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„Meine Herren und Damen!“ Magda Langhans. Eine ... - Kersten Artus

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Studenten zum Teil herumvagab<strong>und</strong>ieren, dass sie mit Rasierklingenverkauf Geld<br />

verdienen müssen <strong>und</strong> von Tür zur Tür gehen oder dass sie sogar als Lohndrücker<br />

in den Betrieben verwendet werden. (Zuruf: Nanu!)<br />

Nanu, jawohl <strong>und</strong> es ist erst vor einer Woche gewesen oder vor drei Wochen, ich<br />

weiß es nicht genau, da hat man Studenten in den Betrieb Tretorn hineingeschickt<br />

<strong>und</strong> sie verpflichtet, für 1 DM pro St<strong>und</strong>e zu arbeiten, obwohl der Tarif 1,20 DM<br />

beträgt.<br />

Ich muss sagen: Hier haben die Studenten wirklich erkannt, dass sie keine Lohndrücker<br />

sein dürfen, sie haben mit den Arbeitern dieses Betriebes dafür gekämpft,<br />

ebenfalls den Tariflohn zu erhalten. Aber wir sind der Meinung, dass diese Stipendien<br />

nicht nur für sieben Monate gelten können, sondern dass die Studenten<br />

mit ihren Familien auch während der fünfmonatigen Semesterferien leben müssen.<br />

Man sollte weiter die Stipendien für Ledige von 90 auf 130 DM <strong>und</strong> für Verheiratete<br />

von 130 auf 200 DM erhöhen. Das ist nicht einmal das, was eine Familie<br />

für den Lebensunterhalt braucht. Wir sind der Auffassung, dass man viel machen<br />

kann. Herr Bürgermeister Brauer hat gestern – ich glaube, zum ersten Mal seit fünf<br />

Jahren – gesagt: Alles das, was noch vom Krieg übrig geblieben ist, eingeschlossen<br />

die Besatzungsmächte, muss verschwinden. Ich bin dafür, dass Herr Bürgermeister<br />

Brauer es nicht bei Reden lässt, sondern handelt, dass endlich die Besatzungstruppen<br />

Deutschland verlassen; denn dann haben wir soviel Geld, dass wir täglich eine<br />

Schule bauen können <strong>und</strong> diese Möglichkeiten werden gegeben, wenn Deutsche<br />

aus Ost <strong>und</strong> West sich an einen Tisch setzen.<strong>“</strong> (26. Sitzung 1950)<br />

Kultur, Bibliotheken, Sport, Goethe-Jahr<br />

„Ich glaube, alle Fraktionen sind der Auffassung, dass die Kunst dem Volke gehört,<br />

da sie auch vom Volk geschaffen wurde. Mit diesem Ausdruck ist allerdings in den<br />

vergangenen Jahren recht viel Missbrauch getrieben worden, besonders in der Nazizeit,<br />

deren Kunst <strong>und</strong> Erziehung dahin gegangen ist, die Jugend auf den Krieg<br />

vorzubereiten, während wir der Jugend neue Wege zum Leben <strong>und</strong> schöpferischen<br />

Handeln zeigen wollen. ... Wir sind der Meinung, dass wir neue Wege finden müssen,<br />

um verbilligte Karten für die Kategorie des Volkes zu liefern (gemeint sind<br />

Werktätige, K.A.). Nehmen wir noch diejenigen Bevölkerungskreise hinzu, die von<br />

der sozialen Fürsorge leben müssen. Deren Einnahmen reichen nicht aus zum normalen<br />

Leben, viel weniger noch, einmal im Monat eine Theaterkarte zu kaufen.<br />

Man muss sich einmal damit befassen, ob nicht die Senkung der Lustbarkeitssteuer<br />

erfolgen kann <strong>und</strong> muss einen Ausschuss zur Beratung der Frage schaffen, weil gerade<br />

unsere Staatstheater viel zu wenig Raum bieten. ... Bürgermeister Brauer sagte,<br />

dass der Ausbau der Staatsoper erfolgen muss. Auch wir sind der Meinung! Auch<br />

wir sind der Meinung, dass die Staatsoper, wenn möglich, noch größer hergestellt<br />

wird, als sie vor dem Zusammenbruch war. Aber ich glaube, jetzt heißt für uns die<br />

