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Deutschland zwischen 1950 und 2009 - Rainer Land Online Texte

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dramatischen Schwankungen weltwirtschaftlich wichtiger Preise (Öl, Weizen) <strong>und</strong> teilweise<br />

irrationalen Bewegungen der Wechselkurse führte <strong>und</strong> den realwirtschaftlichen Reprodukti-<br />

ons- <strong>und</strong> Investitionsprozess erheblich beeinträchtigte. Der Ausgangspunkt dieser Strategien<br />

waren die Politik der US-Administration unter Reagan <strong>und</strong> Großbritanniens unter Thatcher,<br />

aber auch die EU forcierte diese Entwicklung. Die europäische Kommission verbot präventiv<br />

alle gegenwärtigen <strong>und</strong> künftigen „weiteren Rechtsvorschriften“, die Finanzmärkte beschrän-<br />

ken könnten:<br />

Es wird leicht vergessen, dass es bis Mitte der 90er Jahre in einer Reihe von Mitgliedstaaten praktisch<br />

keinen freien Kapitalverkehr gab. Auch wenn theoretisch die Möglichkeit bestand, so unterlagen<br />

viele Finanzgeschäfte mit Akteuren in anderen Mitgliedstaaten doch der vorherigen Genehmigung<br />

durch nationale Behörden im Rahmen der so genannten „Devisenkontrollen“. … Die vollständige<br />

Liberalisierung des Kapitalverkehrs in der EU wurde im Jahr 1988 beschlossen (Richtlinie<br />

88/361/EWG) <strong>und</strong> trat in den meisten Mitgliedstaaten 1990 in Kraft; für die restlichen wurden<br />

spezielle Übergangsfristen vereinbart. … Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs erfolgte im<br />

Zuge des Aufbaus der Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungsunion <strong>und</strong> wurde schließlich im Vertrag von<br />

Maastricht verankert, der im November 1993 in Kraft trat. Der EG-Vertrag verbietet alle Beschränkungen<br />

des Kapital- <strong>und</strong> Zahlungsverkehrs, <strong>und</strong> zwar sowohl <strong>zwischen</strong> den Mitgliedstaaten<br />

als auch <strong>zwischen</strong> den Mitgliedstaaten <strong>und</strong> dritten Ländern. Dieser Gr<strong>und</strong>satz gilt unmittelbar, d.<br />

h. es sind dafür weder auf EU- noch auf einzelstaatlicher Ebene weitere Rechtsvorschriften erforderlich.<br />

(Europäische Komission <strong>2009</strong>)<br />

Mit dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen, der Internationalisierung der Märkte, dem<br />

Handel auf Offshore-Märkten, der Emission immer neuer Finanzprodukte (Derivate) <strong>und</strong> der<br />

Verbriefung von Krediten erfolgte eine Transformation der Finanzkapitalverwertung <strong>und</strong> ih-<br />

rer Rolle im Wirtschaftssystem – mit Folgen für die Funktionsweise der Kapitalverwertung<br />

insgesamt. Ausschlaggebend dafür ist insbesondere eine veränderte institutionelle Konfigura-<br />

tion: Die ökonomischen Beziehungen werden nicht mehr durch den Kredit als einem Vertrag<br />

<strong>zwischen</strong> Bank <strong>und</strong> Unternehmen dominiert, sondern durch die Aktie <strong>und</strong> damit durch die<br />

Funktionsweise der Finanzmärkte (Börse). Die zentralen Akteure in diesem System sind mit-<br />

hin nicht mehr die Kreditbanken, sondern die Aktionäre, insbesondere institutionelle Anleger<br />

wie Investmentgesellschaften, Investment- <strong>und</strong> Pensionsfonds <strong>und</strong> Versicherungen. Zentrales<br />

Kontrollinstrument sind die Eigentumsrechte der Aktionäre, welche sich bei ihren Entschei-<br />

dungen von kurzfristigen Renditeerwartungen <strong>und</strong> den Analysen internationaler Rating-Agen-<br />

turen leiten lassen. Dem entspricht der Shareholder-Value-Gr<strong>und</strong>satz als Steuerungsprinzip<br />

von Unternehmen <strong>und</strong> „Bindeglied <strong>zwischen</strong> einem unsteten, fragilen Umfeld <strong>und</strong> einer fle-<br />

xiblen Produktionsweise, die diese Unsicherheiten in (betrieblichen) Organisationskontexten<br />

zu bearbeiten sucht“ (Dörre/Brinkmann 2005: 86f.). Zugleich trägt diese Entwicklung ausge-<br />

sprochen globale Züge <strong>und</strong> ist folglich mit einer Entnationalisierung des Kapitals wie der Ka-<br />

pitalverwertung verb<strong>und</strong>en.<br />

<strong>Land</strong>, Busch <strong>2009</strong>-10, Teilhabekapitalismus

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