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Wohnst du noch oder lebst du schon? Einblicke ... - ungleiche Vielfalt

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LV-VK I: Standort- und Regionalforschung – Internationale Entwicklungsforschung – Methoden und Theorien -<br />

Seminararbeit<br />

<strong>Wohnst</strong> <strong>du</strong> <strong>noch</strong> <strong>oder</strong> <strong>lebst</strong> <strong>du</strong> <strong>schon</strong>?<br />

<strong>Einblicke</strong> in die Wohnverhältnisse<br />

Seminararbeit<br />

von Schülerinnen der KMS 18<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 1


LV-VK I: Standort- und Regionalforschung – Internationale Entwicklungsforschung – Methoden und Theorien -<br />

Seminararbeit<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 EINLEITUNG............................................................................................................................................. 3<br />

2 METHODEN UND FORSCHUNGSDESIGN .................................................................................................. 4<br />

2.1 INTERVIEWS ............................................................................................................................................... 6<br />

2.2 ZUSAMMENFASSENDE INHALTSANALYSE NACH MAYRING.................................................................................... 6<br />

2.2.1 Die Bedeutung der Inhaltsanalyse für unsere Forschungsarbeit ................................................... 8<br />

2.3 EXPERTINNENINTERVIEWS ............................................................................................................................ 9<br />

2.4 FOTOANALYSE NACH MANFRED LUEGER........................................................................................................ 10<br />

2.5 GRUNDLAGENWISSEN: LITERATUR UND DIE DISKUSSION INNERHALB DES SEMINARS UND DER SCHULE ....................... 11<br />

3 EMPIRIE ................................................................................................................................................ 12<br />

3.1 LÄRM ..................................................................................................................................................... 13<br />

3.2 WOHNRAUM/WOHNFLÄCHE ...................................................................................................................... 14<br />

3.3 WOHNRAUMAUSSTATTUNG ........................................................................................................................ 17<br />

3.4 FREIZEIT .................................................................................................................................................. 20<br />

3.5 “HEIMAT“ – EIN KONFLIKT ......................................................................................................................... 22<br />

3.6 BEZIEHUNG ZU MITMENSCHEN .................................................................................................................... 25<br />

3.7. WOHNUNGSWECHSEL ..................................................................................................................................... 27<br />

4 SELBSTEVALUIERUNG ............................................................................................................................ 30<br />

5 BIBLIOGRAPHIE ..................................................................................................................................... 32<br />

A. INTERNETQUELLEN: ....................................................................................................................................... 33<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 2


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Seminararbeit<br />

1 Einleitung<br />

„<strong>Wohnst</strong> <strong>du</strong> <strong>noch</strong> <strong>oder</strong> <strong>lebst</strong> <strong>du</strong> <strong>schon</strong>?“ lautet der Werbeslogan eines in Schweden<br />

gegründeten Möbelherstellers. Was ist damit gemeint? Soll es etwa Unterschiede<br />

geben zwischen dem, wie das Leben ist und dem, wie das Wohnen sein kann? Kann<br />

eine Wohnung, deren Eigenschaften und Ausstattung, deren infrastrukturelle<br />

Einbettung, denn nicht dem entsprechen was die Bewohner für Bedürfnisse an sie<br />

stellen? Die Frage beantwortet sich scheinbar selbst: Ja. Denkt man an einen<br />

Township in Südafrika <strong>oder</strong> die Favelas in Südamerika wird schnell klar das der IST-<br />

Zustand des Wohnens oft nicht dem SOLL-Zustand entspricht. Was aber beeinflusst<br />

diese Unterschiede zwischen Realität und Bedürfnis? Wer schafft Realitäten?<br />

Welche sind diese? Und wo kollidieren sie mit den Bedürfnissen?<br />

Sicherlich ist Wohnen nicht einfach so gegeben, sondern von Menschenhand und -<br />

geist geschaffen. Damit ist nicht nur das Aufeinandersetzen von Steinen gemeint,<br />

sondern auch die Vorstellung, wer wie in einer Wohnung leben soll, was diese/r für<br />

Ansprüche daran stellen könnte und wie man diesen gerecht werden könnte. Dies<br />

unterliegt, wie die meisten Dinge, dem „Wandel der Zeit“. Es könnte also sein, dass<br />

manches bleibt, was heute nicht mehr den Bedürfnissen entspricht und anderes<br />

geht, was bleiben könnte, und umgekehrt. Ebenso gibt es Normierende (im<br />

soziologischen Sinne des Wortes), das Feld „Wohnen“ beeinflussende Kräfte in der<br />

Gesellschaft. Dem Gegenüber liegt die indivi<strong>du</strong>elle Seite des Wohnens, die privaten<br />

Wohnbedürfnisse und –verhältnisse.<br />

Zusammen mit den SchülerInnen der Kooperativen Mittelschule 18 in Wien sollen<br />

diese Fragen erarbeitet werden. Durch Fotographien, die von den Kindern erstellt<br />

werden, deren Erzählungen und Diskussionen in der Gruppe, werden die<br />

verschiedenen Aspekte der Arbeit abgearbeitet: Wie sind die privaten<br />

Wohnverhältnisse? Wie ist der IST-Zustand des Wohnens? Welche<br />

gesellschaftlichen Bedingungen werden an das Wohnen gestellt? Wie sehen die<br />

SchülerInnen ihr Wohnen, wo bleiben Wünsche offen werden Veränderungen<br />

angestrebt? Wie sähe der SOLL-Zustand des Wohnens aus? Ergibt sich, im<br />

Vergleich der verschiedenen Aspekte ein harmonisches Zusammenspiel <strong>oder</strong><br />

eröffnet sich ein Feld geprägt von Konflikt und Auseinandersetzung?<br />

Es wird sich zeigen, dass sich im speziellen Fall des Wohnens von Familien mit<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 3


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migrantischem Hintergrund (Die Elterngeneration von 6 Schülerinnen ist aus Serbien,<br />

die eines Schülers von den Philippinen) bestimmte Bedürfnisse an das Wohnen<br />

gestellt werden, denen vom gesellschaftlichen Rahmen und sei es „nur“ der gängige<br />

Grundriss einer Wohnung, bestimmte Grenzen gesetzt werden.<br />

Diese Fragen, die mit den Schülerinnen in einem explorativen Vorgehen ergründet<br />

werden, geben die Züge der Forschungsfrage vor:<br />

Wie sind private Wohnverhältnisse mit gesellschaftlichen Wohnrealitäten verknüpft?<br />

Mit diesen beiden Seiten wird sich diese qualitative Arbeit beschäftigen. Unser<br />

spezielles Interesse besteht darin, den Zusammenhang zwischen realen<br />

Wohnbedingungen und den von den zuständigen Behörden gesetzlich<br />

vorgeschriebenen <strong>oder</strong> vom städtischen Wohnbau geplanten Wohnräumen am<br />

Beispiel des Gemeindewohnbaus und dessen Betreuung in Wien zu erforschen. In<br />

einem ersten Schritt wollen wir die Wohnsituation fotographisch dokumentieren. In<br />

weiterer Folge sollen mit Hilfe der Besprechung der Fotos mit den SchülerInnen und<br />

der anschließenden Analyse und Interpretation der selbigen Erkenntnisse über die<br />

Wohnverhältnisse der SchülerInnen gewonnen werden. Gleichzeitig sollen<br />

ExpertInneninterviews mit den zuständigen Behörden Aufschlüsse über die politische<br />

IST-Situation des Wohnens in Wien geben. Aus den Forschungsschritten werden<br />

sich Themenfelder ergeben, die sich mehr <strong>oder</strong> weniger von anderen abgrenzen<br />

lassen. Diese sollen dann für sich einer genaueren Betrachtung unterzogen werden<br />

und schlussendlich auf einer höheren Ebene dort ankommen, wo die Arbeit<br />

begonnen hat – bei der Frage nach der Verknüpfung von privaten<br />

Wohnverhältnissen mit gesellschaftlichen Wohnrealitäten und deren IST und SOLL-<br />

Zuständen. [Kategorien gebildet, innerhalb derer die beiden Seiten, private<br />

Wohnverhältnisse und gesellschaftliche Wohnrealitäten, abgehandelt werden. Aus<br />

diesen Kategorien werden sich nach dem Anspruch der qualitativen Forschung<br />

Hypothesen generieren lassen, die in dieser Arbeit nicht weiter behandelt werden<br />

können, aber zur Beantwortung der vorgestellten Hypothese dienen.]<br />

2 Methoden und Forschungsdesign<br />

Um die verschiedenen Elemente unserer Forschungsfrage ermitteln zu können,<br />

werden verschiedene Methoden angewandt, die im Folgenden genauer beschrieben<br />

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Seminararbeit<br />

werden. Zuerst aber soll begründet werden, warum welche Methode zum Einsatz<br />

kommt.<br />

Um die Kinder selbst zu einer Auseinandersetzung mit ihrer Wohnsituation, deren<br />

privaten Wohnverhältnissen aufzufordern, werden sie mit Kameras ausgerüstet und<br />

unter einfachen Vorgaben (Lieblingsplatz in der Wohnung, Zimmer, Ein Blick aus<br />

dem Fenster, Unbeliebtester Ort, Ort an dem sich die Eltern aufhalten) in die eigenen<br />

Wohnung geschickt. Die Vorgaben sind nötig, da sich in einem ersten Treffen mit den<br />

Kindern eine gewisse Ratlosigkeit ergab, was es denn so zu photographieren gäbe in<br />

einer Wohnung. Zudem werden so die Photographien auf das Objekt unserer Arbeit<br />

hingeleitet, die privaten Wohnverhältnisse. Die Fotographien sind dabei sehr<br />

aufschlussreich, unterstrichen <strong>du</strong>rch eine Besprechung dieser mit den Kindern, sind<br />

sie sehr geeignet, die privaten Wohnverhältnisse und IST-Zustände zu<br />

dokumentieren.<br />

Um die Fotos mit dem SchülerInnen zu besprechen und dies in einer Form<br />

festzuhalten, die sich für wenig erfahrene ForscherInnen eignet, werden mit den<br />

SchülerInnen unstrukturierte Interviews <strong>du</strong>rchgeführt. Diese werden direkt<br />

aufgezeichnet und später transkribiert. Dafür werden kleine Diktiergeräte benutzt, die<br />

während des Gesprächs scheinbar formlos in der Hand gehalten werden, die die<br />

Gestik des/ der ForscherIn nicht beeinflussen. Die SchülerInnen werden über die<br />

Aufnahme des Gespräches informiert und darauf hingewiesen, dass Anonymität<br />

garantiert wird.<br />

Die aus den Interviews erhaltenen Transkripte werden nach der<br />

zusammenfassenden Inhaltsanalyse ausgewertet. Da<strong>du</strong>rch werden die Aussagen<br />

der Kinder vergleichbar und können in Verbin<strong>du</strong>ng gesetzt werden mit der anderen<br />

Seite der Arbeit – den gesellschaftlichen Wohnrealitäten.<br />

Mit „ExpertInnen“ des Feldes Wohnens der Stadt Wien, werden stark strukturierte<br />

Interviews <strong>du</strong>rchgeführt, deren Fragen daraufhin abzielen, die gesellschaftlichen<br />

Wohnrealitäten des Wohnens zu untersuchen. Ebenso werden die Meinungen von<br />

„ExpertInnen“ in Form von einschlägigen Artikeln und anderer Arbeiten<br />

hinzugezogen. Diese sind zum Beispiel Planungsliteratur der Stadt Wien <strong>oder</strong> Artikel<br />

des „Wiener Wohnens“. Ein Grundverständnis für das Feld des Wohnens wird <strong>du</strong>rch<br />

abstraktere Arbeiten über das Wohnen erworben, so zum Beispiel die „Soziologie<br />

des Wohnens“ von Hartmudt Häußermann und Walter Siebel.<br />

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2.1 Interviews<br />

Das Interview, in unstrukturierter Form, scheint für den Anspruch dieser Arbeit am<br />

geeignetsten. Zwar ergeben sich da<strong>du</strong>rch auch Nachteile, wie dies die Gefahr einer<br />

hierarchischen Beziehung zwischen InterviewerIn und Intervierter/n (vgl. Novy 2008:<br />

