Stuttgart bekommt ein neues Wahrzeichen - Literaturmachen
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Seite 8 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 9<br />
Wenn man zum Eingang des Fernsehturms<br />
gelangt, ist man zuerst von der Größe, Eleganz<br />
und Schlankheit des Turms überwältigt,<br />
und fragt sich, wie <strong>ein</strong> Mensch so <strong>ein</strong> Meisterwerk<br />
vollbringen konnte. Denn es ist der<br />
erste Fernsehturm der Welt in dieser Art. Davor<br />
fanden Fernseh- und Radioübertragungen<br />
nicht mit Hilfe von Türmen, sondern mit etwa<br />
30 Meter hohen Masten statt, die mit Drahtseilen<br />
umschlungen waren. Heutzutage ist<br />
<strong>ein</strong> Fernsehturm dieser Art normal: es gibt<br />
schließlich <strong>ein</strong>e ganze Menge von ihnen. Die<br />
Architekten haben es nicht sonderlich schwer,<br />
<strong>ein</strong>en Fernsehturm zu entwerfen, denn es<br />
gibt ja schließlich die Vorlage des <strong>Stuttgart</strong>er<br />
Fernsehturms.<br />
Der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm wurde 1954 bis<br />
1956 von den Professoren Fritz Leonhard,<br />
Erwin H<strong>ein</strong>le und Herta M. Witzemann entworfen.<br />
Die Dauer des Baus betrug insgesamt<br />
18 Monate, und die Gesamthöhe des Fernsehturms<br />
mit dem Sendemast beträgt 217 Meter.<br />
Die Kosten des Baus betrugen insgesamt 4,5<br />
Millionen DM. Nur als Vergleich: die Renovierung<br />
vor Kurzem hat mehr als 1 Million Euro<br />
gekostet.<br />
Was steckt hinter der Idee, <strong>ein</strong>en Fernesehturm<br />
zu bauen und für Besucher zugänglich<br />
zu machen, wenn es auch <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>facher Sendemast<br />
getan hätte? Fritz Leonhard hatte die<br />
Idee, <strong>ein</strong>en Turm zu bauen, der zwar mehr kosten,<br />
aber wegen s<strong>ein</strong>er Neuartigkeit <strong>ein</strong>e Sensation<br />
s<strong>ein</strong> würde. Leonhard war überzeugt,<br />
dass Besucher von weit herreisen würden, nur<br />
um den Turm zu besichtigen. Er wollte den<br />
Eintritt natürlich nicht umsonst machen, und<br />
s<strong>ein</strong> Hintergedanke war auch, die Baukosten<br />
durch die Besucher wieder <strong>ein</strong>zunehmen. Mit<br />
großem Erfolg. S<strong>ein</strong> Projekt stellte er dem<br />
Staat vor, für den aber die Kosten zu enorm<br />
waren. So finanzierte der damalige Südfunk<br />
(heute SWR) das Projekt. Auch heute ist der<br />
Turm noch im Besitz des Senders.<br />
Der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm wurde, wie der<br />
Name sagt, eigentlich gebaut, um Fernsehen<br />
zu übertragen. Heutzutage wird der Turm für<br />
mehrere Dinge genutzt, wie das Übertragen<br />
der Fernsehsender ARD und SWR, sowie der<br />
Radiosender „SWR“, „DLF“ und „Das Ding“.<br />
Die Sender werden in <strong>ein</strong>em Studio überwacht,<br />
um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist,<br />
damit nichts ausfällt. So wird auch die Verbindung<br />
zum Sendesatelliten erhalten. Um<br />
Fernsehen und Radio senden zu können, wird<br />
der Satellit wegen der Drehung der Erde alle<br />
5 Minuten neu angepeilt, damit <strong>ein</strong>e ständige<br />
Verbindung gewährleistet werden kann. Im<br />
ganzen Turm gibt es mehr als 50 Räume und<br />
ca. 50 Beschäftigte.<br />
Der Turm steht unter Denkmalschutz, sodass<br />
nichts außer der Technik und der Einrichtung<br />
verändert werden darf. Inzwischen macht der<br />
