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Die Juden - unsere Geschwister im Glauben - Erzbistum Freiburg

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IRP UNTERRICHTSMODELLE<br />

+ INFORMATION<br />

Dan Rubinstein, Alphabet<br />

für den RU an Realschulen und Gesamtschulen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> -<br />

<strong>unsere</strong><br />

<strong>Geschwister</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Glauben</strong><br />

(Kl. 9/LPE7)<br />

- Materialheft -<br />

Cäcilia Braun-Müller<br />

Sr. Nikola Richter<br />

Hans-Walter Nörtersheuser


IRP-UNTERRICHTSHILFEN<br />

für den Religionsunterricht an Realschulen<br />

Herausgeber: Institut für Religionspädagogik<br />

der Erzdiözese <strong>Freiburg</strong><br />

Habsburgerstrasse 107<br />

79104 <strong>Freiburg</strong><br />

Telefon: (0761) 368 20 - 0 (Sekretariat)<br />

(0761) 368 20 - 16 (Bestellungen)<br />

Telefax: (0761)36820-18<br />

Redaktion: Dr. Hans-Walter Nörtersheuser, Dipl. Theol.<br />

Referent für Religionspädagogik <strong>im</strong> IRP<br />

Bereiche: Realschule / Gesamtschulen /Waldorfschulen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> - <strong>unsere</strong> <strong>Geschwister</strong> <strong>im</strong> <strong>Glauben</strong><br />

Klasse 9 / Lehrplaneinheit 7<br />

- Materialheft -<br />

Autor/innen: Cäcilia Braun-Müller,<br />

Fachberaterin und Erzb. Schulbeauftragte, Nenzingen<br />

Sr. Nikola Richter,<br />

Religionspädagogische Arbeitsstelle (RPA) Singen<br />

Dr. Hans-Walter Nörtersheuser, IRP <strong>Freiburg</strong><br />

Beratung: Prof. Dr. Hildegard Gollinger, <strong>Freiburg</strong> / PH Heidelberg<br />

Prof. Dr. Peter Fiedler, <strong>Freiburg</strong> / PH <strong>Freiburg</strong><br />

GProf. Msgr. Dr. Alwin Renker, Dir. IRP <strong>Freiburg</strong> /<br />

1. Vorsitzender <strong>Freiburg</strong>er Rundbrief für christlichjüdische<br />

Begegnung e.V.<br />

© Institut für Religionspädagogik der Erzdiözese <strong>Freiburg</strong> 1997


Inhaltsverzeichnis<br />

Mirjam erzählt... 2<br />

Anschläge auf jüdische Einrichtungen 3<br />

Jüdische Gemeinden in Baden-Württemberg früher und heute 4<br />

Gedenktafeln für Opfer der Schoa und für zerstörte Synagogen 5<br />

Jüdisches Leben in der Familie: <strong>Die</strong> Mesusa 6<br />

Koscher essen -jüdische Speisevorschriften 7<br />

Tefilla - das tägliche Gebet des <strong>Juden</strong> 8<br />

Aus den täglichen Gebeten des <strong>Juden</strong>tums 9<br />

Was der Schabbat für <strong>Juden</strong> bedeutet 10<br />

Der Schabbat 11<br />

Der Gottesdienst in der Synagoge 12<br />

<strong>Die</strong> Tora 13<br />

<strong>Die</strong> Bücher der hebräischen Bibel 14<br />

Der Tenach - die hebräische Bibel 15<br />

Der Talmud 16<br />

Talmudstudium heute 17<br />

Das jüdische Jahr 18<br />

Rosch-ha-Schana - Beginn des jüdischen Jahres 19<br />

Jom Kippur- der Versöhnungstag 19<br />

Sukkot - das Laubhüttenfest 20<br />

S<strong>im</strong>chat Tora - das Fest der Torafreude 20<br />

Tu-Bi-Schwat - das Neujahr der Bäume 21<br />

Marc Chagall: Mose am brennenden Dornbusch 22<br />

Pessach - das Fest der Befreiung 23<br />

Chanukka - Fest der Neuweihe des Tempels 24<br />

Pur<strong>im</strong> - Gedenkfest an die Rettung der <strong>Juden</strong> durch Ester 24<br />

Schawuot - das Fest der Gabe der Tora 25<br />

Tischa-be-Aw - Trauertag über die Zerstörung des Tempels 25<br />

Das christliche Jahr 26<br />

Feste und Brauchtum <strong>im</strong> Kirchenjahr 27<br />

Berit Mila - Zeichen des Bundes Gottes mit seinem Volk 28<br />

Bar Mizwa - Bat Mizwa 29<br />

Kidduschin - die Eheschließung 30<br />

Ketubba - der Ehevertrag 31<br />

Awelut- die Beerdigung 32<br />

Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg 33<br />

Symbole auf jüdischen Grabsteinen 34<br />

Zu den Symbolen und Inschriften auf jüdischen Grabsteinen 35<br />

<strong>Die</strong> Sakramente <strong>im</strong> Lebenslauf des Christen und der Christin 36<br />

Epochen der jüdischen Geschichte 37<br />

Landkarte: Das heutige Israel mit den modernen Ortsnamen 41<br />

Marc Chagall: <strong>Die</strong> weiße Kreuzigung 42<br />

Der Jude Jesus und seine Botschaft 43<br />

Was <strong>Juden</strong> und Christen miteinander verbindet und was sie unterscheidet 44<br />

Versöhnung 45


Mirjam erzählt...<br />

Ich heiße Mirjam Rosenberg und bin 15 Jahre alt. Vor 5 Jahren bin ich zusammen<br />

mit meinen Eltern und meinem 4 Jahre jüngeren Bruder Dany aus Russland nach<br />

Deutschland umgesiedelt. Wir sind in die gleiche Stadt gezogen, in der <strong>unsere</strong><br />

Großeltern schon lange wohnen. Wir, <strong>unsere</strong> ganze Familie, sind deutsche <strong>Juden</strong>.<br />

Meine Großeltern sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie wurden als<br />

Jugendliche nach Polen deportiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen<br />

sie bald nach Deutschland zurück, denn sie sahen Deutschland als ihr He<strong>im</strong>atland<br />

an und wollten wieder hier leben. Meine Mutter wurde in Deutschland geboren, mein<br />

Vater stammt aus der damaligen Sowjetunion.<br />

Inzwischen sind auch meine Eltern, mein Bruder und ich in Deutschland he<strong>im</strong>isch<br />

geworden. Mein Vater ist von Beruf Architekt und arbeitet bei einer Baufirma. Ich<br />

gehe in eine Realschule, in die 9. Klasse, und habe viele Freundinnen und Freunde<br />

unter meinen Mitschülern. Wir leben genauso wie andere deutsche Familien und<br />

unterscheiden uns nur durch <strong>unsere</strong> jüdische Religion von den anderen Deutschen,<br />

die ja meistens Christen sind. Als ich in die Realschule kam, wurde ich gefragt, was<br />

ich denn eigentlich sei, weil ich nicht am christlichen Religionsunterricht teilnehme.<br />

Erst hatte ich ein bißchen Angst, zu sagen, daß ich Jüdin bin. Es war noch niemandem<br />

aufgefallen, weil ich blond bin und blaue Augen habe, wie viele deutsche Mädchen.<br />

Dann habe ich es aber doch gesagt, weil ich eigentlich stolz bin auf meine jüdische<br />

Abstammung. <strong>Die</strong> anderen akzeptieren mich voll und ich habe keine Schwierigkeiten<br />

deswegen, weil ich Jüdin bin. Noch nie hat mich jemand komisch angeguckt<br />

oder gar besch<strong>im</strong>pft. In letzter Zeit haben meine Eltern zwar etwas Angst bekommen,<br />

weil man so viel hört von Neonazis, die es in Deutschland gibt und die gegen<br />

die <strong>Juden</strong> seien, genau wie gegen Ausländer. Und von der Schändung jüdischer<br />

Friedhöfe hört man. Aber mein Großvater meint, daß es best<strong>im</strong>mt nicht mehr so<br />

werden wird für uns wie <strong>im</strong> Dritten Reich. Er sagt, wir sind keine Ausländer, sondern<br />

eben deutsche <strong>Juden</strong>, und Deutschland ist ein freiheitliches Land, in dem jeder<br />

glauben kann, was er will, und nach seiner Religion leben, wie er möchte.<br />

In meiner Klasse sind die meisten katholisch, und als sie <strong>im</strong> Religionsunterricht das<br />

<strong>Juden</strong>tum durchgenommen haben, wurde ich eingeladen, in einer Unterrichtsstunde<br />

etwas über meinen jüdischen <strong>Glauben</strong> zu erzählen, und wie wir als <strong>Juden</strong> leben. Das<br />

habe ich gern getan und die anderen waren sehr interessiert und haben mich vieles<br />

gefragt: Warum wir Schabbat feiern und nicht Sonntag, welche Feste wir sonst noch<br />

feiern, was „koscheres Essen" bedeutet, warum wir in die Synagoge gehen und nicht<br />

in die Kirche und vieles mehr... Dabei haben wir auch gemerkt, daß <strong>Juden</strong> und<br />

Christen in ihrer Religion vieles gemeinsam oder ähnliches haben, z.B. die Bibel. Ich<br />

lerne Bibel in der Jeschiwa. Das ist eine religiöse Schule für jüdische Kinder und Jugendliche,<br />

die bei der Synagoge ist und die ich einmal in der Woche besuche. Dort<br />

lernen wir auch Hebräisch. Das ist sehr wichtig für uns, denn in <strong>unsere</strong>n Gottesdiensten<br />

in der Synagoge wird alles in hebräischer Sprache gebetet und gesungen und<br />

vorgelesen. Anfangs waren deshalb die Gottesdienste für mich ziemlich langweilig,<br />

aber jetzt verstehe ich schon viel und gehe deshalb auch lieber zum Synagogengottesdienst.<br />

Vor allem auch, weil wir dort andere jüdische Mitbürger treffen. Zu <strong>unsere</strong>r<br />

jüdischen Gemeinde gehören nur 120 Mitglieder, und so kennen wir uns alle und<br />

feiern auch gern miteinander, vor allem an den hohen Festtagen. Unsere religiösen<br />

Feste mag ich besonders gern, wegen der Bräuche und Traditionen, die damit verbunden<br />

sind.<br />

Ansonsten gehe ich noch ins Ballet und interessiere mich besonders fürs Theater.<br />

Wenn ich es schaffe, möchte ich später einmal ans Theater, oder vielleicht auch<br />

Tanzlehrerin werden.<br />

2


Jüdische Gemeinden in Baden-Württemberg früher und heute<br />

Alte Synagoge von <strong>Freiburg</strong>, 1869/70 erbaut, Foto von 1902, 1938 zerstört.<br />

Auch heute noch kommen <strong>Juden</strong><br />

aus osteuropäischen Ländern<br />

nach Deutschland. Früher<br />

gab es in fast jeder Stadt in<br />

Deutschland eine jüdische<br />

Gemeinde und eine oder mehrere<br />

Synagogen. 1938 wurden<br />

durch die Nationalsozialisten in<br />

der Reichspogromnacht alle<br />

Synagogen angezündet oder<br />

demoliert. Erst lange nach<br />

dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

konnten einige Synagogen<br />

wieder aufgebaut oder<br />

neu errichtet werden.<br />

Heute gibt es in Deutschland<br />

nur noch 71 jüdische Gemeinden,<br />

davon sind 9 in Baden-<br />

Württemberg, nämlich in den<br />

Städten Baden-Baden Emmendingen,<br />

<strong>Freiburg</strong>, Heidelberg,<br />

Karlsruhe, Konstanz,<br />

Mannhe<strong>im</strong>, Pforzhe<strong>im</strong>, Stuttgart.<br />

4<br />

Zu Beginn <strong>unsere</strong>s Jahrhunderts<br />

lebten in<br />

Deutschland rund 600 000<br />

<strong>Juden</strong>. Nach der fast vollständigen<br />

Vernichtung der<br />

<strong>Juden</strong> in Deutschland<br />

durch die Nationalsozialisten<br />

leben heute nur noch<br />

bzw. wieder 55 000 <strong>Juden</strong><br />

in Deutschland. Manche<br />

von ihnen wurden in<br />

Deutschland geboren, sind<br />

hier aufgewachsen und<br />

haben die nationalsozialistischen<br />

Lager überlebt.<br />

Andere sind nach dem<br />

Krieg aus osteuropäischen<br />

Ländern hierhergekommen.<br />

Neue Synagoge von <strong>Freiburg</strong>, 1987 erbaut.


„Und schreibe sie auf die Pfosten deines Hauses"<br />

Seit Jahrtausenden befestigen <strong>Juden</strong> in aller Welt eine Mesusa am rechten Türpfosten ihres Hauseingangs<br />

<strong>Die</strong> Kapsel enthält eine Pergamentrolle, auf der Passagen von Deuteronomium 6,4 -9 und<br />

11,13-21 geschrieben sind. <strong>Die</strong> Inschrift betont die Liebe des Menschen zu Gott und ermahnt den<br />

Menschen zur Erfüllung der Gebote. <strong>Die</strong> Mesusa muß vom Eigentümer oder Mieter des Hauses dreißig<br />

Tage nach dem Einzug befestigt werden.<br />

<strong>Die</strong> Mesusa<br />

Für gläubige <strong>Juden</strong> ist das gesamte Leben auf Gott ausgerichtet. Handlungen und<br />

Ereignisse des täglichen Lebens werden mit einem Segensspruch begonnen, z. B.<br />

das Händewaschen, das Brotbrechen, das Trinken, das Essen einer Frucht, das<br />

Anziehen eines neuen Anzugs oder Kleides. So preisen gläubige <strong>Juden</strong> bei allem,<br />

was sie tun, Gott, den Herrn.<br />

Entsprechend den Weisungen der Tora (Dtn 6,9 und 11,20) ist am Eingang des<br />

Hauses oder der Wohnung von <strong>Juden</strong> am rechten Türpfosten die Mesusa befestigt.<br />

Das ist eine Kapsel aus Metall, die eine kleine Pergamentrolle mit dem „Höre Israel"<br />

und anderen Texten aus der Tora enthält. Jedesmal wenn <strong>Juden</strong> ihr Haus oder ihre<br />

Wohnung verlassen und wenn sie he<strong>im</strong>kehren, berühren sie die Mesusa und stellen<br />

sich unter den Schutz Gottes.<br />

Zum christlichen Brauch des Weihwassers:<br />

In katholischen Kirchen befindet sich in der Nähe des Eingangs ein Wasserbecken mit geweihtem<br />

Wasser. Be<strong>im</strong> Betreten und be<strong>im</strong> Verlassen der Kirche tauchen die Gläubigen ihre Finger in das<br />

Weihwasser und machen damit das Kreuzzeichen über sich. Das Weihwasser wird zusammen mit<br />

dem Taufwasser in der Osternacht vom Priester geweiht und in einem großen Behälter für das ganze<br />

Jahr aufbewahrt. Viele Christen nehmen davon auch mit nach Hause in ihre Wohnungen, wo sie in der<br />

Nähe der Tür einen kleinen Weihwasserkessel angebracht haben. Be<strong>im</strong> Weggehen von zu Hause<br />

segnen sie sich mit dem Weihwasser. Eltern segnen ihre Kinder, indem sie ihnen be<strong>im</strong> Zubettgehen<br />

mit Weihwasser ein Kreuz auf die Stirn machen und sie so unter den Schutz Gottes stellen.