13). Dem kann jedoch entgegengewirkt werden, wenn ein offenes und<br />

freundschaftliches Verhältnis zwischen den ForscherInnen und SchülerInnen<br />

aufgebaut wird, was im Falle dieser Arbeit sehr gut gelungen ist.<br />

Es fällt einem jedem Menschen schwer über Alltägliches zu sprechen, auf die Frage<br />

hin „Was ist heute so passiert?“ folgt nicht zu selten die Antwort „Ja, nichts<br />

Besonderes“. Da aber gerade dieses „nicht Besondere“ sondern „normale“, also von<br />

Normen und Regeln geprägte Alltägliche, interessante Facetten beinhaltet, ist es für<br />

unsere Analyse wichtig und bearbeitungswürdig.<br />

Ziel dieser Arbeit kann es schwer sein, die Wirklichkeiten der SchülerInnen zu<br />

ergründen. Deshalb ist es sinnvoll, ein Instrument zu nutzen, mit dem der / die<br />

InterviewerIn die Möglichkeit hat, in die Situation einzugreifen und das Gespräch<br />

weiterzubringen.<br />

Verstärkt wird dies da<strong>du</strong>rch, dass zumindest für manche Kinder anzunehmen ist,<br />

dass <strong>du</strong>rch fehlenden Wortschatz und Fähigkeit der abstrakten Darstellung in Worten<br />

eine andere Form der Befragung, wie z.B. das ero-epische Gespräch scheitern<br />

würden.<br />

Mit den Interviews wird sowohl auf die privaten Wohnverhältnisse der SchülerInnen<br />

abgezielt, als auch auf die gesellschaftlichen Wohnrealitäten. Dabei muss beachtet<br />

werden, dass die Gewichtung mehr auf Seiten der privaten Wohnverhältnisse liegt<br />

bzw. die gesellschaftlichen Wohnrealitäten nur insofern erfassen kann, wie sie den<br />

SchülerInnen bekannt und <strong>oder</strong> bewusst sind. Natürlich kann <strong>du</strong>rch Interpretation auf<br />

gewisse Indizien für gesellschaftliche Einflüsse rückgeschlossen werden.<br />

2.2 Zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring<br />

Diese Methode ist formgebunden und zeitaufwändig, ermöglicht aber einen qualitativ<br />

und quantitativ abgesicherten Vergleich zwischen den ExpertInneninterviews, den<br />

Einzel- und den Gruppengesprächen. Innerhalb der Qualitativen Inhaltsanalyse<br />

besteht die Möglichkeit zwischen drei grundlegenden Verfahren zu wählen und somit<br />

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die Methode an die Ansprüche der Forschungsfrage zu adaptieren. Mayring gründet<br />

das Verfahren auf 13 Stützpfeiler, die für die qualitative Ausprägung der Methode<br />

aussagekräftig sind. Zu diesem Modell zählen grob die Deskription, die Interpretation,<br />

das Subjekt im Alltag und die Verallgemeinerungsprozesse. Der<br />

Beschreibungsvorgang ist <strong>du</strong>rch die Einzelfallbezogenheit, die Offenheit des<br />

Forschungsprozesses gegenüber Ergänzungen und Revisionen und<br />

Methodenkontrolle, sprich das Dokumentieren des Forschungsprozesses und dessen<br />

Durchführung nach begründeten Richtlinien, gekennzeichnet. Für die Interpretation<br />

sind ein Vorverständnis des Forschenden, die Anwen<strong>du</strong>ng von Introspektion und<br />

eine offene Interaktion zwischen Forscher und dem Forschungsgegenstand<br />

notwendig. Sobald introspektiv gewonnenes Material verwendet wird, muss dies<br />

jedoch begründet und das Material als solches gekennzeichnet sein. Das<br />

Forschungsobjekt ist ein Subjekt, dessen Ganzheit und Historizität betrachtet und in<br />

eine pragmatische Problemorientierung eingebettet werden muss. Während des für<br />

die Forschung essentiellen Verallgemeinerungsprozess müssen von den<br />

Forschenden folgende Aspekte berücksichtigt werden:<br />

1. eine Verallgemeinerung erfordert eine konkrete Formulierung der situativen und<br />

zeitlichen Bedingungen, in denen die gewonnen Ergebnisse ihre Gültigkeit<br />

beanspruchen; 2. In<strong>du</strong>ktion; 3. der Regelbegriff erschließt sich aus<br />

kontextgebundenen Regeln; 4. eine sinnvolle Quantifizierung der Daten erlaubt eine<br />

abgesicherte Verallgemeinerung.<br />

Die Durchführung der Inhaltsanalyse erfolgt aufbauend in sieben Schritten. Zunächst<br />

geht es um die an die Forschungsfrage orientierte Auswahl des Materials, denn nicht<br />

alles dient dem Verwen<strong>du</strong>ngszweck. Darauf folgt die Betrachtung der<br />

Entstehungsbedingungen sowohl des Materials als auch der Forschungsproblematik.<br />

In unserem Fall wären dies der Ort, die anwesenden Personen, das Umfeld und die<br />

Stimmung der Gesprächssituationen und das Forschungsprojekt zwischen der KMS<br />

und der Wirtschaftsuniversität und unsere Auseinandersetzung mit fachspezifischer<br />

einschlägiger Literatur. Interessant ist auch in welcher Form das Material vorliegt.<br />

Nun gilt es sich für die Forschenden zu überlegen, was über die Inhaltsanalyse aus<br />

dem Material gewonnen werden soll. In einem 2. Schritt wird dieses Vorhaben auf<br />

der Grundlage einer Auseinandersetzung mit theoriebasierter Literatur spezifiziert<br />

und detailiert. Nun muss zwischen folgenden Analysemethoden entschieden werden:<br />

die zusammenfassende, die explizierende und die strukturierende Inhaltsanalyse.<br />

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Wie aus den Namen bereits hervorgeht, beschränkt sich erstere Technik auf die<br />

Gewinnung von Kategorien über Paraphrasieren, die zweite bezieht im Gegensatz<br />

dazu zusätzliche Kontextinformationen in die Analyse und die Paraphrasierung mit<br />

ein und letztere entwickelt aus dem Material eine Struktur, die sich wiederum<br />

unterschiedlich gestalten kann. In der strukturierenden Inhaltsanalyse erfolgt die<br />

Kategoriebil<strong>du</strong>ng entweder in<strong>du</strong>ktiv, aus dem Material heraus, <strong>oder</strong> de<strong>du</strong>ktiv,<br />

theoretisch über Ankerbeispiele abgeleitet. Für die anschließende Interpretation der<br />

Ergebnisse ist es wichtig, den Bezug zur Forschungsfrage nicht zu verlieren, immer<br />

wieder aus konkreten Beispielen die Kategorieauswahl zu begründen und im<br />

Vergleich zur allgemeinen Schlussfolgerung die Einzelfälle nicht auszublenden und<br />

deren Indivi<strong>du</strong>alität zu betonen.<br />

2.2.1 Die Bedeutung der Inhaltsanalyse für unsere Forschungsarbeit<br />

Die Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring schien uns die geeignete Methode für<br />

die Verarbeitung der gewonnen Interview- Materialien zu sein. Die Forschungsfrage<br />

war für die Gestaltung der Interviews leitend, wobei wir bei den Interviews mit den<br />

SchülerInnen die Anforderungen des Konzepts eines ero- epischen Gesprächs zu<br />

erfüllen versuchten und manchmal uns im Gespräch zu weit von der<br />

Forschungsfrage entfernt haben. Aus diesem Grund kam es zu einer Auslese des<br />

Materials nach Brauchbarkeit und Validität, die in unseren Interviews aufgrund der<br />

häufig gestellten Suggestivfragen stets hinterfragt werden musste. Im Hinblick auf die<br />

Forschungsfrage <strong>du</strong>rchforsteten wir die Transskripte nach möglichen Variablen und<br />

bezogen dabei die über Literatur und den Kontakt mit Lehrenden gewonnene<br />

Informationen in die Suche nach bedeutenden Aussagen und Schlagwörtern mit ein.<br />

Das hinter dieser Methode stehende Konzept fordert einen offenen und auf den<br />

Forschungsgegenstand bezogenen Umgang mit Informationen. Die<br />

Kategorienbil<strong>du</strong>ng erfolgte bei uns in de<strong>du</strong>ktiver Weise, worunter ein theoriebasiertes<br />

Ableiten der Kategorien verstanden wird. Die theoretischen Vorkenntnisse bzw.<br />

Vorannahme hatten jedoch einen Einfluss auf die von uns gestellten Fragen, die zu<br />

einem großen Teil suggestive waren, und nicht in unabhängiger Weise die<br />

theoretischen Vorannahmen beantworten konnten. Insofern ist die<br />

Kategorienauswahl ein ambivalentes Ergebnis, das zum einen von uns Forschenden<br />

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und zum anderen von den GesprächspartnerInnen und in einer Zusammenarbeit<br />

erzeugt wurde.<br />

Die Interpretation der gewonnen Ergebnisse, sprich das Abhandeln der Kategorien in<br />

Bezug auf die Forschungsfrage, erlaubt keine Verallgemeinerung von<br />

Einzelsituationen und ein stetes Dokumentieren der Informations- bzw.<br />

Forschungsquelle. Dieser Maßnahme sind wir nach gegangen und versuchten die<br />

verallgemeinerten Kategorien den<strong>noch</strong> Indivi<strong>du</strong>um- und situationsbezogen zu<br />

erarbeiten.<br />

Die qualitative Inhaltsanalyse diente uns als Methodenrahmen, innerhalb dessen wir<br />

versuchten, den Forschungsprozess zu evaluieren. Unstimmigkeiten traten vor allem<br />

da<strong>du</strong>rch auf, dass bereits in den Interviews Fehler gemacht worden sind und somit<br />

das Ausgangsmaterial der Inhaltsanalyse hinter fragt werden musste. Außerdem<br />

wurden manche Schritte der Vorgehensweise vermengt und nahezu intuitiv<br />

vollzogen. Ein Beispiel dazu wäre, die Tatsache, dass uns vermitteltes Wissen,<br />

automatisch in die Gesprächsführung und in die Kategorienauswahl miteingeflossen<br />

ist. Offenheit innerhalb des Forschungsprozesses, <strong>Vielfalt</strong> der theoriegenerierenden<br />

Quellen, Kontextbezogenheit und Intuition zählen andererseits zum<br />

Forschungsanliegen dieser Methode. In dem Forschungsverlauf wurde zu einem Teil<br />

jedoch weniger auf Methoden basierend, sondern Praxis geleitet gearbeitet. Über<br />

Vor- und Nachteile kann hierbei mit dem selbstkritischen Bewusstsein von<br />

Fehlhandeln diskutiert werden.<br />

2.3 ExpertInneninterviews<br />

ExpertInneninterviews erfreuen sich in der Sozialforschung unglaublicher Beliebtheit,<br />

da einem/r ForscherIn suggeriert wird, schnell, unkompliziert und bestimmt zu<br />

qualitativ hochwertigem Interviewmaterial zu kommen (vgl. Bogner 2005: 8). Zu<br />

beachten gilt, dass ExpertInneninterviews nicht einfach „Informationsgespräche“<br />

sind, sondern einer grundlegenden umfassenden Vorbereitung bedürfen.<br />

Charakterisiert werden ExpertInneninterviews als weder standardisiert <strong>noch</strong><br />

quantitativ auswertbar, jedoch leitfadenabhängig definiert (vgl. Bogner 2005: 16f.)<br />

An anderer Stelle ist zu lesen, dass unter einem ExpertInneninterview offene bis<br />

standardisierte Expertenbefragungen zusammengefasst werden (Kundi o.J: 24).<br />

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Kritisiert wird an den sogenannten ExpertInneninterviews seitens einiger<br />

