Das Argument 98 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 98 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 98 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ökonomie 725<br />
Recht ist zunächst einmal eine empirisch vorfindliche normative<br />
Ordnung, die Macht- und Verkehrsbeziehungen stabilisiert. Es sind<br />
wirkliche normative Erwartungen zwischen wirklichen Menschen,<br />
entstanden aus heiligen und unheiligen Motiven. Sollte das Recht<br />
tatsächlich in der Lage sein, sich am eigenen idealen Schopf aus dem<br />
Sumpf zu ziehen, so mag dem Rechtsdogmatiker die Arbeitshypothese<br />
oder Arbeitsfiktion eines relativen Naturrechts helfen. Der<br />
Soziologe, und damit auch der Rechtssoziologe, tut bessere Arbeit<br />
mit einer eigenen <strong>kritische</strong>n <strong>Theorie</strong> der Gesellschaft.<br />
Ryffels große Stärke ist seine prägnante Bestandsaufnahme. Ihm<br />
ist eine notwendige „systematische Orinetierung" gelungen, und sein<br />
ausgereifter Stil macht Lust am Lesen und beweist, daß man über<br />
Soziologie auch deutsch reden kann. Beifall verdient auch, daß er<br />
die Notwendigkeit einer praktisch-philosophischen Orientierung der<br />
(Rechts-)Soziologie betont, während Luhmann Existenzfragen in<br />
Sozialtechnologie auflöst und dabei apokryphe philosophische Vorentscheidungen<br />
einführt.<br />
Gegen Luhmann und Ryffel ist aber festzuhalten, daß es die einzige<br />
„eigentliche" Aufgabe und Methode der Rechtssoziologie nicht<br />
gibt, nicht geben kann und nicht geben soll. <strong>Das</strong> eine <strong>für</strong> alle verbindliche<br />
Paradigma würde Rechtssoziologie ebenso verarmen wie<br />
Soziologie oder gar Philosophie. Die unvermeidlichen Blickverengungen<br />
und Dogmatisierungen, sozusagen die fruchtbaren Denkverbote<br />
jedes wissenschaftlichen Forschungsprogramms, können nur durch<br />
eine Pluralität von Ansätzen aufgewogen werden, die der Pluralität<br />
der Probleme und legitimen Erkenntnisziele entspricht. <strong>Das</strong> komplexe<br />
Recht muß auf vielen verschiedenen Ebenen zu ganz verschiedenen<br />
Zwecken soziologisch behandelt werden: Luhmanns Frage, wie<br />
das Recht die Welt im Innersten zusammenhält, ersetzt weder Benders<br />
Frage, wie man Prozesse verkürzen und Zugangssperren abbauen<br />
kann, noch läßt sich diese Frage aus jener ableiten.<br />
Ekkehard Klausa (Berlin/West)<br />
Ökonomie<br />
Amin, Samir: D i e u n g l e i c h e E n t w i c k l u n g . Essay über<br />
die Gesellschaftsformationen des peripheren Kapitalismus. Hoffmann<br />
und Campe Verlag, Hamburg 1975 (307 S., br., 39,80 DM).<br />
Im Rahmen seines Versuchs einer Unterentwicklungstheorie untersucht<br />
Amin zuerst die Genese des Kapitalismus durch eine Betrachtung<br />
vorkapitalistischer Produktionsweisen; es folgt die Darstellung<br />
der <strong>für</strong> ihn fundamental verschiedenen Akkumulationsmodelle im<br />
zentralen und peripheren Kapitalismus sowie anschließend der Abhängigkeit<br />
und Fremdbestimmung der Peripherie; am Schluß werden<br />
dann die momentanen Gesellschaftsformationen der Peripherie<br />
als Resultate dieser komplexen Vorgänge dargestellt.<br />
DAS A R G U M E N T <strong>98</strong>/1976 ©