Frage: Was ist nötiger fürs Volk? Wir verkennen nicht die Kultur, die kulturpolitische<br />

Erziehung des Volkes, aber im Moment, glaube ich, würden die Werktätigen,<br />

das Volk, nicht verstehen, wenn wir Steine <strong>und</strong> Zement usw. für ein Theater nehmen<br />

<strong>und</strong> den Aufbau unserer Wohnungen dadurch vernachlässigen wollten. ...<br />

<strong>Eine</strong> andere Frage sind die Bibliotheken. Sie sind, glaube ich, die wichtigsten Bildungsstätten<br />

für die Bevölkerung allgemein. Aber schauen wir einmal die Bibliotheken<br />

an! Da sollte es sich die Kulturverwaltung zur Aufgabe machen, nicht die<br />

Staatsbibliothek nur mit neuen Büchern zu versorgen, sondern auch, soweit möglich,<br />

einmal die Kontrolle über die Bücher in den vielen, vielen Privatbibliotheken<br />

auszuüben. Schauen wir sie uns an <strong>und</strong> gehen hinein!<br />

Es ist erschreckend, was für primitive, schlechte Romane, die leider noch von der<br />

breiten Masse gelesen werden, in diesen Bibliotheken vorhanden ist. Man sagt, es<br />

ist kein Papier da. Es gibt auch zu wenig Lehrbücher. Aber stellen wir uns doch<br />

einmal die Frage: Ist es nötig, wo die Kalorienzahl, die Zuteilung an Lebensmitteln,<br />

so gering sind, noch Kochbücher herzustellen, worin beschrieben wird, ,man<br />

nehme so <strong>und</strong> so‘? Welche Hausfrau kann diese Bücher heute noch verwenden, wo<br />

sie doch nichts hat, es sei denn, sie bezieht vom Schwarzmarkthändler? ... Es gibt<br />

auch Bücher über die Kaninchenzucht – natürlich sind sie ebenfalls außerordentlich<br />

nötig – <strong>und</strong> was für Traktätchen mehr. Statt dieser Literatur sollte man besser<br />

Fichte, Herder, Goethe <strong>und</strong> auch die sozialistische Literatur in die Bibliotheken<br />

hineintragen. ... Vergessen wir nicht bei unseren kulturellen Betrachtungen, dass<br />

wir eigentlich der Landbevölkerung sehr wenig kulturelle Veranstaltungen bieten<br />

können. Es sollte die Aufgabe der Kulturverwaltung <strong>und</strong> der Behörden sein, doch<br />

einmal zu überlegen, ob man nicht hin <strong>und</strong> wieder Gastspiele in die einzelnen<br />

Vororte Hamburgs geben sollte, deren Bevölkerung es nicht ermöglichen kann,<br />

auf Gr<strong>und</strong> der schwierigen Bahnverhältnisse den langen Weg nach Hamburg zu<br />

kommen. ...<br />

<strong>Eine</strong> Aufgabe, die uns in Hamburg erwartet, wurde auch von Herrn Blumenfeld<br />

(CDU-Fraktion, K.A.) bereits angeführt: die Heranziehung guter Künstler <strong>und</strong> guter<br />

Regisseure. Aber auch gute Filme müssen gezeigt werden. Wir wissen, dass das<br />

Kino für die Aufklärung des Volkes, für die Hebung des Kulturniveaus unseres Volkes,<br />

ein sehr wichtiges Mittel ist. Aber nicht Filme, die dem Volk nichts geben, es<br />

nicht erziehen zum Nachdenken. ...<br />

Ein weiteres Moment ist noch der Sport. Viele kleine Sportvereine können heute<br />

keine Sportveranstaltungen durchführen, wenn sie nicht ein großes Defizit haben<br />

wollen. Diese kleinen Vereine sind der Meinung, dass der Sport eigentlich nichts<br />

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