WissenschaftlerInnen, dass diese Form des Interviews nicht den gängigen Regeln<br />

des qualitativen Vorgehens, wie Offenheit und Nicht-Beeinflussung der<br />

Gesprächspartnerinnen, entspricht (Bogner 2005: 20).<br />

Um unsere Position im ExpertInneninterview herausfinden zu können, erscheint die<br />

Tabelle 1 auf Seite 62 aus dem Buch „Das Experteninterview“ von Alexander Bogner<br />

hilfreich. Dort sind verschiedenste Kategorien der ExpertInneninterviews angeführt,<br />

welche einen guten Überblick über unterschiedliche Dimensionen des Interviews<br />

geben, die vor einer Durchführung bedacht werden sollten. In unserem Fall ergibt<br />

sich aus dieser Tabelle, dass wir geringe Fachkompetenz aufweisen und daraus<br />

folgend eine asymmetrische Gesprächsbasis entsteht, die die Befragten in eine<br />

hierarchisch besser gestellte Position bringt. Diese Ungleichheit prägt zum einen die<br />

Rolle der Befragten, welche eine Erzählposition einnehmen, und zum anderen die<br />

Aufgabe der/s InterviewerIn, die vordergründig die Antworten aufnimmt. Diese Form<br />

des ExpertInneninterviews bringt den Vorteil, dass die Erzählerin in einen<br />

Redezwang gedrängt wird und somit die/ den InterviewerIn entlastet, allerdings birgt<br />

diese Tatsache den Nachteil, dass eine Steuerung des Interviews erschwert bis<br />

unmöglich gemacht wird (Bogner 2005: 62f.).<br />

Die Vorbereitung auf diese Art des Interviews erfordert von uns eine gründliche<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema des Interviews und der Methodik des<br />

Interviewens selbst und verlangt einen strukturierten Leitfaden, damit uns die<br />

Durchführung und Steuerbarkeit des Interviews erleichtert wird.<br />

2.4 Fotoanalyse nach Manfred Lueger<br />

Manfred Lueger bietet im Rahmen seiner Artefaktanalyse eine auf unsere Arbeit gut<br />

anwendbare Methode der Photographieananlyse. Da wir mit seiner Methode alle für<br />

uns relevanten Inhalte analysieren können, haben wir uns entschieden, uns in<br />

unserer Arbeit ganz auf ihn zu stützen. Andere Methoden hätten nur Teilaspekte<br />

abgedeckt und wurden deshalb ausgeschlossen.<br />

Die Photographieananlyse nach Lueger ist ein Instrument zur Dokumentation von<br />

Sachverhalten und Milieus. Mit ihr können Lebensverhältnisse dokumentiert werden,<br />

die <strong>du</strong>rch eine Darstellungsflexibilität gekennzeichnet sind und damit einen<br />

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gesellschaftlichen Blick, der immer auch eine kulturell bestimmte Sichtweise<br />

beinhaltet, auf bestimmte Phänomene liefern. Diese „I have decided that seeing this<br />

is worth recording“-Perspektive nennt Berger (Berger 1980: 292 zitiert nach Lueger)<br />

die primäre Botschaft der Photographie. Photos zeigen die Welt aus einer<br />

„vorsprachlichen Perspektive“, wie Lueger festhält.<br />

Zudem können Bilder die menschliche Gedächtnisfunktion erweitern, indem sie über<br />

eine umfassende Auffassungsgabe verfügen und sinnunabhängig beobachten. (Vgl.<br />

Lueger 2000: 165). Wir haben unsere Kinderexperten dazu aufgefordert, bestimmte<br />

Aspekte ihrer Wohnrealitäten photographisch zu dokumentieren. Als Arbeitsmaterial<br />

erhielten sie aus Kostengründen eine Einwegkamera, was eine erhebliche<br />

Einschränkung in Bezug auf die technische Freiheit beim Photographieren mit sich<br />

bringt. Die Entschei<strong>du</strong>ngsfreiheit beschränkt sich also auf das Motiv, die Perspektive<br />

und die Verwen<strong>du</strong>ng des Blitzes.<br />

2.5 Grundlagenwissen: Literatur und die Diskussion innerhalb des<br />

Seminars und der Schule<br />

Als theoretische Grundlage für die Entwicklung unserer Forschungsfrage, ihrer<br />

Erarbeitung und der Hypothesengenerierung dienten uns zum einen das im Seminar<br />

vermittelte Verständnis über die Thematik Wohnen und die vorgeschlagene Literatur<br />

dazu, zum anderen gewährten aber auch die Gespräche mit den LehrerInnen einen<br />

Einblick in das Forschungsfeld. Der theoretische Input spiegelte die<br />

gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen von Wohnen wider und das<br />

Erfahrungswissen der Lehrer ermöglichte uns einen Eindruck von den privaten<br />

Wohnrealitäten der SchülerInnen.<br />

Die erste Kontaktaufnahme mit der Schule gestaltete sich für uns bereits sehr<br />

prägend. In einer Bastelstunde, in der eine Klasse ihr Wunschzimmer plastisch<br />

gestaltete, sind wir auf die Thematik „Wohnbedürfnisse“ gestoßen. Des Weiteren<br />

wurde uns in einem Gespräch mit einem Lehrenden der Widerspruch zwischen den<br />

realen Wohnverhältnissen und von den SchülerInnnen vorgegebenen vermittelt.<br />

Unsere Forschungsfrage bezieht sich auf die Dichotomie zwischen gesellschaftlichen<br />

und privaten Wohnrealitäten und den Bedürfnissen, die daran gelegt werden. Zu<br />

diesem Zweck haben wir unseren Fokus auf die gemeinsame Forschungsarbeit mit<br />

den SchülerInnen gelegt und die erlangten Forschungsergebnisse einer<br />

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Interpretation ausgesetzt. Die Interpretation speiste sich nicht nur aus den Interviews,<br />

sondern auch aus unserem <strong>du</strong>rch Literaturstudium und universitären Input<br />

generierten Vorwissen und Vorannahmen. Um die politische Dimension zu erfassen,<br />

zogen wir die ExpertInneninterviews heran, nahmen aber auch Bezug zu Artikeln aus<br />

dem Reader (Internationale Entwicklungsforschung – Theorien und Methodik SS<br />

2009),dem Buch „Soziologie des Wohnens“, den Homepages der Wiener<br />

Gebietsbetreuung, Wiener Wohnens und der MA18, welche eine umfangreiche<br />

Lieratursuche gewährleisteten. Die Auseinandersetzung mit Fachliteratur gestaltete<br />

sich innerhalb eines begrenzten Rahmens. Unser Anliegen war es vielmehr auf die<br />

tatsächlichen Wohnbedürfnisse und Bedürfnisse der SchülerInnen an das Wohnen<br />

einzugehen. Aus diesem Grund konzentrierten wir uns auch zu einem großen Teil<br />

auf die Interviews und den über die Fotoanalyse gewonnenen Informationen. Das<br />

Literaturstudium schaffte aber das Allgemeinwissen, das für eine Interpretation<br />

notwendig war. Unser Arbeiten unterlag keiner strengen Theorieanleitung. Dieser<br />

Umstand beinhaltete den Vorteil von Offenheit gegenüber neuen Erkenntnissen<br />

innerhalb des Forschungsprozesses. Vorwissen und Vorannahmen bestimmten zwar<br />

die Zusammenarbeit mit den SchülerInnen, der Forschungsprozess war an sich aber<br />

Hypothesen generierend.<br />

Innerhalb eines wissenschaftlichen Forschungsprozessens ist es essenziell ein<br />

dialektisches Verhältnis zwischen Theorie und Empirie zu schaffen. Auf beiden<br />

Seiten entstehen Denkanstöße, die die Spirale der Theoriegenerierung auslösen<br />

können.In groben Zügen konnten wir diesen Prozess in unserer Forschungsarbeit<br />

verwirklichen.<br />

3 Empirie<br />

Um unsere Beobachtungen systematisch und strukturiert darzustellen, zeigt es sich<br />

als sinnvoll diese in bestimmte Bereiche zu unterteilen und gewisse Kategorien zu<br />

bilden, in denen sich mehrere Beobachtungen verdichten und auf einen bestimmten<br />

Zustand (IST und SOLL) hinweisen.<br />

Dabei haben diese Kategorien nicht den Anspruch sich klar voneinander<br />

abzugrenzen und für sich alleine zu stehen. Mehr gilt dies <strong>noch</strong> für die verwendeten<br />

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Daten, welche in jeder möglichen Kategorie, wenn sinnvoll, Betrachtung finden<br />

können. Zu Beginn jeder Kategorie wird klargestellt, warum diese Kategorie relevant<br />

ist, um sie dann abzuarbeiten und schließlich zusammenfassend darzustellen.<br />

3.1 Lärm<br />

Es hat sich im Laufe herausgestellt, dass Lärm wichtig ist. Nun hat der Begriff des<br />

Lärmes eine negative Konnotation. Lärm wird von kaum jemand als angenehm<br />

empfunden. Denkt man dabei an einen Presslufthammer auf einer Baustelle <strong>oder</strong><br />

ähnlichen ohrenbetäubenden Gerätschaften. Subtiler wird das ganze beispielsweise<br />

bei Musik. Hört eine Person etwa zur Beruhigung gerne klassische Musik und kann<br />

diese nur bei hoher Lautstärke voll und ganz genießen, mag eine Person im<br />

Nebenzimmer dies als Lärm empfinden, der sie stört und verärgert. Es ergeben sich<br />

also immer zwei Seiten von Lärm, wobei einer diesen nicht unbedingt als solchen<br />

empfinden muss. Dazu passt auch die Aussage von Tove Raiby, die weiter unten<br />

angeführt wird. Lärm findet sich im privaten als auch im öffentlichen Raum.<br />

Interessanterweise sind diese Bereiche hier <strong>du</strong>rchaus eng verknüpft, wie im<br />

Folgenden dargestellt wird. Noch dazu gibt es zwei unterschiedliche Dimensionen<br />

von Lärm. Lärm, dem man ausgesetzt wird, und Lärm, den man selbst pro<strong>du</strong>ziert. Es<br />

wird den SchülerInnen ein Bedürfnis unterstellt, Lärm zu pro<strong>du</strong>zieren, welches auch<br />

mehrfach erwähnt wird, indem die Kinder davon berichten, wie Eltern sich <strong>du</strong>rch den<br />

von ihnen erzeugten Lärm belästigt fühlen <strong>oder</strong> sogar von Besuchen der Polizei (vgl.<br />

Gruppengespräch 2. Teil; Interview 7). Gleichzeitig sind die SchülerInnen auch selbst<br />

dem Lärm anderer ausgesetzt <strong>oder</strong> beeinflusst, so berichtet eine Schülerin von dem<br />

Lärmen ihrer Nachbarn, dem sie am Wochenende morgens ausgesetzt ist<br />

(Gruppengespräch 2. Teil). Eine andere Schülerin berichtet davon, dass ihre Freunde<br />

nicht zu oft zu ihr kommen, weil sie <strong>schon</strong> viele Leute in der Wohnung sind und so<br />

<strong>schon</strong> laut, was bei einer BewohnerInnenzahl von 5 Personen auf ein Zimmer und<br />

ein Wohnzimmer verteilt, kein Wunder ist (Interview 7).<br />

Betrachtet man das Ganze auf einer abstrakteren Ebene, so kann der Lärm vor allem<br />

da<strong>du</strong>rch als <strong>du</strong>rchaus relevant betrachtet werden, wenn man Wohnungsgröße und<br />

Bewohnerzahl betrachtet. Die meisten SchülerInnen teilen ihr Zimmer, ein<br />

Rückzugsort ganz für sich alleine finden sie in der Wohnung nicht vor. Das<br />

Wohnzimmer, in dem Zeit verbracht werden kann, ist sicherlich ein Ort, an dem<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 13


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Seminararbeit<br />

Bedürfnis nach Ruhe und Bedürfnisse (der Kinders) nach Lärm kollidieren. Die<br />

