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„Meine Herren und Damen!“ Magda Langhans. Eine ... - Kersten Artus

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Frauenges<strong>und</strong>heit, Abtreibungsverbot lockern<br />

„Während es 1943 15,5 Fehlgeburten auf 100 waren, so 1946 im ersten Halbjahr<br />

21,1 auf 100. Das sind aber nur die gesetzlich erfassten Fehlgeburten. Weit größer<br />

ist wahrscheinlich die Zahl, die durch Kurpfuschertum hervorgerufen wird, wobei<br />

vor allen Dingen die Ges<strong>und</strong>heit der Frau <strong>und</strong> Mutter aufs Spiel gesetzt wird.<br />

Hier machen sich auch wieder besondere Kräfte ans Werk, die glauben, dass die<br />

Schwangerschaftsunterbrechungen sehr gute Einnahmequellen sind <strong>und</strong> sich somit<br />

zu einem Objekt der Ausbeutung machen lassen. Hören Sie sich an, was eine<br />

Frau für Medikamente am Schwarzen Markt ausgegeben hat. <strong>Eine</strong> Frau berichtet,<br />

dass sie bereits 1200 Reichsmark ausgegeben hat für irgendwelche Medikamente,<br />

die absolut keine Wirkung gehabt haben. Hier muss man natürlich sagen, dass wir<br />

als Kommunistische Partei – <strong>und</strong> ich glaube alle Parteien – diese Methoden des<br />

Kurpfuschertums ablehnen müssen. Aber die wirtschaftlichen Verhältnisse zwingen<br />

tatsächlich viele Mütter, zu diesem Mittel zu greifen. Ich glaube, dass wir doch<br />

unsere Augen vor diesem sozialen Elend nicht verschließen können. Wir müssen<br />

sehen, was wirklich ist. Wir fordern somit im Interesse der Ges<strong>und</strong>heit unseres<br />

Volkes während dieser Notzeit die Lockerung der §§ 218 <strong>und</strong> 219, zumindest fordern<br />

wir, dass von den Verwaltungen empfängnisverhütende Mittel zur Verfügung<br />

gestellt werden. … Ich glaube, jede Mutter ist gern bereit, Kinder zu gebären, aber<br />

nicht zum Sterben, sondern zum Leben.<strong>“</strong> (18. Sitzung 1946, Einzelplanberatung Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

<strong>und</strong> Leibesübungen)<br />

<strong>„Meine</strong> <strong>Herren</strong> <strong>und</strong> <strong>Damen</strong>! Ich glaube, ein Jahr ist es her, dass in diesem Hause zu<br />

dem Antrag, betreffend § 218, gesprochen wurde. Diese Besprechung lief darauf<br />

hinaus, dass neben der allgemeinen Indikation auch die soziale Indikation freigegeben<br />

wurde. Bis heute ist in dieser Frage nichts geschehen. ... Wenn man betrachtet,<br />

wie dieses Gesetz eigentlich entstanden ist, so muss man sich fragen, wann dieses<br />

Gesetz erlassen worden ist. Das Gesetz ist 1870/71 erlassen worden, als Fürsten,<br />

Barone <strong>und</strong> Junker regierten. Man kann sich vorstellen, dass unter der Beteiligung<br />

dieser Personen Gesetze nur gemacht worden sind von denjenigen, die nicht ein<br />

vorwiegendes Interesse daran gehabt haben. Man hat die Frauen ausgeschaltet <strong>und</strong><br />

diese haben seinerzeit nicht dazu Stellung nehmen können, weil sie angeblich politisch<br />

nicht reif genug waren. Wenn man auch die Fälle erwähnt, in denen Strafmaßnahmen<br />

auf Gr<strong>und</strong> dieses Paragraphen angewandt worden sind, so muss man<br />

doch sagen, dass alle diese Strafandrohungen nichts genützt haben. Schon auf dem<br />

