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Deutschland zwischen 1950 und 2009 - Rainer Land Online Texte

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Volkswirtschaften im Mittel mindestens genauso schnell wie die volkswirtschaftliche Pro-<br />

duktivität. 9 Dies gilt bis Ende der 1970er-Jahre. Folge ist eine positive Rückkopplung von<br />

Massenproduktion, Masseneinkommen <strong>und</strong> Massenkonsumtion. Bei einer Orientierung<br />

der Reallöhne am Produktivitätszuwachs schafft jede Produktivitätssteigerung genau die<br />

Nachfrageausweitung, die erforderlich ist, um den Zuwachs an Produktion in Form wach-<br />

sender Konsumtion abzusetzen <strong>und</strong> zu verbrauchen, <strong>und</strong> sie schafft außerdem eine zusätz-<br />

liche Investitionsnachfrage, die es tendenziell ermöglicht, Gewinne <strong>und</strong> Ersparnisse voll-<br />

ständig zu investieren. Das berühmte Problem der „Akkumulation des Mehrwertes“ (Lu-<br />

xemburg 1913: 279f, 296f, 398f) bestand nur, solange die Löhne nicht im Maße der Pro-<br />

duktivität stiegen.<br />

Erst durch die ständig steigenden Masseneinkommen <strong>und</strong> die steigende Massenkonsumti-<br />

on konnten die economy of scale <strong>und</strong> die fordistische Industrieorganisation zum zentralen<br />

Innovationsfeld dieses Entwicklungstyps werden. Und erst mit der fordistischen Massen-<br />

produktion war eine Ökonomie der systematischen Steigerung der Lohneinkommen <strong>und</strong><br />

der wachsenden Konsumtion der abhängig Beschäftigten möglich. Fordistische Massen-<br />

produktion <strong>und</strong> produktivitätsorienierte Lohnentwicklung gehören zusammen. Die über<br />

die produktivitäsorientierte Lohnentwicklung vermittelte positive Rückkopplung von<br />

9 Wichtig ist, dass die durchschnittlichen Löhne aller Arbeitskräfte im Maß der Produktivität der gesamten<br />

Volkswirtschaft (also gesamtes BIP pro Erwerbstätigem bzw. pro Arbeitsst<strong>und</strong>e) steigen, unabhängig von<br />

den unterschiedlichen Steigerungsraten der einzelnen Branchen. Die Produktivität einer Volkswirtschaft ist<br />

das Ergebnis des arbeitsteiligen Zusammenwirkens aller die Erbringung des BIP erforderlichen Branchen,<br />

daher werden auch alle Branchen, die notwendige Arbeit leisten, am Produktivitätsfortschritt in gleichem<br />

Maße partizipieren, auch wenn die technische Produktivität (Stück pro Zeit) sehr unterschiedlich steigt, in<br />

manchen Branchen aus technischen Gründen überhaupt nicht. So steigt die technische Produktivität in der<br />

gewerblichen Industrie in der Regel überdurchschnittlich, während sie bei personenbezogenen Dienstleistungen,<br />

z.B. bei Ärzten (Behandlungen pro St<strong>und</strong>e) oder Friseuren (Frisuren pro Zeit), kaum steigen kann. Die<br />

ökonomische Produktivität für alle notwendigen Arbeiten steigt aber branchenunabhängig in der Regel trotzdem,<br />

weil die Preise für notwendige Arbeiten, deren technische Produktivität nicht oder nur unterdurchschnittlich<br />

steigen kann, entsprechend ansteigen (müssen), wenn die volkswirtschaftliche Produktivität steigt,<br />

während die Preise für Waren, deren Produktion in der Regel überdurchschnittliche Produktivitätssteigerungsraten<br />

aufweisen, sinken bzw. unter der durchschnittlichen Preissteigerungsrate liegen. Die differenten<br />

Preissteigerungsraten der Waren gleichen also für notwendige Arbeiten die unterschiedlichen technischen<br />

Produktivitätssteigerungsraten so aus, dass – zumindest in der Tendenz – eine gleichartige ökonomische Produktivitätsentwicklung<br />

(Wertschöpfung pro Zeit) für alle notwendigen Branchen als Resultierende herauskommt.<br />

Es wäre also falsch, Lohnentwicklungen mit den technischen Produktivitätssteigerungsraten einzelner<br />

Branchen in Beziehung zu bringen. Orientierungspunkt ist stets die Produktivitätsentwicklung der gesamten<br />

Volkswirtschaft. (Notwendige Arbeiten bzw. notwendige Branchen sind die, ohne deren Produkte andere<br />

Branchen nicht produzieren können bzw. ohne die die Reproduktion der Arbeitskraft nicht erfolgen kann.)<br />

Die unterschiedlichen Lohnniveaus <strong>und</strong> unterschiedliche Lohnsteigerungen einzelner Branchen haben also<br />

nicht differente Branchenproduktivitätssteigerungen zur Ursachen (dann müssten Ärzte wenig <strong>und</strong> Fließbandarbeiter<br />

viel verdienen). Ursache dafür sind einerseits differente Aufwendungen für die Erlangung der<br />

erforderlichen Qualifikationen <strong>und</strong> den Zugang zu einem Beruf, dann auch kulturelle Gründe, Traditionen,<br />

Monopole. Andererseits aber die aktuelle <strong>und</strong> die mittelfristige Marktlage, also Abweichungen der Nachfrage<br />

nach bestimmten Qualifikationen vom Angebot, regionale Differenzen bei erschwerter Wanderung usw.<br />

In einer Volkswirtschaft würden sich die Löhne verschiedener Branchen <strong>und</strong> Regionen vollständig ausgleichen,<br />

wenn die Aufwendungen für den Zugang (Berufsausbildung <strong>und</strong> andere) gleich hoch wären <strong>und</strong> wenn<br />

die Kosten des Berufswechsel bzw. die regionale Wanderung null wären. Da dies nicht der Fall ist, differieren<br />

die Lohnniveaus entlang dieser Determinanten (vgl. Flassbeck/Spiecker 2000, 2001, 2007).<br />

<strong>Land</strong>, Busch <strong>2009</strong>-10, Teilhabekapitalismus

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