Turm jetzt jährlich zirka <strong>ein</strong>e Million Euro<br />
Verlust. Das hat mehrere Gründe. Zum <strong>ein</strong>en<br />
kommen nicht mehr so viele Besucher, da der<br />
Turm nicht mehr so besonders ist.<br />
Klaus von der Ropp<br />
Zu Beginn<br />
<strong>ein</strong>e Sensation<br />
Als der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm<br />
vor über 50 Jahren gebaut wurde,<br />
war er der erste der Welt.<br />
Heute gilt er als <strong>Wahrzeichen</strong> der Stadt.<br />
Trotzdem muss natürlich die Sicherheit der<br />
Besucher gewährleistet s<strong>ein</strong>, was Kosten verursacht.<br />
Ein anderer Nachteil ist die Lage des<br />
Turms: weil er so weit vom Zentrum entfernt<br />
liegt, kommen Besucher fast nie spontan. In<br />
früheren Zeiten lag die Besucherzahl pro Jahr<br />
bei ca. 800.000, heute sind es nur noch etwa<br />
350.000 Besucher. Man sagt sogar, dass es<br />
früher manchmal 3.000 Besucher pro Tag gewesen<br />
waren. Die gesamte Besucherzahl seit<br />
Öffnung liegt bei ca. 24 Millionen.<br />
Von Weitem sieht man die roten und die weißen<br />
Lichter des Fernsehturms leuchten, doch<br />
man kann sich nur ungefähr vorstellen, wozu<br />
sie eigentlich nützlich sind. Die roten Lichter<br />
oben auf der Plattform sind für die Flugzeuge,<br />
damit die erkennen können, wo sich <strong>ein</strong> hohes<br />
Hindernis befindet. Die weißen Lichter<br />
Zusammen mit der Antenne schafft es<br />
der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm auf die<br />
be<strong>ein</strong>druckende Höhe von 217 Meter.<br />
gehen auf <strong>ein</strong>e alte Vorschrift zurück, die besagte,<br />
dass alle Türme rot-weiß s<strong>ein</strong> mussten.<br />
Weil das beim Fernsehturm aber nicht schön<br />
ausgesehen hätte, hat man sich auf das Rot-<br />
Weiß der Lichter ge<strong>ein</strong>igt, das man sogar bei<br />
Nebel sieht.<br />
Herr Frank kennt den Turm besonders gut.<br />
Er arbeitet seit neun Jahren im <strong>Stuttgart</strong>er<br />
Fernsehturm und ist für die Haustechnik und<br />
den Aufzugsbetrieb zuständig. Zusammen<br />
mit <strong>ein</strong>em Kollegen teilt er sich die Arbeit im<br />
Schichtdienst.<br />
Der Fernsehturm besitzt insgesamt zwei Aufzüge,<br />
die von extra Aufzugfahrern bedient<br />
werden. Es gibt k<strong>ein</strong>e Lichtschranken, sodass<br />
der Aufzugfahrer immer <strong>ein</strong>en Knopf lange<br />
drücken muss. Doch dann geht die Fahrt mit<br />
ca. 18 Kilometern pro Stunde los. Der Aufzug<br />
schafft 5 Meter pro Sekunde, und nach 36 Sekunden<br />
ist die Fahrt schon zuende. Zu den<br />
Besonderheiten gehören auch die Sicherheitsvorkehrungen:<br />
sollte <strong>ein</strong>e Kabine im Schacht<br />
stecken bleiben, kann die andere auf dieselbe<br />
Höhe fahren, und die Fahrgäste können durch<br />
<strong>ein</strong>e spezielle Tür in den funktionierenden<br />
Aufzug umsteigen.<br />
In dem Turm gibt es noch <strong>ein</strong>e Treppe mit insgesamt<br />
762 Stufen, die nach oben hin immer<br />
schmaler wird, wie der Turm auch. Bei Notfällen,<br />
wie zum Beispiel <strong>ein</strong>em Feuer, dient<br />
diese Treppe jedoch nicht als Nottreppe, weil<br />
sich der Rauch sehr schnell ausbreitet, und es<br />
dann k<strong>ein</strong> Entkommen gibt. Wenn es brennt,<br />
können die Besucher noch <strong>ein</strong>e Stunde lang<br />
über die Aufzüge nach unten transportiert<br />
werden, weil es Notstrom gibt, bei dem die<br />
Stromleitungen so gut verkapselt sind, dass<br />
