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Das Argument 99 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Gert Mattenklott<br />

„Auf den Füßen gehts nicht mehr,<br />

Drum gehn wir auf den Köpfen"<br />

(Goethe: Faust I, 4370)<br />

Literarische Komplexität und der Komplex Ökonomie<br />

Seit ich 1963, im 26. Heft dieser Zeitschrift, Thomas Metschers<br />

Aufsatz über „Geschichte und Mythos bei Beckett" gelesen habe, bin<br />

ich ein respektvoller Leser seiner Beiträge zu Problemen einer<br />

marxistischen Ästhetik; mit Hochachtung zumal vor der Beständigkeit<br />

ihrer Blickrichtung, die sich seit damals in der Konzentration<br />

auf die Gesellschaftlichkeit der Kunst durch keine der seither in<br />

Geltung, Inflation und Verfall geratenen irrlichternden Innovationen<br />

hat ablenken lassen. Metschers Auseinandersetzung mit der wohl<br />

lautersten und produktivsten Gestalt bürgerlicher Philologie in der<br />

BRD nach dem Zweiten Weltkrieg, dem literaturwissenschaftlichen<br />

Werk Peter Szondis, und seine Aneignung der gesellschaftlichen Positionen<br />

und wissenschaftlichen Fragestellungen, die der Widerspiegelungstheorie<br />

zugrunde liegen, dürfen vermutlich als paradigmatische<br />

Lernschritte auf dem Weg zur Begründung der Philologie als<br />

einer Gesellschaftswissenschaft gelten, und sie mögen <strong>für</strong> nicht<br />

wenige Studenten dieser Disziplin diese Bedeutung bildungsbiographisch<br />

auch bereits erlangt haben.<br />

Ich schicke diese Versicherung meiner Anerkennung voraus, weil<br />

die bürgerliche Tradition gerade auch der Literaturwissenschaft die<br />

Streitgespräche von Kollegen als Versuche gegenseitiger Vernichtung<br />

von konkurrierenden Kontrahenten in Mißkredit gebracht hat. Ich<br />

möchte mich stattdessen bemühen, meine Anmerkungen zu Metschers<br />

Faust-Essay als einen Beitrag zur Verstärkung des argumentativen<br />

Gewichts der gesellschaftswissenschaftlich orientierten Philologie<br />

zu formulieren, die wie Metchers so auch meine eigene<br />

Sache ist.<br />

Eine erste <strong>kritische</strong> Bemerkung zu nicht nur diesem Aufsatz des<br />

Verfassers muß ich allerdings vorausschicken, die unter Umständen<br />

weniger schon die verhandelten Sachen als die Form der Verhandlung,<br />

nicht mangelnde Verständigkeit, sondern getrübte Verständlichkeit<br />

betrifft. Sie scheint mir die Aneignung der vorgetragenen<br />

Überlegungen gelegentlich so hartnäckig zu blockieren, daß sie geradezu<br />

Vorurteile dem Gemeinten gegenüber erzeugt; ja ich muß<br />

gestehen, daß dies Gemeinte mir über etliche Passagen schlicht ein<br />

Geheimnis des Autors bleibt. Zwei Beispiele: „Die Ökonomie, ge-<br />

DAS ARGUMENT <strong>99</strong>/1976 ©

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