Konsequenz könnte sein, dass dieses Bedürfnis nach „draußen“, in den öffentlichen<br />

Raum verlegt wird. Tove Raiby beschreibt dieses Phänomen eindrücklich, als sie<br />

gefragt wird, welche Konflikte im Bezug auf Herkunftsländer entstehen: „Es gibt zwar<br />

auf den ersten Blick <strong>du</strong>rchaus ethnisch geprägte Konflikte, wobei die vor allem damit<br />

zu tun haben, dass Menschen mit Migrationshintergrund oftmals beengter wohnen<br />

als die Österreicher, daher auch das Lärmpotential größer wird und damit auch die<br />

Nutzung des Freiraums größer wird, das heißt man nimmt sozusagen Migranten im<br />

Freiraum vielleicht stärker wahr, unter anderem auch weil sie sich dann vielleicht<br />

optisch unterscheiden aber auch weil sie das größere Bedürfnis haben den Freiraum<br />

zu nutzen. Und wenn sie beengter Wohnen dann ist das ein Lärmpotential an sich,<br />

das heißt Lärm ist ein großes Thema und Nutzung der Freiräume ist ein großes<br />

Thema“ (Interview Tove Raiby).<br />

Lärm ist zum einen also Bedürfnis der Kinder, zum anderen Stressfaktor für sie<br />

selbst als auch für die anderen BewohnerInnen. Es scheint dabei so, dass wenn die<br />

Kinder im privaten Raum nicht die Möglichkeit haben ihrem Bedürfnis nach Spiel und<br />

Unterhaltung nachzukommen, welches Lärm pro<strong>du</strong>ziert, dies in den öffentlichen<br />

Raum ausgelagert wird. Bei nahzu allen Kinder scheint der Park hier wichtiger<br />

Aufenthaltsort zu sein, an dem auch Musik gehört werden kann und dazu getanzt<br />

wird.(Interview 7) Dies verblüffet zuerst, scheint es doch ungewöhnlich in einem Park<br />

zu tanzen, aber mit dem Gedanken daran, dass dies zu Hause nicht möglich sein<br />

könnte, wird die Aussage sinnvoll. Den<strong>noch</strong> scheint ein Park nicht der beste Ort für<br />

solche Praktiken zu sein und mag so manche/n nicht dazugehörige ParkbesucherIn<br />

befremden. Ein einfacher Raum, betreut <strong>du</strong>rch die Parkbetreuung und ausgestattet<br />

mit einer Anlage, könnte hier eine sinnvolle Investition sein, die den Kinder und<br />

Jugendlichen ermöglicht, ihrem „Bedürfnis nach Lärm“ nachzukommen und andere<br />

davor schützt ,sich <strong>du</strong>rch diesen belästigt zu fühlen. Es könnte also behauptet<br />

werden, dass bei hoher BewoherInnenzahl auf geringen Raum „Lärm“ aus dem<br />

privaten Raum in den öffentlichen ausgelagert wird.<br />

3.2 Wohnraum/Wohnfläche<br />

Vorweg möchte ich anführen, dass sich die nachfolgende Analyse speziell auf die<br />

Wohnsituation von Kindern mit migrantischem Hintergrund bezieht, da alle Kinder,<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 14


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Seminararbeit<br />

mit denen wir im Rahmen unserer Feldforschung zusammengearbeitet haben, aus<br />

einem nicht-österreichischen Elternhaus stammen. Trotzdem wird von ihnen ein<br />

großer Anteil der Wiener Bevölkerung repräsentiert: „Nowadays, 16 percent of t he<br />

Viennese population hold a foreign passport and every fourth person has a migratory<br />

backround.“ (Borsdorf / Reeger 2008: 139).<br />

Auf die Frage nach den Wünschen, die die Kinder hinsichtlich einer Verbesserung<br />

ihrer Wohnsituation haben, erhielten wir oftmals die gleiche Antwort: „ein eigenes<br />

Zimmer“. Diese Antwort spiegelt eine weit verbreitete Wohnrealität wider: ein Großteil<br />

der Kinder teilt sich den Wohn- und Schlafraum mit den Geschwistern, zum Teil mit<br />

anderen Familienangehörigen. Von den 7 von uns qualitativ interviewten Kindern<br />

gaben nur zwei an, ein eigenes Zimmer zu bewohnen. Dass diese Gegebenheit nicht<br />

ohne Konfliktpotential auskommt, ist einleuchtend. Vor allem das Lärmpotential spielt<br />

bei Kindern in Bezug auf das Zusammenleben eine entscheidende Rolle. Frau Mag.<br />

Raiby von der Gebietsbetreuung der Stadt Wien bestätigt diese Annahme speziell für<br />

unseren Fall: „Da Menschen mit Migrationshintergrund oftmals beengter wohnen als<br />

Österreicher, ist auch das Lärmpotential größer.“ (Vgl. Raiby). Nähere Ausführungen<br />

zum Thema „Lärm“ im Wohnumfeld finden Sie unter einem eigenen Unterpunkt auf<br />

den folgenden Seiten.<br />

Aber auch die Freiheit im Spiel ist eingeschränkt, wenn Kinder ein meist kleines<br />

Zimmer teilen müssen. Vor allem für Kinder ist es wichtig, einen Raum zur Verfügung<br />

zu haben, in dem sie ihren Phantasien freien Lauf lassen können. Einen Raum zum<br />

Spielen, zum Rückzug, einen Raum, den sie nach ihren Vorstellungen gestalten<br />

können. In Österreich gibt es, im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen<br />

Ländern, eine Größennorm für Kinderzimmer, die besagt, dass ein Kinderzimmer für<br />

eine Person mindestens 10 m², bei einer Doppelbelegung mindestens 12 m²<br />

Raumgröße aufweisen soll. Bei diesen Größenangaben (die nicht notwendigerweise<br />

eingehalten werden) müssen sich Kinder beschränken. In ihrem körperlichen<br />

Bewegungsradius ebenso wie in der Umsetzung ihrer Ideen. Wenn kein Platz<br />

vorhanden ist um ein Stuhl-Haus zu bauen, wird eben kein Stuhl-Haus gebaut. Eine<br />

Alternative besteht in manchen Fällen in einem Ausweichen in den öffentlichen<br />

Raum, allerdings gilt das eher für ältere Kinder.<br />

Ein weiterer Aspekt des Wohnens, der eine Ebene höher ansetzt, beschäftigt sich mit<br />

den sogenannten Wohnungsausstattungskategorien und gibt Auskunft über die<br />

Beschaffenheit der Wohnung. „Der Idealtypus des m<strong>oder</strong>nen, kleinfamilialen<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 15


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Seminararbeit<br />

Wohnens ist nicht nur in (...) subjektiven Wohnwünschen präsent. Er ist auch<br />

institutionalisiert in Gesetzten, Förderrichtlinien, Finanzierungsbestimmungen und in<br />

den Kategorien der amtlichen Statistik“ (Häußermann / Siebel 1996: 17). Um einen<br />

Überblick über die Differenzierung von Wohnungen zu geben, soll im Folgenden<br />

näher auf Wohnungsausstattungskategorien eingegangen werden.<br />

Ausstattungskategorie A<br />

Nutzfläche: mindestens 30 Quadratmeter, Zimmer, Küche (Kochnische), Vorraum,<br />

WC, zeitgemäßer Baderaum <strong>oder</strong> Badenische, gemeinsame<br />

Wärmeversorgungsanlage <strong>oder</strong> Etagenheizung <strong>oder</strong> gleichwertige stationäre<br />

Heizung, Warmwasseraufbereitung<br />

Ausstattungskategorie B<br />

Zimmer, Küche (Kochnische), Vorraum, WC, zeitgemäßer Baderaum <strong>oder</strong><br />

Badenische<br />

Ausstattungskategorie C<br />

Wasserentnahmestelle und WC im Inneren<br />

Ausstattungskategorie D<br />

keine Wasserentnahmestelle <strong>oder</strong> kein WC im Inneren beziehungsweise eine dieser<br />

beiden Einrichtungen ist unbrauchbar<br />

(Siehe http://www.wohnbauforschung.at/de/wohnbauforschung.htm)<br />

Unter Bezugnahme der Statistik Austria, die sich 2001 ausführlich dem Thema<br />

Wohnen gewidmet hat, ist folgendes festzuhalten: Die Kinder von Zuwanderern<br />

leben öfter in schlecht ausgestatteten Wohnungen als Kinder von Österreichern. So<br />

leben im Durchschnitt aller österreichischen Haushalte nur mehr 2 Prozent der unter<br />

15-Jährigen in Substandard-Wohnungen (Kategorie-D-Wohnungen), während dies in<br />

Haushalten von Personen aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, den größeren<br />

neuen EU-Staaten, Rumänien und der Türkei insgesamt 11,4 Prozent sind.<br />

Besonders trifft die schlechtere Wohnsituation serbische und türkische Kinder: 16,5<br />

Prozent der Kinder in Haushalten von Serben/Montenegrinern und 14 Prozent jener<br />

in türkischen Haushalten leben in Kategorie-D-Wohnungen. Die größte Diskrepanz<br />

besteht zwischen österreichischen Haushalten sowie Haushalten aus der Türkei und<br />

aus den Nachfolge-Staaten Jugoslawiens. 88 Prozent der Haushalte, deren<br />

"Haushaltsrepräsentant" österreichischer Staatsangehöriger ist, leben in Wohnungen<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 16


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der Kategorie A. Demgegenüber leben nur 55 Prozent der<br />

serbisch/montenegrinischen, 62 Prozent der türkischen sowie 75 Prozent der<br />

slowenischen Haushalte in den am besten ausgestatteten Kategorie-A-Wohnungen.<br />

Im Substandard lebt bei allen Gruppen nur mehr eine Minderheit: Während nur <strong>noch</strong><br />

2,5 Prozent österreichischer Haushalte in Wohnungen mit Substandardniveau<br />

anzutreffen sind, beträgt dieser Anteil bei Slowenen 10 Prozent, bei türkischen<br />

Haushalten 18,4 Prozent und bei Haushalten von Serben/Montenegrinern sogar 27<br />

Prozent.<br />

Neben den Ausstattungskategorien spielt die Frage nach der Wohnfläche eine<br />

wichtige Rolle, wenn verstanden werden will, wo<strong>du</strong>rch Wohnrealität bestimmt wird.<br />

Unterschiede zeigen sich vor allem bei der Wohnungsgröße: Ist der<br />

Haushaltsrepräsentant türkischer Staatsangehöriger, dann entfällt in drei Fünftel der<br />

Wohnungen auf eine Person weniger als 20 m². Im Unterschied dazu haben 67<br />

Prozent der österreichischen Haushalte 20 bis 60 m² Fläche pro Person zur<br />

Verfügung. Diese Diskrepanzen korrelieren selbstverständlich mit dem<br />

Haushaltseinkommen, das bei migrantischen Familien unter dem österreichischen<br />

Durchschnitt liegt. (Statistik Austria, Einkommensteuerdaten 2006). Aus diesem<br />

Grund ist es besonders wichtig, diesem finanziellen Nachteil im Rahmen der<br />

staatlichen Wohnbauförderung Rechnung zu tragen. Es klingt in Anbetracht dessen<br />

beinahe zynisch, wenn Herr Cserj von der Gebietsbetreuung Wien auf die Frage<br />

nach Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf die Wohnsituation auf Seiten der<br />

Gemeindebaubewohner antwortet, die Familien sollten ihr „Familieneinkommen<br />

verdoppeln“. Diese Aussage verschärft sich, wenn man bedenkt, dass bei über der<br />

Hälfte der befragten Kinder beide Eltern mindestens einer beruflichen Beschäftigung<br />

nachgehen. Das Neunerhaus, ein Wiener Verein zur Errichtung und Führung von<br />

