprogramms. 2. Aufl.<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwiss.<br />

Rosenthal, Gabriele 1995: Erlebte und erzählte Lebensgeschichte.<br />

Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen.<br />

Frankfurt/Main: Campus-Verlag.<br />

Rosenthal, Gabriele 2005: Interpretative Sozialforschung.<br />

Eine Einführung. Weinheim: Juventa-Verlag.<br />

PD Dr. Jochen Hardt (Mainz); Prof. Dr. Katarzyna Schier (Warschau)<br />

Kindheit nach dem Zweiten Weltkrieg: Ein Vergleich zwischen <strong>Polen</strong> und Deutschland<br />

Katarzyna Schier, Prof. Dr. hab., Dipl.-Psychologin, studierte 1977 – 1983 Psychologie an der Universität<br />

Warschau, Ausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Heidelberg, seit 1991 Angestellte<br />

der Universität Warschau, 2007 Ernennung zur Professorin.<br />

Jochen Hardt, Prof. Dr. phil., Dipl.-Psychologe, 1982 bis 1988 Studium der Psychologie in Mainz,<br />

1995 Promotion und 2004 Habilitation an der Universität Mainz. Seit 1996 wissenschaftlicher Angestellter<br />

der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität<br />

Mainz.<br />

Die Nachkriegszeit zeigt charakteristische<br />

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen<br />

<strong>Polen</strong> und Deutschland. Beide Länder<br />

starteten zunächst sehr arm, Deutschland erholte<br />

sich jedoch vergleichsweise schnell (Zeit<br />

des Wirtschaftswunders), während <strong>Polen</strong><br />

durch die kommunistische Ära über längere<br />

Zeit arm blieb. Auch die Unfreiheit während<br />

des kommunistischen Regimes wurde von<br />

vielen <strong>Polen</strong> als sehr beeinträchtigend erlebt.<br />

In Deutschland hingegen fand seit 1968 eine<br />

intensive Wertediskussion statt. Die Arbeitslosigkeit<br />

in <strong>Polen</strong>, die während der Zeit des<br />

Ostblocks praktisch nicht existierte, lag im<br />

Jahr 2002 bei einer Rate von 20 %, und gilt als<br />

wesentliche Ursache steigender Todesraten<br />

durch Selbstmord. Noch im Jahr 2009 lag das<br />

durchschnittliche Monatseinkommen in <strong>Polen</strong><br />

bei 730 €, während es in Deutschland ca.<br />

2.500 € betrug.<br />

Zahlreiche Untersuchungen bestätigen die<br />

Langzeitfolgen von sexuellem Missbrauch,<br />

körperlicher Misshandlung und Vernachlässigung<br />

(z.B. Andrews 2001; Hardt et al. 2008).<br />

Darüber hinaus existieren weitere negative<br />

Kindheitserfahrungen, wie etwa häuslicher<br />

Unfriede, oder psychische Probleme der Eltern,<br />

z.B. Depressionen und Alkoholmissbrauch,<br />

welche in Zusammenhang mit Langzeitfolgen<br />

für die Kinder stehen können. Soziale,<br />

ökonomische sowie kulturelle Bedingungen<br />

üben einen zusätzlichen Einfluss auf<br />

die Erziehungspraxis sowie auf das Eltern-<br />

Kind-Verhältnis aus (Schier 2009). Kinder aus<br />

sozial problematischen Verhältnissen tragen<br />

ein höheres Risiko für ungesundes Verhalten,<br />

z.B. Tabakgenuss oder geringe körperliche<br />

Aktivität.<br />

Die Erhebung unserer Daten erfolgte mittels<br />

einer Internetbefragung, deren Teilnehmer<br />

einen Katalog aus rund 280 Items ausfüllten.<br />

In der Mitte des Fragebogens befanden sich<br />

die Fragen zur Kindheit. Die Auswertung zeigte,<br />

dass die polnischen Teilnehmer in 80 % der<br />

Fälle von einer Abwesenheit eines Elternteils<br />

von mehr als sechs Monaten berichteten,<br />

während dies bei den deutschen Teilnehmern<br />

nur bei 23 % der Fall war (X ² = 319, p <<br />

.001). Mütterliche Alkoholprobleme spielten in<br />

Deutschland häufiger eine Rolle als in <strong>Polen</strong><br />

(X² = 34.0, p < .001), wobei zusätzlich ein Alterseffekt<br />

beobachtet wurde. Polnische Probanden,<br />

die älter als 40 Jahre waren, berichteten<br />

zu 2,3 % von mütterlichen Alkoholproblemen,<br />

40-Jährige und jüngere zu 8 %. In<br />

Deutschland betrugen die entsprechenden<br />

Zahlen 14.8% und 17,2 %. Alkoholprobleme<br />

seitens des Vaters wurden, sowohl in <strong>Polen</strong><br />

wie auch in Deutschland, in einem Drittel der<br />

Fälle berichtet (X² = 2.93, p < .402). Eine ausführlichere<br />

Beschreibung der Ergebnisse findet<br />

sich in (Hardt et al. in press).<br />

Zusammenfassend können wir sagen, dass<br />

der auf retrospektiven Daten zur Kindheit beruhende<br />

Ländervergleich zwischen Deutschland<br />

und <strong>Polen</strong> – zwei Ländern mit unterschiedlichen<br />

politischen und sozioökonomischen<br />

Systemen – verschiedenartige Strate-

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