Rommersdorf Der Zauber der Wurzel - Rheinkiesel
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Erzählung<br />
Marias wun<strong>der</strong>same Blume<br />
O<strong>der</strong> wie <strong>der</strong> Weihnachtsstern zu seinen Farben kam<br />
Sollte er es wagen? Er traute sich nicht. Traurig und müde stand Emanuel vor dem kleinen,<br />
windschiefen Stall. Die Nacht war hell erleuchtet von dem Sternenglanz, <strong>der</strong> über allen<br />
Köpfen schwebte.<br />
Emanuel fröstelte und zog seine<br />
Fellweste enger um sich. Gedämpft<br />
hörte er Stimmengewirr<br />
und Gelächter aus dem Stall. Eine<br />
ganz schön merkwürdige Nacht<br />
war das gewesen: Gerade hatten<br />
sie es sich am Feuer gemütlich ge -<br />
macht, als plötzlich himmlische<br />
Wesen aufgetaucht waren, mit<br />
Musik, die wie von <strong>Zauber</strong>hand in<br />
ihren Köpfen erschallte. Sie hatten<br />
von einem Wun<strong>der</strong> berichtet und<br />
die Hirten hierher geführt. Sie<br />
sollten die ersten sein, die einem<br />
neu geborenen König huldigen<br />
soll ten. Ausgerechnet sie, die<br />
schmutzigen, zerlumpten Hirten<br />
von Bethlehem!<br />
Und nun waren sie hier – nicht,<br />
wie erwartet, vor einem Palast,<br />
son <strong>der</strong>n vor einem Stall, in dem<br />
Emanuel auch schon oft Zuflucht<br />
vor den Widrigkeiten des Wetters<br />
gesucht hatte. Alle waren längst<br />
hineingegangen in den Stall. Nur<br />
Emanuel stand noch allein hier<br />
18 Dezember 2011<br />
draußen und betrachtete die Sterne.<br />
Sie schienen heute irgendwie heller<br />
zu glänzen als sonst. Die Hir ten -<br />
hündin Ava strich um seine Beine.<br />
Emanuel fühlte sich trotzdem<br />
schrecklich allein. <strong>Der</strong> schmäch -<br />
tige Waisenjunge war erst vor kurzem<br />
zu den Hirten gestoßen.<br />
<strong>Der</strong> himmlische Gesang <strong>der</strong> Engel<br />
hatte ihn genau wie alle an<strong>der</strong>en<br />
verzaubert. Doch jetzt, hier vor<br />
dem Stall, aus dem ein magisches<br />
Leuchten zu kommen schien,<br />
hatte ihn sein Mut verlassen. Seine<br />
älteren Kollegen waren hinein<br />
gegangen und nicht mehr herausgekommen.<br />
Aber wenn es stimmte,<br />
was die himmlischen Heer -<br />
scharen verkündet hatten – daß in<br />
diesem Stall gerade ein König<br />
geboren worden war – konnte er<br />
sich doch dort nicht sehen lassen.<br />
Wie sah er denn schon aus, in<br />
seinem zerlumpten Gewand. Er<br />
roch sicherlich auch nicht beson<strong>der</strong>s<br />
königlich, denn sein letztes<br />
Bad war schon einige Wochen her.<br />
In seiner Fellweste hatten sich<br />
einige Disteln verfangen. Er knibbelte<br />
an seinen Fingernägeln. Die<br />
waren auch schon mal sauberer ge -<br />
wesen, von seinen nackten Fü ßen<br />
einmal ganz zu schweigen. Seine<br />
zerzausten Haare hingen ihm ins<br />
Gesicht. Nein, so konnte er sich<br />
auf keinen Fall vor einem König<br />
blicken lassen. Traurig beugte er<br />
sich herab, um Ava zu kraulen.<br />
Die Hündin leckte seine kalten<br />
Hände.<br />
Das fehlende<br />
Geschenk<br />
Seine Kollegen hatten wenigstens<br />
etwas zum Herschenken gehabt.<br />
Chaim war ein begabter Pfeifenschnitzer<br />
und hatte stets neue,<br />
wun<strong>der</strong>schöne Pfeifen nebst einer<br />
Handvoll Tabak in seiner Tasche,<br />
die er nur zu gern verschenkte.<br />
Jojakim hatte einen duftenden<br />
Laib Brot in ein Tuch gehüllt, und<br />
Mishaela hatte einen Le<strong>der</strong>beutel<br />
mit selbst gesammelten Heil -<br />
kräutern beigesteuert. Absalom,<br />
<strong>der</strong> älteste von ihnen, hatte ohne<br />
zu zögern sogar eines <strong>der</strong> Lämmer<br />
geschultert, als sie sich auf den<br />
Weg machten. „Eins mehr o<strong>der</strong><br />
weniger macht doch keinen<br />
Unterschied“, hatte sein Baß vor<br />
Lachen gedröhnt, als sie sich auf<br />
den Weg machten. Emanuel hörte<br />
seine gedämpfte Stimme nun aus<br />
dem Stall, gemischt mit fröhlichem<br />
Gelächter <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Sein<br />
Magen knurrte. Aber als Lehr -<br />
junge hatte er kein eigenes Geld,<br />
kein eigenes Essen und schon gar<br />
keine Reichtümer, die er dem<br />
neuen König o<strong>der</strong> seinen Eltern<br />
schenken konnte. Aber seine Mut -<br />
ter hatte ihm beigebracht, daß<br />
man nie ohne ein Gast geschenk –<br />
und sei es noch so klein – zu einer<br />
Einladung gehen durfte. „Komme<br />
nie mit leeren Händen, sonst gehst<br />
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