Koscher essen - Jüdische Speisevorschriften<br />

In vielen jüdischen Familien werden die Speisevorschriften sorgfältig beachtet: Das<br />

Essen muß „koscher sein, das heißt rein, brauchbar, rituell tauglich, denn die Mahlzeit<br />

ist für <strong>Juden</strong> etwas Heiliges. <strong>Die</strong> Speisegesetze stützen sich auf das in der Tora<br />

dre<strong>im</strong>al betonte Gebot: „Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner<br />

Mutter kochen" (Ex 23,19; Ex 34,26; und Dtn 14,21).<br />

Deshalb werden Milchprodukte und Fleischprodukte getrennt zubereitet und nie zusammen<br />

gegessen. Auch wird <strong>im</strong> jüdischen Haushalt verschiedenes Geschirr für<br />

Milchiges und Fleischiges verwendet.<br />

Außerdem besteht für <strong>Juden</strong> das Verbot, das Fleisch best<strong>im</strong>mter Tiere zu essen.<br />

Verboten ist z. B. das Fleisch von Schweinen, Hasen, Raubvögeln und von Meerestieren<br />

und Fischen, die keine Schuppen und Flossen haben. Das Fleisch von anderen<br />

Tieren darf gegessen werden, wenn es in der vorgeschriebenen Weise zubereitet,<br />

das heißt koscher gemacht ist. Dazu gehört, daß die Tiere nicht geschlachtet,<br />

sondern geschachtet werden, d.h. mit einem Messer wird dem Tier die Halsschlagader<br />

durchgeschnitten, damit alles Blut aus dem Körper heraustreten kann. Das<br />

Fleisch wird in Salzwasser gelegt, um alles restliche Blut zu beseitigen. Blut gilt in<br />

der Bibel als Sitz des Lebens, und nur Gott verfügt über das Leben (Gen 9,4).<br />

Alle anderen Nahrungsmittel wie Früchte, Brot, Mehlspeisen, Wein, Gewürze usw.<br />

können sowohl zu Milch- wie auch zu Fleischspeisen gegessen werden.<br />

<strong>Die</strong> Speisevorschriften sind ein besonderes Kennzeichen des <strong>Juden</strong>tums. Schon<br />

be<strong>im</strong> Einkaufen, be<strong>im</strong> Aufbewahren und Zubereiten der Speisen sollen die Gedanken<br />

auf Gott gerichtet sein, der die Gesetze der Tora gegeben hat, damit sie dem<br />

Menschen zum Leben dienen. Durch die Befolgung der Speisegesetze wird die um<br />

den Tisch versammelte Familie aus dem alltäglichen Leben herausgenommen und in<br />

Verbindung mit Gott gebracht. Das Mahl wird mit einem Segensgebet begonnen und<br />

beendet. So wird be<strong>im</strong> Essen in der Familie die Gemeinschaft mit Gott erfahren.<br />

Koscheres Pils aus deutschen Landen<br />

In Hannover wird Gerstensaft nach den jüdischen Speisegesetzen gebraut<br />

Produktionsleiter Hans-Joach<strong>im</strong> Hinz (1.) überprüft das Jungbier Foto: Fotocentrum


Tefilla - das tägliche Gebet des <strong>Juden</strong><br />

Das tägliche Gebet ist ein fester<br />

Bestandteil <strong>im</strong> Leben des<br />

religiösen <strong>Juden</strong>. Es gibt drei<br />

festgesetzte Gebetszeiten, zu<br />

denen allein oder in Gemeinschaft<br />

(z.B. in der Synagoge)<br />

gebetet wird: Das Abendgebet,<br />

das Morgengebet und das<br />

Nachmittagsgebet. Jüdisches<br />

Beten ist mit best<strong>im</strong>mten Riten<br />

und Symbolhandlungen verbunden.<br />

Ob die Gebete zu<br />

Hause oder in der Synagoge<br />

verrichtet werden, der Jude<br />

hüllt sich dazu in den Tallit,<br />

den Gebetsmantel, begleitet<br />

von Segenssprüchen, die Tefillin,<br />

die Gebetsriemen mit den<br />

Schriftkapseln sind an der Stirn, der linken Hand und dem Oberarm (Nähe des Herzens)<br />

angelegt. Dem Beter soll dadurch bewußt werden, daß Geist, Herz und Hand<br />

an Gott gebunden und seinem <strong>Die</strong>nst geweiht sind. <strong>Die</strong> Kippa oder eine andere<br />

Kopfbedeckung ist zum Gebet vorgeschrieben.<br />

Vor dem Gebet werden die Hände gewaschen und dabei ein Segensspruch gebetet.<br />

Viele <strong>Juden</strong> bewegen be<strong>im</strong> Beten den Oberkörper vor und zurück, manche breiten<br />

auch die Hände aus.<br />

<strong>Die</strong> Gebete sind grundsätzlich an allen Tagen gleich; für den Schabbat und die Feiertage<br />

gibt es noch ein „Zusatzgebet (Musaf)", das meist an das Morgengebet angeschlossen<br />

wird. Der wichtigste Teil in den Gebeten ist das Bekenntnis des „Sch'ma<br />

Israel" („Höre Israel").<br />

Das umfangreichste der täglichen Gebete ist das Morgengebet (Schacharit). Es besteht<br />

aus fünf Teilen: Segenssprüche für die Morgenstunde, Psalmen zum Lobpreis<br />

Gottes, das „Höre Israel", das Achtzehnbittengebet und zum Abschluß das „Alenu"<br />

und „Kaddisch". Findet der morgendliche Gebetsgottesdienst in der Synagoge statt,<br />

wird er erweitert durch eine Toralesung, auf die einige Psalmen folgen.<br />

Das Nachmittagsgebet (Mincha) ist kurz: Es besteht aus einem Gebet, das von<br />

Psalm 145 eingeleitet und mit einem kurzen Bußgebet beschlossen wird.<br />

Das Abendgebet (Maariv) wird kurz nach Sonnenuntergang verrichtet. Es umfaßt<br />

das Bekenntnis „Höre Israel", das von mehreren Segenssprüchen umrahmt ist, das<br />

Achtzehnbittengebet und als Abschluß das „Alenu".<br />

Darüber hinaus ist das gesamte Alltagsleben religiöser <strong>Juden</strong> umrahmt von einer<br />

Vielfalt von Segenssprüchen (hebr. Berachot). Es ist die häufigste Form jüdischen<br />

Betens. Alle Handlungen werden von Segenssprüchen begleitet: Man betet sie zur<br />

Erfüllung religiöser Pflichten, vor dem Beginn einer Arbeit oder Sache, vor dem Genuß<br />

einer Speise oder eines Trankes und als Danksagung. Der Sinn der Segenssprüche<br />

besteht darin, daß der Mensch sein ganzes Leben auf Gott ausrichtet.<br />

<strong>Die</strong> jüdische Frau hat grundsätzlich die gleichen religiösen Pflichten wie der Mann;<br />

sie ist jedoch von allen Verpflichtungen befreit, die an best<strong>im</strong>mte Zeiten (z.B. Gottesdienst-<br />

und Gebetszeiten) gebunden sind, wenn die häuslichen und familiären<br />

Verpflichtungen das erfordern.<br />

8


Aus den täglichen Gebeten des <strong>Juden</strong>tums<br />

Aus den Morgengebeten:<br />

Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott und Gott <strong>unsere</strong>r Väter, Gott Abrahams, Gott<br />

Isaaks und Gott Jakobs, großer und starker Gott, höchster Gott, der du beglückende<br />

Wohltaten erweisest und Eigner des Alls bist, der du der Frömmigkeit der Väter gedenkst<br />

und einen Erlöser bringst ihren Kindeskindern um deines Namens willen in<br />

Liebe.<br />

Verleihe Frieden, Glück und Segen, Gunst und Gnade und Erbarmen uns und ganz<br />

Israel, deinem Volke, segne uns, unser Vater, uns alle vereint durch das Licht deines<br />

Angesichts, denn <strong>im</strong> Licht deines Angesichts gabst du uns, Ewiger, unser Gott, die<br />

Lehre des Lebens und die Liebe zum Guten, Heil und Segen, Barmherzigkeit, Leben<br />

und Frieden. Fülle des Friedens lege auf dein Volk Israel ewiglich, denn du bist König<br />

und Herr allen Friedens, und wohlgefällig ist es in deinen Augen, dein Volk Israel<br />

zu jeder Zeit und jeder Stunde mit deinem Frieden zu segnen.<br />

(Aus dem Achtzehn-Bitten-Gebet)<br />

Zu dir hoffen wir, Ewiger, unser Gott, bald die Herrlichkeit deiner Macht zu schauen,<br />

daß aufgerichtet werde die Welt durch dein Walten, und daß alle Fleischgeborenen<br />

deinen Namen anrufen, daß sich dir zuwenden alle Frevler der Erde, daß erkennen<br />

und wissen alle Bewohner des Erdenrundes, daß vor dir sich beugen müsse jedes<br />

Knie. Vor dir, Ewiger, unser Gott, werden sie knien und niederfallen, und der Herrlichkeit<br />

deines Namens die Ehre geben, und sie alle werden annehmen das Joch<br />

deiner Herrschaft, und du wirst über sie herrschen, bald, für <strong>im</strong>mer und ewig. Denn<br />

das Reich ist dein, und für <strong>im</strong>mer und ewig wirst du in Ehren walten, wie geschrieben<br />

steht in deiner Lehre (Sach 14,7): „Und der Ewige wird König sein über die ganze<br />

Erde; an jenem Tag wird der Ewige einzig sein und sein Name einzig."<br />

Aus den Abendgebeten:<br />

Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, Herrscher der Welt, der mit seinem Wort die<br />

Abende dunkel werden läßt, mit Weisheit die Tore öffnet und mit Verständnis die<br />

Zeiten verändert. Er erschafft Tag und Nacht, rollt Licht vor Finsternis und Finsternis<br />

vor Licht, läßt verstreichen einen Tag und bringt Nacht und unterscheidet zwischen<br />

Tag und Nacht. Gelobt seist du, Ewiger, der die Abende dunkel werden läßt.<br />

Gib, daß wir uns hinlegen, Ewiger, unser Gott, zum Frieden, und laß uns wieder<br />

aufstehen, unser König, zum Leben und breite über uns deines Friedens Zelt, und<br />

richte uns auf durch einen guten Ratschluß von dir, hilf uns um deines Namens willen,<br />

schütze uns und wende von uns ab Hasser, Seuche, Schwert, Hunger, Kummer.<br />

Laß jedes Hindernis weichen vor uns und hinter uns, <strong>im</strong> Schatten deiner Fittiche birg<br />

uns, denn Gott, unser Retter und Hüter bist du, Gott, ein gnädiger und barmherziger<br />

König bist du.<br />

Behüte unser Kommen und Gehen, zum Frieden und zum Leben von nun an bis in<br />

Ewigkeit. Und breite über uns deines Friedens Zelt. Gelobt seist du, Ewiger, der du<br />

des Friedens Zelt ausbreitest über uns und über dein ganzes Volk Israel und über<br />

Jerusalem.


Was der Schabbat für <strong>Juden</strong> bedeutet<br />

Der berühmte amerikanische Schriftsteller und Regisseur Herman Wouk berichtet:<br />

Der Schabbat hat <strong>im</strong>mer dann überaus einschneidend in mein eigenes Leben eingegriffen,<br />

wenn Proben meiner Stücke stattfanden. Es ist Freitagnachmittag, und trotz<br />

der hochgradigen Spannung, unter der die Proben standen, verabschiede ich mich<br />

von den Kollegen bis Samstagabend. Ob meinen Stücken schließlich Erfolg oder<br />

Mißerfolg beschieden war, das hing in dem einen wie in dem anderen Fall nicht davon<br />

ab, daß ich den Schabbat gehalten habe.<br />

Hinter mir habe ich das düstere Theater gelassen, die überall herumstehenden Kaffeetassen,<br />

den Wust der halbzerfetzten Rollen- und Regiebücher, die überreizten<br />

Schauspieler, die sch<strong>im</strong>pfenden Bühnenarbeiter, den besessenen Regisseur und<br />

den sich die Knöchel wundnagenden Produzenten, die Tabakschwaden, den Kulissenstaub<br />

- und ich bin dahe<strong>im</strong>. Der Wechsel ist verwirrend, fast so, als käme man<br />

von der Front auf kurzen He<strong>im</strong>aturlaub. Meine Frau und meine beiden Söhne empfangen<br />

mich, alle schon festlich gekleidet und froh gest<strong>im</strong>mt. Es umfängt mich eine<br />

unsagbare Atmosphäre - der Schabbat beginnt. Wir setzen uns zu einem festlichen<br />

Mahl an den mit Blumen und Schabbat-Symbolen geschmückten Tisch: die Kerzen,<br />

die geflochtenen Weißbrote, der gefüllte Fisch und meines Großvaters Silberpokal,<br />

in dem Wein funkelt. Meine Frau zündet die Schabbatkerzen an und spricht den Segen<br />

darüber, ich segne meine beiden Söhne mit dem uralten Segensspruch und wir<br />

singen Tischlieder zum Schabbat. Be<strong>im</strong> gemeinsamen Mahl dreht sich <strong>unsere</strong> Unterhaltung<br />

nicht etwa um die einem Ende mit Schrecken entgegenwankende Aufführung<br />

meines letzten Stückes. Meine Frau und ich holen die während der Woche versäumte<br />

Unterhaltung nach, die Jungen richten ihre Fragen an uns, denn dazu ist am<br />

Schabbat die beste Gelegenheit. Auf dem Tisch türmen sich Bibel, Lexika und Atlas.<br />

Wir sprechen vom <strong>Juden</strong>tum und aus dem Munde der Kinder kommen die üblichen<br />

verzwickten Fragen nach Gott und der Welt, die meine Frau und ich, so gut es eben<br />

geht, beantworten. Ich komme mir vor, als ob ich eine Wunderkur mache.<br />

Auf ähnliche Weise verbringen wir auch den Samstag. Wir gehen gemeinsam zur<br />

Synagoge. <strong>Die</strong> Jungen kennen sich in der Synagoge aus, und es gefällt ihnen dort.<br />

Noch besser gefällt ihnen, daß sie nun ihre Eltern ganz für sich haben. Während der<br />

Woche mit ihren Schulaufgaben, der häuslichen Arbeit für meine Frau und meiner<br />

eigenen Tätigkeit - besonders während der Proben für ein Stück - kommt es oft genug<br />

vor, daß wir wenig von einander sehen. Am Schabbat aber sind wir <strong>im</strong>mer da,<br />

und das wissen sie. Sie wissen auch, daß ich dann nicht arbeite und auch meine<br />

Frau Zeit hat. <strong>Die</strong>ser Tag gehört ihnen.<br />

<strong>Die</strong>ser Tag gehört auch mir. Das Telefon klingelt nicht. Ich habe Zeit zum Nachdenken,<br />

zum Lesen, Lernen, Spazierengehen oder zum Nichtstun. Der Schabbat ist eine<br />

Oase der Ruhe. Erst wenn es dunkel wird, kehre ich zurück an den Broadway, und<br />

das nervenzerreißende Spiel beginnt von neuem. Gerade dann kommen mir oft meine<br />

besten Einfalle für die gräßliche literarische Operation, die sich bis zum Premierenabend<br />

hinzieht.<br />

Mein Regisseur sagte eines Samstagabends zu mir: „Ich beneide Sie nicht um Ihre<br />

Religion, aber ich beneide Sie um ihren Schabbat."<br />

Ich erwähne das, weil mir diese Erfahrung meines eigenen Lebens am besten wiederzugeben<br />

scheint, was der Schabbat für <strong>Juden</strong> bedeutet. Natürlich sind die<br />

Schabbatvorschriften Religionsgesetze und nicht etwa nur Brauch und Sitte. Aber wir<br />

sind damit so vertraut wie mit der Luft, die wir einatmen und wir empfinden sie gar<br />

nicht als streng zu erfüllende Pflichten. Nichts erscheint <strong>Juden</strong> an den Schabbatvorschriften<br />

widersinnig, weil sie selbst an diesem Tag nicht anderen Sinnes sind.<br />

(Gekürzt übernommen aus: Herman Wouk, Das ist mein Gott, Hamburg 1984, S. 59-62)<br />

