Deutschland zwischen 1950 und 2009 - Rainer Land Online Texte
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2. Die konstitutiven Komponenten des Teilhabekapitalismus<br />
10<br />
Kern des fordistischen Teilhabekapitalismus genannten Regimes wirtschaftlicher Entwick-<br />
lung ist die Kombination von drei Elementen:<br />
− Erstens: fordistische 8 Massenproduktion. Die Massenproduktion als solche entstand schon<br />
im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, sie wurde im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert durch Henry Ford in der Auto-<br />
mobilproduktion zu einem Organisationsprinzip des modernen Industriebetriebs weiter-<br />
entwickelt. Jede Massenproduktion nutzt Skaleneffekte, economy of scale, als Ressource<br />
der Produktivitätssteigerung. Das Besondere der fordistischen Massenproduktion besteht<br />
in der Kopplung von Massenproduktion <strong>und</strong> Massenkonsumtion. Ford entwickelte eine<br />
Produktionsorganisation, bei der die Trennung der Forschung <strong>und</strong> Entwicklung von der<br />
Fertigung sowie die Standardisierung, Rationalisierung, Arbeitsteilung <strong>und</strong> Technisierung<br />
(z.B. durch Fließbänder) in der Fertigung (Taylorismus) zu positiven Skaleneffekten <strong>und</strong><br />
Kostenregressionen in der Produktion von Konsumgütern, speziell dem PKW als Massen-<br />
konsumgut, führte. Der Massenproduktion fordistischer Art lag nicht nur eine technologi-<br />
sche oder arbeitsorganisatorische Konzeption zugr<strong>und</strong>e, wichtig ist ebenso die bewusste<br />
Bezugnahme auf die Lebensweise der Lohnarbeiter, die innere <strong>Land</strong>nahme (Wittemann<br />
1996: 10). Vor dem zweiten Weltkrieg wurde Massenproduktion schon zum Prinzip der<br />
Rüstungsproduktion, aber erst während (in den USA) bzw. nach dem 2. Weltkrieg wurde<br />
sie zum Kern der Innovationsprozesse in der industriellen Konsumgüterproduktion (Haus-<br />
haltsgeräte, Kraftfahrzeuge, Elektrotechnik, Elektronik, Lebensmittel, industrieller Woh-<br />
nungs- <strong>und</strong> Städtebau) <strong>und</strong> in modifizierter Form auch in vielen Investitionsgüterindustri-<br />
en. Damit aber wurde die Steigerung der Arbeitsproduktivität durch economy of scale zur<br />
wichtigsten Produktivitätsressource – das ist der erste Unterschied des Fordistischen Teil-<br />
habekapitalismus von vorangegangenen Kapitalismustypen.<br />
− Zweitens: produktivitätsorientierte Lohnentwicklung. In der Zeit vor dem zweiten Welt-<br />
krieg bzw. vor der Weltwirtschaftsdepression (1929-1938) stiegen die Reallöhne zwar<br />
auch schon, blieben aber im Mittel deutlich hinter der Produktivitätsentwicklung zurück<br />
(vgl. dazu insbesondere Lutz 1984). Seit den <strong>1950</strong>er-Jahren steigen die Löhne in allen o.g.<br />
8 Bekanntlich meinte Henry Ford, durch Rationalisierung könnten die Autos billiger <strong>und</strong> die Löhne höher werden,<br />
so dass die Arbeiter zu Käufern der von ihnen produzierten Autos – bzw. der von ihnen produzierten<br />
Konsumgüter überhaupt – werden könnten. Damit hat er das volkswirtschaftliche Prinzip der Kopplung von<br />
Massenproduktion <strong>und</strong> Massenkonsumtion, vermittelt über die Verbindung von Produktivitäts- <strong>und</strong> Lohnsteigerung,<br />
erstmalig als eine Strategie wirtschaftlicher Entwicklung formuliert. Daher ist es gerechtfertigt, sie<br />
fordistische Massenproduktion zu nennen – im Unterschied zur Massenproduktion von Gewehren <strong>und</strong> Kanonen<br />
(vgl. Ford/Crowther 1922).<br />
<strong>Land</strong>, Busch <strong>2009</strong>-10, Teilhabekapitalismus