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Stuttgart bekommt ein neues Wahrzeichen - Literaturmachen

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Seite 16 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007<br />

Krankenschwester Elke Mödinger hat schon<br />

mitbekommen, wie viele aussichtslose Fälle<br />

von Essstörungen ins Diakonie-Klinikum<br />

<strong>Stuttgart</strong> <strong>ein</strong>geliefert worden sind und Dank<br />

der Therapien Lebensfreude und die Chance<br />

auf <strong>ein</strong> „normales“ Leben bekommen haben.<br />

Und sie weiß deshalb sehr gut Bescheid, weil<br />

sie schon seit elf Jahren hier auf der Station<br />

arbeitet. Wenn man dieses Krankenhaus betritt,<br />

ist es sofort wie in <strong>ein</strong>er anderen Welt,<br />

da alle, die hier untergebracht sind, unter<br />

verschiedenen Krankheiten leiden. Doch um<br />

sie abzulenken, hat die Klinik besonders helle<br />

Räume und ist mit fröhlichen Bildern an den<br />

Wänden behängt. Schwerpunkte der Station<br />

von Elke Mödinger sind stationäre Behandlungen<br />

von Patienten mit Essstörungen, wie<br />

Magersucht und Ess-Brech-Sucht (Anorexia<br />

nervosa und Bulimia nervosa).<br />

Vor allem junge Menschen sind davon betroffen.<br />

Bei ihnen fehlt oft noch das Selbstbewussts<strong>ein</strong><br />

und sie versuchen, ihr Äußeres zu<br />

perfektionieren, um so psychische Probleme<br />

zu überdecken. Doch manche schießen eben<br />

über das Ziel hinaus, denn wer findet <strong>ein</strong>en<br />

abgemagerten Körper sexy? Und auch Elke<br />

Mödinger m<strong>ein</strong>t: „Man sollte auch darauf achten,<br />

wer man ist.“ Wer also s<strong>ein</strong>e Probleme<br />

lösen will, ist mit dem perfekten Aussehen<br />

nicht immer auf dem richtigen Weg. Denn das<br />

Innere ist auch noch da, und das ändert sich<br />

nicht so schnell.<br />

Die Ursachen für die Krankheit sind von Patient<br />

zu Patient verschieden, unter anderem<br />

führen zu hoher Leistungsdruck, zu wenig<br />

Zuneigung oder auch Einsamkeit dazu. Auch<br />

werden viele, vor allem Jugendliche, durch<br />

Zeitschriften, sowie andere Medien negativ<br />

be<strong>ein</strong>flusst. Meistens kommen mehrere Faktoren<br />

zusammen, doch häufig spielen familiäre<br />

Probleme <strong>ein</strong>e große Rolle. Manchmal<br />

geraten Jugendliche in <strong>ein</strong>e Essstörung, weil<br />

sie ihren Eltern ihre eigene M<strong>ein</strong>ung signalisieren<br />

wollen, beziehungsweise<br />

respektiert werden wollen. In der<br />

Pubertät können aber auch manche<br />

Mädchen nicht akzeptieren,<br />

dass sie rundere Körperformen<br />

bekommen. Generell leiden mehr<br />

Mädchen als Jungen an Magersucht.<br />

Prozentual ausgedrückt:<br />

95% Mädchen und nur 5% Jungen.<br />

Bei vielen Patienten mit Magersucht<br />

besteht das Risiko, dass sie<br />

trotz ihres niedrigen Gewichtes<br />

denken, sie seien viel zu dick und<br />

müssten weiterhin abnehmen, im<br />

Extremfall befürchten sie auch<br />

dann rapide zuzunehmen, wenn<br />

sie nur <strong>ein</strong> Stück Brot essen.<br />

Bulimie ist <strong>ein</strong>e Ess-Brech-Sucht.<br />

Die Betroffenen haben immer<br />

wieder „Fressattacken“, und um<br />

dadurch nicht dick zu werden,<br />

wird die Nahrung sofort nach<br />

dem Verzehr erbrochen. Bei vie-<br />

Alessia Weckenmann<br />

Letzte rettung<br />

aus der<br />

essstörung<br />

len Menschen ist diese Krankheit anfangs unentdeckt,<br />

da sie ihr normales Gewicht halten,<br />

doch nach paar Monaten nehmen auch diese<br />

stark ab. Manche Betroffenen nehmen Abführmittel,<br />

die dem Körper Wasser entziehen<br />

und auf Dauer schädlich sind. Auch an Bulimie<br />

erkranken mehr Mädchen als Jungen.<br />

Allgem<strong>ein</strong> ist es nicht schlimm zu versuchen,<br />

sich gesund zu ernähren oder als Übergewichtiger<br />

<strong>ein</strong>e Diät zu machen, aber am besten nur<br />

unter ärztlicher Aufsicht. Denn Essstörungen<br />

ziehen schlimme Folgen nach sich. Der Körper<br />

versucht, den Nährstoffmangel auszugleichen,<br />

indem er mehr und mehr <strong>ein</strong>spart. Es<br />