10


Der Schabbat<br />

Der Schabbat ist ein heiliger und zu heiligender Tag, denn er gilt als ein Zeichen des<br />

Bundes zwischen Gott und seinem Volk Israel. <strong>Die</strong> Heiligung des Schabbat wird mit<br />

der Schöpfungsruhe Gottes begründet (Gen 2,2-3 und Ex 20,8-9).<br />

Für gläubige <strong>Juden</strong> ist der siebte Tag jeder Woche ein Tag, an dem nicht gearbeitet<br />

wird, ein Tag der Freude und des Feierns. Der Schabbat beginnt am Freitagabend<br />

mit Sonnenuntergang und endet am Samstagabend mit Einbruch der Dunkelheit.<br />

Der Tag vor dem Schabbat ist der Rüsttag, an dem das ganze Haus gereinigt und<br />

geschmückt wird und an dem alles für die Feier des Schabbats vorbereitet wird. Vor<br />

Einbruch der Dunkelheit zündet die Frau die Schabbatlichter an und spricht den Segen<br />

darüber:<br />

„Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, der du uns durch deine Weisung geheiligt<br />

und uns geboten hast, das Schabbatlicht zu entzünden."<br />

Männer, Frauen und Kinder gehen in die Synagoge zum Abendgottesdienst, in dem<br />

der Schabbat begrüßt wird. Am Schluß des Gottesdienstes wünschen alle einander<br />

„Schabbat Schalom" und gehen in froher Erwartung nach Hause.<br />

Dahe<strong>im</strong> sprechen die Eltern über jedes der Kinder einen Segen. Der Hausvater<br />

st<strong>im</strong>mt das „Lob der tüchtigen Hausfrau" an, wie es in der Bibel steht (Spr 31,10-31).<br />

Danach spricht er den Segen über Wein und Schabbatbrot, und alle essen und trinken<br />

davon. Zur gemeinsamen Mahlzeit werden Schabbatlieder gesungen. Oft sind<br />

auch Gäste eingeladen, die keine Familie haben.<br />

Am Samstagmorgen versammelt sich die Gemeinde wieder zum Gottesdienst in der<br />

Synagoge. Zu Hause gibt es ein festliches Essen, das bereits am Vortag zubereitet<br />

wird. Erholung, Ruhe und Besinnung best<strong>im</strong>men den ganzen Schabbat. Männern,<br />

Frauen und Kindern ist empfohlen, religiöse Bücher zu lesen und die Bibel zu studieren.<br />

<strong>Die</strong> Familienmitglieder sollen Zeit füreinander haben. Wenn möglich, geht man<br />

spazieren oder macht auch Besuche.<br />

Vor Einbruch der Dunkelheit beschließt die Familie den Schabbat mit dem gemeinsamen<br />

Abendgebet und der „Hawdala", dem Unterscheidungssegen. Darin wird Gott<br />

gepriesen, daß er unterschieden hat zwischen heiligen und gewöhnlichen Tagen. Zur<br />

Hawdala wird eine geflochtene Kerze entzündet und der Segen über einen Becher<br />

Wein gesprochen, aus dem alle trinken. Danach riecht jeder an einer Dose mit Gewürzen<br />

(Besam<strong>im</strong>-Dose). Der Duft ist ein Symbol für den Schabbat, der in die kommende<br />

Woche hinein ausstrahlen soll. Abschiedslieder für den Schabbat, in denen<br />

auch die Hoffnung auf die messianische Zeit ausgedrückt wird, beenden diesen heiligen<br />

Tag.<br />

Der Sonntag<br />

<strong>Die</strong> jüdische Woche endet mit dem Schabbat am 7. Tag, die christliche Woche beginnt mit dem<br />

Sonntag, dem Tag des Herrn, dem Tag Jesu Christi.<br />

Christen begehen den Sonntag als den Tag, an dem der vor 2000 Jahren gekommene Messias Jesus<br />

aus Nazaret von Gott auferweckt wurde.<br />

Um sich <strong>im</strong>mer wieder an das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi zu erinnern und<br />

neue Kraft für ihr Leben als Christen zu bekommen, feiern Christen vor allem ihren Gemeindegottesdienst<br />

in der Kirche mit Gebeten und Liedern, Lesungen aus der Bibel und der Eucharistiefeier<br />

(katholisch) bzw. dem Abendmahl (evangelisch).<br />

In kath. Gemeinden, die keinen eigenen Priester mehr haben, findet am Samstag-Abend oder am<br />

Sonntag-Vormittag der Gottesdienst der Gemeinde als Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung<br />

durch Männer und Frauen aus der Gemeinde statt.<br />

Auch Christen halten den Sonntag frei von Berufsarbeit, soweit sie nicht an diesem Tag in sozialen<br />

Einrichtungen (Krankenhaus, Kinderhe<strong>im</strong>, Altenhe<strong>im</strong>, Feuerwehr, Polizei und anderen) <strong>Die</strong>nst tun.<br />

Auch Christen nehmen sich am Sonntag Zeit, um zu sich selber zu kommen und die Woche mit neuer<br />

Energie zu gestalten.<br />

11


Der Gottesdienst in der Synagoge<br />

Mittelpunkt einer jüdischen Gemeinde ist die Synagoge. Synagoge ist das griechische<br />

Wort für Versammlung (hebr. Be-it Knesset). <strong>Die</strong> Synagoge ist das jüdische<br />

Versammlungshaus für den Gottesdienst, sowie auch Bet- und Lehrhaus. Zur Synagoge<br />

gehören Räume für Gemeindeversammlungen und für den Religionsunterricht,<br />

sowie eine „Mikwe" für die rituellen Reinigungen.<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde versammelt sich vor allem am Schabbat zu den Gottesdiensten in der<br />

Synagoge. Das Wichtigste in der Synagoge ist der Toraschrein. In ihm werden die<br />

Torarollen aufbewahrt, aus denen be<strong>im</strong> Gottesdienst vorgelesen wird. Um einen<br />

Gottesdienst in der Synagoge feiern zu können, müssen mindestens zehn religiös<br />

volljährige Männer anwesend sein. Religiös volljährig wird ein jüdischer Junge mit 13<br />

Jahren. <strong>Die</strong> für einen Gottesdienst verpflichtende Anzahl von zehn Männern heißt<br />

„Minjan". Der Gottesdienst wird geleitet von einem Vorbeter. Er spricht die Gebete,<br />

teilweise zusammen mit der Gemeinde, die Gesänge trägt ein Kantor vor, manchmal<br />

auch ein Chor. Der Rabbiner ist der Lehrer der Gemeinde. Priester wie in der katholischen<br />

Kirche gibt es nicht.<br />

Der Gottesdienst in der Synagoge hat einen festen Ablauf. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes<br />

steht die Tora.<br />

Ausheben der Torarolle: Unter Liedern und Gebeten wird die Tora aus dem Toraschrein<br />

gehoben und in feierlicher Prozession durch die Synagoge zur B<strong>im</strong>a getragen.<br />

Lesung aus der Tora: Am Schabbat werden sieben Abschnitte aus der Tora vorgetragen.<br />

Dazu werden sieben Gemeindemitglieder aufgerufen. Im Verlauf eines Jahres<br />

wird die gesamte Tora gelesen. Vor jeder Lesung aus der Tora wird ein Segensspruch<br />

gebetet. Auf die Tora-Lesung folgen Lesungen aus den Prophetenbüchern,<br />

weitere Segenssprüche und Gebete. Zu den Gebeten, die in jedem Gottesdienst gesprochen<br />

werden, gehört das „Höre Israel" und das „Achtzehngebet", das „Kaddisch"<br />

für die Verstorbenen und das „Awinu Malkenu" mit dem Preis auf Gott, den Schöpfer<br />

der Welt und König seines Volkes Israel.<br />

Einheben der Tora: Nach den Lesungen wird die Tora noch einmal hochgehoben<br />

und allen gezeigt. Dann wird sie wieder in den Toraschrein eingehoben. Mit dem<br />

Schabbatpsalm (Psalm 92) schließt der Gottesdienst.<br />

12


<strong>Die</strong> Tora<br />

<strong>Die</strong> hebräische Bibel ist das <strong>Glauben</strong>sbuch des jüdischen Volkes. Vor allem die ersten<br />

fünf Bücher der Bibel verstehen <strong>Juden</strong> als „Bundesurkunde", in der Gott seinem<br />

Volk Israel die Weisungen für ein gelingendes Leben kundtut. <strong>Die</strong>se ersten fünf Bücher<br />

heißen „Tora" > Weisung. Nach jüdischem <strong>Glauben</strong> wurde die Tora von Gott<br />

selbst durch Mose dem Volk Israel gegeben als Weisung zum Leben und Heil. <strong>Die</strong><br />

Tora best<strong>im</strong>mt <strong>Glauben</strong> und Handeln der <strong>Juden</strong> bis heute. Sie wird als das kostbarste<br />

Geschenk Gottes für sein Volk angesehen. Vor jeder Lesung aus der Tora danken<br />

<strong>Juden</strong> Gott für dieses Geschenk in einem Segensgebet:<br />

„Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns aus allen Völkern<br />

erwählt und uns die Tora gegeben hat. Gelobt seist du, Ewiger, Geber der<br />

Tora."<br />

In der Tora ist Israel die Weisung gegeben, nach der das ganze Volk und jeder einzelne<br />

sein Leben ausrichten soll, um den Weg des Glückes und des Heiles zu finden.<br />

So sagt es die Bibel:<br />

„Über diese Weisung sollst du <strong>im</strong>mer reden und Tag und Nacht darüber nachsinnen,<br />

damit du darauf achtest, genau so zu handeln, wie darin geschrieben<br />

steht. Dann wirst du auf deinem Weg Glück und Erfolg haben." (Jos 1,8)<br />

Für den Gottesdienst in<br />

der Synagoge werden<br />

die Texte der Tora nach<br />

strenger Vorschrift<br />

sorgfältig von Hand auf<br />

Pergamentbogen geschrieben.<br />

<strong>Die</strong>se werden<br />

aneinandergeheftet und<br />

auf zwei Stäbe aufgerollt.<br />

<strong>Die</strong> Rolle wird in<br />

einen reich verzierten<br />

Mantel gehüllt und mit<br />

einer Krone geschmückt.<br />

Über den Toramantel<br />

wird ein Schild gehängt<br />

und ein Torazeiger aus<br />

Silber, mit dem der Vorleser<br />

den Schriftzeilen<br />

folgt, die er nicht mit den<br />

Fingern berühren darf.<br />

Außerdem werden auf<br />

die Spitzen der beiden<br />

Rollstäbe die „r<strong>im</strong>on<strong>im</strong>"<br />

gesetzt, zwei dekorative<br />

Kronen, die mit Glöckchen<br />

versehen sind.<br />

13


Der Tenach - <strong>Die</strong> hebräische Bibel<br />

<strong>Die</strong> hebräische Bibel ist ein Buch, das in einem Zeitraum von etwa 1000 Jahren<br />

entstanden ist. Darum ist es kein einheitliches Buch, sondern eine Sammlung von<br />

vielen Schriften, die eine kleine Bibliothek bilden.<br />

<strong>Die</strong> hebräische Bibel besteht aus drei großen Teilen:<br />

- Tora (die ersten fünf Bücher)<br />

- Nebi<strong>im</strong> (die Bücher der Propheten)<br />

- Ketub<strong>im</strong> (die [übrigen]Schriften)<br />

<strong>Die</strong> Bibel erzählt die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel, den <strong>Juden</strong>, und mit<br />

der ganzen Menschheit. <strong>Die</strong> Geschichte Israels beginnt damit, daß Gott einen<br />

einzelnen Menschen, Abraham, aus der Völkerwelt des Alten Orients herausruft, um<br />

ihn zu einem großen Volk zu machen. Gott erwählt sich dieses Volk in besonderer<br />

Weise zu seinem Eigentum. Als die Israeliten in Ägypten in die Unterdrückung<br />

geraten, befreit Gott sie durch die Hand des Mose (Exodus), schließt mit ihnen einen<br />

Bund am Sinai und gibt ihnen Weisungen zum Leben (Dekalog).<br />

<strong>Die</strong> hebräische Bibel entspricht in etwa dem Teil der christlichen Bibel, den wir Altes<br />

Testament (oder Erstes Testament) nennen. Sie hat jedoch eine andere Einteilung.<br />

<strong>Die</strong> fünf ersten Bücher (Tora) besitzen den höchsten Rang. <strong>Die</strong> Bücher der<br />

hebräischen Bibel sind jeweils nach dem Anfangswort benannt, die Bücher des Alten<br />

Testaments nach dem jeweiligen Inhalt. In das Alte Testament wurden später auch<br />

die Schriften aufgenommen, die von Anfang an nur griechisch verfaßt wurden und<br />

erst aus den letzten zwei Jahrhunderten v. Chr. stammen und die nicht in der<br />

hebräischen Bibel stehen.<br />

<strong>Die</strong> hebräische Bibel ist die Bibel Jesu. Christen glauben, daß Gott in Jesus Christus<br />

einen Bund für alle Menschen, die an ihn glauben, geschlossen hat. Darum gehört<br />

für Christen auch das Neue Testament zur Bibel.<br />

Auf Seite 14 oben ist die erste Seite der hebräischen Bibel abgebildet: <strong>Die</strong> Erzählung<br />

von der Erschaffung der Welt: Gen 1.<br />

15


Der Talmud<br />

<strong>Die</strong> überlieferten Weisungen der hebräischen Bibel mußten in folgenden Jahrhunderten<br />

<strong>im</strong>mer wieder neu ausgelegt werden, weil sich die Lebensbedingungen der Menschen<br />

ständig verändern. <strong>Die</strong> Schriftgelehrten erschlossen deshalb dem Volk die<br />

Bibel in Erzählungen und Anweisungen für das Leben.<br />

So entstand über Jahrhunderte hinweg eine umfangreiche mündliche Überlieferung,<br />

die mündliche Tora oder Mischna, das heißt Lehre, genannt wird. Später wurde die<br />

Mischna in Büchern niedergeschrieben, die Talmud heißen. Nebenstehend ist eine<br />

Seite aus dem Talmud abgebildet. Um ein Wort aus der Mischna herum finden sich<br />

wie die Jahresringe bei einem Baum die Erläuterungen aus den verschiedenen<br />

Jahrhunderten. Der Talmud besteht aus einem gesetzlichen Teil, Halacha genannt,<br />

mit Geboten und Verboten und für das Tun und Handeln verpflichtenden Vorschriften<br />

und einem erzählenden Teil, Haggada genannt, mit Erzählungen, die auf das<br />

rechte Tun und Verhalten hinweisen.<br />

<strong>Juden</strong> sind zum ständigen Studium, zum Lernen und Lehren der Weisung Gottes<br />

verpflichtet, um so das ganze Leben am Willen Gottes auszurichten.<br />

Erläuterung der Seite aus<br />

dem Talmud:<br />

Nach dem Stichwort aus<br />

der Tora folgt 1. Mischna<br />

(Wiederholung, Lehre) und<br />

2. Gemara (Vollendung).<br />

3. Kommentar des<br />

Raschi. Raschi ist ein<br />

Kurzwort für Rabbi<br />

Salomo ben Isaak. Er<br />

lebte von 1040-1103 und<br />

gilt als bedeutender<br />

jüdischer Gelehrter und<br />

Ausleger der Bücher der<br />

Bibel und des Talmud.<br />

Unter 4. stehen <strong>im</strong><br />

Talmud die sogenannten<br />

Tosafot, die<br />

Weiterbearbeitung des<br />

Raschi-Kommentars.<br />

Dann finden sich <strong>im</strong><br />

Talmud 5. Zusätzliche<br />

Kommentare, zum Beispiel<br />

von Ibn Ezra, der mit<br />

vollem Namen Abraham<br />

ben Meir ibn Ezra heißt<br />

und 1146 gestorben ist.<br />

Er war ein berühmter<br />

spanisch-jüdischer<br />

Bibelausleger und<br />

Philosoph und ein<br />

bedeutender Vermittler<br />

zwischen islamischer und<br />

christlicher Welt.<br />

16


Talmudstudium heute<br />

17


Das jüdische Jahr<br />

18<br />

Jüdischer Monat:<br />

Tischri<br />

Cheschwan<br />

Kislew<br />

Tewet<br />

Schwat<br />

Adar/Adar Schni *<br />

Nissan<br />

Ijar<br />

Siwan<br />

Tamus<br />

Aw<br />

Elul<br />

Entspricht <strong>unsere</strong>m<br />

Monat:<br />

September/Oktober<br />

Oktober/November<br />

November/Dezember<br />

Dezember/Januar<br />

Januar/Februar<br />

Februar/März<br />

März/April<br />

April/Mai<br />

Mai/Juni<br />

Juni/Juli<br />

Juli/August<br />

August/September<br />

Jüdisches Fest:<br />

Rosch-ha-Schana<br />

Jom Kippur<br />

Sukkot<br />

S<strong>im</strong>chat Tora<br />

Chanukka<br />

Tu-Bi-Schwat<br />

Pur<strong>im</strong><br />

Pessach<br />

Schawuot<br />

Tischa-be-Aw<br />

Bußtage<br />

Nach dem heutigen jüdischen Kalender (seit dem 10.Jahrh. n.Chr. unverändert)<br />

werden die Monate nach dem Mond, die Jahre nach der Sonne berechnet. Das<br />

jüdische Jahr hat 12 Monate mit je 29 oder 30 Tagen. <strong>Die</strong> fehlenden Tage des<br />

Sonnenjahres gegenüber dem Mondjahr werden etwa alle drei Jahre durch ein<br />

Schaltjahr ausgeglichen, indem ein Monat, der Adar Schni (Adar II), eingefügt<br />

wird.


