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Musiklegenden<br />
8<br />
Die aktuelle Rock ´n Roll und später<br />
die Beat-Musik zu spielen, war<br />
für die jungen Musiker im deutschen<br />
Nordwesten zumindest<br />
bis 1965 ein schwieriges Unterfangen.<br />
Es gab keine musikalische<br />
Tradition, auf der sie hätten<br />
aufbauen können, es gab weder<br />
No-ten- noch Textvorlagen, es<br />
gab keine Lehrer, von denen man<br />
das Spielen der Instrumente hätte<br />
lernen können. Der Rundfunk<br />
war lange Zeit die einzige Informationsquelle.<br />
Mit Hilfe von Mikrofon<br />
und Tonband wurden die<br />
aktuellen Hits aufgenommen,<br />
um sie einüben zu können.<br />
Die Probleme begannen bereits<br />
bevor die Aufnahmetaste an den<br />
Geräten gedrückt wurde, weil<br />
man die Programme zunächst<br />
sauber einpegeln musste, was<br />
wegen des schwankenden Empfangs<br />
und auch deshalb schwierig<br />
war, weil die Sender teils so<br />
dicht beieinander lagen, dass sie<br />
sich oft überlagerten. Bekannt<br />
waren die Sendezeiten, zu denen<br />
die Rundfunkanstalten und bald<br />
auch die Piratensender die Hitparaden<br />
ausstrahlten, aber wann<br />
genau die neuen Titel gespielt<br />
werden würden, war meist nicht<br />
bekannt. So kam es vor, dass die<br />
neuen Songs nicht komplett aufgezeichnet<br />
waren.<br />
Nur wenige Musiker hatten dieses<br />
Problem nicht. Einer von ihnen<br />
war der als Lead-Gitarrist<br />
der Auricher Band „Crashmen“<br />
bekannte Hajo Hellbach. Obwohl<br />
Hindernisse auf der Erfolgsleiter<br />
er am nächsten Morgen früh<br />
aufstehen musste, um zur Arbeit<br />
zu radeln, zog er es vor, bis tief<br />
in die Nacht vor dem Radio zu<br />
sitzen, um die neuen Titel so oft<br />
wie möglich zu hören und sich<br />
einzuprägen. Ein zweiter ist der<br />
aus Berlin stammende und als<br />
„Zicke“ bekannte Eberhard Born,<br />
von dem sein früherer Musiker-<br />
Kollege bei den „Comets“ , Peter<br />
Detzel, sagt, Zicke sei ein genialer<br />
Musiker gewesen, neben dem<br />
man selbst nur ein kleines Licht<br />
habe sein können. Die beiden<br />
spielten im Tanzsaal des Lokals<br />
„Zur Erholung“ in Aurich-Sandhorst<br />
zusammen.<br />
Born selbst gibt sich im Gespräch<br />
bescheiden und deutet seine<br />
„Genialität“ eher indirekt an.<br />
Weil in der kleinen Wohnung im<br />
Berliner Stadtteil Tegel das Radio<br />
ganztägig klassische Musik<br />
spielte, sei er schon im Mutterleib<br />
musikalisch geprägt worden<br />
und habe die Musikalität später<br />
mit der Muttermilch eingesogen.<br />
Schon im Knabenalter war er<br />
beinahe jeden Abend mit englischen<br />
und amerikanischen Musikern<br />
in Westberliner Tanzschuppen<br />
unterwegs, um die Gäste auf<br />
die Tanzfl äche zu bannen. „Nebenbei“<br />
habe er dadurch die englische<br />
Sprache perfekt gelernt.<br />
Was Musiker-Kollegen als seine<br />
„Genialität“ bezeichnen, ist für<br />
„Zicke“ selbst eher normal. Die<br />
Musik in den Bands habe ihn nie<br />
wirklich herausgefordert. Zum<br />
Üben sei er zu faul gewesen. Die<br />
neuen Titel habe er sich später lediglich<br />
auf der Fahrt zum Auftritt<br />
im Auto ein- oder zweimal auf<br />
der CD angehört, „dann hatte ich<br />
meinen Part drauf.“<br />
Die meisten Musiker hatten es<br />
schwerer. Dutzende Male wurden<br />
die Bänder vor- und zurückgespult,<br />
um Rhythmen und Akkorde<br />
sowie die Texte zu notieren. Letzteres<br />
war besonders schwierig,<br />
weil viele Musiker die englische<br />
Sprache nicht verstanden. Außerdem<br />
war die Aufnahme der<br />
Sprache oft undeutlich, zumal die<br />
englischen Bands kein „reines“<br />
Englisch sangen. Ihren deutschen<br />
Kollegen blieb deshalb nur, den<br />
Text phonetisch zu notieren, was<br />
beim Auftritt meist kein Problem<br />
war, weil der Großteil der Gäste<br />
der englischen Sprache ebenfalls<br />
nicht mächtig war.<br />
Vor dem Auftritt war üben, proben<br />
und improvisieren angesagt.<br />
Aber wie ohne Notenkenntnisse,<br />
ohne Unterricht und ohne die<br />
Original-Instrumente? Einige<br />
Jungs hatten, wie der spätere<br />
„Beatniks“-Gründer Otto Seitz,<br />
beim CVJM (Christlicher Verein<br />
junger Männer) einige Griffe auf<br />
der Wandergitarre gelernt, anderen<br />
hatten erste musikalische Erfahrung<br />
in einem Spielmannszug<br />
oder in einer Blaskapelle gesammelt,<br />
einige hatten klassischen<br />
Klavier-Unterricht genossen oder<br />
erlitten wie Anton Wurps aus<br />
Riepe, wieder anderen nahmen<br />
Unterricht bei erfahrenen Tanzmusikern<br />
wie dem Auricher Willi