Wohnhäusern für obdach- und wohnungslose Menschen, weiß dazu folgendes zu<br />

sagen: „Der österreichischen Wohnbauförderung fehlt die „soziale Dimension“, weil<br />

sie tatsächlich nicht sozial treffsicher ist.“<br />

3.3 Wohnraumausstattung<br />

In engem Zusammenhang mit dem Thema des Wohnraumes ist der Bereich der<br />

Wohnraumausstattung zu sehen. Die Ausstattungskategorien, die weiter oben <strong>schon</strong><br />

besprochen wurden, spielen in diesem Teil eine ebenso große Rolle. Diese, wenn<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 17


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Seminararbeit<br />

auch nicht ganz eigenständig zu sehende Kategorie, wurde von uns aufgenommen,<br />

da in den Interviews und Gesprächen mit den Kindern des öfteren die Rede auf<br />

Ausstattungsgegenstände und Ausstattungskategorien gefallen war und von den<br />

Kindern gerne darüber geplaudert wurde. In Bezug auf die SOLL/ IST – Situation des<br />

Wohnens und deren genauerer Betrachtung gilt es wohl als unausweichlich, dass wir<br />

uns mit der Wohnraumausstattung auseinandersetzen, da diese sowohl auf Seiten<br />

der realen Wohnverhältnisse und auch auf Seiten der ExpertInnen angesprochen<br />

wurde. Zur Ausarbeitung dienen vor allem die Transkriptionen der Interviews, sowohl<br />

der SchülerInnen als auch der ExpertInnen, wie auch die Bilder und deren<br />

Interpretationen.<br />

Aus den Gesprächen mit den SchülerInnen ist in Bezug auf Ausstattung und<br />

Kategorie der Wohnung hervorgegangen, dass heute niemand von ihnen in einer zu<br />

Kategorie D zu klassifizierenden Wohnung lebt. Das bedeutet gleichsam, dass die<br />

Wohnungen sowohl eine Wasserentnahmestelle als auch WC im Wohnungsverband<br />

haben. Lediglich eine Schülerin nannte in einem Interview, dass sie vor einiger Zeit<br />

mit ihrer Familie in einer Wohnung lebte, die keine Toilette im abgeschlossenen<br />

Wohnbereich hatte (Interview 7).<br />

Neben der grundsätzlichen Ausstattung wie Küche, Badezimmer, Toilette,<br />

Wohnzimmer, Schlafzimmer, welche in allen Wohnungen der SchülerInnen zu finden<br />

sind, nennen manche <strong>noch</strong> weitere Ausprägungen wie Speis, Gang und getrennt<br />

vom elterlichen Schlafzimmer gelegene Kinderzimmer. Die Aufteilung und Nutzung<br />

dieser verschiedenen Zimmer ist allerdings von SchülerIn zu SchülerIn<br />

unterschiedlich. Einige bewohnen das Schlafzimmer gemeinsam mit den Eltern,<br />

wobei eine Ecke für den/die SchülerIn gedacht ist, auch von ihnen gestaltet wurde<br />

und <strong>du</strong>rch einen Kasten vom Bereich der Eltern getrennt ist (Interview 5). Eine <strong>noch</strong><br />

verschärftere Schlafsituation beschreibt eine andere Schülerin. Sie bewohnt ein<br />

Schlafzimmer gemeinsam mit ihren beiden älteren Schwestern, mit ihrer Mutter und<br />

deren Freund (Interview 7). Ein Schüler erzählt, dass seine Mutter im Wohnzimmer<br />

übernachtet, um ihrem Sohn ein eigenes Zimmer, einen eigenen Rückzugsraum, zu<br />

gewährleisten (Interview 6). Viele SchülerInnen teilen sich ihre Schlaf- und<br />

gleichzeitig Kinderzimmer mit ihren Geschwistern. Es kommt auch vor, dass ein<br />

Schüler sein eigenes Zimmer bewohnt und es nur manchmal mit seinem Bruder teilt,<br />

wenn dieser bei ihm übernachtet (Interview 4). Diese Wohnsituationen bedingen die<br />

Benützung der einzelnen Zimmer und die Aufenthaltsdauer in selbigen. So berichten<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 18


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Seminararbeit<br />

einige SchülerInnen, dass sie die meiste Zeit im Wohnzimmer verbringen. Der<br />

zentrale Aufenthaltsraum und Versammlungsraum ist dementsprechend das<br />

Wohnzimmer, welches in allen Wohnungen den größten Anteil an Wohnfläche in<br />

Anspruch nimmt. „Der Ausstattung, Größe und Lage nach beste Raum ist das<br />

Wohnzimmer, Zentrum der Familie, gelegentlich auch gute Stube für Geselligkeit und<br />

Repräsentation, vor allem ein Raum der Freizeit“ (Häußermann / Siebel 1996: 15f).<br />

Dort wird verschiedenen Tätigkeiten nachgegangen, einerseits Unterhaltungsmedien<br />

konsumieren, so gehört das Fernsehgerät zur Grundausstattung aller Familien, Leute<br />

empfangen, Spiele spielen, mit der Familie gemeinsam Zeit verbringen, am<br />

Computer arbeiten <strong>oder</strong> aber am Schreibtisch lernen und die schulischen Pflichten<br />

erledigen. Andererseits wird das Wohnzimmer in einem Haushalt auch als<br />

Übernachtungsort benützt (vgl. Bilder und Bildinterpretationen der SchülerInnen).<br />

Die Kinderzimmer der SchülerInnen sind unterschiedlich ausgestattet. Die Gestaltung<br />

dieser Zimmer obliegt in den meisten Familien den Kindern. Manche besitzen einen<br />

eigenen Fernseher, Radio <strong>oder</strong> Computer. Die Schlafstätten der SchülerInnen<br />

reichen von Ausziehcouch, über Himmelbett bis zu einem überdimensional großem<br />

Bett (Bilder dazu sind im Anhang zu finden).<br />

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass zwei Schülerinnen erwähnen, einer ihrer<br />

Lieblingsaufenthaltsräume in der Wohnung sei das Badezimmer (Interview 2,<br />

Interview 3). Eine Erklärung dafür könnte sein, dass diese beiden Schülerinnen im<br />

Vergleich zu den anderen Schülerinnen unserer Gruppe etwas älter sind (16 Jahre)<br />

und daher für sie ein gepflegtes Äußeres eine große Rolle spielt.<br />

Wohnbeihilfe, die abhängig von dem Familieneinkommen, der Größe der Wohnung<br />

und der Ausstattung der Wohnung ist, wird von manchen Eltern der SchülerInnen<br />

bezogen, beziehungsweise kann eine genaue Auskunft darüber nicht gegeben<br />

werden, da die SchülerInnen als Quelle dieser Information ungenügend Bescheid<br />

wissen, den<strong>noch</strong> nannte eine Schülerin eine genaue Zahl der Höhe der<br />

Wohnbeihilfe. Die Wohnbeihilfe kann von jedem beantragt werden, wobei in den<br />

letzten Jahren von Seiten der Wiener Stadtregierung eine Auflockerung und<br />

Erweiterung der bezugsberechtigten Gruppen, sprich Wohnbeihilfe auch für<br />

ausländische MitbürgerInnen, vorgenommen wurde (vgl. Magistrat 18: 2009).<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 19


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Seminararbeit<br />

Das Fernsehgerät und die grundsätzliche der Kategorie entsprechende<br />

Standardausstattung sind in allen Wohnungen gleich. Die indivi<strong>du</strong>elle Erweiterung<br />

wird von unterschiedlichen Faktoren wie Wertigkeit, ökonomische Möglichkeiten,<br />

Platzangebot und vielem mehr beeinflusst.<br />

Die Wohnraumausstattung hat großes selbstgestalterisches Potential, wobei<br />

ökonomische und platztechnische Einschränkungen die Indivi<strong>du</strong>en beeinflussen.<br />

Zusätzlich geben der indivi<strong>du</strong>elle Gestaltungsgeschmack und die persönliche<br />

Werthaltung Rahmenbedingungen vor, wie eine Wohnung ausgestattet ist. Dieser<br />

intime Raum innerhalb der Wohnung wird seitens der normativen gesellschaftlichen<br />

Maßnahmen höchstens <strong>du</strong>rch bautechnische und architektonische Vorgaben<br />

geprägt, jedoch sonst kein Einfluss darauf genommen.<br />

3.4 Freizeit<br />

Worin besteht der Zusammenhang zwischen Freizeitgestaltung und Wohnen?<br />

Freizeit schien uns ein wichtiger Aspekt von Wohnen zu sein, da wir davon<br />

ausgegangen sind, dass die Bedürfnisse am Wohnen über sogenannte<br />

Existenzbedingungen hinausgehen und somit mit Freizeitaktivitäten und<br />

Bedürfnissen des Auslebens davon zusammenhängen. Diese gestalten sich sowohl<br />

im privaten als auch im öffentlichen Raum und somit ist die Wohnung auch<br />

Bestandteil dessen. Die Freizeit jedoch außerhalb des Familienraumes mit Freunden<br />

zu verbringen, ist wahrscheinlich das normalste und auch von uns selber allen so<br />

erlebt worden. Die Zeit, die die Kinder zu Hause verbringen, ist den<strong>noch</strong> aufgrund<br />

diverser Einschränkungen und Verpflichtungen, wie Helfen im Haushalt <strong>oder</strong><br />

Babysitten, groß.<br />

„Freizeit“ ist über die Interviews mit den Kindern zu einer Kategorie für Erarbeitung<br />

der Fragestellung geworden. Einerseits da<strong>du</strong>rch, dass wir aufgrund unserer<br />

Vermutung eines Zusammenhangs, die Fragen dahin führten und konkret nach ihrer<br />

Freizeit fragten, zum Teil auch einfach mit der Intention das Gespräch für die<br />

SchülerInnen interessanter zu gestalten und sie zu einem Gespräch zu motivieren,<br />

andererseits verbanden sie von alleine die Wohnräume auf den Fotos mit ihren, darin<br />

erlebten, Freizeitaktivitäten. Ein Auszug aus dem Interview mit einer Schülerin zeigt<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 20


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Letzteres auf: „Das ist mein Wohnzimmer, da bin ich mit meiner Familie am Öftesten.<br />

Fast jeden Abend, da spielen wir zusammen und schauen Filme an“(vgl.Interview 1).<br />

Die Wohnsituation zu Hause schien uns einer der Faktoren zu sein, die das<br />

Bedürfnis nach „draußen“ zu gehen, um dort seine Freizeit zu gestalten, bestimmen.<br />

Auch gibt es Unterschiede bei den Kindern bezüglich Besuche der Freunde zu<br />

Hause, die abhängig sind von der Wohnqualität und dem Familienverhältnis. Eine<br />

Schülerin berichtet, dass sie viel Freizeit im Park verbringt und wenig zu Hause mit<br />

ihrer Familie. Sie wohnen in einer Zweizimmerwohnung und teilen sich zu fünft ein<br />

Zimmer. Dabei betont sie in den Gesprächen immer wieder, dass sie damit leben<br />

kann (vgl.Interview 4).<br />

Bezüglich der Freizeitgestaltung und – aktivitäten kommt ein Grundmuster zum<br />

Vorschein. Die meisten verbringen die Zeit außerhalb von daheim im Park, wo sie mit<br />

Freunden Fußball spielen <strong>oder</strong> einfach nur herumsitzen <strong>oder</strong> gehen anderen<br />

Tätigkeiten nach. Die Millennium- City ist auch ein attraktiver Aufenthaltsort, der aber<br />

nicht von allen geteilt wird. Viele gehen auch schwimmen. Zwei der SchülerInnen<br />

berichten davon, dass sie die Sonntage mit ihrer Familie auf kleinen Ausflügen<br />

verbringen und grillen <strong>oder</strong> spazieren und laufen gehen. Zu Hause dominieren<br />

Fernsehschauen, Computer spielen, Schlafen und Faulenzen, Musik hören und<br />

essen bzw. naschen. Die Schüler verbringen die meiste Zeit in ihrem Zimmer, das sie<br />

sich oft mit ihren Geschwistern <strong>oder</strong> sogar Eltern teilen. Der Wunsch nach einem<br />

eigenen Zimmer ist bei allen da, die <strong>noch</strong> keines haben, <strong>oder</strong> sich eines für ihre<br />