Rosch-ha-Schana - Beginn des jüdischen Jahres<br />

„Heute ist der Geburtstag der Welt, heute werden vor Gericht geführt alle Geschöpfe der<br />

Welt... Und der Herr ist König auf <strong>im</strong>mer und ewig."<br />

<strong>Die</strong> Hohen Feiertage des jüdischen Jahres beginnen mit dem Fest Rosch-ha-Schana, dem<br />

Neujahrsfest. Es gilt als Tag der Prüfung aller Menschen vor dem gerechten und barmherzigen<br />

Gott und als Tag der Erinnerung an die Erschaffung der Welt. Während des Gottesdienstes<br />

ist mehrmals der Schofar zu hören. Der Schofar ist ein Widderhorn, das an den<br />

Widder erinnern soll, den Abraham anstelle seines Sohnes Isaak opferte. Im Talmud wird<br />

das Schofarblasen so begründet: „Es sprach der Heilige, gelobt sei Er: 'Blast vor mir mit<br />

dem Hörn eines Widders, damit ich für euch der Bindung Isaaks, des Sohnes Abrahams,<br />

gedenke und ich es gelten lasse, als ob ihr euch selbst vor mir gebunden hättet'."<br />

In den Gebeten und Gesängen am Fest Rosch-ha-Schana verbinden sich Lob und Preis auf<br />

den Schöpfer und König der Welt mit dem Ernst eines Gerichtstages. Nach jüdischem <strong>Glauben</strong><br />

wird am Neujahrstag das Urteil über den Menschen gefällt, das am Versöhnungstag<br />

besiegelt wird.<br />

Im Vertrauen darauf, daß Gott, der gerechte und barmherzige Richter, seines Bundes mit<br />

Israel und der Opfer und Verfolgungen der Väter gedenkt, wird sein Erbarmen angefleht.<br />

Das wiederholte Blasen des Schofar ist ein Mahnruf zu Umkehr und Buße. Der gegenseitige<br />

Wunsch zu Rosch-ha-Schana lautet: „Mögest du eingeschrieben werden (<strong>im</strong> Buch des Lebens)<br />

zu einem guten Jahr."<br />

Mit dem Fest Rosch-ha-Schana beginnen die „Zehn Tage der Umkehr". Sie sind gekennzeichnet<br />

durch Buße und Versöhnung mit den Mitmenschen. Jeder Jude ist verpflichtet, alles<br />

Unrecht des vergangenen Jahres vor Gott zu bekennen und durch Reue, Buße und Wiedergutmachung<br />

zu sühnen.<br />

Während der Zehn Tage der Umkehr wird täglich das Gebet „Awinu Malkenu" gesprochen:<br />

„Unser Vater, unser König, wir haben vor dir gesündigt.<br />

Unser Vater, unser König, vergib und verzeih uns <strong>unsere</strong> Schuld.<br />

Unser Vater, unser König, tilge in deiner Barmherzigkeit den Schuldbrief,<br />

der zeugt wider uns.<br />

Unser Vater, unser König, laß deine Macht und Güte walten über uns,<br />

um deines heiligen Namens willen.<br />

Unser Vater, unser König, laß sprießen, Herr, das Heil für uns, bald und in <strong>unsere</strong>n Tagen."<br />

Jom Kippur - der Versöhnungstag<br />

Der letzte der Zehn Tage der Umkehr ist der Jom Kippur, der große Versöhnungstag. <strong>Die</strong>ser<br />

Tag ist für <strong>Juden</strong> der höchste aller Feiertage, ein Tag der Buße und der Umkehr, denn:<br />

„An diesem Tag entsühnt Er euch, euch zu reinigen. Vor dem Herrn werdet ihr von allen euren<br />

Sünden rein." (Lev 16,30)<br />

Am Jom Kippur ist strenges Fasten geboten. Der Gottesdienst dauert vom Abend bis zum<br />

Sonnenuntergang des nächsten Tages.<br />

Viele <strong>Juden</strong> verbringen den ganzen Tag betend in der Synagoge. Zum Zeichen der Buße<br />

tragen alle Männer das weiße Gewand, das später auch ihr Totenkleid sein wird.<br />

In allen Lesungen, Gebeten und Gesängen kommt die Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen<br />

zum Ausdruck. Dazu heißt es <strong>im</strong> Talmud:<br />

„Verfehlungen zwischen einem Menschen und dem Allgegenwärtigen sühnt der Versöhnungstag;<br />

Verfehlungen zwischen Mensch und Mensch sühnt der Versöhnungstag nicht, bis<br />

der Mensch den Menschen versöhnt hat."<br />

Am Ende des Versöhnungstages erklingt noch einmal das Widderhorn, der Schofar, mit einem<br />

langgezogenen Ton.<br />

Nach jüdischem <strong>Glauben</strong> wird so der Schofar am Ende der Zeit das Kommen des Messias<br />

anzeigen und die Auferweckung der Toten und die Erlösung verkündigen.<br />

19


Sukkot - das Laubhüttenfest<br />

Das dritte der ursprünglichen hebräischen Wallfahrts- und Erntefeste neben Pessach<br />

und Schawuot ist Sukkot, das einwöchige Laubhüttenfest. <strong>Die</strong> Mitglieder der jüdischen<br />

Familien errichten <strong>im</strong> Garten, <strong>im</strong> Hof oder auf dem Balkon eine Laubhütte, die<br />

Sukka. Sie erinnert an die Hütten und Zelte, in denen die Israeliten wohnten, als sie<br />

nach dem Auszug aus Ägypten durch die Wüste zogen. Das Dach der Laubhütte<br />

besteht aus Ästen und Zweigen. Durch das Dach sollen der Wind und das Licht der<br />

Sterne eindringen können. Das Innere der Laubhütte wird mit Obst und Gemüse,<br />

Blumen und Girlanden geschmückt. Bilder der Stammväter werden angebracht, die<br />

auf diese Weise symbolisch als Gäste empfangen werden. Gläubige <strong>Juden</strong> wohnen<br />

7 Tage in der Laubhütte gemäß der Weisung der Tora:<br />

„Sieben Tage sollt ihr in Hütten wohnen. Alle Einhe<strong>im</strong>ischen in Israel sollen in Hütten<br />

wohnen, damit eure kommenden Generationen wissen, daß ich die Israeliten in<br />

Hütten wohnen ließ, als ich sie aus Ägypten herausführte. Ich bin der Herr, euer<br />

Gott." (Lev 23,42-43)<br />

Bei schlechter Witterung soll wenigstens eine Mahlzeit in der Laubhütte eingenommen<br />

werden. Am Sukkot-Fest danken die <strong>Juden</strong> Gott für die Ernte und das Land<br />

Israel und bitten um Regen und Gedeihen für die nächste Ernte.<br />

S<strong>im</strong>chat Tora - das Fest der Torafreude<br />

Am Tag nach dem einwöchigen Sukkot-Fest wird S<strong>im</strong>chat Tora, das Fest der Tora-<br />

Freude gefeiert. Im Synagogengottesdienst werden sämtliche Torarollen aus dem<br />

Toraschrein gehoben, und alle Männer werden zur Toralesung aufgerufen. <strong>Die</strong> Lesung<br />

aus der Tora wird mit dem letzten Abschnitt abgeschlossen und gleich darauf<br />

mit dem ersten Abschnitt (Gen 1) wieder begonnen. So wird zum Ausdruck gebracht,<br />

daß das Lesen der Tora kein Ende haben soll. Singend und tanzend werden die<br />

Torarollen durch die Synagoge getragen. In Israel gehen die Prozessionen mit den<br />

Tora-Rollen auch auf die Straßen rings um die Synagoge. <strong>Die</strong> ganze Freude der <strong>Juden</strong><br />

an der Tora wird damit zum Ausdruck gebracht.<br />

20


Tu-Bi-Schwat - Das Neujahr der Bäume<br />

Warum wird „Neujahr der Bäume" als Fest begangen?<br />

Rabbi Hillel und seine Schüler erklärten „Chamischa Assar Bi-Schwat" zum Halbfest.<br />

Sie nannten es Rosch-ha-Schana La llanot (Neujahr der Bäume), weil an diesem<br />

Tag in Israel der alljährliche Regen aufhört und ein neuer Wachstumszyklus für die<br />

Bäume beginnt. Man feiert Tu-Bi-Schwat am 15.Tag von Schwat, indem man verschiedene<br />

Früchte verzehrt, besonders solche, die in Israel wachsen. Im heutigen<br />

Israel wird der Tag, bekannt auch als „Tag des Baumes" von den Schulkindern gefeiert,<br />

die hinaus auf die Felder gehen, um Bäume zu pflanzen.<br />

21


Marc Chagall „Mose am brennenden Dornbusch"


Pessach - das Fest der Befreiung<br />

Eines der drei jüdischen Hauptfeste ist Pessach, auch Pas-cha genannt. Es beginnt am<br />

15.Tag des Frühlingsmonats Nisan (März/April) und dauert 7 Tage. Pessach war früher das<br />

erste der drei großen Wallfahrtsfeste Israels, an denen die <strong>Juden</strong> aus aller Welt zum Tempel<br />

nach Jerusalem pilgerten.<br />

An Pessach feiert Israel den Auszug - Exodus - aus Ägypten. <strong>Die</strong> Befreiung durch Gott aus<br />

der Unterdrückung wird erinnert und vergegenwärtigt: <strong>Die</strong>s ist die Nacht der Befreiung, uns<br />

hat der Herr aus der Knechtschaft errettet. In jeder Generation hat der Mensch sich zu betrachten<br />

als einer, der herausgeführt worden ist aus Ägypten.<br />

<strong>Die</strong> Feier des Pessach beginnt mit dem Sederabend in der Familie. Seder heißt Ordnung,<br />

und bedeutet, daß die Feier in einer festgelegten Abfolge von Riten vollzogen wird. Verwandte<br />

und Freunde werden eingeladen. Für die Pessachfeier liegt auf dem Tisch an jedem<br />

Platz eine Pessach-Haggada, das Buch mit den Erzählungen, Gebeten und Preisungen<br />

Gottes, die be<strong>im</strong> Fest gesprochen und gesungen werden. Außerdem steht auf dem Tisch<br />

der Becher des Elija. Der Prophet Elija gilt <strong>im</strong> <strong>Juden</strong>tum als Vorbote des Messias und wird<br />

an jedem Pessach erwartet. Weiter stehen für die Sederfeier auf dem gedeckten Tisch best<strong>im</strong>mte<br />

Speisen, die eine symbolische Bedeutung haben:<br />

Wein als Symbol der Freude. Davon werden vier Becher getrunken.<br />

Mazza, ungesäuertes Brot, als „Speise der Bedrängnis" und „Brot der Befreiung" zur<br />

Erinnerung an den Auszug aus Ägypten.<br />

Grünes Kraut (Petersilie oder Salatblätter) als Dank für die Früchte der Erde.<br />

Salzwasser als Symbol der bitteren Tränen während der Unterdrückung.<br />

Bitterkraut als Erinnerung an die Bitterkeit der Knechtschaft.<br />

Braunes Mus, das hinweist auf den Lehm, aus dem die Israeliten in Ägypten Ziegel<br />

zum Bau herstellen mußten.<br />

Ein Lammknochen mit etwas Fleisch daran zur Erinnerung an die Pessach-<br />

Lämmer, die früher <strong>im</strong> Tempel zu Jerusalem geopfert wurden.<br />

Ein gekochtes Ei als Symbol für das Festopfer <strong>im</strong> Tempel.<br />

Zu Beginn der Pessach-Feier spricht der Hausvater den Segen über den ersten Becher<br />

Wein. Alle trinken aus ihrem Becher.<br />

Nachdem alle das in Salzwasser getauchte grüne Kraut gegessen haben, hebt der Hausvater<br />

das ungesäuerte Brot in die Höhe und singt, wobei alle einst<strong>im</strong>men:<br />

„<strong>Die</strong>s ist das Brot des Elends, das <strong>unsere</strong> Väter in Ägypten gegessen haben. Jeder, der<br />

hungrig ist, komme und feiere mit uns Pessach!"<br />

Der Jüngste in der Tischgemeinschaft stellt viermal die Frage:<br />

„Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte?<br />

In allen anderen Nächten können wir Gesäuertes und Ungesäuertes essen, in dieser Nacht<br />

nur Ungesäuertes.<br />

In allen anderen Nächten können wir beliebige Krauter essen, in dieser Nacht nur Bitterkraut.<br />

In allen anderen Nächten brauchen wir nicht (die Krauter) einzutauchen, auch nicht ein einziges<br />

Mal, in dieser Nacht zwe<strong>im</strong>al.<br />

In allen anderen Nächten können wir frei sitzen oder angelehnt, in dieser Nacht sitzen wir<br />

alle angelehnt."<br />

<strong>Die</strong> Tischgemeinschaft antwortet: „Einst waren wir Sklaven des Pharao in Ägypten, aber der<br />

Ewige, unser Gott, führte uns von da heraus mit starker Hand und ausgestrecktem Arm.<br />

Hätte der Heilige, gelobt sei Er, <strong>unsere</strong> Väter nicht aus Ägypten geführt, wir, <strong>unsere</strong> Kinder<br />

und Kindeskinder hätten auf ewig in Ägypten Knechte bleiben müssen."<br />

Dann werden die Psalmen 113 und 114 zum Dank für die Befreiung gesungen und der<br />

zweite Becher Wein wird getrunken. Das Dankgebet zum Abschluß der Feier wird über den<br />

dritten Becher Wein gesprochen. Während der Bitte um das Kommen des Messias wird die<br />

