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W i r t S C H a F t K r i S e n u n D D e m O K r at i e –<br />
Fünf Fragen an Herrn Prof. Dr. alexander gallus, universität rostock<br />
Die Handlung von Cabaret beginnt am Silvesterabend des Jahres 1929, in<br />
einer Zeit der Krise. Zwei Monate zuvor hat der Zusammenbruch der Börsenkurse<br />
in New York die Weltwirtschaftskrise ausgelöst. Heute, im Jahr<br />
2010, leben wir auch in einer Zeit, die durch eine ernste Krise des globalen<br />
Finanz- und Wirtschaftssystems geprägt ist. Wo sehen Sie die Hauptunterschiede<br />
der Krisen von 1929 und 2008?<br />
Wirtschaftshistoriker betonen vor allem die Unterschiede zwischen den Krisen.<br />
So seien beispielsweise die internationalen Finanzbeziehungen heute<br />
eher von kooperativem Handeln gekennzeichnet, während damals – nicht<br />
zuletzt mit Blick auf Kriegsfolgen und Reparationsproblematik – von Misstrauen<br />
und Feindschaft geprägte Beziehungen dominierten. Wichtiger als auf<br />
einzelne ökonomische Indikatoren und Mechanismen einzugehen, erscheint<br />
mir hingegen die gewachsene Akzeptanz und größere Krisenresistenz der<br />
westlich-pluralistischen Demokratie in Deutschland heute im Vergleich mit<br />
der Zwischenkriegszeit zu betonen. Gerade in den zurückliegenden zwei Jahren<br />
war die Vokabel »Weimar« wieder häufiger zu vernehmen. »Bonn ist nicht<br />
Weimar« heißt die 1956 von dem Schweizer Publizisten Fritz René Allemann<br />
geprägte Formulierung, die paradoxerweise auch noch gelegentlich in der so<br />
genannten Berliner Republik als Stereotyp der Selbstberuhigung dient. Auch<br />
wenn man die allzu lineare, »volkspädagogisch« anmutende Erzählung einer<br />
bundesrepublikanischen Erfolgsgeschichte ablehnt, hat sich die west- und<br />
später gesamtdeutsche Demokratie doch zu einem stabilen, in den Augen der<br />
Bürger überwiegend begrüßenswerten politischen System entwickelt (wobei<br />
die demoskopisch messbare politische Systemzufriedenheit weiterhin im<br />
Westen des Landes deutlich größer als im Osten ist). Das war Ende der 1920er,<br />
Anfang der 1930er Jahre noch ganz anders, als das »System« von Weimar, wie<br />
es abfällig hieß, von links bis rechts geschmäht wurde und es an einem breiten<br />
Konsens überzeugter Demokraten fehlte. Vor diesem Hintergrund zeitigte die<br />
Weltwirtschaftskrise nach 1929 fatale Wirkungen und hob die gesamte poli-<br />
alexanDer galluS<br />
wurde 1972 in Berlin geboren.<br />
Als Stipendiat der Studienstiftung<br />
des deutschen Volkes<br />
studierte er Geschichte und<br />
Politikwissenschaft in Berlin<br />
und Oxford und promovierte<br />
an der TU Chemnitz, wo er<br />
mehrere Jahre als Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter beschäftigt<br />
war. Seit 2006 ist Gallus<br />
Juniorprofessor an der<br />
Universität <strong>Rostock</strong> und erhielt<br />
2008 den Förderpreis der Deutschen<br />
Gesellschaft e.V.<br />
Im Februar 2010 erscheint bei<br />
Vandenhoeck & Ruprecht in<br />
Göttingen das von ihm herausgegebene<br />
Buch »Die vergessene<br />
Revolution von 1918/19«.<br />
Am Potsdamer Platz, um 1935