Eltern wünschen.<br />

In den 70ern entwickelte sich ein Idealtypus von Wohnen, dessen charakteristische<br />

Merkmale in den DIN- Normen festgeschrieben wurden. So gibt es für das<br />

Wohnzimmer, als das Zentrum der Wohnung und der Hauptaufenthaltsort der<br />

Familie, normierte Maße bezüglich der Fläche, den Stellflächen und Abständen. 20<br />

Quadratmeter sind für Vierpersonenhaushalte ein Mindeststandard, der auf 18<br />

herunter gesetzt werden kann, falls ein gesonderter Essplatz in der Wohnung<br />

vorhanden ist (vgl. Häußermann, Siebel 1996: 16). Es gibt auch Normen für das<br />

Elternschlafzimmer und das Kinderzimmer. Häußermann und Siebel beschreiben es<br />

als der „[…] einzige einer Person zugeordnete Indivi<strong>du</strong>alraum“(Häußermann, Siebel<br />

1996: 16). Es sollte für das Kind eine Privatsphäre und ein von den Eltern<br />

respektierter Raum sein. Die Umsetzung dieser Norm wird in Bauplanungen oftmals<br />

ignoriert und die DIN- Norm sieht für das Kinderzimmer eine 120cm x 180cm<br />

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Spielfläche vor, die jedoch nicht zwingend ist und an den Essplatz angehängt werden<br />

kann (vgl. Häußermann, Siebel 1996: 17). Das elterliche Schlafzimmer ist in seiner<br />

Ausstattung und Raumfläche auch genormt.<br />

In allen Fällen zeigten die Wohnverhältnisse nicht diese Anforderungen. Die Kinder<br />

verfügen im Wohnbereich über keine Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten.<br />

Die Hypothese, die sich aus dem Zusammenhang von Wohnen und<br />

Freizeitgestaltung ergibt, ist, dass die Wohnsituation dafür ausschlaggebend ist, wo<br />

und wie die Kinder ihre Freizeit gestalten und erleben.<br />

Auf politischer Ebene gibt es Initiativen wie die Parkbetreuung, die sich unter<br />

anderem mit der Freizeitgestaltung von Kindern beschäftigen und Möglichkeiten und<br />

Infrastrukturen zum Spielen schaffen. In erster Linie dient die Parkbetreuung der<br />

Bewältigung aufkommender Konflikte zwischen Parknutzern. Die SchülerInnen<br />

berichteten uns nicht über diese ParkbetreuerInnen, obwohl sie ihre Freizeit oft in<br />

Parks verbringen. Wie weit diese den Ansprüchen ihres Aufgabenbereichs gerecht<br />

werden, bzw. von den Kindern, als ihren Adressaten, genutzt und geschätzt werden,<br />

könnte ein interessantes Forschungsziel sein.<br />

Eine auf institutioneller Ebene anzusiedelnde relativ „kinderunfreundliche“ Tatsache,<br />

ist das Einschränken von Spielaktivitäten in den Hofanlagen der Wohnhäuser. Es<br />

fallen die Verbotsschilder auf, die darauf hinweisen, dass der Rasen nicht betreten<br />

werden darf, dass keine Ballspiele erlaubt sind <strong>oder</strong> Fahrrad fahren verboten ist. Das<br />

Zusammenleben in Wohnhausanlagen bietet vielleicht aufgrund der hohen Dichte<br />

und eines hohen Störungspotentials wenige Entfaltungsmöglichkeiten für Kinder.<br />

Bedürfnisse und gesellschaftliche Realitäten stehen in Widerspruch zu einander. Die<br />

Wahrnehmung davon und der Umgang damit unterliegen <strong>noch</strong> einem beträchtlichen<br />

Aufholbedarfs und politischer Implementierung.<br />

3.5 “Heimat“ – ein Konflikt<br />

Was bedeutet Heimat? Der Artikel „Dialog <strong>oder</strong> Konflikt der Kulturen?“<br />

herausgegeben vom Paulo Freire Zentrum beschäftigt sich mit dem dialektischen<br />

Charakter von Kultur. Kultur ist demnach kein statischer und unveränderbarer Begriff,<br />

sondern vielmehr ein sich über Widersprüche fortbewegender und wandelnder.<br />

Veränderung und Widerspruch gehen auseinander hervor und formen in diesem<br />

dialektischen Prozess Kultur (vgl. Novy 2008: 9). Den Begriffen Kultur und Heimat ist<br />

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gemeinsam, dass ihnen die Elemente des Vorbestimmtseins und der<br />

Unveränderbarkeit angelastet werden. Natürlich hängt Heimat zum großen Teil mit<br />

dem Geburtsort und dem familiären Umfeld zusammen, in dem man aufwächst.<br />

Den<strong>noch</strong> bleibt Heimat keine vorbestimmte Realität, sondern wird indivi<strong>du</strong>ell<br />

konstruiert und erfährt Wandel und Veränderungen. Zahlreiche Widersprüche und<br />

Konflikte öffnen sich in diesem Prozess der „Heimatfin<strong>du</strong>ng“, der zu den<br />

grundlegenden Bedürfnissen der Menschen gehört und der ständiger<br />

gesellschaftlicher Thematisierung und Politisierung ausgesetzt ist. In unserer<br />

Zusammenarbeit mit den Kindern sind wir auf solche Widersprüche gestoßen und<br />

haben die verschiedenen Gesichter von „Heimat“ näher kennen lernen dürfen. Zum<br />

einen haben wir gesehen, dass die „alte“ Heimat der Eltern in der neuen Lebenswelt<br />

stark präsent ist, einerseits im Gedanken der Rückkehr und <strong>du</strong>rch Besitz von<br />

Wohnhäusern und der Existenz von Verwandtschaft, andererseits <strong>du</strong>rch das<br />

Zusammenleben mit Verwandten in der „neuen Heimat“. So erzählt eine der<br />

SchülerInnen von ihrem Haus in Serbien, das die Eltern renovieren wollen und das<br />

ihnen als Ferienhaus dient. Sie beschreibt es mit Garten und Pool und berichtet von<br />

den Sommern im Dorf ihrer Mutter, in denen sie viele Leute trifft, sich jeder kennt und<br />

sie viel Zeit draußen verbringt. Die Eltern wollen wieder nach Serbien zurückkehren,<br />

das Kind jedoch, will in Wien bleiben. Die Schülerin sieht sich der Herausforderung<br />

nicht gewachsen, die serbische Grammatik und Schrift zu lernen und ihr gefällt Wien<br />

(Interview 5). Der Bezug zur „alten Heimat“ wird vor allem <strong>du</strong>rch Besuche in den<br />

großen Schulferien im Sommer und Winter, abhängig von den finanziellen Mitteln der<br />

Familie, Aufrecht erhalten. Bezugspunkte bilden Wohnhäuser, in denen nur mehr<br />

wenige Familienmitglieder wohnen <strong>oder</strong> die den Familien gehören. Sie sind zum<br />

einen Investitionsmöglichkeit und dienen vielleicht der Zukunftsplanung, zum<br />

anderen werden sie genutzt um Ferien zu machen. Das Verhältnis zur „alten Heimat“<br />

ist ein ambivalentes und gestaltet sich entlang verschiedener Dimensionen, die<br />

sicherlich mit dem Umstand zu tun haben, welche Möglichkeiten zur<br />

Lebensgestaltung bestehen und wahrgenommen werden können. In dem Interview<br />

mit Magister Cserj stellten wir die Frage, was eine Familie tun kann, um ihre<br />

Wohnsituation zu verbessern. Die vereinfachte Darstellung, auf dem Wohnungsmarkt<br />

nach besseren Angeboten zu suchen, setzte er sogleich mit folgendem<br />

Lösungsvorschlag fort: „Das einfachste Mittel, aber wahrscheinlich auch gleichzeitig<br />

das schwierigste ist, irgendwie das Familieneinkommen zu verdoppeln, ja. Und,<br />

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wenn, wenn mehr Geld da ist, dann kann man sich natürlich auch eine größere,<br />

schönere, ah grünere, leisere Wohnung leisten, ja“ (Interview mit Cserj). Wenn genau<br />

hier die Schwierigkeit für manche Familien liegt, dann ist es verständlich, dass in den<br />

bereits vorhandenen Besitz in der ehemaligen Heimat zur Verwirklichung der<br />

Wohnbedürfnisse und Wünsche investiert wird, weil dort vielleicht die finanziellen<br />

Möglichkeiten dazu gegeben sind. Von den Schülern haben wir einen Einblick in das<br />

Berufsleben der Eltern bekommen und gemerkt, dass von Seiten der Kinder die<br />

über<strong>du</strong>rchschnittlich langen Arbeitszeiten der Eltern beklagt werden und sie sich<br />

mehr Zeit mit ihnen wünschen. So meint ein Schüler, er wohne lieber bei seiner<br />

Mutter, weil sein von dieser getrennt lebender Vater, viel arbeitet und wenig zu<br />

Hause ist. Auch die Mutter arbeitet aufgrund zweifacher beruflicher Tätigkeit viel, hat<br />

aber zweimal die Woche nachmittags frei und die Tante des Schülers ist<br />

Hausmeisterin im Wohnhaus und somit als Bezugspunkt präsent (Interview 6). Ein<br />

weiterer Punkt mit dem „Heimat“ assoziiert wird, ist die Bin<strong>du</strong>ng zur Familie. Wir<br />

haben bei den Schülern gemerkt, dass der Umfang der Familie und die Vernetzung<br />

darin über die Kernfamilie hinaus geht und trotz zum Teil großer Distanzen Aufrecht<br />

erhalten wird. Die Schüler bezeichneten die Häuser und Wohnungen ihrer<br />

Familienmitglieder als die ihren, sprachen sogar davon, dass ihnen Besitz<br />

überschrieben wird, <strong>oder</strong> sie eine Möglichkeit späteren Wohnens im<br />

Erwachsenenalter haben. In der „neuen Heimat“ lebt oftmals ein großer Teil der<br />

Verwandtschaft, der auch das Zusammenleben stark prägt. Drei der Schüler sind<br />

miteinander verwandt. Die Frage ist also, ob „Familie“ ein bedeutender Faktor dafür<br />

ist, ob ein neuer Wohnort zur „Heimat“ werden kann <strong>oder</strong> nicht. Ein Schüler erzählt,<br />

er wohne bei der Familie seiner Tante und sieht die Mutter nur an Wochenenden und<br />

Feiertagen. Der Grund dafür ist, dass diese im 12. Bezirk wohnt und somit zu weit<br />

von der Schule entfernt (Interview 4).<br />

Wohnen ist sowohl eine politische als auch eine private Angelegenheit, Zwang als<br />

auch Freiheit. In der indivi<strong>du</strong>ellen Prioritätensetzung greift die politische Ebene nicht<br />

<strong>du</strong>rch. Gesetzregelungen sprechen jeden Wohnungsbewohner ein Zimmer in der<br />

Wohnung zu und auch Mietbeihilfen sind gesetzlich berechnet. Den<strong>noch</strong> leben<br />

manche Familien in Wohnungen, in denen diese Mindeststandards nicht erfüllt sind.<br />

Ursachen dafür sind sicherlich die langen Wartezeiten, um eine Gemeindewohnung<br />

zu bekommen, in denen für angemessene <strong>Wohnst</strong>andards und einkommensgerechte<br />

Mietpreise gesorgt ist, aber auch private Prioritätensetzung wird ein Faktor sein. Das<br />

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Seminararbeit<br />

Amt MA50 -Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für wohnrechtliche<br />

Angelegenheiten informiert über und vergibt Wohnbeihilfen, die<br />

einkommensschwache Haushalte sowohl für Gemeinde-, geförderte und private<br />

Wohnungen anfordern können. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Unterstützung<br />

und Informationsarbeit der zuständigen Behörden besteht und ob die Entschei<strong>du</strong>ng,<br />

in einer zu kleinen Wohnung zu leben, in der Entschei<strong>du</strong>ng der Familie liegt und mit<br />