Tür geöffnet für den Vorboten, den Propheten Elija. Vor dem vierten Becher Wein werden<br />

die Psalmen 115 -118 und 136 gesungen.<br />

23


Chanukka - Fest der Neuweihe des Tempels<br />

Chanukka bedeutet „Neueinweihung", „Wiedereröffnung". Es wird begangen als das<br />

Fest der Neuweihe des Tempels nach der Zurückeroberung Jerusalems durch die<br />

Makkabäer <strong>im</strong> Jahr 165 v. Chr. Chanukka beginnt nach dem jüdischen Kalender am<br />

25. Kislew (Nov./Dez.) und dauert 8 Tage. Es sind dies jedoch keine vollen Feiertage,<br />

an denen nicht gearbeitet wird. In der Synagoge werden best<strong>im</strong>mte Gebete zu<br />

den alltäglichen hinzugefügt. Zu Hause werden unter Segenssprüchen die Kerzen<br />

am Chanukka-Leuchter angezündet. Das ist ein achtarmiger Leuchter, an dem jeden<br />

Tag eine Kerze mehr angezündet wird. <strong>Die</strong>ser Brauch geht auf eine Erzählung der<br />

Mischna zurück, die besagt, daß die Syrer, als sie den Tempel plünderten und in<br />

Beschlag nahmen, alle Ölkrüge entweihten, die vom Hohenpriester für das Anzünden<br />

der Menora vorbereitet waren. Bei der Zurückeroberung wurde nur ein einziges<br />

kleines Ölkrüglein gefunden, an dem noch das Siegel des Hohenpriesters war und<br />

das man nicht aufgebrochen hatte. Es enthielt gerade so viel Öl, als für einen Tag<br />

ausreichend war. <strong>Die</strong> Flammen der Menora aber brannten davon 8 Tage lang, was<br />

als ein Wunder angesehen wird. Und zum Gedenken daran wird Chanukka als<br />

„Lichterfest" 8 Tage lang gefeiert.<br />

Pur<strong>im</strong> - Gedenkfest an die Rettung der <strong>Juden</strong> durch Ester<br />

Ebenso wie Chanukka ist Pur<strong>im</strong> ein kleineres Fest, das auf ein geschichtliches Ereignis<br />

zurückgeführt wird. Das biblische Buch Ester erzählt von den Vorgängen, auf<br />

die sich das Fest bezieht. Der Name Pur<strong>im</strong> bedeutet Los, Lose ziehen, wegen der<br />

Lose, die Haman, der Befehlshaber des persischen Königs ziehen ließ, um den Tag<br />

zu best<strong>im</strong>men, an dem die <strong>Juden</strong> vernichtet werden sollten. <strong>Die</strong>s wurde von der Königin<br />

Ester, der jüdischen Frau des persischen Königs verhindert. Unter Einsatz ihres<br />

eigenen Lebens setzte sich Ester be<strong>im</strong> König für ihr Volk ein. Hamans Befehl scheiterte<br />

und Ester erreichte, daß die <strong>Juden</strong> in Persien nicht ausgerottet wurden. Ester<br />

wird als Retterin ihres Volkes angesehen, und jedes Jahr am 14. Adar (Febr./März)<br />

wird Pur<strong>im</strong> als Gedenkfest an dieses Ereignis gefeiert. Im Gottesdienst der Synagoge<br />

wird die Ester-Rolle vorgelesen. Dabei werden Rasseln benutzt, die jedesmal,<br />

wenn in der Lesung der Name Haman vorkommt, als Lärminstrumente eingesetzt<br />

werden, mit deren Hilfe dieser Name ausgelöscht werden soll.<br />

Zu Hause gibt es ein festliches Mahl, bei dem auch sog. „Hamantaschen" gegessen<br />

werden. Das ist ein süßes, mit Quark und Mohn gefülltes Gebäck, das an den Sieg<br />

über Haman erinnern soll. Außerdem werden Geschenke an Freunde, Nachbarn,<br />

Verwandte und Arme verteilt.<br />

Pur<strong>im</strong> als ein fröhliches Fest hat <strong>im</strong> Laufe der Zeit <strong>im</strong>mer mehr karnevalistische Züge<br />

angenommen und wird heute mit Pur<strong>im</strong>-Bällen, Maskierung und Verkleidung gefeiert.<br />

24


Schawuot - das Fest der Gabe der Tora<br />

Schawuot, das Wochenfest, wird so genannt,<br />

weil vom 2. Tag des Pessachfestes<br />

an 7 Wochen bzw. 49 Tage gezählt<br />

werden, und der 50.Tag als Fest der<br />

Übergabe der Tora an Mose auf dem<br />

Sinai begangen wird. Solange der Tempel<br />

in Jerusalem stand, wurden an Schawuot<br />

die Erstlingsfrüchte der Weizenernte<br />

nach Jerusalem gebracht, gemäß der<br />

Weisung der Tora (Dtn 26,1 -11).<br />

Nach der Überlieferung stieg Mose am<br />

50.Tag nach dem Auszug aus Ägypten<br />

auf den Sinai und empfing dort von Gott<br />

die Tora. <strong>Die</strong> Toralesung <strong>im</strong> Synagogengottesdienst<br />

an diesem Fest berichtet von<br />

der Übergabe der Tora an Mose auf dem<br />

Sinai (Ex 19,1 - 6). Außerdem werden die<br />

Zehn Bundesweisungen (Ex 20,2 -14)<br />

und das Buch Rut vorgelesen.<br />

An Schawuot schmücken <strong>Juden</strong> Haus<br />

und Synagoge mit Blumen und grünen<br />

Zweigen.<br />

Tischa-be-Aw - Trauertag über<br />

die Zerstörung des Tempels<br />

Tischa-be-Aw, der 9.Tag des jüdischen<br />

Monats Aw (Juli/August) ist ein Fastenund<br />

Trauertag zum Gedenken an die<br />

Zerstörung des ersten Tempels von Jerusalem<br />

<strong>im</strong> Jahr 586 v.Chr. durch die Babylonier,<br />

und des Zweiten Tempels <strong>im</strong> Jahr<br />

70 n.Chr. durch die Römer. <strong>Die</strong>sem Gedenktag<br />

gehen drei Wochen nationaler<br />

Trauer voraus, über die geschichtlichen<br />

Ereignisse, die mit der Zerstörung der<br />

Heiligtümer jüdischen Lebens und dem<br />

Verlust der Unabhängigkeit zu tun haben,<br />

z.B. der Fall der letzten jüdischen Festung<br />

be<strong>im</strong> Bar Kochba-Aufstand gegen<br />

Rom, Vertreibung der <strong>Juden</strong> aus Spanien<br />

u.a. Während der dreiwöchigen Trauerzeit<br />

finden keine Hochzeiten oder gesellige<br />

Festlichkeiten statt. <strong>Die</strong> letzten 8 Tage<br />

vor Tischa-be-Aw sind Abstinenztage,<br />

d.h. es wird auf Fleischspeisen und Wein<br />

verzichtet.<br />

Das Fasten an Tischa-be-Aw beginnt bei<br />

Sonnenuntergang am Vorabend und endet<br />

mit Sonnenuntergang am nächsten<br />

Abend.<br />

25


Das christliche Jahr<br />

Unser Kalenderjahr und das Kirchenjahr unterscheiden sich. Das Kalenderjahr beginnt<br />

mit dem 1. Januar und endet mit dem 31. Dezember. Das Kirchenjahr ist der<br />

Kreis der christlichen Feste und Festzeiten <strong>im</strong> Ablauf eines Jahres. Es beginnt mit<br />

dem 1 Adventssonntag und endet mit dem Christkönigsfest am letzten Sonntag vor<br />

Beginn der nächsten Adventszeit. Das Kirchenjahr ist eingeteilt in Festkreise:<br />

1. Weihnachtsfestkreis: Advent, Weihnachten, Erscheinung des Herrn.<br />

2. Osterfestkreis: Fastenzeit, Ostern, Christi H<strong>im</strong>melfahrt, Pfingsten.<br />

3. Zwischen diesen Festkreisen liegen die 34 Sonntage das Jahr hindurch oder<br />

auch „Sonntage <strong>im</strong> Jahreskreis" genannt.<br />

An allen Festzeiten und Festtagen erinnert uns die Kirche an das, was Gott durch<br />

Jesus Christus für uns getan hat und tut, und läßt es uns neu erleben.<br />

An vielen Tagen des Jahreskreises feiert die Kirche das Gedächtnis von Heiligen<br />

und bringt so zum Ausdruck, daß wir als Christen in der Gemeinschaft der Heiligen<br />

stehen und mit ihnen verbunden sind.<br />

26


Feste und Brauchtum <strong>im</strong> Kirchenjahr<br />

Advent<br />

Das Kirchenjahr beginnt mit dem 1. Adventssonntag. Ein Kranz aus Tannenzweigen und vier<br />

Kerzen, die nach und nach an den Sonntagen entzündet werden, bis alle vier Kerzen brennen,<br />

bringt zum Ausdruck: Wir Christen warten auf das Kommen des Messias Jesus und<br />

bereiten uns auf den Feiertag seiner Geburt vor.<br />

Weihnachten<br />

Am 24. Dezember begehen die Christen den Heiligen Abend vor dem Geburtsfest Jesu<br />

Christi. So wie Gott uns Jesus Christus, seinen Sohn geschenkt hat, so beschenken die<br />

Christen einander und sagen damit: Wir geben die von Gott empfangene Liebe an andere<br />

weiter.<br />

<strong>Die</strong> Weihnachtsgeschichten der Evangelien (Lukas und Matthäus) werden in Form der<br />

Weihnachtskrippen veranschaulicht.<br />

Am 6. Januar feiern die Christen das Fest der Erscheinung (des Sohnes Gottes auf der<br />

Erde). Jungen und Mädchen ziehen als Sternsinger durch die Gemeinde und sammeln Geld,<br />

das an hungernde Kinder in aller Welt weitergegeben wird. Alle Kinder sollen die Liebe Gottes<br />

erfahren.<br />

Fastenzeit, Karwoche und Osterzeit<br />

Am Aschermittwoch beginnt die jährliche Fastenzeit der Christen. Im Gottesdienst an diesem<br />

Tag erhalten sie ein Kreuz aus Asche auf die Stirn und denken daran, daß alle Menschen<br />

sterben müssen und daß sie ihr Leben so gestalten wollen, daß sie mit gutem Gewissen<br />

sterben können.<br />

In der Fastenzeit - aber auch an jedem Freitag - verzichten Christen auf Nahrungsmittel und<br />

Freizeitvergnügen, sammeln das Geld und geben es an das kirchliche Hilfswerk MISERE-<br />

OR. Alle Menschen sollen die Liebe Gottes erfahren.<br />

<strong>Die</strong> Karwoche beginnt mit dem Palmsonntag, dem Gedächtnis an den Einzug Jesu in Jerusalem<br />

als Messias, der den Frieden bringen will.<br />

Am Gründonnerstag begehen die Christen die Erinnerung an das letzte Mahl Jesu mit seinen<br />

Jüngern und Jüngerinnen <strong>im</strong> Abendmahlssaal in Jerusalem.<br />

Am Karfreitag denken die Christen <strong>im</strong> Gottesdienst an Verhaftung, Verhör, Folter und<br />

Kreuzigung Jesu. Sie gehen betend den Kreuzweg Jesu nach. Be<strong>im</strong> großen Karfreitagsgottesdienst<br />

am Nachmittag läuten keine Glocken und die Orgel schweigt.<br />

In der Osternacht feiern die Christen mit Osterfeuer, Osterkerze, Taufwasserweihe und<br />

Tauferneuerung die Auferstehung Jesu Christi und den Beginn des eigenen Lebens als<br />

Christ in der Taufe.<br />

40 Tage nach Ostern begehen die Christen das Fest „Christi H<strong>im</strong>melfahrt". Jesus Christus<br />

wirkt nicht mehr wie ein Mensch unter Menschen, sondern ist bei Gott und wirkt jetzt wie<br />

dieser.<br />

50 Tage nach Ostern feiern die Christen „Pfingsten", das Fest der Herabkunft des Heiligen<br />

Geistes. Gottes Geist wirkt in den Christen, damit sie allen Menschen die Frohbotschaft von<br />

dem liebenden, barmherzigen Gott bringen und diese Frohbotschaft auch vorleben können.<br />

10 Tage nach Pfingsten ist das Fest Fronleichnam. An diesem Tag bekennen die Christen<br />

ihren <strong>Glauben</strong> öffentlich, indem sie den „Leib des Herrn", das heilige Brot, in Prozessionen<br />

durch die Straßen tragen und Gottesdienste <strong>im</strong> Freien feiern.<br />

Erntedank<br />

Am ersten Sonntag <strong>im</strong> Oktober bringen Christen zum Dank an Gott, den Schöpfer von allem,<br />

Brot, Früchte und ähnliches mit in den Gottesdienst. Auch diese Gaben werden verschenkt,<br />

damit Menschen ein Zeichen von Gottes Sorge für alle Menschen erleben können.<br />

Allerheiligen/Allerseelen<br />

Am 1. November begehen die Christen das Fest Allerheiligen und erinnern sich daran, daß<br />

die jetzt lebenden Christen mit allen verbunden sind, die vor ihnen gelebt haben und jetzt bei<br />

Gott sind.<br />

Am 2. November gedenken die Christen aller ihrer Verstorbenen. (Der Friedhofsbesuch findet<br />

am Feiertag vorher, am 1. November statt.) Sie hoffen und beten, daß ihre Verstorbenen<br />

bei Gott sind und sie einander dort wieder begegnen werden.<br />

27


Berit Mila - Zeichen des Bundes Gottes mit seinem Volk<br />

Dan erzählt von der Beschneidung<br />

In den Pfingstferien ist Thomas zu seinem jüdischen Brieffreund Dan eingeladen. Er freut<br />

sich sehr darauf, Dan und seine Familie persönlich kennenzulernen.<br />

Am ersten Abend sitzen alle nach dem Abendessen um den großen Familientisch und sehen<br />

sich Fotos von früher an. „Seht mal", sagt Ester, Dans größere Schwester, „hier ist Dan am<br />

Tag seiner Beschneidung!"<br />

Thomas horcht auf: Beschneidung? Darüber hätte er gern schon lange Näheres erfahren.<br />

„Erzähl doch mal", bittet er Dan, „wie ist denn das mit der Beschneidung?"<br />

„<strong>Die</strong> Beschneidung ist für uns <strong>Juden</strong> so wichtig wie für euch Christen die Taufe", antwortet<br />

Dan. „Nur wer beschnitten ist, ist wirklich Jude. Am achten Tag nach der Geburt wird jeder<br />

jüdische Junge beschnitten: <strong>Die</strong> Vorhaut seines Gliedes wird abgeschnitten; das ist das Zeichen<br />

des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel. Es ist ein Zeichen am Leibe, weil nicht<br />

nur <strong>unsere</strong> Seele Gott gehört, sondern auch unser Körper."<br />

„Tut das denn nicht weh?" fragt Thomas.<br />

„Sicher tut das ein bißchen weh, aber das ist nicht so schl<strong>im</strong>m. Der Mohel, das ist der Beschneider,<br />

saugt die Wunde vorsichtig ab und legt ein schmerzstillendes Pflaster darauf. Es<br />

ist wirklich nicht so schl<strong>im</strong>m, wie du vielleicht denkst. Es gibt auch viele Nichtjuden, die ihre<br />

Jungen beschneiden lassen, um Entzündungen unter der Vorhaut zu verhüten. Aber bei uns<br />

ist es das Bundeszeichen, das wir annehmen, weil Gott es uns in der Tora so geboten hat.<br />

