Das Argument 98 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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590 Urs Jaeggi<br />
Durchsetzung der Forderungen erhebliche, ja zum Teil unversöhnlich<br />
scheinende Divergenzen bestehen, nicht allzuviel.<br />
Für die Kommunisten ist die Notwendigkeit einer Bündnispolitik<br />
klar. Für die SPD-Linke ist die Frage nach einem möglichen Zusammengehen<br />
oder auch nur partiellen Bündnis nicht selbstverständlich.<br />
Da es „links" von der SPD in der Bundesrepublik keine numerisch<br />
ernstzunehmende, und das heißt eben auch keine auf politisch wesentliche<br />
Gruppen (gar Klassen) sich stützende kommunistische oder<br />
sozialistische Partei gibt, befindet sich die Sozialdemokratische Partei<br />
Deutschlands in einer äußerst schwierigen Situation. Niemand kann<br />
ernsthaft daran zweifeln, daß die Reformbemühungen der SPD,<br />
spätestens ab 1949, im wesentlichen die Veränderungen im kapitalistischen<br />
System selbst aufzufangen versuchten. Fülberth/Harrer, als<br />
Kritiker dieser Entwicklung, formulieren es dabei noch einigermaßen<br />
dezent, wenn sie schreiben, daß es unwahrscheinlich sei, „daß<br />
bei .Schlingerbewegungen' (der SPD) mehr herauskomme als der —<br />
seit ca. 1974 wohl wieder obsolete — Versuch, in die sozialliberal<br />
dominierte Einheit der sozialdemokratischen Bewegung auch potentielle<br />
links-oppositionelle Kräfte einzubeziehen." 21 Diese von einem<br />
DKP/SEW-Standpunkt vorgetragene Ansicht, negiert linksoppositionelle<br />
Chancen in der SPD. Da<strong>für</strong> gibt es <strong>Argument</strong>e. Damit wird<br />
freilich auch die Bündnisfähigkeit in Frage gestellt, die gesucht wird.<br />
Jedenfalls ist das Alleinanspruchsrecht einer Partei als Arbeiterpartei<br />
nicht bloß politisch, sondern auch theoretisch falsch. Die zum<br />
Teil verächtlich geäußerten Ansichten über den sozialdemokratischen<br />
Reformismus (als Verrat an der Arbeiterklasse) und die Vorstellung,<br />
die SPD könne überhaupt nicht systemverändernde Strukturveränderungen<br />
wollen, geschweige denn durchsetzen, bringen diejenigen,<br />
die eine gemeinsame Politik punktuell und <strong>für</strong> eine künftige Entwicklung<br />
ausgeweitet <strong>für</strong> möglich und notwendig halten, in die Position<br />
des nützlichen Idioten; in die Position, als Wasserträger <strong>für</strong> die<br />
DKP/SEW notwendig zu sein, solange die „Massen" loyal bei der<br />
SPD bleiben. Als Aushängeschild, als auf Zeit notwendiges „Verbindungsglied"<br />
benutzt zu werden, entspräche indes als Linksopportunismus<br />
dem in der SPD ohnehin grassierenden Opportunismus<br />
von rechts.<br />
Die marxistisch-orientierte SPD-Linke als Illusionäre, als falschplaziert<br />
Hoffende abzustempeln, ist als Tendenz gefährlich. Meine<br />
bereits angedeutete Gegenthese: die Entwicklung der SPD wird <strong>für</strong><br />
die europäische Entwicklung genauso entscheidend wie die Entwicklung<br />
der PCI und der PCF in Italien bzw. in Frankreich.<br />
Toleranz, Bündnispolitik, Volksfront?<br />
Eine Aufhebung der indirekten Verbotsstrategie gegen DKP/SEW<br />
qua „Berufsverbot" usw. würde mit Sicherheit der DKP Dissidenten<br />
aus der Sozialdemokratischen Partei zuführen. Andererseits könnte<br />
21 <strong>Das</strong> <strong>Argument</strong> 94 (Dezember 1975), S. 1043.<br />
DAS ARGUMENT <strong>98</strong> /1976 ©