Sparmaßnahmen zusammen hängt. Immer wieder stößt man auf den Sachverhalt,<br />

dass Entbehrungen aufgebracht werden, um Investitionen in der alten Heimat zu<br />

tätigen. Vielleicht aber auch unter anderem deshalb, weil die Chancen in der „neuen<br />

Heimat“ zu wenig ausgebaut sind.<br />

Die Hypothese, die sich für uns ergibt ist, dass Heimat trotz Prägung indivi<strong>du</strong>ell neu<br />

konstruiert werden kann, jedoch es von den Gestaltungsmöglichkeiten des Wohn-<br />

und Lebensraums abhängt, inwiefern der neue Lebensort als Heimat empfunden<br />

wird.<br />

3.6 Beziehungen zu Mitmenschen<br />

Betrachtet man die Wohnrealitäten, stellt sich jedenfalls die Frage nach den<br />

Verhältnissen des Wohnens in den von uns untersuchten Wohnungen. Dazu muss<br />

unweigerlich eine Bezugnahme zu den anderen Personen des Haushalts hergestellt<br />

werden, um eine ganzheitliche Betrachtung der Wohnrealitäten und –verhältnisse<br />

darstellen zu können. Hierbei werden im Großen und Ganzen methodisch die<br />

Transkriptionen der Interviews herangezogen.<br />

Fast alle der befragten SchülerInnen wohnen gemeinsam mit ihrer Familie, <strong>oder</strong> nur<br />

einem Elternteil, in einer Wohnung. Ein Schüler wohnt bei Verwandten, seinem Onkel<br />

und seiner Tante und deren Kindern, da seine Mutter eine Wohnung in weiter<br />

Entfernung zur Schule bewohnt und er deshalb aus praktischen Gründen zu seinen<br />

Verwandten gezogen ist. Aus diesem Grund sieht er seine Mutter nur an<br />

Wochenenden und Feiertagen (Interview 4). Ein Schüler, dessen Eltern getrennt<br />

leben, besucht seinen Vater und dessen neue Familie alle zwei Wochen und im<br />

Sommer einen Monat. In der Wohnung des Vaters hat er ebenso ein eigenes<br />

Zimmer, wohnt aber lieber bei der Mutter, da diese mehr Zeit für ihn hat und auch<br />

seine Tante auf ihn aufpasst, die in seinem Wohnhaus Hausmeisterin ist (Interview<br />

6).<br />

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Seminararbeit<br />

Die Zeit, die SchülerInnen mit ihren Familien verbringen divergiert. In einer Familie<br />

wird jeden Tag abends gemeinsam Zeit verbracht, sei es fernsehend <strong>oder</strong> spielend<br />

(Interview 1). Andere SchülerInnen beschreiben ihre Situation so, dass sie wenig Zeit<br />

mit ihrer Familie verbringen, sondern stattdessen viele Stunden im Park verweilen,<br />

der für sie ein zweites zu Hause bedeutet, um dort ihre Freunde zu treffen, die für sie<br />

wie eine zweite Familie wirken (Interview 7).<br />

Da viele Eltern der SchülerInnen den ganzen Tag arbeiten müssen und oft nicht nur<br />

einer Tätigkeit nachgehen, können sie nicht viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, die<br />

sich nachmittags mit ihren Freunden zum Spielen, Reden, Shopping treffen und mit<br />

ihnen ihre Freizeit genießen.<br />

Eine Schülerin erzählte, dass sie an Wochenende oftmals gemeinsam mit ihrer<br />

Familie Ausflüge macht <strong>oder</strong> grillt (Interview 1)<br />

Verwandte, die oftmalig auch in Österreich wohnen, spielen eine große Rolle. Wenn<br />

diese in Wien wohnen, sehen sich die Familien häufig und in kurzen Abständen.<br />

Verwandte, die in anderen Bundesländern wohnen, werden ebenso besucht. Ein<br />

Schüler schildert, dass er gerne Zeit bei seinem Onkel in Waidhofen verbringt und<br />

auch gerne dorthin ziehen würde, da sein Onkel ein Haus mit Garten besitzt, wo er<br />

reiten darf und sich ein bisschen Geld verdienen kann, wenn er ihm zur Hilfe geht<br />

(Transkription Gruppengespräch).<br />

Zu Verwandten, die im Herkunftsland der Eltern wohnen, bei den meisten ist das<br />

Serbien, besteht weiterhin Kontakt. Diese Verwandten, Großeltern, Tanten und<br />

Onkel, Geschwister, werden vor allem in den Sommermonaten besucht und während<br />

denAufenthalten in Serbien wird viel miteinander unternommen (vgl. Transkription<br />

Gruppengespräch). Die Verwandten sind oft die Personen, die während der<br />

Abwesenheit der Besitzer auf die Domizile in Serbien aufpassen und nach den<br />

Rechten schauen (Transkription Gruppengespräch).<br />

Kontakte und Beziehungen zu Nachbarn werden nicht erwähnt <strong>oder</strong> sind eher wenig<br />

gegeben. Lediglich eine SchülerIn hat über eine positive Beziehung zu den Nachbarn<br />

gesprochen (Interview 3).<br />

Die eigene Familie spielt eine große Rolle, auch zu Verwandten, sei es im In- <strong>oder</strong><br />

Ausland, besteht guter Kontakt. Die Nachbarn der Wohnungen in Wien spielen bei<br />

den meisten SchülerInnen eine untergeordnete Rolle <strong>oder</strong> sind negativ behaftet, so<br />

wird von einem Schüler erwähnt, dass sein Nachbar nicht gehemmt ist, des Öfteren<br />

die Polizei zu rufen (Transkription Gruppengespräch).<br />

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3.7. Wohnungswechsel<br />

Auf die Frage hin, ob die jetzige Wohnung in Wien die erste sei, antwortet eine<br />

Schülerin: „[…] wir waren in einer anderen Wohnung, aber die war zu alt und da<br />

gab's auch Ratten und so“ (Interview 7). Des Weiteren beschreibt sie die Wohnung<br />

als zu klein und das Klo war draußen auf dem Gang. Diese Beschreibung lässt<br />

vermuten, dass es sich um eine Kategorie-D Wohnung gehandelt hat (vgl. Interview<br />

Cserj; Interview Tove Raiby). Man kann also davon ausgehen, dass die Familie ihn<br />

relativ ärmlichen Verhältnissen dort gelebt hat. Seit sechs Jahren nun lebt die Familie<br />

in einer neuen Wohnung, welche genug Platz habe und man damit leben könne.<br />

Trotzdem ist auch hier die Wohnsituation nicht perfekt. Fünf Personen haben zwei<br />

Zimmer zur Verfügung, eines davon ein Wohnzimmer, welches auch als solches<br />

genutzt wird. Hinzuweisen ist hier auf die oft überproportionale Größe des<br />

Wohnzimmers im Gegensatz zu anderen Zimmern, was auch in dieser Wohnung der<br />

Fall ist (Bildbeschreibung T; Tränkle zitiert in Häußermann / Siebel 1996: 49) Zu fünft<br />

also schläft die Familie in einem Zimmer, ein weiteres Kind ist unterwegs. Dies ist bei<br />

weitem der krasseste Fall der SchülerInnen und auch der einzige wo eine Kategorie-<br />

D Wohnung tatsächlich beschrieben wird. Bei den anderen Kindern fällt der Wechsel<br />

der Wohnung mit weitaus mehr Gewinn an Wohnqualität aus. So wird bei einer<br />

16jährigen Schülerin berichtet, dass die alte Wohnung 35qm gehabt hätte, bei der<br />

jetzigen hat alleine das Wohnzimmer 25qm. In der alten hatte sie zwar ein eigenes<br />

Zimmer. Dieses war aber sehr klein, heute teilt sie ihr Zimmer zwar mit ihrem Bruder,<br />

hat aber dafür genug Platz. Zumal die heutige Wohnung einen Balkon <strong>oder</strong> Terrasse<br />

hat, sowie einen Garten. Bei dieser Schülerin zeigt sich ein anderer Aspekt auf. Die<br />

frühere Wohnung stand in einem Mietverhältnis, die heutige Wohnung ist eine<br />

Eigentumswohnung. Es wurde lange gesucht bis eine neue Wohnung gefunden<br />

wurde, als Kriterien werden die Nähe zur Schule und zum Kindergarten des Bruders<br />

genannt. Hier muss natürlich vorsichtig umgegangen werden mit der Interpretation,<br />

ob dies nun die von der Schülerin ausgemachten Vorteile sind <strong>oder</strong> tatsächlich<br />

maßgebend waren für die Entschei<strong>du</strong>ng für diese Wohnung. Zumal diese Aussage<br />

im Gegensatz dazu steht, dass die Wohnung weit am Rande des 18ten Bezirkes liegt<br />

und somit nicht in der unmittelbaren Nähe der Schule (vgl. Interview 3). Eine andere<br />

Schülerin berichtet, dass sie aus ihrer alten Wohnung ausziehen mussten, weil der<br />

Vertrag ausgelaufen ist, bzw. eine neue Verwaltung gekommen sei. Dort habe sie 7<br />

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Seminararbeit<br />

Jahre gewohnt in einem anderen Bezirk des „Gürtelrings“. Seit 2 Monaten wohnt die<br />

Familie in der neuen Wohnung die 70 bis 80qm hat (auch diese Schülerin ist 16<br />

Jahre, die Angabe stimmt höchstwahrscheinlich). Zum Wohnort gibt sie den Bezirk<br />

der Schule an sowie, dass die Wohnung nicht teuer sei, es könnte also gut sein,<br />

dass der Mietpreis wichtiges Kriterium war. Auch sie teilt ihr Zimmer weiterhin mit<br />

ihrer Schwester, die neue Wohnung gefällt ihr gut (vgl. Interview 2).<br />

Der Wohnungswechsel bringt in allen beschriebenen Fällen eine Steigerung der<br />

Wohnqualität, welche hier allerdings nur an Wohnungsgrößen und –beschreibungen<br />

gemessen werden kann, sowie an den Beschreibungen der Kinder bezüglich ihrer<br />

Gefühle gegenüber der jeweiligen Wohnung.<br />

Fast alle SchülerInnen müssen (weiterhin) ihre Zimmer mit ihren Geschwistern teilen<br />

<strong>oder</strong> sogar mit den Eltern. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies nicht das<br />

Bedürfnis der SchülerInnen ist, die meisten geben an sich ein eigenes Zimmer zu<br />

wünschen (vgl. Interview Gruppengespräch). Der Verbesserung der Wohnsituation<br />

scheinen also auch Grenzen gesetzt.<br />

Wo aber liegen diese Grenzen? Wer <strong>oder</strong> was definiert sie? Der geographische<br />

Begriff der Grenze dürfte in Falle der Schülerinnen der Gürtel sein, zumindest<br />

wohnen ausnahmslos alle Kinder „hinter dem Gürtel“, den äußeren Stadtbezirken<br />

also. Diese Erkenntnis „im Kleinen“ wird von großen Studien bestätigt. So stellt das<br />

Magistrat 18 für in Wien lebende „Ausländer“ fest, dass: „Etwas anders stellt sich die<br />

Situation für Wien dar. Hier ist die Wohnsituation der Ausländer vor allem da<strong>du</strong>rch<br />

charakterisiert, dass sie in der Regel nur zu einem sehr eingeschränkten<br />

Wohnungsmarkt (vor allem Altbaumietwohnungen) Zugang haben.“ (Magistrat 18:<br />

2009) Das dies tatsächlich die äußeren Bezirke sind, wird in der graphischen<br />

Darstellung unten ersichtlich.<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 28


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Seminararbeit<br />

Quelle: http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/forschung/karten/images/stepaus01.gif [Zugriff<br />

13.06.09]<br />

Diese Beobachtung können auch Borsdorf und Reeger in ihrer Studie bestätigen: „In<br />

Vienna, labour migrants are concentrated in an area just outside the inner city.<br />