„Wie ist es denn bei den Mädchen", fragt Thomas weiter. <strong>Die</strong> können doch nicht beschnitten<br />

werden. Sind die dann keine echten <strong>Juden</strong>?"<br />

„Natürlich sind jüdische Mädchen genauso <strong>Juden</strong> wie jüdische Jungen! <strong>Die</strong> Beschneidung ist<br />

eben ein Gebot, das sich nur auf die Männer bezieht. Für die Frauen gibt es auch besondere<br />

Gebote und Vorschriften, die nur sie betreffen und nicht die Männer. <strong>Die</strong> Frau hat z.B. die<br />

Aufgabe, zu Hause das Sabbatlicht anzuzünden und den Lobpreis dazu zu sprechen."<br />

Dans Mutter hatte dem Gespräch zugehört. „Mann und Frau sind verschieden", sagte sie zu<br />

Bernd gewandt, „darum ist es doch ganz verständlich, daß es auch unterschiedliche Aufgaben<br />

und Gebote für sie gibt. Mädchen werden nicht beschnitten, aber darum gehören sie<br />

nicht weniger zum auserwählten Volk Gottes als Jungen. Das Mädchen bekommt am achten<br />

Tag nach der Geburt ihren Namen genau wie der Junge, und wir feiern diesen Tag ebenso<br />

wie den Beschneidungstag des Jungen."<br />

<strong>Die</strong> Beschneidung<br />

In allen Religionen gibt es besondere Riten, durch die man in die jeweilige <strong>Glauben</strong>sgemeinschaft<br />

aufgenommen wird. In die christliche Kirche werden wir durch das Sakrament der<br />

Taufe aufgenommen. Jude ist jeder Junge und jedes Mädchen, die von einer jüdischen<br />

Mutter geboren werden. In den Bund Gottes mit seinem Volk wird der Jude durch die Beschneidung<br />

aufgenommen. Jeder jüdische Junge wird am 8. Tage nach seiner Geburt beschnitten.<br />

Dabei wird die Vorhaut des männlichen Gliedes abgetrennt. <strong>Die</strong>se Handlung wird<br />

von einem Mohel, einem Beschneider, in der Synagoge oder zu Hause durchgeführt.<br />

<strong>Die</strong>ser Ritus geht auf den Stammvater Abraham zurück, dem Gott als Zeichen des Bundes<br />

die Beschneidung geboten hat (Gen 17,9-12). Deshalb wird die Beschneidung an jedem<br />

jüdischen Jungen vollzogen. Damit verbunden ist die Namensgebung. Das Segensgebet,<br />

das der Vater des Jungen bei der Beschneidung spricht, lautet:<br />

„Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, der du uns durch deine Weisung geheiligt und uns geboten<br />

hast, den Sohn in den Bund <strong>unsere</strong>s Vaters Abraham aufzunehmen."<br />

Für Mädchen findet die Namensgebung bei einer einfachen Feier in der Synagoge oder zu<br />

Hause statt.<br />

28


Bar Mizwa - Bat Mizwa<br />

David - ein Sohn der Pflicht<br />

„Hast du am Samstag Zeit?" fragt David seinen Freund Christoph. „Ich denke schon", erwidert<br />

Christoph, „aber weshalb fragst du?" Christoph weiß, daß sein Freund David, der Jude<br />

ist, samstags <strong>im</strong>mer unerreichbar ist, weil in der Familie seines Freundes der Schabbat<br />

streng beachtet wird. Man kann an diesem Tag mit David nichts unternehmen. „Ich möchte<br />

dich einladen zu meiner Bar Mizwa", sagt David. Christoph macht ein erstauntes Gesicht:<br />

„Was ist denn das? Du hast doch erst Geburtstag gefeiert!" „Genau das ist es ja", sagt David,<br />

„ich bin 13 geworden, und mit der Vollendung des 13. Lebensjahres wird ein jüdischer<br />

Junge „ein Sohn der Pflicht", das heißt auf hebräisch Bar Mizwa. Es ist so etwas ähnliches<br />

vielleicht wie bei euch die Firmung. Jedenfalls werde ich religiös volljährig, d.h. ich übernehme<br />

die Verantwortung für meinen <strong>Glauben</strong> und mein Leben als Jude. Aus diesem Anlaß wird<br />

am Schabbat nach dem 13.Geburtstag ein Fest gefeiert, eben die Bar Mizwa. Am Morgen ist<br />

die Feier in der Synagoge und am Mittag feiern wir zu Hause weiter. Kommst du?"<br />

„Na klar!" Christoph ist neugierig geworden. David Blumberg ist sein bester Freund. Christoph<br />

geht bei der Familie seines Freundes ein und aus. Dabei ist ihm schon öfters aufgefallen,<br />

daß die Blumbergs teils andere Lebensgewohnheiten und Bräuche haben als Christophs<br />

Familie. Und sie sind sehr religiös. Er ist nun direkt gespannt auf Davids Fest.<br />

Am Samstag Morgen geht er zusammen mit der Familie Blumberg und ihren Gästen zur<br />

Synagoge. Sie werden vom Rabbiner begrüßt und dürfen in der ersten Bankreihe Platz<br />

nehmen. Christoph sitzt neben David, auf der anderen Seite Herr Blumberg. Davids Mutter,<br />

seine Schwester und die anderen Frauen nehmen auf der Frauenempore Platz.<br />

David legt nun die Tefillin, die Gebetsriemen an. Um den linken Oberarm und um seine Stirn<br />

bindet er je eine schwarze Lederkapsel. Dann legt er den Tallit, den Gebetsmantel um. Dabei<br />

spricht er auf hebräisch kurze Segensgebete. Christoph schaut sich um und bemerkt,<br />

daß inzwischen alle Männer die Tefillin und den Tallit angelegt haben.<br />

Der Rabbiner und der Kantor betreten den Raum und gehen zur B<strong>im</strong>a, dem erhöhten Platz<br />

mit Vorlesepult. Der Kantor singt Psalmen und Gebete (alles auf hebräisch) vor und die<br />

Leute st<strong>im</strong>men mit ein. Dann wird der Toraschrein geöffnet und eine kostbare, reich geschmückte<br />

Torarolle herausgehoben. Nun kommt für David der große Augenblick. Er wird<br />

aufgerufen und bekommt die Tora überreicht. <strong>Die</strong>se trägt er allen voran in Prozession durch<br />

die Synagoge. Danach wird der Schmuck von der Tora abgenommen, sie wird auf das Lesepult<br />

gelegt und aufgerollt. David wird nun aufgefordert, zum erstenmal öffentlich <strong>im</strong> Gottesdienst<br />

aus der Tora vorzulesen. Einer der Männer, die um ihn herum stehen, assistiert<br />

ihm dabei mit dem Torazeiger. Christoph staunt, wie gut David hebräisch vorlesen kann.<br />

Natürlich hat er vorher seinen Abschnitt oft geübt.<br />

Es werden dann noch weitere Lesungen aus der Tora von verschiedenen Gemeindemitgliedern<br />

vorgetragen. Danach hält der Rabbiner eine Ansprache, die an David ganz persönlich<br />

gerichtet ist, und in der er betont, was es für David heißt, ein Sohn der Pflicht und ein volljähriges<br />

Mitglied der jüdischen Gemeinde zu sein.<br />

Nach dem Gottesdienst ist große Gratulation für David und zu Hause ein wunderschönes<br />

Fest, das bis zum Abend dauert. Christoph hat es sehr gut gefallen.<br />

Bar Mizwa - Bat Mizwa<br />

Zur Erziehung der jüdischen Kinder sagt der Talmud: „Mit fünf Jahren zum Lernen der Tora,<br />

mit 10 Jahren zum Studium, mit 13 Jahren zur religiösen Pflicht."<br />

So wird der jüdische Junge mit Vollendung seines 13.Lebensjahres ein „Bar Mizwa", das<br />

heißt, ein Sohn der Pflicht. Er ist von jetzt an religiös volljährig und verpflichtet, die Vorschriften<br />

der Tora zu beachten. Am Schabbat nach seinem 13. Geburtstag wird der Bar Mizwa<br />

zum ersten Mal <strong>im</strong> Synagogengottesdienst zur Tora-Lesung aufgerufen. Der jüdische Junge,<br />

der ein Bar Mizwa geworden ist, gilt von jetzt an als volles Mitglied der jüdischen Gemeinde.<br />

Er zählt mit bei der Mindestzahl von 10 Männern, die bei einem Synagogengottesdienst anwesend<br />

sein müssen. Er übern<strong>im</strong>mt alle religiösen Pflichten eines <strong>Juden</strong>: Tägliches Gebet,<br />

Studium der Tora und des Talmud, Beachtung der Speisevorschriften, Mitfeier des Gottesdienstes,<br />

Leben nach den Weisungen Gottes.<br />

<strong>Die</strong> jüdischen Mädchen werden bereits mit 12 Jahren „Bat Mizwa", das heißt, Tochter der<br />

Pflicht. <strong>Die</strong>s geschieht ebenfalls bei einer Feier in der Synagoge. Das Mädchen verpflichtet<br />

sich, nach den Weisungen Gottes zu leben. Einem Mädchen werden aber keine religiösen<br />

Pflichten auferlegt, die an best<strong>im</strong>mte Zeiten und Orte gebunden sind, wegen der Aufgaben,<br />

die eine jüdische Frau <strong>im</strong> Haus und in der Familie hat.<br />

29


Kidduschin - die Eheschließung<br />

<strong>Die</strong> Ehe und die Gründung einer Familie entsprechen der Weisung Gottes in der<br />

Tora (Gen 1,28). Dort ergeht der Auftrag Gottes an die Menschen, an der Schöpfung<br />

mitzuwirken. Nach jüdischer Tradition ist der Mensch zur Ehe best<strong>im</strong>mt. Sie gilt als<br />

die Erfüllung seines Lebens.<br />

<strong>Die</strong> Eheschließung heißt hebräisch Kidduschin, Heiligung. Ehrung und Hochachtung<br />

der Frau kommt darin zum Ausdruck, daß sie „Priesterin des Hauses" genannt wird.<br />

Der Frau ist die Erziehung der Kinder anvertraut und sie kümmert sich um das gesamte<br />

häusliche Leben.<br />

<strong>Die</strong> Eheschließung ist ein wichtiges Ereignis für die Ehepartner und für die ganze<br />

jüdische Gemeinde. Bei der Feier in der Synagoge treten Braut und Bräutigam unter<br />

die Chuppa, einen auf vier Stangen befestigten Baldachin, Symbol für das gemeinsame<br />

He<strong>im</strong>. Der Rabbiner spricht einen Segen über die Brautleute und reicht ihnen<br />

einen Becher Wein, aus dem beide trinken. Dann steckt der Bräutigam der Braut den<br />

Ring an den Zeigefinger der rechten Hand und spricht in Gegenwart von zwei Zeugen<br />

die Trauungsformel: „Siehe, mit diesem Ring wirst du mir angetraut nach dem<br />

Gesetz Moses und Israels." Dann wird der Ehevertrag vorgelesen, der die Verpflichtungen<br />

enthält, die der Ehemann seiner Frau gegenüber hat. Danach folgen die<br />

„Sieben Segenssprüche"der Eheschließung. Gott wird als der Schöpfer gepriesen,<br />

um das Glück des jungen Paares wird gebetet und die gesamte jüdische Gemeinschaft<br />

einbezogen.<br />

Mit der Hochzeitsfeier sind viele Bräuche verbunden; z.B. zertritt der Bräutigam ein<br />

Glas, Symbol für das Glück, das leicht zerbrechen kann. Mit dem Wunsch für eine<br />

fruchtbare Ehe werden manchmal Weizenkörner ausgestreut. Alle Gäste wünschen<br />

dem Brautpaar „Masel tow" - Viel Glück! Danach werden die Brautleute in das sogenannte<br />

„Brautz<strong>im</strong>mer" geführt und dort einige Zeit allein gelassen. Sie nehmen eine<br />

gemeinsame Mahlzeit ein und vollziehen die Ehe. Dann feiert das Brautpaar wieder<br />

mit den Hochzeitsgästen, meist mehrere Tage lang. Da die Ehe für <strong>Juden</strong> ein Vertrag<br />

und nicht wie für katholische Christen ein Sakrament ist, kann die Ehe auch<br />

wieder geschieden werden, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen.<br />

30


Ketubba -<br />

der Ehevertrag<br />

Eine traditionelle Ketubba hat folgenden Wortlaut:<br />

„Am ... Tag der Woche, ... Tag des Monats ... <strong>im</strong> Jahre ... seit der Schöpfung der<br />

Welt, nach der Zählung, der wir folgen in ..., legen wir Zeugnis ab, daß der Herr ...,<br />

zu diesem jungen Mädchen gesagt hat: ,Sei mir Ehefrau gemäß dem Gesetz Moses<br />

und Israels, und ich will dir dienen und dich ehren und unterhalten gemäß dem Gesetz<br />

für jüdische Männer, die ihren Frauen dienen, sie ehren und unterhalten in Aufrichtigkeit<br />

und gebe dir als Brautpreis das, was dir als junges Mädchen zukommt: ...,<br />

die Gabe, die dir nach Anordnung der Tora zusteht, und ich nehme auf mich, dich<br />

völlig zu versorgen nach dem, was unter Menschen üblich ist.' Frau ... willigte in diese<br />

Bitte ein und wurde seine Ehefrau. Sie brachte mit aus dem Haus ihres Vaters in<br />

Silber, Gold, Schmuck, Kleidung, Bettzeug ...; Herr ... befand es für gut und fügte<br />

den gleichen Betrag hinzu. Der Gesamtbetrag belauft sich also auf ... in Geldwert.<br />

Herr ..., der Bräutigam, sprach: ,lch nehme völlig auf mich die Verantwortung zur<br />

Auszahlung des in dieser Urkunde festgelegten Betrages <strong>im</strong> Falle von Scheidung<br />

oder Tod und verpflichte damit auch meine Erben, sowohl was den Betrag als auch<br />

was die Zulage betrifft. Der Betrag muß bezahlt werden aus allem, was ich an beweglichem<br />

und unbeweglichem Gut besitze oder erwerben werde, ja selbst vom Erlös<br />

des Mantels auf meiner Schulter.' <strong>Die</strong> Verpflichtung gilt für Leben und Tod, und<br />

wir, die Zeugen, haben seine Erklärung gehört und als rechtsgültig anerkannt."<br />

31


Awelut - <strong>Die</strong> Beerdigung<br />

Be<strong>im</strong> Tod eines <strong>Juden</strong> oder einer Jüdin übern<strong>im</strong>mt die „Chewra Kadischa", die Beerdigungsbruderschaft,<br />

die es in jeder jüdischen Gemeinde gibt, alle Vorbereitungen<br />

für die Beerdigung. Der Tote wird gewaschen und mit dem weißen Totengewand<br />

bekleidet, das er jedes Jahr am Versöhnungstag getragen hat. Dann wird der Tote in<br />

einen einfachen Brettersarg gebettet, und wenn er nicht in israelische Erde bestattet<br />

werden kann, wird ihm ein Säckchen Erde aus Israel auf den Körper gelegt. <strong>Die</strong> Beerdigung<br />

soll bald nach dem Tod stattfinden, aber nicht an einem Schabbat oder<br />

Feiertag. <strong>Die</strong> Beerdigung beginnt mit einem Gottesdienst der Gemeinde. Für <strong>Juden</strong><br />

ist es eine wichtige religiöse Pflicht, die Toten auf ihrem letzten Weg zu begleiten.<br />

Nachdem der Sarg ins Grab hinuntergelassen wurde, schüttet jeder der Anwesenden<br />

drei Schaufeln Erde auf den Sarg. Dann wird das „Kaddisch", das Gebet für die<br />

