„Meine Herren und Damen!“ Magda Langhans. Eine ... - Kersten Artus
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innerparteilich dadurch zu verwirklichen,<br />
dass sie keine gesonderten Frauengruppen<br />
oder -abteilungen schuf, sondern, um den<br />
Anschein einer Ausnahmestellung von<br />
vornherein zu vermeiden, die Frauen zu<br />
den jeweiligen Aufgaben mit heranzog.<br />
Dies sollte auch für innerbetriebliche<br />
Einrichtungen wie den Betriebsrat gelten,<br />
wobei die Parole ›Gleicher Lohn für gleiche<br />
Arbeit‹ im Vordergr<strong>und</strong> stand.‘ Ob<br />
wohl sie aus heutiger Sicht nicht als Feministin<br />
bezeichnet werden kann, engagierte<br />
sich <strong>Magda</strong> <strong>Langhans</strong> nach 1945 in der<br />
„Internationalen Frauenliga für Frieden<br />
<strong>und</strong> Freiheit<strong>“</strong> 6 , die es heute noch gibt. Sie<br />
war zudem Landesvorsitzende des Demokratischen<br />
Frauenb<strong>und</strong>s in Hamburg, den<br />
es heute nicht mehr gibt.<br />
Durch gemeinsames Wirken im Frauenreferat<br />
der KPD lernte <strong>Magda</strong> <strong>Langhans</strong><br />
Gertrud Bauche kennen. Diese war<br />
Gymnastiklehrerin <strong>und</strong> nach ihrer lebensbedrohlichen<br />
Erfahrungen der NS-<br />
Verfolgung seit Herbst 1945 Mitglied<br />
der KPD. Ihr Vater, Max Mendel, war<br />
als Genossenschaftskaufmann <strong>und</strong> Sozialdemokrat<br />
von 1925 bis 1929 Mitglied<br />
des Hamburger Senats gewesen. Als Jude<br />
6 Die Internationale Frauenliga für Frieden <strong>und</strong><br />
Freiheit ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO)<br />
mit nationalen Sektionen in über 40 Ländern <strong>und</strong> allen<br />
Kontinenten <strong>und</strong> wurde 1915 in Den Haag gegründet.<br />
Sie besitzt Beraterstatus bei verschiedenen Gremien<br />
der Vereinten Nationen mit einem internationalen<br />
Büro in Genf <strong>und</strong> einem New Yorker Büro <strong>und</strong> ist die<br />
älteste Frauen-Friedensorganisation der Welt.<br />
blieb Mendel der einzige ehemalige Senator,<br />
den die Nazis ermordet hatten.<br />
Gertrud Bauche starb hochbetagt 1999.<br />
Ihr Sohn, der Volksk<strong>und</strong>ler <strong>und</strong> <strong>und</strong> Kulturhistoriker<br />
Professor Dr. Ulrich Bauche,<br />
beschreibt <strong>Magda</strong> <strong>Langhans</strong> als bescheiden<br />
<strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich. Sie konnte sehr gut<br />
zuhören, berichtet er <strong>und</strong> wirkte auf ihn<br />
zwar bestimmt, aber nie rechthaberisch.<br />
<strong>Magda</strong> <strong>Langhans</strong> gehörte im Landesvorstand<br />
der KPD zu denen, die ihn 1950 für<br />
ein Studium nach Leipzig empfahlen, das<br />
er 1953 abschloss.<br />
Die Hamburgische Bürgerschaft befasste<br />
sich in den Nachkriegsjahren immer wieder<br />
mit der Entschädigung politisch Gefangener.<br />
<strong>Magda</strong> <strong>Langhans</strong> setzte sich in<br />
ihren Reden als Bürgerschaftsabgeordnete<br />
leidenschaftlich für eine Wiedergutmachung<br />
der NS-Verfolgten ein. Doch die<br />
Handlungsgr<strong>und</strong>lagen des „Komitees für<br />
die Wiedergutmachung<strong>“</strong>, welches sich aus<br />
ehemaligen KZ-Häftlingen zusammensetzte<br />
<strong>und</strong> die Anerkennung ehemaliger<br />
Konzentrationäre <strong>und</strong> Konzentrationärinnen<br />
vornahm, waren schwierig. Zum<br />
einen hatte die Gestapo die Unterlagen,<br />
die Aufschluss erteilen konnten über die<br />
Anzahl <strong>und</strong> Örtlichkeit der Lager sowie<br />