Though the reasons for ethnic segregation and concentration are manifold, the most<br />

important factor is the structure of the housing market that channels people according<br />

to nationality and income into the different segments which display differing rules of<br />

access” (Borsdorf / Reeger 2008: 145). Borsdorf und Reeger ordnen Menschen<br />

ihrem Wohnort also nach Nationalität und Einkommen zu. Ob die Nationalität<br />

tatsächlich solch direkten Einfluss auf den Wohnort hat, <strong>oder</strong> ob nicht viel mehr der<br />

soziale Status der meisten „Nicht-ÖsterreicherInnen“ als ArbeitsmigrantInnen sowie<br />

die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht dafür ausschlagend sind, als<br />

die Nationalität selbst, ist in Frage zu stellen. Auf der Hand liegt, dass das<br />

Einkommen wesentlicher Faktor ist bei der Wahl einer Wohnung. So werden zwei<br />

Mietpreise genannt die einmal bei 350 Euro liegen, einmal bei 600 Euro.<br />

Wohnbeihilfe wird in einem Fall auf ca. 130 Euro beziffert und in mehreren Fällen<br />

bezogen (Interview Gruppengespräch). Den Berufen ihrer Eltern entsprechend (meist<br />

ArbeiterInnen) kann vermutet werden, dass die Einkommen der Eltern keine<br />

grenzenlose Wohnungswahl möglich machen. Auch Herr Mag. Cserj befindet auf die<br />

Alexa Kofler, Eike Pokriefke, Marlene Tasser, Lena Wanner 29


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Seminararbeit<br />

Frage hin, was Familien tun können um ihre Wohnsituation zu verbessern, dass zum<br />

einen ein genaues Absuchen des Wohnungsmarktes und zum anderen eine massive<br />

Einkommenssteigerung zur Verbesserung der Wohnsituation führen können.<br />

Schließlich kann man also zu den Überlegungen kommen, dass erstens, ein<br />

Wohnungswechsel eine Verbesserung der neuen Wohnsituation im Vergleich zu<br />

alten Wohnsituation bedeutet <strong>oder</strong> zumindest anstrebt. Zweitens der<br />

Wohnungswechsel vor allem vom Einkommen abhängig ist.<br />

Leider ergibt unsere Forschung kaum Aufschluss darüber, welche anderen Kriterien<br />

eine Rolle spielen bei der Wahl des Wohnungsortes. So werden zwar Nähe zur<br />

Schule und Kindergarten genannt, Nähe zur Arbeitsstelle der Eltern taucht nicht auf.<br />

Weiter könnte auch die Zugehörigkeit zur sozialen Schicht eine Rolle spielen, wenn<br />

zum Beispiel Einkommen kein Hindernis wäre eine Wohnung im ersten Bezirk zu<br />

beziehen.<br />

4 Selbstevaluierung<br />

Für unsere Forschung haben wir die Methode des Gruppengespräches, des<br />

Interviews, der Fotoanalyse und zur Auswertung der Daten die zusammenfassende<br />

Inhaltsanalyse nach Mayring angewendet. Dabei haben sich verschiedene Probleme<br />

ergeben, die in diesem Abschnitt beschrieben werden sollen.<br />

Die Methode des Interviews (siehe oben) hat sich als schwierig in der Anwen<strong>du</strong>ng<br />

gezeigt. Zuerst sollte die Methode ero-epischen Gesprächs angewandt werden. Ihr<br />

Anspruch an den Forscher sich in der Interviewsituation weitmöglich zurück zu<br />

nehmen und dem <strong>oder</strong> der AlltagsexpertIn die Gestaltung des Gespräches zu<br />

überlassen, konnte nur teilweise <strong>oder</strong> auch gar nicht erfüllt werden. Manche<br />

SchülerInnen zeigten sich als sehr gesprächig und erleichterten somit die<br />

Durchführung, andere wiederum sprechen nur gebrochenes Deutsch und in<br />

unvollständigen abgehackten Sätzen, <strong>oder</strong> gar nur in Worten. So beschreibt ein Kind<br />

den Kleiderhaufen auf einem Foto, nachdem der Interviewer mit dem Finger darauf<br />

gedeutet hat wie folgt: „Wir müssen unsere Klei<strong>du</strong>ng in unser Zimmer und so, wir<br />

haben nur aufgehangen.“ (Interview 4) Die SchülerInnen haben teilweise Probleme<br />

<strong>oder</strong> Hemmungen sich frei auszudrücken, was den Anspruch des ero-epischen<br />

Gesprächs sehr unterläuft, der <strong>oder</strong> die InterviewerIn ist in einer solchen Situation<br />

fast gezwungen einzugreifen und mit Fragen nachzuhaken. Daraus ergibt sich ein<br />

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Seminararbeit<br />

weiteres Problem, die Suggestivfrage. Diese ist <strong>du</strong>rch die Unerfahrenheit der<br />

InterviewerInnen häufig aufgetreten und in manchen Fällen kann von einer solchen<br />

Verfälschung der Wirklichkeit ausgegangen werden, dass zum Teil sehr vorsichtig<br />

mit Interpretationen umgegangen werden musste: „E: Aber ihr macht <strong>schon</strong> gern<br />

Sport, <strong>oder</strong> was? Also ich mein wenn ihr Trampolin habt? R: Ja. E: Du auch? R: Ja<br />

<strong>schon</strong>.“ (Interview 4) Es kann in dieser speziellen Situation nicht mehr davon<br />

ausgegangen werden, dass die tatsächliche Wirklichkeit des Schülers erfasst wurde,<br />

zumal seine Aussage im krassen Gegensatz zu einer anderen Stelle des Interviews<br />

steht: „E: Ja, ok. Und... Was würdest Du zum Beispiel machen, wenn ich zu Dir<br />

sagen würde ich bau Dir Deine Wohnung um, so wie Du magst, egal was, egal wie<br />

viel es kostet, was würdest Du dann tun? R: Schlafen.“ (Interview 4) Die Antwort des<br />

Schülers könnte auch darauf hindeuten, dass ein Motivationsproblem bestehen<br />

könnte, was mit dem Begriff der Zentralität, also den Grad der „Betroffenheit bei dem<br />

Befragten“ (Atteslander 2008: 61) beschrieben werden könnte. An anderer Stelle<br />

scheitert der Interviewer bei dem Versuch eine Aussage zu einem bestimmten<br />

Thema zu bekommen, ohne dabei die SchülerInnen stark zu beeinflussen, er will auf<br />

das Thema „Lärm“ hinaus und versucht dieses mehr <strong>oder</strong> weniger abstrakt zu<br />

beschreiben: „E: ja aber es gibt <strong>noch</strong> andere Sachen, die man nicht unbedingt<br />

anfassen kann, z. B wenn ich jetzt… R: Schlange. SE: wieso? E: nein, nein so hab<br />

ich das nicht gemeint, ich hab gemeint wenn man, wenn ich z.B. ich spazier„ in der<br />

Straße rum und möchte jetzt schlafen und ich bin auf der Mariahilfer Straße und leg<br />

mich da hin, aber da ist es ein bisschen laut zum Schlafen SE: auf ner Baustelle T:<br />

die Luft ist auch nicht gut R: dann glaubt jeder <strong>du</strong> bist ein Penner [lacht] E: was?“<br />

(Gruppengespräch 1. Teil).<br />

Beim Gruppengespräch ist zudem das Problem aufgetreten, dass oft mehrere<br />

Gespräche nebeneinander gelaufen sind und dieses Stimmen-Wirrwarr nicht zu<br />

Papier zu bringen war, vielleicht wichtige Teile also verloren gegangen sind.<br />

Die zusammenfassende Auswertung nach Mayring wurde gewählt, nachdem die<br />

explizierende und die strukturierende Inhaltsanalyse zum Teil zu kompliziert und vor<br />

allem aber dem Zeitplan weit überschreitend gewesen wären. Zudem scheint die<br />

zusammenfassende Inhaltsanalyse für unerfahrenere „ForscherInnen“ angemessen,<br />

da hier nach einem einfachen Schema vorgegangen wird.<br />

Aus diesen Gründen wurde bei der praktischen Arbeit dann nicht die Methode des<br />

ero-pischen Gespräches angewandt, sondern ein weitgehend unstrukturiertes<br />

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Interview. Dieses erleichter dem / der Interviewerin zum einen erheblich die<br />

Dokumentation des Interviews, da dieses aufgenommen und transkribiert wird, zum<br />

anderen kann der / die InterviewerIn verhindern, dass das Gespräch gänzlich zum<br />

erliegen kommt, <strong>oder</strong> gar abgebrochen werden muss, indem neue Fragen gestellt<br />

werden. Da<strong>du</strong>rch werden die SchülerInnen unterstützt und ihnen wird der Ausdruck<br />

der Wirklichkeit erleichtert. Unsere ForscherInnen haben es zudem geschafft, ein<br />

sehr freundschaftliches und ungezwungenes Verhätlnis zu den SchülerInnen<br />

aufzubauen welches die Interviewsituation sehr erleichter und einer Hirarchisierung<br />

vorbeugt.<br />

5 Bibliographie<br />

Atteslander, Peter (2008) [1969]: Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin:<br />

Erich Schmidt.<br />

Bogner, A., Littig, B., Menz, W. (2005): Das Experteninterview. Theorie, Methode,<br />

Anwen<strong>du</strong>ng. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Borsdorf, Axel / Reeger, Ursula 2008: Labour Migration and Social Cohesion – Some<br />

Empirical Evidence from Vienna. Vienna: Springer Sience+Buisness Media.<br />

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter / Hurrlemann, Klaus (Hg.) (1996): Soziologie<br />

des Wohnens. Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des<br />

Wohnens. Weinheim, München: Juventa.<br />

Jaeggi, E., Faas, A. & Mruck, K. (1998). Denkverbote gibt es nicht! Vorschlag zur<br />

interpretativen Auswertung kommunikativ gewonnener Daten.<br />

Forschungsbericht aus der Abteilung Psychologie im Institut für<br />

Sozialwissenschaften der Technischen Universität Berlin, Nr.98-2.<br />

Lueger, Manfred (2000): Grundlagen qualitativer Feldforschung. Methodologie,<br />

Organisierung, Materialanalyse. Wien: WUV-Universitätsverlag.<br />

Mayring, P. (2003): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken.<br />

Weinheim: Beltz Verlag.<br />

Novy, Andreas et al. (2008a): Dialog <strong>oder</strong> Konflikt der Kulturen? Aktion & Refexion.<br />

Texte zur transdisziplinären Entwicklungsforschung und Bil<strong>du</strong>ng. Heft 1. Wien:<br />

Paulo Freire Zentrum.<br />

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Seminararbeit<br />

Novy, Andreas et al. (2008b): Methodologie transdisziplinärer<br />

Entwicklunggsforschung. Aktion & Reflexion. Texte zur transdisziplinären<br />

Entwicklungsforschung und Bil<strong>du</strong>ng. Wien: Paulo Freire Zentrum.<br />

a. Internetquellen:<br />

Kundi, Michael (o.J.):Qualitative Methoden.<br />

http://psychologie.univie.ac.at/uploads/media/QualitativeMethodenHandzettel2<br />

008.pdf. [Zugriff: 06.05.2009].<br />

Magistrat 18: Wohnen und Integration in europäischen Großstädten.<br />

Integrationspolitik am Wohnungssektor.<br />

http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/wohnenintegration/index.htm#situation.<br />

[Zugriff 13.06.09]<br />

Wohnbauforschung MA 50:<br />

http://www.wohnbauforschung.at/de/wohnbauforschung.htm. [Zugriff<br />

13.06.09].<br />

http://volksgruppen.orf.at/diversity/stories/53056/. [Zugriff 13.06.09].<br />

http://www.statistik.at/web_de/statistiken/wohnen_und_gebaeude/bestand_an_gebae<br />

uden_und_wohnungen/index.html/statistik_der_einkommensteuer_2006.pdf.<br />

[Zugriff 13.06.09].<br />

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