Verstorbenen gesprochen. Gott wird gepriesen trotz des Schmerzes über den Tod<br />

eines Menschen.<br />

Für die Angehörigen eines Verstorbenen beginnt nun die Trauerzeit. <strong>Die</strong> Familienangehörigen<br />

halten sieben Tage lang Trauerzeit, in der nicht gearbeitet wird. In dieser<br />

Zeit findet jeden Abend ein Gebetsgottesdienst <strong>im</strong> Trauerhaus statt. Bis zum<br />

30.Tag nach dem Tod wird <strong>im</strong> täglichen Gebet des Verstorbenen gedacht, ebenso<br />

das ganze erste Jahr nach dem Tod bei jedem Gottesdienst in der Synagoge. Am<br />

Jahrestag des Todes zünden die Familienangehörigen zu Hause und in der Synagoge<br />

das Jahreszeit-Licht an und beten das Kaddisch. Am ersten Jahrestag des Todes<br />

wird der Grabstein gesetzt.<br />

Der jüdische Friedhof heißt „Be-it ha-Chaj<strong>im</strong>": Haus des Lebens. Be<strong>im</strong> Besuch eines<br />

jüdischen Friedhofs legt man auf die Grabsteine eines Angehörigen oder Freundes<br />

kleine Steine. <strong>Die</strong>ser Brauch ist uralt und geht wohl bis zum nomadischen Ursprung<br />

der Israeliten zurück. Nomaden legen Wert darauf, daß ein Grab mit möglichst vielen<br />

Steinen bedeckt wird, damit der Tote vor wilden Tieren geschützt ist. Heute gilt der<br />

Stein als Zeichen der Unvergänglichkeit.<br />

Für <strong>Juden</strong> sind ihre Friedhöfe heilige Orte. Auch werden die Toten nicht ausgegraben.<br />

<strong>Die</strong> Gräber für Kinder befinden sich an einer besonderen Stelle, erkennbar an<br />

den kleinen Grabsteinen. Für <strong>im</strong> Krieg Gefallene werden Gedenksteine und -tafeln<br />

aufgestellt.<br />

32


Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg


Symbole auf Grabsteinen des Jüdischen Friedhofs in Darmstadt-Bessungen: Steine Nr. 32 (segnende Hände), 12 (Krone) 95 und<br />

140 (Kanne), 110 (Reuse) und 69 (Traube).<br />

34


Zu den Symbolen und Inschriften auf jüdischen Grabsteinen<br />

Jüdische Grabsteine unterscheiden sich durch das Fehlen jeder figürlichen Darstellung<br />

von den Grabsteinen christlicher Friedhöfe. Jedoch gibt es auf jüdischen Grabsteinen<br />

eine Reihe symbolischer Darstellungen, die auf Leben und Tod hinweisen,<br />

sowie auf Stammeszugehörigkeit, Beruf oder Namen des Verstorbenen, und die<br />

Stellung, Herkunft oder Persönlichkeit des Toten charakterisieren.<br />

<strong>Die</strong> Inschriften auf den Grabsteinen beginnen mit den hebräischen Buchstaben<br />

(oder ), Abkürzung für „Hier ruht..." und endet mit Abkürzung für:<br />

„Seine/ihre Seele möge eingeschlossen sein in den Bund des Lebens". (1 Sam 25,29)<br />

Dazwischen stehen Angaben über den/die Verstorbene/n, vor allem, was diese/n<br />

auszeichnet, z.B.<br />

Hier ruht ein Mann, der Treuen einer, er wandelte recht. Seine Werke waren gut.<br />

Mit den Friedliebenden und Frommen hielt er fest an der Weisung und am Gebet.<br />

Sein Name war bekannt. Ihn priesen viele.<br />

Benjamin, Sohn des Salomon.<br />

Er wurde geboren am Montag, den 12. Nissan (5)594.<br />

Er verstarb am heiligen Schabbat, dem 17. Cheschwan (5)656.<br />

Das Gedächtnis des Gerechten ist zum Segen.<br />

Seine Seele möge eingeschlossen sein in den Bund des Lebens.<br />

<strong>Die</strong> häufigsten Symbole auf jüdischen Grabsteinen sind:<br />

Der Krug weist darauf hin, daß der hier Bestattete aus dem Stamm Levi kommt. <strong>Die</strong><br />

Leviten dienten in biblischer Zeit am Tempel in Jerusalem. Ihr Symbol ist der Krug<br />

mit dem reinigenden Wasser. <strong>Die</strong> Familiennamen Levi, Löw, Löwental weisen auf<br />

solche Nachkommen der Leviten hin.<br />

<strong>Die</strong> segnenden Hände weisen darauf hin, daß dieser Verstorbene aus dem Priesterstamm<br />

ist (Cohen = Priester). In biblischer Zeit erteilten die Priester mit ausgebreiteten<br />

Händen den Segen. Namen wie Cahn, Kahn, Cohen, Kühn, Köhnen deuten<br />

auf die Herkunft aus dem Priesterstamm hin.<br />

Das Schofarhorn zeigt an, daß der Verstorbene in der Synagoge das Amt des<br />

Schofarblasens hatte oder auch Kantor war.<br />

Das Messer deutet darauf hin, daß der Bestattete Mohel war und die Beschneidung<br />

in der jüdischen Gemeinde ausgeführt hat.<br />

<strong>Die</strong> Krone versinnbildet einen guten Namen, wie es in den Sprüchen der Väter<br />

heißt: „Drei Kronen können den Menschen zieren: die Krone der Tora, des Priestertums,<br />

des Königtums. Aber die des guten Namens überragt alle drei".<br />

Der Weinstock oder die Weinrebe ist ein Zeichen des erfolgreichen Wirkens des<br />

hier Begrabenen.<br />

<strong>Die</strong> abgebrochene Säule, die geknickte Blume oder der Baumstumpf sind Symbol<br />

dafür, daß der Verstorbene aus der Blüte des Lebens gerissen wurde. Säule wie<br />

auch Baumstumpf sind manchmal als Grabstein gestaltet.<br />

Ein Schabbatleuchter oder eine Hängelampe zeichnen die fromme und tüchtige<br />

Hausfrau aus. Beides steht mitunter auch für Männer, gemäß dem Bibelvers: „Ein<br />

Licht Gottes ist die Seele des Menschen".<br />

35


<strong>Die</strong> Sakramente <strong>im</strong> Lebenslauf des Christen und der Christin<br />

<strong>Die</strong> Christen glauben, daß Gott durch Jesus Christus allen Menschen seine Nähe<br />

und seinen Beistand zeigt.<br />

Für die Menschen, die Jesus Christus folgen und in seiner Gemeinschaft, der Kirche,<br />

leben, gibt es Zeichen der Nähe und des Beistands Gottes auf dem Lebensweg. Wir<br />

nennen diese Zeichen die Sakramente.<br />

Durch die Taufe wird ein neugeborenes Kind in die Gemeinschaft der an Jesus<br />

Christus <strong>Glauben</strong>den, die Kirche, aufgenommen. Der Priester fragt die Eltern, welchen<br />

Namen sie ihrem Kind gegeben haben, und spricht es mit diesem Namen an.<br />

Priester, Eltern und Paten machen ein Kreuzzeichen auf die Stirn des Kindes. Der<br />

Priester salbt das Kind mit geweihtem Öl und übergißt seine Stirn mit Taufwasser.<br />

<strong>Die</strong> Getauften bekommen auch ein weißes Gewand und eine brennende Kerze überreicht.<br />

Alle diese Zeichenhandlungen und Symbole wollen sagen: Gott liebt dich, er<br />

nennt dich be<strong>im</strong> Namen, du bist in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen.<br />

Wenn Jungen und Mädchen heranwachsen, begleiten weitere Sakramente ihren Lebensweg.<br />

In der dritten Klasse der Grundschule werden sie in das gottesdienstliche<br />

Leben der Gemeinde eingeführt. Sie gehen zum ersten Mal zur Kommunion und bereiten<br />

sich durch die erste Beichte auf Versöhnung und Buße in der Gemeinschaft<br />

der Kirche vor. (Eucharistie und Buße)<br />

In einem späteren Alter (8/9.Klasse) werden die Jugendlichen vom Bischof gefirmt.<br />

Im Sakrament der Firmung bekommen sie durch die Salbung mit geweihtem Öl,<br />

dem Chrisam, zeichenhaft die Kraft des Heiligen Geistes. Sie können als erwachsene<br />

Christen ihren <strong>Glauben</strong> leben und dazu beitragen, die Welt zum Guten zu verändern.<br />

Sie selber können für andere Menschen Zeichen der Nähe und des Beistands<br />

Gottes werden.<br />

In der katholischen Kirche ist die Ehe ein Sakrament. <strong>Die</strong> Brautleute versprechen<br />

einander Liebe und Treue, und in jedem Zeichen ihrer Verbundenheit lassen die<br />

Eheleute einander erleben, daß Gott ihnen nahe ist und ihnen auf ihrem Lebensweg<br />

beisteht.<br />

Männer, die ehelos in der Kirche als Priester ihren <strong>Die</strong>nst tun, erhalten vom Bischof<br />

durch Handauflegung und Salbung die Aufgabe, für andere Menschen dazusein und<br />

ihnen durch die Sakramente in besonderer Weise die Nähe und den Beistand Gottes<br />

zu schenken. (Priesterweihe)<br />

Wenn Christen krank werden, wird ihnen durch die Salbung mit geweihtem Öl auf<br />

Stirn und Hände erfahrbar gemacht: Gott begleitet dich auch in deiner Krankheit und<br />

läßt dich nicht allein. (Krankensalbung)<br />

36


Epochen der jüdischen Geschichte<br />

Von den Anfängen des Volkes Israel<br />

In den Zeugnissen der Bibel kommt der Glaube zum Ausdruck, daß Gott in der Geschichte<br />

der Menschen wirkt. <strong>Die</strong> Geschichte des Volkes Israel reicht weit zurück. In der Bronzezeit<br />

(ca. 3000 - 1600 v.Chr.) lebten die Vorfahren Abrahams als Nomaden in Mesopotamien.<br />

Abraham zog von dort weg, um sich schließlich in Kanaan niederzulassen. <strong>Die</strong> Nachkommen<br />

Abrahams lebten als Viehzüchter und Ackerbauern in Kanaan. Durch Dürrekatastrophen<br />

und Hungersnot getrieben, zogen einzelne Gruppen in das benachbarte Ägypten, wo<br />

sie <strong>im</strong> fruchtbaren Nildelta Weideplätze und Wasserstellen für ihre Herden fanden. Als Gegenleistung wurden sie v<br />

gezogen. Unter Pharao Ramses II. (1301 - 1234) mußten sie harten Arbeitsdienst leisten<br />

und sie wurden unterdrückt und ausgebeutet. Nach 1250 gelang einer Gruppe von ihnen der<br />

Ausbruch aus Ägypten. Sie erlebten diesen Exodus als Befreiungstat Gottes. Unter der Führung<br />

des Mose zogen sie durch die Sinai-Wüste, schlössen am Sinai/Horeb den Gottesbund<br />

und gelangten schließlich nach Kanaan.<br />

<strong>Die</strong> Königszeit in Israel<br />

<strong>Die</strong> eingewanderten und die <strong>im</strong> Lande Kanaan wohnenden Israeliten schlössen sich unter<br />

der Führung von Stammesältesten zusammen. In der Bibel werden diese Stammesältesten<br />

Richter genannt.<br />

Etwa 1020 - 1000 v.Chr. hatte Israel seinen ersten König. Es war Saul aus dem Stamm<br />

Benjamin. Sein Nachfolger David herrschte von 1000 - 961 v.Chr. David einte die Stämme<br />

Israels zu einem Königreich und machte Jerusalem zur Hauptstadt. Unter David hatte das<br />

Königtum in Israel das höchste Ansehen und das Land hatte seine größte Ausdehnung. Davids<br />

Nachfolger wurde sein Sohn Salomo. Er regierte bis 931 v.Chr. Salomo ließ in Jerusalem<br />

den ersten Tempel erbauen.<br />

Nach dem Tod Salomos zerfiel 922 das Reich in zwei Teile, in ein Nordreich mit dem Namen<br />

Israel und ein Südreich mit dem Namen Juda. Unter den Königen der geteilten Reiche erlitt<br />

das Land einen großen Niedergang durch den Verfall der Rechtsordnung. Das drohende<br />

Unheil haben die Propheten Amos, Hosea, Jesaja und Jeremia angekündigt. 722 v. Chr.<br />

wurde das Nordreich Israel eine assyrische Provinz. Das Volk mußte durch Tributleistungen<br />

an die Assyrer viel leiden.<br />

Das Exil in Babylon<br />

Im Jahr 586 v.Chr. eroberte König Nebukadnezzar von Babylon das Südreich Juda. Er ließ<br />

Jerusalem und den Tempel zerstören und die führende Schicht der <strong>Juden</strong> nach Babylon<br />

verschleppen. Das Volk Israel verlor sein Land und war in Gefahr, als Volk ausgelöscht zu<br />

werden. Doch gegen alle Erwartung hielten die <strong>Juden</strong> in der fremden Umgebung treu am<br />

<strong>Glauben</strong> an ihren Gott fest.<br />

Durch ihre Bindung an die Tora, an den Schabbat, an die Beschneidung und an andere religiöse<br />

Gesetze unterschieden sich die <strong>Juden</strong> von den übrigen Völkern. <strong>Die</strong> Propheten<br />

Ezechiel und Deuterojesaja erinnerten die <strong>Juden</strong> <strong>im</strong>mer wieder an die Treue Gottes zu seinem<br />

Bund und stärkten ihre Hoffnung auf He<strong>im</strong>kehr. Das babylonische Exil dauerte 50 Jahre.<br />

Im Jahr 538 v. Chr. ließ der persische Herrscher Kyros, der das babylonische Reich erobert<br />

hatte, die <strong>Juden</strong> frei. Endlich konnten sie he<strong>im</strong>kehren aus der Verbannung.<br />

37


<strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> unter der Fremdherrschaft der Griechen<br />

und der Befreiungskampf der Makkabäer<br />

<strong>Die</strong> nach Jerusalem zurückgekehrten <strong>Juden</strong> bauten unter großen Mühen die Stadt und den<br />

Tempel wieder auf. Sie mußten aber in ihrem eigenen Land weiter unter der Herrschaft<br />

fremder Machthaber leben. 333 v. Chr. eroberte der griechische König Alexander der Große<br />

viele Länder des Vorderen Orients. Zunächst durften die <strong>Juden</strong> ihre Religion noch frei ausüben<br />

und nach ihren <strong>Glauben</strong>straditionen leben. Doch anderthalb Jahrhunderte später wollte<br />

einer der Nachfolger des Alexander, der syrische König Antiochus IV., die jüdische Religion<br />

gewaltsam beseitigen. Dagegen wehrten sich die <strong>Juden</strong>. Sie wollten nicht den fremden<br />

Götterkult annehmen, sondern nach dem <strong>Glauben</strong> ihrer Väter leben. In den Jahren 166 -<br />

160 v.Chr. bildete sich die Widerstandsbewegung der Makkabäer. Unter ihrem Anführer Judas<br />

Makkabäus eroberten sie Jerusalem zurück und weihten den durch Götterstandbilder<br />

geschändeten Tempel wieder ein. Daran erinnert noch heute das Weihefest Chanukka.<br />

Nach dem Tod des Judas Makkabäus setzten seine Brüder den Befreiungskampf fort. Der<br />

Staat Juda hatte für rund 100 Jahre seine Unabhängigkeit wieder erreicht.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> unter der Herrschaft der Römer<br />

Im Jahr 63 v.Chr. eroberten die Römer das jüdische Land. Sie setzten Herrscher ein, unter<br />

anderem den Idumäer Herodes und seine Söhne. Als die Römer statt des unfähigen Herodes-Sohnes<br />