kann zu Osteoporose (Knochen-Krankheit),<br />

Haarausfall und – bei Frauen – zum Ausbleiben<br />

der Menstruation kommen. Obwohl die<br />

Krankheit so schreckliche Auswirkungen hat,<br />

sagt Elke Mödinger: „Ich habe nicht das Gefühl,<br />

gegen <strong>ein</strong>en unbesiegbaren Gegner zu<br />

kämpfen, schließlich gibt es immer wieder<br />

Patienten, die es schaffen, durch langwierige<br />

Therapien die Essstörung zu besiegen.“<br />

Auf der behandelnden Station des Diakonie-Klinikums<br />

arbeitet der Chefarzt Jörg<br />

Lachenmann, der Facharzt für Innere Medizin<br />

und für Psychosomatische Medizin ist.<br />

Zu s<strong>ein</strong>em Team gehören <strong>ein</strong> Oberarzt, sowie<br />

zwei Assistenten und <strong>ein</strong> Spezial-Therapeut.<br />

Therapeuten führen sowohl Einzel- als auch<br />

Gruppengespräche. Zusätzlich gibt es Musik-,<br />

Körperbild- und Bewegungstherapien. Sowohl<br />

Menschen mit Essstörungen haben oftmals solche Angst vor<br />

dem Dickwerden, dass sie nicht <strong>ein</strong>mal kl<strong>ein</strong>e Portionen essen wollen.<br />

die Gespräche als auch die Therapien finden<br />

zweimal in der Woche statt. Ziel der Behandlung<br />

ist, mit sich selbst ins R<strong>ein</strong>e zu kommen,<br />

den ermüdeten Körper wieder an das Alltagsleben<br />

zu gewöhnen und zu lernen, sich so zu<br />

lieben, wie man ist.<br />

Die Krankenkasse übernimmt für den Patienten<br />

alle anfallenden Kosten während des<br />

Aufenthaltes. Die Station hat vierzehn Plätze,<br />

und mehr sollen es auch nicht s<strong>ein</strong>, damit<br />

man sich mit jedem Patienten ausführlich befassen<br />

kann.<br />

Um sicher zu gehen, dass die Erkrankten<br />

nicht in ihre alten Gewohnheiten zurückfallen,<br />

wie zum Beispiel heimlich Sportübungen<br />

zu machen oder sich zu erbrechen, werden<br />

immer wieder Kontrollen durchgeführt. Wenn<br />

<strong>ein</strong> schwerer Fall von Essstörung vorliegt,<br />

darf der Patient zu s<strong>ein</strong>er eigenen Sicherheit<br />

das Klinikgelände nicht verlassen. Außerdem<br />

wird von <strong>ein</strong>em Krankenpfleger kontrolliert,<br />

ob jeder auch wirklich s<strong>ein</strong>e drei normalen<br />

Mahlzeiten zu sich nimmt, damit er <strong>ein</strong> „normales“<br />

Gewicht erlangt. Täglich werden die<br />

Patienten gewogen, um ihre Fortschritte zu<br />

sehen.<br />

Wir sollten sehr froh s<strong>ein</strong>, dass es heutzutage<br />

Ärzte gibt, die auf Essstörungen spezialisiert<br />

sind, und dazu die passenden Einrichtungen<br />

wie das Diakonie-Klinikum. Denn früher fielen<br />

Erkrankte nur als Sonderlinge auf und<br />

starben oftmals an Depressionen oder nahmen<br />

sich das Leben.<br />

In den Sechziger Jahren war das Model Leslie<br />

Hornby, genannt Twiggy, sehr berühmt, Der<br />

„Daily Express“ erklärte sie 1966 zum Gesicht<br />

des Jahres. Daraufhin begann für das extrem<br />

dünne Model <strong>ein</strong>e Gesangs- und Filmkarriere.<br />

Ihr neuer Modestil fand weltweit Anhänger.<br />

Doch erst 1980 wurden die Essstörungen im<br />

Zuge des Schlankheitsideals immer massiver.<br />

Auch heute sollen sehr viele berühmte Stars<br />

– und vor allem Models – unter Essstörung<br />

leiden. In den Medien fallen in<br />

diesem Zusammenhang immer<br />

wieder Namen wie Kate Moss,<br />

Nicole Richie, Keira Kinghtley<br />

und Victoria Beckham.<br />

Ich finde, wenn <strong>ein</strong>e Person<br />

unter <strong>ein</strong>er Essstörung leidet<br />

und noch nicht in Behandlung<br />

ist, sollten Verwandte<br />

und Bekannte sie nicht unter<br />

Druck setzen oder zum Essen<br />

zwingen, denn das ist m<strong>ein</strong>er<br />

M<strong>ein</strong>ung nach falsch. Denn<br />

dadurch wird der Widerstand<br />

des Betroffenen erst recht angestachelt.<br />

Auch sollte man<br />

sich nicht von dieser Person<br />

abwenden, sondern für sie<br />

da s<strong>ein</strong>. Auf jeden Fall sollte<br />

man bei Anzeichen <strong>ein</strong>er Ess-<br />

störung <strong>ein</strong>en Arzt aufsuchen,<br />

was für den Betroffenen die<br />

größte Hilfe ist.

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