Mitteilungen DMG 02 / 2008 - Deutsche Meteorologische ...
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es großen Hagel geben? Muss vor Windstärke 10 oder<br />
gar 11 gewarnt werden? In der Praxis zeigt sich aber,<br />
dass derart gefährliche Gewitter in Deutschland nicht<br />
häufig genug stattfinden, um die notwendige Übung zu<br />
bekommen. In jüngster Zeit erwartet die Öffentlichkeit<br />
sogar eine zuverlässige Warnung vor Tornados, was<br />
nicht nur den diensthabenden Meteorologen zusätzlich<br />
unter Druck setzt.<br />
Mit diesem Problem beschäftigt sich seit September<br />
20<strong>02</strong> die Initiative ESTOFEX (für „European STOrm<br />
Forecast EXperiment“). Die zugehörige Internet-Plattform<br />
fördert den Erfahrungsaustausch über die Vorhersage<br />
konvektiver Unwetter in Europa. Darüber hinaus<br />
beinhaltet die öffentlich zugängliche Seite (im Internet<br />
unter www.estofex.org) ein Experiment zur Vorhersage<br />
von organisierter Konvektion, welches von einigen<br />
der Mitglieder ausgeübt wird. Für den jeweils folgenden<br />
Tag wird versucht, das Gefährdungspotential<br />
für schwere Sturmböen, großen Hagel sowie Tornados<br />
in Europa vorherzusagen. Dabei bedienen sich die Meteorologen,<br />
deren Mehrzahl nach dem Universitätsabschluss<br />
eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen<br />
hat, einer „zutaten-basierten Vorhersagemethodik“.<br />
Für schwere Gewitter sind demnach drei Zutaten notwendige<br />
Bedingung: Latente Labilität, ausreichende<br />
Hebung und vertikale Windscherung. Die jeweilige<br />
Verteilung und Entwicklung der zugrunde liegenden<br />
Zutaten wird diskutiert, um eine Prognose über den<br />
zu erwartenden Konvektionsmodus zu erhalten. Von<br />
konzeptionellen Modellen zur Entwicklung und Verlagerung<br />
von mesoskaligen Systemen und Superzellen<br />
bis hin zu statistischen Zusammenhängen zwischen<br />
meteorologischen Parametern und auftretenden Wettergefahren<br />
reichen die Werkzeuge, die bei der Prognose<br />
verwendet werden. Basierend auf dieser Methodik<br />
haben die Meteorologen im Verlauf der letzten Jahre<br />
nahezu täglich Prognosen veröffentlicht und dabei Erfahrung<br />
auf diesem speziellen Gebiet der Wettervorhersage<br />
gesammelt. ESTOFEX versteht sich dabei nicht<br />
als Konkurrenz für bestehende Wetterdienste, sondern<br />
vielmehr als eine Unterstützung der Meteorologen im<br />
operationellen Warndienst. Nicht zuletzt aus diesem<br />
Grund werden die Prognosen in fachlich anspruchsvollem<br />
Englisch veröffentlicht. Während viele europäische<br />
Wetterdienste auf eigenes Know-how setzen - so<br />
unterhält beispielsweise der private Wetterdienst Meteomedia<br />
so genannte „Unwetterzentralen“ – haben andere<br />
Wetterdienste dagegen den Erfahrungsaustausch<br />
mit ESTOFEX gesucht, nicht zuletzt auch der <strong>Deutsche</strong><br />
Wetterdienst im Jahr 2004 beim Tornado-Workshop in<br />
Langen. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass<br />
ESTOFEX bis heute eine ehrenamtliche Initiative ist;<br />
eine Förderung ist nicht in Aussicht.<br />
wir<br />
Das Tornadoereignis von Thüringen („Quirla-Tornado“)<br />
in der Nacht vom 01. zum <strong>02</strong>.10.2006<br />
Dipl.-Met. Gerlinde Angerhöfer (Dipl.-Met. Gerold<br />
Weber), <strong>Deutsche</strong>r Wetterdienst, Regionalzentrale<br />
Leipzig<br />
Die Regionalzentrale Leipzig ist zuständig für den<br />
Wettervorhersage- und Warndienst in den mitteldeutschen<br />
Ländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.<br />
Einige gravierende Tornadoereignisse in Mitteldeutschland<br />
in den vergangenen Jahren haben verstärkt<br />
zur Beschäftigung mit dieser Thematik geführt:<br />
F-Skala:<br />
18.08.2000 Moritzburg (bei Dresden) F2 00.15 Uhr<br />
12.06.20<strong>02</strong> Lutherstadt Wittenberg F2+ 20.15 Uhr<br />
01.06.2004 Micheln (in der Nähe von Köthen) F3 18.57 Uhr<br />
01./<strong>02</strong>.10.2006 Diedorf – Quirla – Gera(Nord-Ost) F1-F3 23.24 – <strong>02</strong>.00 Uhr<br />
18.01.2007 Lutherstadt Wittenberg („Kyrill“) F2-F3 18.40 Uhr<br />
Zerbst/Bräsen F2 18.30 Uhr<br />
Im Vortrag wird das gut dokumentierte Ereignis von<br />
Diedorf – Quirla – Gera beleuchtet. Nachträglich erfolgte<br />
Recherchen u. a. durch Luftbilddokumentation<br />
und Auswertungen u. a. von Dopplerradardaten zeigten,<br />
dass eine von Franken über Thüringen nordostwärts<br />
ziehende Superzelle über einen Zeitraum von mehreren<br />
Stunden existierte. Tornados mit Bodenkontakt lassen<br />
sich aber an Hand von Schadensbildern im Zeitraum<br />
vom 01.10.2006, 23.24 Uhr, bis <strong>02</strong>.10. 2006 um <strong>02</strong>.10<br />
Uhr MESZ nur in drei Gebieten nachweisen.<br />
Das erste Ereignis traf Diedorf und verursachte eine<br />
fast 8 km lange Schadensspur, vor allem durch Baumschäden<br />
auf dem „Horbel“ – einem nahe gelegenen<br />
Waldstück. Die stärkste Entwicklung wies das zweite<br />
Ereignis auf: Bei Quirla kam es am <strong>02</strong>.10.2006 nachts<br />
um etwa 01.50 Uhr MESZ zu einem Tornado Stärke<br />
F3 mit umfangreichen Zerstörungen an Gebäuden und<br />
Waldstücken. Das dritte Ereignis bei Gera, einzustufen<br />
als F1-Tornado, ist durch Augenzeugenberichte über<br />
Baum- und einzelne Hausschäden belegt, die von einer<br />
Abb. 3: Doppler-RADAR Bild und KONRAD Analysebild der Wetterlage<br />
vom 01.-<strong>02</strong>.10.2006.<br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>02</strong>/<strong>2008</strong><br />
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