Archelaus römische Statthalter einsetzten, entstand unter den <strong>Juden</strong> eine<br />

Gruppe militanter Freiheitskämpfer, die Zeloten, die Aufstände gegen die römische Herrschaft<br />

anzettelten und römische Besatzungssoldaten und Verwaltungsbeamte ermordeten.<br />

Im jüdisch-römischen Krieg von 66 - 74 n.Chr. unterlagen die <strong>Juden</strong> der Übermacht der Römer.<br />

Im Jahr 70 n.Chr. wurde Jerusalem von den Römern erobert, und der Tempel wurde<br />

zerstört. Viele <strong>Juden</strong> wurden umgebracht oder als Sklaven verkauft. Nachdem die Römer<br />

einen weiteren Aufstand (132 - 135) niedergeschlagen hatten, der von S<strong>im</strong>on ben Kosiba<br />

angeführt worden war, wurde das zerstörte Jerusalem <strong>im</strong> Jahr 135 als römische Stadt Aelia<br />

Capitolina mit einem Jupitertempel aufgebaut. Judäa wurde umbenannt in Palästina, um den<br />

Namen des jüdischen Landes auszulöschen, und <strong>Juden</strong> wurde bei Todesstrafe verboten,<br />

ihre Religion auszuüben und sich in Jerusalem anzusiedeln.<br />

Es gab noch <strong>Juden</strong> an der Küste des Mittelmeeres und in Galiläa, aber die meisten <strong>Juden</strong><br />

lebten <strong>im</strong> Exil. <strong>Die</strong> Zerstreuung in alle Welt wird Diaspora genannt.<br />

Im 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. lebten die <strong>Juden</strong> verstreut über das ganze römische Reich.<br />

Als das Christentum <strong>im</strong> 4. Jahrhundert an Ansehen und Macht gewann und durch die römischen<br />

Kaiser zur Staatsreligion erhoben worden war, wurde die Lage für die <strong>im</strong> Römerreich<br />

lebenden <strong>Juden</strong> <strong>im</strong>mer schwieriger. Der römische Staat erließ judenfeindliche Gesetze, und<br />

es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Christentum und <strong>Juden</strong>tum. <strong>Juden</strong><br />

wurde bei Todesstrafe verboten, Mission zu betreiben. Christen erhoben <strong>im</strong>mer mehr den<br />

Vorwurf, die <strong>Juden</strong> seien schuld am Tod Jesu. Eine mißverständliche Auslegung des Wortes<br />

„die <strong>Juden</strong>" <strong>im</strong> Neuen Testament hatte dieses Vorurteil gefördert. Mit „den <strong>Juden</strong>" sind <strong>im</strong><br />

Johannesevangelium die Feinde Jesu und die Gegner des Christentums gemeint. Nicht das<br />

jüdische Volk war schuld am gewaltsamen Tod Jesu, sondern einige verantwortliche Führer<br />

der <strong>Juden</strong> und politische Anhänger der Sadduzäer, der Hohepriesterpartei, und vor allem die<br />

römische Besatzungsmacht in Judäa.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> in Babylonien<br />

Nach der Zerstörung Jerusalems <strong>im</strong> Jahr 70 n.Chr., der Niederschlagung des letzten jüdischen<br />

Aufstands durch die römische Besatzungsmacht (132 - 135) wurden die jüdischen<br />

Gemeinden in Babylonien zum Mittelpunkt des <strong>Juden</strong>tums in den nächsten Jahrhunderten.<br />

Dort enstand ein neues Zentrum der Bibelwissenschaft und der Gelehrsamkeit. Um 500<br />

wurde der babylonische Talmud, ein vielbändiges Werk, fertiggestellt.<br />

Im Jahr 638 kam Jerusalem unter die Herrschaft des Islam, der sich sehr schnell <strong>im</strong> Vorderen<br />

Orient ausbreitete. <strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> wurden als Minderheit geduldet. Gegen Ende des ersten<br />

Jahrtausends verlagerte sich das Zentrum des <strong>Juden</strong>tums nach West- und Mitteleuropa.<br />

In Spanien erlebten die <strong>Juden</strong> zwischen 900 - 1200 unter islamischer Herrschaft eine Blütezeit.<br />

38


<strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> <strong>im</strong> Mittelalter in Europa<br />

In allen christlich gewordenen mitteleuropäischen Ländern hatte man wenig Verständnis für<br />

die jüdischen Bräuche und Lebensformen. Dennoch wuchsen die jüdischen Gemeinden. In<br />

Städten wie Mainz und Worms gab es berühmte Bibelschulen. Seit dem Beginn der Kreuzzüge<br />

(1096) aber wollte man die <strong>Juden</strong> zwingen, den christlichen <strong>Glauben</strong> anzunehmen und<br />

sich taufen zu lassen. Wer sich widersetzte, wurde umgebracht.<br />

Im 13./14. Jahrhundert durften die <strong>Juden</strong> viele Berufe nicht ausüben. Durch den Erlaß einer<br />

Kleiderordnung wurden sie gezwungen, sich als <strong>Juden</strong> kenntlich zu machen. Dadurch waren<br />

sie gesellschaftlich geächtet. Das Wohnen in <strong>Juden</strong>gassen (Ghettos) diente <strong>im</strong>mer mehr der<br />

Isolierung der <strong>Juden</strong> von der christlichen Bevölkerung. Vor allem in den Zeiten der großen<br />

Pest nahmen die Ausschreitungen gegen die <strong>Juden</strong> in ganz West- und Mitteleuropa <strong>im</strong>mer<br />

mehr zu. Den <strong>Juden</strong> wurde vorgeworfen, sie würden Brunnen vergiften. <strong>Die</strong> <strong>Juden</strong>, die den<br />

Massakern entkamen, mußten sich in der Fremde eine neue He<strong>im</strong>at suchen. Damals zogen<br />

viele von ihnen nach Osteuropa.<br />

Besonders grausam erging es den <strong>Juden</strong> in Spanien. Nachdem Spanien ganz unter die<br />

Herrschaft christlicher Könige gekommen war, wurden die <strong>Juden</strong> gezwungen auszuwandern<br />

oder sich taufen zu lassen. Aber man glaubte ihnen den Religionswechsel nicht und ließ sie<br />

durch die Inquisition verfolgen. Unter Inquisition sind kirchliche Ketzergerichte zu verstehen,<br />

die Ungläubige aufspüren und ihrer Strafe durch den Staat zuführen sollten.<br />

1492 wurden alle <strong>Juden</strong> aus Spanien, 1497 aus Portugal vertrieben. Sie wanderten in die<br />

Länder am östlichen Mittelmeer und in andere europäische Länder wie England, Holland und<br />

Norddeutschland aus.<br />

Auch in Osteuropa, in Polen und in Rußland, waren die <strong>Juden</strong>, die <strong>im</strong> 13./14. Jahrhundert<br />

aus Deutschland geflohen waren, 300 Jahre später wieder schrecklichen Verfolgungen und<br />

Pogromen ausgesetzt.<br />

<strong>Die</strong> Emanzipation der <strong>Juden</strong> und der Zionismus <strong>im</strong> 19. Jahrhundert<br />

Im 19. Jahrhundert erfolgte die bürgerliche Gleichstellung der <strong>Juden</strong> in den meisten Staaten<br />

West- und Mitteleuropas, die sogenannte „Emanzipation". <strong>Die</strong> <strong>Juden</strong>feindschaft aber blieb.<br />

Durch den Antisemitismus, die Diskr<strong>im</strong>inierung der <strong>Juden</strong> als minderwertiger Rasse, wurde<br />

die <strong>Juden</strong>feindschaft verstärkt. Aus Osteuropa wanderten viele <strong>Juden</strong> über Deutschland<br />

nach den Vereinigten Staaten von Amerika aus. 1882 setzte eine erste Einwanderungswelle<br />

osteuropäischer <strong>Juden</strong> nach Palästina ein, wo sie brachliegendes Land kauften, landwirtschaftliche<br />

Siedlungen gründeten und das Land urbar machten.<br />

1896 erhob der Wiener Journalist Theodor Herzl erstmals die Forderung nach einem eigenen<br />

<strong>Juden</strong>staat. Er gründete eine Bewegung, die den Namen „Zionismus" erhielt.<br />

Zion ist ein anderes Wort für Jerusalem. Der Zionismus kämpfte dafür, daß die <strong>Juden</strong> wieder<br />

ein He<strong>im</strong>atrecht <strong>im</strong> Land Israel erlangten. 1909 konnten <strong>Juden</strong> die erste moderne Stadt in<br />

Palästina gründen: Tel Aviv am Mittelmeer. Von 1920 bis 1948 stand Palästina unter britischem<br />

Mandat. Nur wenigen <strong>Juden</strong> wurde erlaubt, nach Palästina einzuwandern, auch in<br />

den schl<strong>im</strong>men Jahren der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten in<br />

Deutschland.<br />

<strong>Juden</strong>verfolgung in Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

<strong>Die</strong> schwerste und grausamste <strong>Juden</strong>verfolgung geschah in Deutschland während der Zeit<br />

des Nationalsozialismus von 1933-1945. Nachdem die nationalsozialistische Partei unter<br />

Adolf Hitler die Macht ergriffen hatte, wurden alle deutschen Staatsangehörigen jüdischer<br />

Abstammung ausgesondert und aus dem öffentlichen Leben verdrängt.<br />

Am 9. November 1938 wurden in der Reichspogromnacht alle jüdischen Synagogen in<br />

Brand gesteckt oder verwüstet. Jüdische Geschäfte wurden geplündert, beschlagnahmt und<br />

später an „arische" Deutsche „verkauft".<br />

Während des Zweiten Weltkriegs wurden alle <strong>Juden</strong> in Deutschland und in den von Deutschen<br />

besetzten Gebieten verfolgt, schließlich in Konzentrationslager deportiert und in einem<br />

Vernichtungsprogramm ausgerottet. In Deutschland lebte bis 1933 eine halbe Million<br />

<strong>Juden</strong>. 1945 waren rund 6 Millionen <strong>Juden</strong> in Europa ermordet worden. Das war mehr als<br />

ein Drittel der jüdischen Bevölkerung auf der ganzen Welt.<br />

39


Der Staat Israel<br />

Im Jahr 1947 beschloß die UNO, in Palästina einen jüdischen Staat einzurichten. Am 14.<br />

Mai 1948 rief David Ben Gurion in Tel Aviv den Staat Israel aus (Unabhängigkeitserklärung).<br />

In der darauffolgenden Nacht marschierten fünf arabische Armeen (aus Ägypten, Jordanien,<br />

Syrien, Libanon und Irak) gleichzeitig in Israel ein. <strong>Die</strong>ser Krieg dauerte mit Unterbrechungen<br />

bis Juli 1949. Unter Aufsicht der Uno fand 1949 die Aufteilung Palästinas in einen jüdischen<br />

Staat und in arabisch bewohnte und von Jordanien verwaltete Gebiete statt. Jerusalem<br />

wurde zur geteilten Stadt (Ostteil mit Tempelberg: arabisch; Westteil: israelisch).<br />

Danach wanderten <strong>Juden</strong> aus aller Welt nach Israel ein, das ihnen wieder eine He<strong>im</strong>at bot.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Juden</strong> besiedelten große Teile bis dahin brachliegenden Landes, machten Wüsten<br />

fruchtbar und bauten Städte wieder auf.<br />

In den darauffolgenden Jahren mußte Israel in mehreren Kriegen um seine Unabhängigkeit<br />

kämpfen (1956: Sinai-Krieg; 1967: Sechstage-Krieg; 1973 Jom Kippur-Krieg).<br />

Am 26. März 1979 kam es zum israelisch-ägyptischen Friedensschluß, aber die Feindschaft<br />

der Araber gegenüber Israel (Libanonkrieg 1982; Intifada der Palästinenser in den von Israel<br />

besetzten Gebieten ab 1987; Golf-Krieg 1991) ist noch nicht überwunden.<br />

Im Westjordanland, in Gaza und Ost-Jerusalem wohnen vorwiegend Palästinenser. Sie haben<br />

heute eine politische Selbstverwaltung und seit wenigen Jahren einen eigenen Präsidenten.<br />

Israelis und Palästinenser streiten sich darum, wer einen rechtmäßigen Anspruch auf<br />

die Stadt Jerusalem und vor allem auf den Tempelberg hat.<br />

Seit Jahrzehnten kommen jährlich viele Tausend jüdische Einwanderer aus der ganzen<br />

Welt, vor allem aus Amerika und Rußland nach Israel, um <strong>im</strong> Land ihrer biblischen Väter und<br />

Mütter zu leben.<br />

40


DAS HEUTIGE ISRAEL<br />

mit den modernen Ortsnamen<br />

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42<br />

Marc Chagall „<strong>Die</strong> weiße Kreuzigung"


Der Jude Jesus und seine Botschaft<br />

Jesus war Jude. Er wuchs <strong>im</strong> jüdischen <strong>Glauben</strong> auf und lernte die Tora von Kindheit<br />

an. Im Neuen Testament wird Jesus als „von einer (jüdischen) Frau geboren und<br />

dem Gesetz unterstellt" gekennzeichnet (Gal 4,4). Durch die Beschneidung (Lk 2,21)<br />

wird Jesus in den Bund Abrahams aufgenommen und gehört somit zum jüdischen<br />

Volk. <strong>Die</strong> Erzählung vom zwölfjährigen Jesus <strong>im</strong> Tempel (Lk 2,41 - 52) weist hin auf<br />

einen Ritus, der vermutlich der heutigen Bar Mizwa-Feier entspricht. Damit ist Jesus<br />

ein „Sohn der Pflicht", dem es aufgetragen ist, die Tora zu lernen, zu leben und zu<br />

lehren. Wie ernst es Jesus mit dieser Verpflichtung ist und wie tief seine Lehre in der<br />

Tora wurzelt, betont er ausdrücklich in seiner Verkündigung (Mt 5,17-19).<br />

Als erwachsener Mann tritt Jesus als Wanderlehrer auf, beruft Männer und Frauen in<br />

seine Jüngerschaft und lehrt in Synagogen und in der Öffentlichkeit. Er wird als<br />

„Rabbi" angesprochen, d.h. Lehrer. Jesus redet und diskutiert mit anderen Rabbinen<br />

seiner Zeit, besonders mit Pharisäern, in „halachischer" Weise, d.h. in Form von<br />

Rede und Gegenrede, als „Streitgespräch", wie es die Lehrweise des Talmud ist.<br />

Wie sehr Jesus in seiner Verkündigung mit der Tora übereinst<strong>im</strong>mt, zeigt sich in<br />

seinen Gesprächen und Auseinandersetzungen mit den Schriftgelehrten seiner Zeit<br />

sehr deutlich (Mk 12,28 - 34). Bei der Auslegung der Tora gab es strengere und<br />

mildere Richtungen. Jesus steht mit seiner Toraauslegung, ebenso wie der bekannte<br />

pharisäische Lehrer Hillel, in Gegensatz zu jener rabbinischen Schule, die mit ihrer<br />

strengen, harten Auslegung der Tora dem Volk schwere Lasten auferlegte. Jesus<br />

geht es darum, daß die Tora wirklich „Weisung zum Leben" ist, daß sie nicht<br />

buchstabenmäßig erstarrt, sondern dem Leben dient. Er verkündet das Reich Gottes<br />

für alle Menschen und zeigt in seinen Taten den Heilswillen Gottes für alle, indem er<br />

helfend und heilend auf die Menschen zugeht.<br />

Was Jesus als einzigartig kennzeichnet, ist sein Selbstverständnis und sein<br />

Sendungsbewußtsein (Lk 4,16 - 21).<br />

Ruine der Synagoge von Kafarnaum<br />

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