sie <strong>ein</strong>em Feuer so lange standhalten können.<br />
Sollte dann immer noch jemand oben s<strong>ein</strong>,<br />
müsste er abgeseilt werden. Abseilübungen<br />
finden jedes Jahr dreimal statt, Feuerübungen<br />
viermal im Jahr. Im Café und in den sonstigen<br />
Räumen, wie z.B. der Toilette, gibt es überall<br />
Sprinkleranlagen, außer im Maschinenraum.<br />
Dort gibt es bei Brand <strong>ein</strong>e Stickstoffzufuhr,<br />
und die Personen, die sich in dem Raum befinden,<br />
haben ca. drei Minuten Zeit, den Raum<br />
zu verlassen.<br />
Sollte wirklich <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong> Schwelbrand oder<br />
<strong>ein</strong> Feuer entstehen, <strong>bekommt</strong> Herr Frank<br />
bzw. s<strong>ein</strong> Kollege <strong>ein</strong> Signal über Telefon, und<br />
sie müssen sofort die Feuerwehr benachrichten.<br />
Bei Abwesenheit <strong>ein</strong>er Aufsichtperson<br />
wird die Feuerwehr automatisch benachrichtet<br />
und ist in acht Minuten da.<br />
Vor 36 Jahren gab es <strong>ein</strong>en solchen Brand,<br />
doch verletzt wurde dabei niemand, und auch<br />
die Zerstörungen hielten sich in Grenzen, weil<br />
das Feuer von all<strong>ein</strong>e ausging. Lediglich im<br />
Restaurant gab es Schäden.<br />
Wo bis vor Kurzem nur das Restaurant war,<br />
ist jetzt <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Theater untergebracht,<br />
das „Theater im Turm“. Dort werden ab und<br />
zu kl<strong>ein</strong>e Stücke aufgeführt.<br />
Fortsetzung auf Seite 9<br />
Fortsetzung von Seite 8<br />
Um die Stabilität und Elastizität des Turms<br />
zu testen, hat man vor <strong>ein</strong> paar Jahren <strong>ein</strong>en<br />
Test mit <strong>ein</strong>em Panzer gemacht. Bei dem Test<br />
riss das Seil, welches zwischen dem Panzer<br />
und dem Turm gespannt worden war. Da sieht<br />
man, was für <strong>ein</strong> Meisterwerk dieser Turm ist.<br />
Er kann Windgeschwindigkeiten von über 250<br />
km/h standhalten, ohne auch nur beschädigt<br />
Was Homeschooling ist, ist bekannt. Die Eltern<br />
unterrichten ihre Kinder zu Hause. Aber<br />
warum tun sie das? Manchmal mag es strenger<br />
Glaube s<strong>ein</strong>, im Falle der Neubronners<br />
trifft das nicht zu. Es ist nicht etwa die Entscheidung<br />
der Eltern, ihre Söhne Moritz und<br />
Thomas nicht zur Schule zu schicken, es ist<br />
die Entscheidung der Kinder, zu Hause zu<br />
lernen. Moritz war sehr unglücklich in der<br />
Schule, ihm und s<strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Bruder war<br />
es langweilig und zu laut. Sie sagten, dass sie<br />
dort nicht gut lernen konnten. „Die Kinder<br />
können sich zu Hause viel besser konzentrieren.<br />
Wenn sie etwas Bestimmtes interessiert,<br />
können sie uns immer danach fragen und<br />
müssen nicht, wie in der Schule, warten, bis<br />
sie das Fach haben, in dem diese Frage beantwortet<br />
werden kann“, sagt Dagmar Neubronner,<br />
Mutter von Moritz und Thomas. Die zwei<br />
sind nicht von der ersten Klasse an zu Hause<br />
geblieben, ihre Eltern haben mehrmals guten<br />
Willens versucht, sie zur Schule zu schicken.<br />
„Aber zwingen wollen wir sie auch nicht“, erklärt<br />
Dagmar Neubronner.<br />
Der Unterricht hat k<strong>ein</strong>e festgelegte Anfangs-<br />
und Schlusszeit, die Dauer beträgt in etwa<br />
<strong>ein</strong>e bis <strong>ein</strong><strong>ein</strong>halb Stunden. Wenn besonders<br />
