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„Meine Herren und Damen!“ Magda Langhans. Eine ... - Kersten Artus

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mit Lustbarkeit zu tun hat, sondern dazu dient, das Volk in seiner Kraft zu stählen.<br />

Auch hier müsste man einen anderen Weg beschreiten <strong>und</strong> diesen kleinen Sportvereinen<br />

durch Senkung der Lustbarkeitssteuer die Möglichkeit geben, wieder Veranstaltungen<br />

durchzuführen, um dadurch die Massen des Volks auch wieder für den<br />

Sport zu interessieren. ...<strong>“</strong> (16. Sitzung 1947)<br />

<strong>„Meine</strong> <strong>Herren</strong> <strong>und</strong> <strong>Damen</strong>! ... Die Kulturschaffenden führen ein unzureichendes<br />

Leben. So ist es auf dem Gebiet des Theaters, der bildenden Kunst, des Musiklebens<br />

<strong>und</strong> auch auf dem Gebiet der Wissenschaft. Ich glaube, über 1.000 der Kulturschaffenden<br />

sind erwerbslos <strong>und</strong> ein sehr großer Teil erhält nur eine Gage in<br />

Höhe eines halben Monatsgehalts eines kaufmännischen Angestellten. Die Städtische<br />

Bühne in Harburg ist geschlossen worden, andere Theater sollen in private<br />

Hände übergehen. Ich möchte einmal die Frage stellen: Wie vereinbart sich diese<br />

Handlungsweise mit dem 28-Punkte-Programm der SPD, das der Senat, wie Bürgermeister<br />

Brauer erklärte, sich zu eigen gemacht hat? In diesem Programm heißt<br />

es unter Punkt 24: ,Ausbau unter öffentlichem Einfluss stehender Theater zu kulturell<br />

hochqualifizierten Volkstheatern.‘ Wenn in Harburg 56 Jahre lang ein Theater<br />

bestanden hat, glaube ich, steht die Schließung des Theaters im Widerspruch zu<br />

diesem Punkt 24 des Programms. ... Wenn dabei in Betracht gezogen wird, dass<br />

die 110 entlassenen Kulturschaffenden in Harburg eine Erwerbslosenunterstützung<br />

pro Woche, ich möchte sagen, nur im Durchschnitt von 20 Mark erhalten – sie<br />

beläuft sich vielleicht auf eine etwas höhere Summe –, so würde diese Summe der<br />

Erwerbslosenunterstützung für neun Monate 79.200 Mark ausmachen. ... Wir im<br />

Theaterausschuss haben uns wiederholt mit dem Harburger Theater beschäftigt<br />

<strong>und</strong> es ist größtenteils immer eine einstimmige Meinung erzielt worden, dass den<br />

Harburgern ihr Theater erhalten bleiben muss. ...<br />

Nicht viel anders wie beim Theaterleben sieht es auf dem Gebiet der bildenden<br />

Kunst aus. Nach der Währungsreform sind für die notleidenden Künstler nur 9.500<br />

Mark ausgeworfen worden <strong>und</strong> davon 2.500 Mark als Darlehen. Obwohl diese<br />

Künstler ein ärmliches Dasein führen <strong>und</strong> dadurch in ihrer Schaffenskraft ungeheuer<br />

gehemmt sind, sind sie oft gezwungen, Haushaltsgegenstände, soweit sie<br />

die noch im Übermaß besitzen, zu verkaufen oder sie gingen als Handwerker oder<br />

Tagelöhner. ...<br />

Theater, Kunst <strong>und</strong> Wissenschaft müssen verkrüppeln, wenn nicht andere wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> politische Voraussetzungen geschaffen werden.<br />

Es gibt meines Erachtens keine west-, keine ost-, keine nord- <strong>und</strong> süddeutsche<br />

Kultur, sondern wir sollten uns alle bewusst sein, dass auch die deutsche Kultur<br />

nur gemeinsam entwickelt werden kann, wenn wir zu einer einheitlichen Nation<br />

kommen werden, denn letzten Endes waren Goethe, Lessing nicht Männer, die<br />

nach Hamburg oder Westdeutschland gehörten, sondern diese großen Dichter <strong>und</strong><br />

Denker gehörten der gesamten deutschen Nation.<br />

Wenn Herr Bürgermeister Brauer erklärte, der Marshallplan sei in allen Ländern<br />

ein Segen für die Bevölkerung, so möchte ich nur auf Frankreich verweisen, wo die<br />

Beschäftigung der Filmindustrie schlechter ist als zur Zeit der Hitler-Besetzung.<br />

Das sind die Auswirkungen des Marshallplanes, die sich auch in Westdeutschland<br />

besonders in der Filmindustrie bemerkbar machen. Ich möchte noch die einzelnen<br />

Fraktionen bitten, den Antrag der FDP-Fraktion in Bezug auf die Erhöhung der<br />

Mittel für die Volksbüchereien <strong>und</strong> den Antrag der CDU-Fraktion zur bildenden<br />

Kunst sowie unseren Antrag für das Harburger Theater heute endlich zu beschließen.<br />

...<strong>“</strong> (16. Sitzung 1949)<br />

<strong>„Meine</strong> <strong>Herren</strong> <strong>und</strong> <strong>Damen</strong>! ... Wir können uns auch nicht damit einverstanden erklären,<br />

dass für die Hamburger Kammerspiele 60.000 Mark gegeben worden sind.<br />

Dieses Theater hat nicht die dringende Bedürftigkeit wie alle anderen Theater.<br />

Zum anderen hat sich dieses Theater zu einem snobistischen Theater entwickelt.<br />

Ich glaube, dass viele Theater weit mehr die Interessen der Gesamtbevölkerung<br />

vertreten. Ich möchte nur an das Harburger Theater erinnern, an die Junge Bühne<br />

<strong>und</strong> zum anderen auch an das Kindertheater von Frau Windschütz. ...<br />

Zum anderen Punkt: 50.000 Mark für das Goethe-Jahr. Wir haben nichts gegen<br />

das Goethe-Jahr <strong>und</strong> sind der Meinung, dass gerade unsere Dichter <strong>und</strong> Denker zu<br />

Ehren kommen sollen. Wir können uns aber nicht damit einverstanden erklären,<br />

dass der Senat einen Aristokraten <strong>und</strong> Monarchisten, wie den spanischen Philosoph<br />

Ortega y Gasset 1 geholt hat oder holen wird als Hauptredner für die Goethe-<br />

Veranstaltungen.<br />

Wir sind der Meinung, dass es genügend demokratisch gesinnte Menschen geben<br />

würde, auch außerhalb unseres Landes, wo man klar unterscheiden kann, zu welcher<br />

Linie er sich hinschlägt, das heißt, zur demokratischen oder zur monarchistischen<br />

Linie. Bei Herrn Ortega y Gasset muss man sich fragen: Ist er bei Goebbels<br />

<strong>und</strong> Rosenberg in die Lehre gegangen oder hat Rosenberg bei Gasset gelernt.<strong>“</strong> (19.<br />

Sitzung 1949)<br />

1 José Ortega y Gasset, Soziologe. Bedeutsamstes Werk: Der Aufstand der Massen. Die Gleichheit aller<br />

Menschen sei ein Gr<strong>und</strong> dafür gewesen, dass die moderne Zivilisation sich in eine „ungerichtete Aggressivität<strong>“</strong><br />

gewandelt habe, die im Faschismus zum Ausdruck gekommen sei.<br />

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