Karteien über die Insassen vernichtet,<br />
heißt es in einem Protokoll der Sozialverwaltung<br />
vom Mai 1945. Der Historiker<br />
Jörg Berlin schrieb 1981: „Bis Ende<br />
April 1946 wurden 20.265 Anträge auf<br />
Anerkennung als politische Gefangene<br />
gestellt, von denen 10.525 positiv, 5.125<br />
abgelehnt oder an zuständige Heimatorte<br />
verwiesen wurden. Auch in der Folgezeit<br />
gingen noch Tausende Anträge ein.<strong>“</strong><br />
Zum anderen rückten die politischen<br />
Häftlinge schnell aus dem gesellschaftlichen<br />
Bewusstsein <strong>und</strong> damit dem Verantwortungsgefühl:<br />
„Vielleicht müssen<br />
wir, die politisch Verfolgten, uns ehrlich<br />
Antwort geben, dass die Ursache unserer<br />
Unbeliebtheit nicht nur in der bewussten<br />
Verleumdung aus Kreisen alter <strong>und</strong> neuer<br />
faschistischer Bestrebungen liegt, sondern<br />
auch in jener nur halben Wahrheit,<br />
die bei der Öffnung der KZ-Lagerorte<br />
dem deutschen Volk unterbreitet wurde.<br />
Die andere Seite, nämlich der Kampf des<br />
deutschen Widerstandes, die Solidarität<br />
des Lagers <strong>und</strong> die internationale Zusammenarbeit<br />
waren Dinge, von denen das<br />
deutsche Volk nichts erfuhr, denn weder<br />
die Presse der Besatzungsmacht, noch<br />
die deutschen Zeitungen sorgten für genügende<br />
Aufklärung auf diesem Gebiet.<br />
... Die deutsche Bevölkerung war 1945<br />
kriegsmüde; die offene Sympathie für<br />
das NS-Regime war weithin tabuisiert,<br />
Muster nationalsozialistischer Indoktrination<br />
<strong>und</strong> die vorausgegangene politische<br />
Orientierung mit ihrer historisch<br />
tief verankerten obrigkeitsstaatlichen<br />
Komponente wirkten nichtsdestoweniger<br />
weiter. ... Überdies war die Lebensmittel-<br />
<strong>und</strong> Brennstoffversorgung in den ersten<br />
Nachkriegsjahren durchweg schlechter<br />
als in der Kriegszeit.<strong>“</strong><br />
Auch zur Entnazifizierung äußerte sich<br />
<strong>Magda</strong> <strong>Langhans</strong> mehrere Male in der<br />
Bürgerschaft. Die Authentizität ihrer Kritik<br />
bestätigt sich durch folgende Schilderung<br />
von Jörg Berlin: „Das Komitee<br />
erkannte allerdings bald, dass die Qua-<br />
lität der Entnazifizierung auf einer viel<br />
höheren Ebene entschieden wurde. Aus<br />
leidvoller Erfahrung waren die ehemaligen<br />
politischen Gefangenen besonders<br />
misstrauisch gegenüber der Justiz; die<br />
skandalöse Entnazifizierungspraxis gerade<br />
in diesem Bereich – Hamburg war da<br />
keine Ausnahme in den Westzonen – veranlasste<br />
das Komitee schon im November<br />
1945 zu einem ausführlichen Memorandum<br />
an Bürgermeister Rudolf Petersen,<br />
in dem es eine ݆berschwemmung der<br />
hamburgischen Justiz mit ehemaligen<br />
Pg 7 ‹ beklagte.<strong>“</strong><br />
Am 27. Februar 1946 traf sich die durch<br />
die britische Militärregierung „Ernannte<br />
Bürgerschaft<strong>“</strong> zu ihrer konstituierenden<br />
Sitzung. Der Frauenanteil betrug 16 Prozent,<br />
<strong>Magda</strong> <strong>Langhans</strong> war eine der 17<br />
weiblichen Abgeordneten <strong>und</strong> sie wurde<br />
als erste Frau überhaupt in Hamburg in<br />
7 Pgs – Die Mitglieder der NSDAP, aber oft auch<br />
ihre für sie auftretenden Anhänger, wurden „Nationalsozialisten<strong>“</strong><br />
oder kurz „Nazis<strong>“</strong> bzw. „Parteigenossen<strong>“</strong><br />
oder kurz „Pgs<strong>“</strong> genannt<br />
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