schönes Wetter ist, machen sie weniger Unterricht,<br />
dafür am nächsten Tag mehr. Herr und<br />
Frau Neubronner finden es gut, dass man sich<br />
den Unterricht <strong>ein</strong>teilen kann. Ihre beiden<br />
Söhne lernen größtenteils selbstständig, das<br />
heißt, sie setzen sich ins Wohnzimmer, das<br />
für sie praktisch das Klassenzimmer darstellt,<br />
und lösen Aufgaben von Arbeitsblättern.<br />
Links vom Esstisch steht <strong>ein</strong> Regal mit Lernmaterialien,<br />
wie zum Beispiel <strong>ein</strong>em Englisch-<br />
Wörterbuch, Sachkunde-Heften, Mathe-Lernbüchern,<br />
Geschichtslexika und so weiter.<br />
„Systematischen Unterricht machen wir nur<br />
selten“, so Dagmar Neubronner. Sie und ihr<br />
Mann unterrichten Moritz und Thomas in Mathe<br />
und Deutsch. Für diese Fächer haben sie<br />
<strong>ein</strong>en Ordner, in dem die Blätter, die sie bis<br />
zum Schuljahresende gemacht haben müssen,<br />
enthalten sind. Fächer wie Sachkunde oder<br />
Kunst lernen sie nicht. Thomas zum Beispiel<br />
zeichnet fast den ganzen Tag, so viel Zeit<br />
zum malen hätte er kaum, wenn er in die<br />
Schule ginge. Da die beiden <strong>ein</strong> erstaunlich<br />
gutes Allgem<strong>ein</strong>wissen haben, sind sie, wie<br />
Frau Neubronner sagt, in manchen Gebieten<br />
sogar auf <strong>ein</strong>em höheren Stand als andere<br />
zu werden. Der Beton ist sehr elastisch und<br />
schwingt gut mit. Draußen am Turm ist <strong>ein</strong><br />
großes Wasserbecken angelegt, aus welchem<br />
Wasser nach ganz oben zum Turm gepumpt<br />
wird.<br />
Früher kamen bis zu 800.000 Besucher pro Jahr,<br />
um die Aussicht von <strong>Stuttgart</strong>s <strong>Wahrzeichen</strong> zu<br />
genießen – heute sind es nur noch etwa 350.000.<br />
Louise Neubronner<br />
M<strong>ein</strong>e eltern<br />
sind m<strong>ein</strong>e<br />
Lehrer<br />
Homeschooling – wenn Kinder zum<br />
Unterricht nicht in die Schule gehen.<br />
Ein Beispiel.<br />
Kinder ihres Alters. Einmal im Monat kommt<br />
<strong>ein</strong>e Lehrerin von <strong>ein</strong>er Schule in der Nähe<br />
vorbei und prüft die Kinder. Der Sportunterricht<br />
wird sozusagen durch den Ver<strong>ein</strong>ssport<br />
ersetzt, aber auch durch das riesige Trampolin,<br />
das im Garten steht.<br />
Das alles könnte so <strong>ein</strong>fach s<strong>ein</strong>, wenn es da<br />
nicht <strong>ein</strong> Problem gäbe: es ist rechtlich verboten.<br />
Zwar gibt es die Möglichkeit zur Ausnahme,<br />
aber <strong>ein</strong>e solche wurde noch nie gemacht.<br />
Der Staat will verhindern, dass plötzlich alle<br />
wollen, wenn <strong>ein</strong>er die Erlaubnis <strong>bekommt</strong>.<br />
In Deutschland gibt es nicht, wie in vielen<br />
anderen Ländern, <strong>ein</strong>e Bildungspflicht, sondern<br />
die Schulpflicht. Die Familie klagte vor<br />
dem Bremer Gericht, die Klage wurde zurückgewiesen.<br />
Wenn sie Moritz und Thomas weiter<br />
nicht zur Schule schicken, droht ihnen <strong>ein</strong>e<br />
Geldstrafe. Sorgerechtsentzug und Haftstrafe<br />
können noch kommen. Sobald es soweit ist,<br />
wollen sie in <strong>ein</strong>es der vielen Länder ziehen,<br />
in denen Homeschooling erlaubt ist, zum Beispiel<br />
Amerika, England, Kanada, Irland oder<br />
Frankreich. Dagmar Neubronner m<strong>ein</strong>t dazu,<br />
dass mehr als 500 Eltern in Deutschland<br />
ihre Kinder zu Hause unterrichten, also fast<br />
mehr als in Frankreich. Wie das geht, wenn<br />