Eisenacher Ärztetag 1928 wurde festgestellt – obwohl die Höchststrafe seinerzeit<br />

zehn Jahre Zuchthaus war –, dass in jenem Jahr 800.000 Unterbrechungen vorgenommen<br />

worden sind. Das hieß aber auch zur gleichen Zeit, dass trotz der hohen<br />

Strafen die Frauen nicht davor zurückgeschreckt sind, ihr Leben aufs Spiel zu set-<br />

zen. Schauen Sie sich die Zahlen an: Es ist zu verzeichnen, dass zehntausende Todesfälle<br />

in dem Jahr 1928 zu verzeichnen waren, außerdem 50.000 Erkrankungen.<br />

Aber auch während der Nazizeit, wo die Höchststrafe die Todesstrafe war, waren<br />

die Zuchthäuser überfüllt mit Verurteilten auf Gr<strong>und</strong> des § 218. ...<br />

Vor 1 ½ Monaten hat in Berlin eine Ärztetagung stattgef<strong>und</strong>en, die sich u.a. auch<br />

mit diesem Problem beschäftigt hat (gemeint ist die Abtreibung durch Kurpfuscher.<br />

K.A.). Auch dort wurde festgestellt, dass jede 25. Frau, die irgendwie einen Eingriff<br />

unternommen hat, dieses mit dem Tode bezahlen musste, dass aber jede sechste<br />

Frau an schweren Erkrankungen danieder liegt <strong>und</strong> auch Erkrankungen für das ganze<br />

Leben auf sich nehmen musste.<br />

Um dieses zu verhindern <strong>und</strong> den Kurpfuschern nicht die Möglichkeit zu geben,<br />

glauben wir, das man eben diese Frage in gesetzliche Bahnen lenken muss. Heißt<br />

das nun aber, wenn wir fordern, dass der Arzt nicht bestraft werden soll, wenn er<br />

einen Eingriff vornimmt, dass wir als Kommunistische Partei der zügellosen Abtreibung<br />

das Wort reden? Keinesfalls. Wir wollen nur im Interesse der Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> des ganzen Volkes verhindern, dass die Frauen zum Kurpfuscher gehen. Wir<br />

kämpfen als Werktätige für das Leben <strong>und</strong> für die Erhaltung des Lebens. Wir wollen<br />

nicht bald dieser oder jener Frau helfen, dass sie das Kind loswird. An erster Stelle<br />

steht für uns das Leben <strong>und</strong> die Erhaltung des Lebens <strong>und</strong> danach wollen wir handeln.<br />

Wir möchten auch nicht, dass Ärzte in Konflikt mit den Gesetzen kommen,<br />

<strong>und</strong> nachher zu Handlungen gezwungen werden, die sie selbst nicht verantworten<br />

können. Ich weiß nicht, wie weit dem Hause bekannt ist, dass im MORGEN vom<br />

28. August 1947 steht: ,Ein Berliner Arzt zerstückelt Patientin.‘ Warum? Weil er einen<br />

verbotenen Eingriff gemacht hatte <strong>und</strong> diesen Eingriff verwischen wollte, weil<br />

die Frau Cäcilie Jenner nicht mehr aus der Narkose erwacht ist, deshalb hat er die<br />

Leiche irgendwo verscharrt.<br />

Wir sind der Auffassung, dass solche Dinge eventuell zu schweren Verbrechen<br />

führen können. Auch bei sachgemäßen Eingriffen eines Arztes können Schäden<br />

hinterlassen werden, die sich auf das gesamte Leben der Frau auswirken können.<br />

Wir sind der Auffassung, dass Vorbeugen die beste Hilfe überhaupt ist. Zu gleicher<br />

Zeit interessiert die Frage, ob die Ärzte sich einmal mit der Frage befassen wollen,<br />

welche Präventivtechnik sie überhaupt anwenden wollen. Man muss sich mit der<br />

Frage befassen: Welche Mittel können wir anbieten, um auch nicht den Ärzten<br />

oder anderen Leuten ein bestimmtes Geschäft zuzuweisen derart, dass sie jedes<br />

Mittel anpreisen werden?<br />

Zum § 219, den der letzte Antrag betrifft, wird gewünscht, dass eine Lockerung<br />

eintritt. Ich glaube, das ist bereits durch die Anordnung der Militärregierung geschehen,<br />

wonach diese Fassung von 1936 aufgehoben wurde. Aber die Ursachen<br />

liegen auf anderem Gebiete <strong>und</strong> zwar darin, dass man zu wenig in die öffentlichen<br />

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