es nicht erlaubt ist? Sie erzählt, dass es <strong>ein</strong>e<br />
„Schummel-Losung“ gibt. Man hat <strong>ein</strong>en verständnisvollen<br />
Schulrat, tut so, als ob man<br />
ins Ausland geht, aber in Wirklichkeit bleibt<br />
man zu Hause. Die Neubronners wollten <strong>ein</strong>e<br />
ehrliche Lösung finden. Sie klagen durch alle<br />
Instanzen. Weil sie an die Presse gegangen<br />
sind, wird viel über das Thema diskutiert.<br />
So, sagt die Mutter von Moritz und Thomas,<br />
werden vielleicht mehr Eltern ihre Kinder zu<br />
Hause unterrichten.<br />
Die Fenster des großen Turmkorbs werden<br />
zwei- bis dreimal im Jahr von außen ger<strong>ein</strong>igt.<br />
Dafür wird <strong>ein</strong> Gerüst von außen herabgelassen.<br />
Es gibt Nachteile wie Vorteile an diesem System.<br />
Sicherlich <strong>ein</strong> Nachteil ist Folgendes:<br />
In der Schule lernt man viele andere Kinder<br />
kennen, ist mit ihnen fast die Hälfte des Tages<br />
zusammen. Man spielt dem Lehrer mal <strong>ein</strong>en<br />
Streich, macht Klassenfahrten und vieles<br />
mehr gem<strong>ein</strong>sam. All diese Dinge werden Moritz<br />
und Thomas niemals erleben, wenn sie<br />
nicht zur Schule gehen. Dass sie k<strong>ein</strong>e Freunde<br />
haben oder dass durch Homeschooling soziale<br />
Kontakte leiden, stimmt k<strong>ein</strong>esfalls. Die beiden<br />
Jungen spielen in <strong>ein</strong>em Fußballver<strong>ein</strong>,<br />
haben Instrumenten-Unterricht, gehen in<br />
den Chor und machen des Öfteren etwas mit<br />
dem Nachbarsjungen.<br />
Wo Nachteile sind, gibt es aber zumeist auch<br />
Vorteile. Diese sind zum <strong>ein</strong>en, dass die „Lehrer“<br />
sich mit <strong>ein</strong>em oder auch zwei Kindern<br />
beschäftigen, und nicht mit zwanzig. So<br />
kann jede Frage sofort beantwortet und jede<br />
Unklarheit beseitigt werden. Zum anderen<br />
haben die Kinder nicht den ewigen Stress und<br />
die Angst vor Klassenarbeiten oder Tests. Die<br />
monatliche Prüfung wird nicht benotet, man<br />
kann sich also viel mehr aufs eigentliche Lernen<br />
konzentrieren. Das sind auch die größten<br />
Unterschiede zwischen dem Homeschooling<br />
und der staatlichen Schule. Ob man die praktisch<br />
unbegrenzte Freizeit, die so im Gegensatz<br />
zum „Schulstress“ steht, nun als Vorteil<br />
sieht oder nicht, ist <strong>ein</strong>em selbst überlassen.<br />
Ein Argument dagegen wäre wohl, dass sich<br />
das Kind, wenn es nicht wöchentlich, wie in<br />
der Schule vor Arbeiten, s<strong>ein</strong>en Stoff mehrmals<br />
wiederholt, das Gelernte nicht so gut<br />
<strong>ein</strong>prägt. Es kommt dann ganz darauf an,<br />
ob die Eltern zusätzlich die Kenntnisse ihrer<br />
Kinder in den wichtigsten Bereichen immer<br />
mal wieder überprüfen. Aber da Herr und Frau<br />
Neubronner <strong>ein</strong>en eigenen Verlag haben, den<br />
sie von zu Hause aus führen, haben sie Zeit,<br />
ihre Kinder zu unterrichten und zu kontrollieren.<br />
Letztendlich überlegt sich Moritz doch noch,<br />
ob er später auf <strong>ein</strong>e weiterführende Schule<br />
gehen will, denn er wäre jetzt in der vierten<br />
Klasse. „Probieren kann ich es ja“, sagt er.<br />
Wie Thomas sich entscheiden wird, ist nicht<br />
bekannt, er hat noch genug Zeit bis zur fünften<br />
Klasse. Ihr Abitur machen und studieren<br />
sollen sie auf jeden Fall, wie es danach für die<br />
Beiden aussieht, ist noch nicht klar, sie sind<br />
ja auch erst sieben und zehn Jahre alt.